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119.

Neuenbürg, Samstag den 27. Juli 1912.

70. Jahrgang.

RunSIchau.

Der Kaiser befindet sich noch immer in Bal- Holmen-Balestrand; er hörte daselbst am Mitt­woch vormittag an Bord derHohenzollern" einen längeren Vortrag des Generalstabschefs v. Moltke und gegen Abend einen neuen kriegsgeschichtlichen Vortrag des Generals v. Dickhuth über die Zeit nach der Schlacht bei Leipzig. Der Kaiser ei freut sich fortgesetzt des besten Wohlseins. Das Wetter ist andauernd schön. Die Rückfahrt soll am 3. August, abends, erfolgen. An Bord ist alles wohl.

Der Bundesrat hat beschlossen, daß der Durch­schnittsbrand für das Betriebsjahr 1912 13 auf 100 Hundertteile des allgemeinen Durch­schnittsbrandes festzusetzen ist. daß 33^/z Hundertteile der innerhalb dieses Durchschnittsbrandes hergestellten Erzeugung der Vergällungspflicht unterliegen und daß die übrigen 66^/s Hunderlteile davon befreit bleiben.

Ein Versuch mit untauglichen Mitteln sind die über die politische Sommerstille sich hinspinnenden Erörterungen der parteipolitischen Presse über die angeblich bevorstehende Einbringung eines Besitz­steuer-Gesetzentwurfs der verbündeten Regier­ungen im Reichstag; ein Versuch mit untauglichen Mitteln deswegen, weil sie die Tendenz der Beein­flussung in sich tragen, ein zweckloses Beginnen an­gesichts der Selbstverständlichkeit, daß die Regierung schon in dem Momente sich über die Grundzüge einer zu schaffenden Besitzsteuer, als sie ihre Zusage hiezu gab, klar war und klar sein mußte. Mag nun die neue Besitzsteuer die Firma einer erweiterten Erbschaftssteuer tragen oder nicht, der aus der Angst vor einer solchen hervorgegangene Vorschlag eines Berliner führenden Parteiblattes, die notwendigen Neueinnahmen aus einer Besteuerung der Lebens­versicherungen zu ziehen, ist auf alle Fälle mehr wie absurd, ist der Auswuchs derselben parteipolitischen Engherzigkeit, wie sie bei der letzten Reichsfinanz­reform zutage getreten ist. Denk es steht für jeden Einsichtigen außer allem Zweifel, daß durch eine solche Besteuerungsart die bürgerlichen Mittelschichten am meisten betroffen würden, für die eine Lebens­versicherung oft den einzigen Notpfennig für das Alter oder im Todesfälle bildet. Mittelstandspolitik ist also dieser aus Kreisen, die diese Politik sonst vertreten wollen, gekommene Vorschlag sicherlich nicht. Den murrenden Steuerzahlern können wir übrigens heute einen kleinen Kanzleitroft geben in der Form einer genau berechneten Statistik, die in der belgischen Kammer ein Abgeordneter auf­gemacht hat. Danach käme folgende, für Deutsch­land gar nicht ungünstige Kopfliste heraus: England 82,06 Franke», Frankreich 78.98, Holland 57,59, Oesterreich 49,05, Italien 45,04, Deutschland 43,37 Franken. Norwegen 42,60, Dänemark 41,70, Belgien 34 Franken. Wir sehen, der reiche Eng­länder. der uns in den letzten Tagen wieder mit Zahlen für eine neue Flottenvorlage überrascht hat, ist uns auch weit überlegen in Steuerzahlen. Diese neue Flottenvorlage Ergänzungsflottenetat lautet die offizielle Benamsung ist übrigens wieder ein Kabinettstück englischer Hintertürenpolitik. Dem englischen Volke hat man erzählt, daß die seither im Mittelmeer stationierte Flotte in die Nordsee abgeschoben werden müsse zur Ausgleichung des Gegengewichts gegen die deutsche Marine, der die englische ja so wie so drei- und vierfach über­legen sein will und an Zahl auch ist. Nachdem man den Plan nun durchgeführt, kommt den über­schlauen Machern der Sache plötzlich die Einsicht, daß man doch eigentlich das Mittelmeer nicht so arg entblößen dürfe, und das Fazit dieser wunder­baren Einsicht ist der famoseErgänzungsflottenetat". Nur über das Eine schweigen die großen Jenseits­kanal-Politiker vorerst noch: daß es ihnen jederzeit freisteht, diese Mittelmeerergänzungsflotte ebenfalls

jederzeit nach der Nordsee abzuschieben. Zur Aus­gleichung des Gegengewichts natürlich!

London. 26. Juli. Im Unterhaus herrschte gestern vor Beginn der Sitzung eine gewisse Er­regung. Ministerpräsident Asquith kam nach ein­leitenden Bemerkungen auf die deutsch-englischen Beziehungen zu sprechen und erklärte, die inter­nationalen Verhältnisse hätten sich in den letzten 8 Jahren vollkommen ruhig abgewickelt. Manche Angelegenheiten, die vor 10 oder 15 Jahren noch Konflikte herbeigeführt haben würden, seien gütlich beigelegt worden. England habe keinen Grund, in irgend einem Teil der Welt Streit anzufangen. Solche Sonderversprechungen, wie die zwischen Deutschland und Rußland, betrachte England mit Gleichmut. Unter dem Beifall des Hauses erklärte der Minister­präsident dann noch, die Beziehungen zwischen Eng­land und Deutschland seien durch Freundschaft und guten Willen gekennzeichnet. Dem Besuch Haldanes im Frühjahr in Deutschland sei ein freundschaftlicher Meinungsaustausch gefolgt, der noch fortdaure und der auch die Billigung und Unterstützung des aus­gezeichneten Diplomaten gefunden habe, den der Kaiser nach England geschickt habe.

Das englische Unterhaus hat die vom Marineminister Churchill eingebrachte Nachtrags­forderung für die Flotte in Höhe von ca. 20 Mil­lionen Mark mit großer Mehrheit angenommen. In der vorangegangenen Debatte befürworteten Churchill und weiter der Premierminister Asquith die Forder­ung sehr eindringlich, wobei namentlich der erste« höchst ungeniert von der wachsenden Gefahr sprach, welche die sich mehrende deutsche Flotte für England darstellen soll. Ueberhaupt war diese Rede Chur­chills eine förmliche Kriegsrede und hat darum nicht zum wenigsten in England selber Aufsehen erregt und Beunruhigung hervorgerufen. Trotzdem hat Churchill am Mittwoch im Unterhause eine zweite Flottenrede gehalten, in welcher er sich namentlich über die Zahl der dienstbereiten englischen Kriegs­schiffe im Vergleiche zu jener der deutschen Kriegs­schiffe verbreitete. Das Oberhaus hat sich eben­falls schon mit der Nachtragsforderung für die eng­lische Flotte beschäftigt, wobei der Earl of Selborne eine recht chauvinistische Rede hielt, in der er gleich­falls vor der deutschen Flotte warnte und die Kriegs­gefahr an die Wand malte. Es scheint eben, als ob man in England immer nervöser würde und sich partout einbildete, es gelte für England, gegen einen plötzlichen deutschen Angriff gerüstet zu sein, während doch umgekehrt der Schuh daraus wird!

London, 26. Juli. Der Schatzkanzler und der Kriegsminister nahmen gestern jeder in einem mit drahtloser telephonischer Einrichtung ausgestatteten Kraftwagen Platz und führten ein Ge­spräch, während sich die Wagen bis auf 100 englische Meilen von einander entfernten. Der Erfinder Grindell Matthews wird das drahtlose Telephon den Armeebehörden bei dem August-Manöver in Aldershot vorführen.

In Mar 0 kk 0 hat zwischen französischen Truppen, bestehend aus drei senegalischen Bataillonen und einem algerischen Bataillon, und aufständischen Zatans ein ernster Zusammenstoß stattgefunden, wie eine Meldung aus Fez besagt. Ueber den Verlauf des Kampfes teilt indessen die Meldung noch nichts mit. Die bislang in Agadir wohnhaft gewesenen Deutschen sind in Mogador eingetroffen. Auch die Deutschen, welche bislang in Marrakesch wohnten, sind in Mogador angekommen.

Eine der groteskesten Komödie während des ganzen Krieges mit der Türkei haben die Italiener mit ihrem jüngsten Dardanellen­streich aufgeführt, den man nur umso nüchterner beurteilen kann, je lauter die italienischen Fanfaren klingen. OK die Torpedoflottille nun aus kriegs­technischer Unerfahrenheit, die hier fast zur Kinderei geworden ist, oder aus reinem Bramarbasierbedürf­

nisse die Fahrt unternommen hat oder ob diese wirklich rin fo großes Bravour- und Heldenstück war, wie der Welt glauben gemacht werden soll, all das spielt gar keine Rolle angesichts der Tat­sache, daß sich der Streich als eines der gefähr­lichsten Hemmnisse in der allmählich doch reif ge­wordenen Friedenrfrage erwiesen hat: die sieges­trunkenen Italiener übersehen in der in ihrer künst­lich von neuem entfachten Begeisterung die bittere Notwendigkeit, daß im Grunde bei dem langwierigen Kriege, der eigentlich gar keiner ist, auch sie so weit zum leidenden Teile gehören, daß vor dem Friedens­bedürfnis alles andere zurücktreten muß; und die Türkei hat aus dem Vorgang, bei dem wenigstens etwas für sie abgefallen ist, ob nun einige italienische Boote nurleicht" beschädigt worden sind, wie man in Rom nach langem Leugnen endlich zugegeben hat, oder ob der Erfolg der Abwehr noch größer war, entnehmen können, daß sie im Herzen eigentlich doch unverwundbar, weil im Ernste unangreifbar, ist. Und das hat sie diesem Feind gegenüber zum Friedens­schluß sicher nicht geneigter gemacht. Im Gegenteil wird sie es in ihrem Fatalismus nur umso gleich­mütiger hinnehmen, wenn die Italiener ihren fee» männischen Mut etwa von neuem an der einen oder andern Insel im Archipel erproben sollten. Als ungleich größeres Uebel erweist sich mit jedem Tag die innere Zersetzung des Osmanenreichs, denn es hat sich herausgestellt, daß der Aufstand in Albanien nicht der Notschrei eines angeblich unter­drückten Landes ist, sondern daß hinter der ganze» Bewegung eine regelrechte politische Verschwörung steht mit dem Endziel, der so wie so schon stark abgewirtschafteten Herrschaft des Jungtürkentums ein Ende zu machen. Mit anderen Worten: die Türkei steht wiederum am Vorabend einer schweren Er­schütterung, einer regelrechten Revolution, aus der bei aller Verworrenheit nur das Eine deutlich her­vortritt. daß für ein politisch nicht durchgereiftes Volk das Schlimmste ein unfähiger Herrscher oder in diesem Fall ein Herrscher ist, der als Marionette parteipolitischer Umtriebe und Tendenzen zu einer selbständigen, tatkräftigen Aktion nicht zu gebrauchen ist. Da mag dann der leitende, oder man könnte eher sagen der leidende. Staatsmann und einer un> greifbaren Cliquenwirtschaft unterworfene Minister Tewfik Pascha oder Muktar Pascha oder sonstwie heißen. So wie die Dinge sich heute übersehen lassen, war die ganze Aktion gegen das politisierende Offizierstum verfehlt, im Grunde verfehlt, weil die verantwortlichen Stellen die ganze Stimmung im Heere verkannten, das letztmals die Revolution machte und sie auch diesmal macht, ob sie nun blutig oder unblutig verläuft.

Für den Deutschenmord in Cavadonga in Mexiko ist endlich eine gewisse Sühne erzielt worden. Die der Ermordung der Deutsche« be­schuldigten Mexikaner waren bekanntlich aus der Untersuchungshaft entflohen, und zwar mit Hilfe der bestochenen Gefängnisverwaltung. Die gegen die Flüchtlinge ausgesandten Truppen haben nun mehrere von ihnen überrascht und einige davon nieder- geschofsen; die Leichen der Erschossenen wurden von den anderen Flüchtlingen fortgeschleppt.

Hamburg. 26. Juli. Der Vulkanwerft in Hamburg und Stettin ist vor etwa acht Tagen von dem griechischen Marineministerium ein Auftrag zum Bau von acht Hochseetorpedobooten zugegangen. Gestern hat der griechische Minifterat beschlossen, der gleichen deutschen Werft den Auftrag zum Bau eines Panzerkreuzers zu erteilen. Aus Anlaß dieses im internationalen Wettbewerb erungenen Erfolges ist der Werft nachstehende kaiserliche Kundgebung zugegangen:Dem Vulkan sage ich meinen herz­lichsten und aufrichtigsten Glückwunsch zu dem wohl­verdienten und schönen Erfolg, auf welchen die ge­samte deutsche Industrie mit Freude und Stolz blicken darf. Wilhelm I. H."