aus den Ersparnissen eines arbeits- und entbehr­ungsreichen Lebens stammten. Wegen ihres kleinen Vermögens befand sie sich in großer Verlegenheit. Einem Bankier wollte sie es nicht anvertrauen, da diese Herren sich damit zu leicht aus dem Staube machen, und wußte also nicht, was sie machen sollte. Eines Tages glaubte sie ein sicheres Versteck ge­funden zu haben. Ihr Enkel hatte ein Buch, ein schönes, teures Buch mit rotem Einband und Gold­schnitt. Die Alte nahm dieses Buch, legte sorgfältig zwischen die Seiten 40 schöne Hundertfrankscheine und verbarg es unter alten Brettern in ihrem Hühner­stall. Eines schönen Tages fanden spielende Kinder das Buch. Als praktische Leute verteilten sie unter sich die Banknoten und zogen bei der Verteilung einen gerade vorübergehenden Schornsteinfeger hin­zu, der darüber ganz erstaunt war. Letzterer wan­delte nach Belgien, konnte aber anscheinend den Mund nicht halten; denn bei seiner Rückkehr nach Frankreich wurde er verhaftet. Unter der Beschuld­igung des Diebstahls und der Mittäterschaft über­wies ihn der Untersuchungsrichter der Besserungs­polizei.

Das Teerbad. Eine tragikomische Geschichte kam wie die Köln. Volksztg. mitteilt, vor dem Schöffengericht in Marienburg (Westpreußen) dieser Tage zur Verhandlung. Vor einiger Zeit ließ sich Frl. S. in Marienburg, die kurz vor ihrer ehelichen Verbindung stand, aus der Adler-Apotheke Tannen- nadelduft-Extrakt holen, um ein wohlriechendes Bad zu nehmen. Aus Versehen verabfolgte der Apotheker anstatt des gewünschten Tannennadelduft-Extrakt Holzteer. Die Verwechselung führte dazu, daß die junge Braut beim Bad in ein Aschenbrödel verwan­delt wurde. Die Badewanne ließ sich von der teer­igen Masse nicht mehr in den früheren Zustand ver­setzen. Als der Bruder der Dame darauf in etwas unsanften Worten den Apotheker zu Rede stellte, wurde er hinausgewiesen. Die Folge war eine Schadenersatzklage vor Gericht für die unbrauchbar gewordene Badewanne. Der Apotheker wurde zum Schadenersatz verurteilt. Da er jedoch in der Haft­pflichtversicherung war, bezahlte die Versicherung den Schaden. Der Apothekenbesitzer stellte nunmehr Strafantrag gegen den Bruder der Dame wegen Hausfriedensbruchs. Der Gerichtshof kam zu einem freisprechenden Urteil, indem nach der ganzen Sach­lage dem jungen Manne seine Erregung zugute ge­rechnet wurde. Die junge Braut ist übrigens in­zwischen glücklich in den Hafen der Ehe eingelaufen.

Pierpont Morgan und Andrew Car­negie. Das Charakterbild Pierpont Morgans, des in letzter Zeit in Deutschland aus verschiedenen An­lässen vielgenannten Finanzmagnaten, schwankt in der zeitgenössischen Geschichte von einem Extrem zum andern hin und her. Während Lobreden ihn hoch in den Himmel hinein gepriesen und ihn wegen seiner Rolle in der wirtschaftlichen Krisis des Jahres 1907 denRetter des Vaterlandes" genannt haben, gilt er anderen als die gewissensloseste aller trans­atlantischen Trustgrößen, was nicht wenig besagen will. Aber darin sind Freund und Feind einig, daß

Unrecht Gut.

Kriminalroman von Reinhold Ortmann.

5) (Nachdruck verboten.)

«In ihrem eigenen Interesse? Wieso?"

Aber das ist doch klar. Als man dem sauberen Patron hinter seine Schliche kam und ihn verhaftete, war natürlich die erste Frage, wo er mit dem schreck­lich vielen gestohlenen Gelde geblieben sei. Ich habe mir. als die Frau hier einzog und mir die Sommer­gäste vor der Nase wegschnappte, mit vieler Mühe einen Zeitungsbericht über die Gerichtsverhandlung verschafft. Und darum weiß ich alles ebenso gut. wie wenn ich's miterlebt hätte. Wo er mit dem Gelde ge­blieben sei, wurde er gefragt, weil man bei der Haus­suchung nicht mehr als lumpige zweitausend Mark vorgefunden hatte, und weil seine Wohnungsein­richtung nicht kostbarer war. als er sie sich von seinem sehr großen Gehalt bequem hatte anschaffen können. Er hätte alles am Spieltisch und in liederlicher Ge­sellschaft durchgebracht, erklärte er und blieb dabei bis zum letzten Augenblick. Geglaubt aber hat's ihm kein Mensch. Dazu war's viel zu viel gewesen, was er nach seinem eigenen Geständnis um die Ecke gebracht hatte. Selbstverständlich wurde der Frau damals alles weggenommen, was sie besaß, aber es soll bei oem Verkauf kaum genug herausgekommen sein, um oie Kosten des Gerichtsverfahrens zu decken. Und nun mit einem Male der Ueberfluß! Merkst du was? Hihi!"

er eine ungeheure politische Macht ausübt, in vieler Hinsicht eine bedeutend größere, als der Präsident der Union. Auch darüber gibt es wohl kaum Mein­ungsverschiedenheiten, daß ihm in Wallstrett an Gerissenheit kaum einer gleichkommt. Sogar Car­negie mußte in dieser Hinsicht vor ihm die Segel streichen. Als Morgan Miene machte, ihm die Kreise seines Stahltrusts zu stören, glaubte er ein sicheres Mittel an der Hand zu haben, ihm einen gründlichen Strich durch die Rechnung zu machen. Er wußte natürlich, daß sein Nebenbuhler in sehr erheblichem Maße an der Pennsylvaniabahn beteiligt war, und ließ nun laut in die Oeffentlichkeit Hinaus­posaunen, er beabsichtige seine eigenen Eisenbahnen von Pittsburg nach den großen Seen und nach dem Atlantischen Ozean zu bauen. Morgan horchte be­sorgt auf. Das war vielleicht nur ein Bluff, aber die Sache konnte doch auch bitterernst gemeint sein. Als ein Mann von kurzer Ueberlegung faßte er einenheroischen" Entschluß. Er begab sich zu Car­negie und fragte ihn, um welchen Preis er seine Stahlwerke verkaufen würde? Dem Stahlkönig waren kurz vorher 100 Millionen Dollars dafür geboten worden, jetzt nannte er mit der harmlosesten Miene von der Welt 300 Millionen als Kaufpreis. Es folgte eine kurze spannungsvolle Pause des Schwei­gens. die Blicke der beiden Geldgewaltigen ruhten forschend ineinander. Ohne auch nur den Versuch zu machen, etwas von der riesigen Summe abzuhandeln, ohne mit der Wimper zu zucken, ging Morgan zur höchsten Verblüffung Carnegies auf den Handel ein, als ob es sich um eine Bagatelle handelte. Wohl selten war der Stahlkönig so mit sich zufrieden ge­wesen wie in diesem Augenblick; er glaubte seinen Nebenbuhler übervorteilt und das glänzendste Geschäft von der Welt gemacht zu haben. Aber sein Triumph war nur von kurzer Dauer, denn Morgan verstand es, durch Börsenmanipulationen mit den Werten des Stahltrusts so riesige Summen zu gewinnen, daß Carnegie sich nicht lange der Selbsterkenntnis verschließen konnte, er habe den Kürzeren gezogen. Viele Monate später befanden sich die beiden als Passagiere auf demselben Dampfer, der einem eu­ropäischen Hafen zusteuerte. Eines Morgens trafen sie sich so wurde damals in Wallstrett erzählt beim ersten FrühstücktWenn ich über unser Geschäft nachdenke", bemerkte Carnegie,dann sage ich mir, daß ich einen Fehler begangen habe. Ich hätte Ihnen hundert Millionen mehr abverlangen sollen".Und ich hätte Ihnen auch diesen Preis bezahlt", entgegnete boshaft Morgan. Dem früheren Stahlkönig sollen an jenem Morgen das geröstete Brot und die Marmelade gründlich verleidet worden sein.

Der pfiffige Junge. Die Frau vom Hause war gerade in der Küche beschäftigt, als plötzlich ein eiserner Reif, wie ihn die Kinder beim Spielen benutzen, durchs Fenster flog und zwei Scheiben zerbrach. Sie geriet natürlich über den Schaden in gerechte Wut, schaute aus dem Fenster, ob sie den Missetäter nicht erreichen könnte, aber der war spurlos verschwunden. Nach einer Viertelstunde kam ein kleiner Junge:Ich habe Ihre Scheibe

Könnte nicht irgendein Menschenfreund der be­dauernswerten Frau zu der Einrichtung der Villa be­hilflich gewesen sein, Herr Hacker? Sie betreibt das Vermieten doch wohl als einen Broterwerb?"

Der Alte blinzelte den Fragenden aus seinen fatalen kleinen Augen verschmitzt an.

Gibt's solche Menschenfreunde, Herr Doktor? Ich würde Ihnen dankbar sein, wenn Sie mir die Adressen von einigen Mitteilen tzinnten. Und was das Vermieten als Broterwerb betrifft püh! Spiegelfechterei, sage ich Sand in die Augen! Damit würde sie in fünfzig Jahren nicht soviel ver­dienen können, um die Kosten der pompösen Ein­richtung zu bezahlen. Nicht einmal den kümmer­lichsten Lebensunterhalt für den langen Winter könnte sie davon bestreiten. Und die in der VillaWald­frieden" lassen sich nichts abgehen, das können Sie mir glauben. Meine Frau und ich, wir haben ein Auge auf sie, und wir wissen, wie es da zugeht."

Da sehe ich schon das Wirtshausschild und den Briefkasten Dank für die Begleitung, Herr Privatier Hacker!"

Mit einer lässigen Handbewegung hatte Dr. Runge an die Krempe seines Hutes gegriffen und war gleichzeitig so rüstig ausgeschritten, daß es dem Alten unmöglich wurde, sich an seiner Seite zu halten. Er antwortete auch nicht, als der würdige Mann hinter ihm her rief:

Wenn Sie Lust haben sollten, sich gelegentlich zu verändern, Herr Doktor mein Haus ist immer zu Ihrer Verfügung."

zerbrochen draußen ist mein Vater, der zwei neue einsetzen will." Der Junge hatte kaum aus­gesprochen, als der biedere Glasermeister eintrat und sofort an die Arbeit ging, worauf der Kleine seinen Reif nahm und verschwand. Der Mann beendete seine Arbeit und wandte sich dann an die Frau: So, das wäre wieder in Ordnung; ich mach's billig 1,80 ^".Was? 1,80 -^l?l Ihr Sohn hat die Scheiben zerbrochen, da werd ich doch nicht dafür zahlen sollen!"Mein Sohn?" fragte ver­wundert der Glaser.Der Junge, der Sie hierher gebracht!"Der Junge, den kenn' ich gar nicht. Er kam zu mir und sagte, seine Mutter schicke ihn, da sie zwei zerbrochene Scheiben repariert haben wollte. Sie sind doch seine Mutter?" Und dann zerbrachen sich derVater" und dieMutter" die Köpfe, wessen Junge das eigentlich gewesen.

Der weltbekannte Hygieniker Professor Dr. Gustav Jäger in Stuttgart, der sogn. Woll- apostel und Seelenentdecker, feierte am Sonntag seinen 80. Geburtstag. Seine zahlreichen Anhänger in allen Weltteilen senden ihm dazu beste Gratu­lationen:

Freunde, weiht das Glas, das volle.

Dem verehrten Jubilar.

Der zum Sieg verhalf der Wolle!

Bringt ihm Gruß und Glückwunsch dar!

Wohlbefinden, langes Leben,

Fröhlichkeit und Seelenruh Kann (laut Jäger) Wolle geben,

Drum tragt Wolle immerzu.

Siehst du wohl die Motte fliegen Lebensfroh im Uebermaß?

Warum ist sie voll Vergnügen?

Weil sie in der Wolle saß!

Wie gefeit der Wolleträger Gegen Gicht und Zipperlein,

Zeigt am besten Gustav Jäger,

Der noch springt mit flinkem Bein...

Der noch oft im Meinungsstreite Feurig wie ein Jüngling ficht.

Der als Siebziger noch freite Und noch lange rastet nicht.

Seine lange Lebensreise

Klar uns zum Bewußtsein bringt:

Wolle wählt, wer klug und weise!

Wolle stählt, verschönt, verjüngt.

Heil dem Manne, der erweckte Zutraun zu dem Wollregime Und den Seelenduft entdeckte!

Glückwunsch, Preis und Ehre ihm!

sJn der Schule.) Lehrer:Die kürzeste Ent­fernung zwischen zwei Punkten ist also Walter?" Schüler:Die mit dem Luftschiff!"

(Inkonsequenz.)Warum verprügeln Sie Ihren Hund denn so jämmerlich?"Weil er mir die Mitgliedskarte vom Tierschutzverein zerrissen hat, der Racker l"

Ein Zucken wie von aufsteigendem Ekel nur ging bei dieser freundlichen Mitteilung über sein ernstes Gesicht, und als er seine Karten in den Kasten ge­worfen hatte, wählte er für die Heimkehr einen Weg, auf dem er dem gesprächigen Herrn aus der Nach­barvilla nicht wieder begegnen konnte.

Eine andere unvermutete Begegnung aber wurde ihm statt dessen auf diesem Heimwege zuteil. Er war nur noch um ein paar hundert Schritte von dem Hause entfernt, als er auf einer Bank, an der er un­mittelbar vorüber mußte, eine schwarz gekleidete Dame von jugendlich anmutiger Erscheinung sitzen sah. Die Sonne war schon untergegangen, aber in dem stumpfen Blau des Himmels schwammen noch ein paar rosige Wölkchen. Und an ihnen hingen die Blicke der ein­sam Rastenden so traumverloren, daß sie den Schritt des auf dem grasüberwachsenen Fußpfade Näher­kommenden gar nicht vernahm.

Vermutlich würde der Doktor mit stummem Gruße vorbeigegangen sein, wenn nicht ein weißes Taschentuch, das zu den Füßen der jungen Frau niitten auf dem schmalen Wege lag, stillschweigend an seine Höflichkeit appelliert hätte.

Er bückte sich, um es mit einem artigen Wort der Besitzerin zu überreichen. Und sie war so ver­wirrt, sich plötzlich dem Manne gegenüber zu sehen, vor dem sie noch vor einer Stunde gewarnt worden war, daß ihre Wangen erglühten und daß sie ihren Dank leise und schüchtern heraus brachte wie ein weltfremdes junges Mädchen.

(Fortsetzung folgt.) . I

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