Wagens. Der Chauffeur kehrte mit dem Automobil, mit dem er bis an den Eingang der Stadt gefahren war, plötzlich um und fuhr in die Ehinger Landstraße samt dem Schutzmann mit rasender Geschwindigkeit hinein. Etwa zwei Kilometer von Mm entfernt, gab der Insasse des Autos dem Schutzmann einen Stoß auf die Brust, sodaß dieser auf die Straße flog und schwer verletzt wurde. Das Automobil hat das Zeichen IVL, graublauen oder blauen Anstrich und rote Vorhänge an den Fenstern. Man vermutet, daß es seinen Weg nach Prag genommen hat.
Auf dem Neuffen fand am Sonntag das Sommerfest der Nalionalliberalen und Jungliberalen des 5. Reichstagswahlkreises statt, verbunden mit einer Wahlkreisversammlung. Es sprachen Dr. Wölz (Stuttgart), Dr. Bickes, der die Notwendigkeit eines Zusammengehens mit der Volkspartei betonte, aber von einem Linksabmarsch der Natioualliberalen nichts wissen wollte. Die Hauptrede hielt Reichstagsabgeordneter List. In Neuffen fand dann noch ein gemütliches Essen statt.
Eßlingen, 18. Juni. Die bürgerl. Kollegien genehmigten in ihrer heutigen Sitzung einstimmig den vom Ministerium des Innern vorgelegten Vertrag für die Landeswasserversorgung.
Zuffenhausen, 28. Juni. Ein hiesiger Milch- kuranstaltsbesitzer bekam in letzter Zeit Klagen über die Wässrigkeit seiner Milch zu hören, ohne sich dies erklären zu können. Da er mit seinem Schweizer unzufrieden war, und es Streitigkeiten mit diesem gegeben hatte, nahm er sich vor, ihn zu beobachten. Er erwischte gestern den Knecht, als er eben wieder der frisch gemolkenen Milch eine Portion Wasser beimischte. Der Schweizer hatte seinen Herrn in Ungelegenheiten bringen wollen und deshalb verschiedentlich der Milch bis zu 25°/o Wasser zugesetzt. Anzeige ist erstattet.
Asperg, 17. Juni. Der 15 Jahre alte Karl Siegel, der seinen Eltern Wertpapiere in ziemlich hohem Betrag entwendete, ist wieder zurückgekehrt. Der junge Ausreißer wurde sofort festgenommen.
(LaudeSProdukteubörse Stuttgart). Bericht vom 17. Juni. Trotzdem die amerikanischen Börsen fast täglich niedrigere Notierungen meldeten, war in abgelaufener Be» richtswoche die Stimmung auf dem Getreidemarkt eher etwas fester, da die Angebote sämtlicher Ausfuhrländer kleiner waren und höhere Forderungen bestellt wurden. Andererseits ist der Bedarf stärker und insbesondere bleibt nahe Ware gesucht, da inländisches Getreide nicht mehr stark angeboten und höhere Preise verlangt werden. Das Wetter war regnerisch und kühl; die niedergegangenen schweren Gewitter haben in manchen Gegenden großen Schaden verursacht. — Mehlpreise per 100 Kilogr. inkl. Sack Mehl Nr. 0: SS.- ^ bis SS.SO Nr. 1: 34.— ^ bis S4.S0 Nr. 2: 33. - bis 83.50 ^t, Nr. 3: 81.50 bis 32.— Nr. 4: 28.- ^ bis 28.50 Kleie 13.— X bis 13.50 (ohne Sack netto Kasse.)
Bus StaSt, Bez irk u nS Umgebung.
Neuenbürg. Die gesetzliche Regelung des Submissionswesens hat sich angesichts der bisherigen unhaltbaren Zustände mehr und mehr zu einer einmütigen Forderung des deutschen Handwerks gestaltet. Heute liegt uns zu dieser wichtigen Frage eine von der Handwerkskammer Reutlingen an die württ. Erste und Zweite Kammer gerichtete Eingabe vor, die eine Fülle berechtigter Handwerkerwünsche und beachtenswerter Vorschläge enthält. Die vom Sekretär Hermann verfaßte Eingabe stellt als hauptsächlichste Forderungen auf: gesetzliche Regelung des staatlichen und kommunalen Submissionswesens, ausdrückliche Einräumung eines Beschwerderechts sowohl für die Submittenten als für die Handwerkskammer als gesetzliche Vertreterin des Handwerks, übersichtlichere Anordnung der Submis- fionsvorschriften, Ueberlassung der Materiallieferung an die Handwerker. Zuziehung von Sachverständigen bei Aufstellung der Kostenvoranschläge, Anerkennung des Grundsatzes der Zuschlagserteilung zum angemessenen Preise. Verzinsung der Reftguthaben, Zuziehung von Sachverständigen bei Abnahme der Arbeiten. Das württ. Handwerk wird mit nicht geringem Interesse darauf warten, welche Stellung die Abgeordnetenkammer seinen Wünschen und Forderungen gegenüber einnehmen wird. Fehlte es bei früheren Verhandlungen dieser Art vielfach an ausreichendem Material und praktisch durchführbaren Vorschlägen, so kann dies heute nicht mehr gesagt werden. Umsomehr ist zu hoffen, daß der Landtag diesmal ein entschiedenes Wort sprechen und die Regierung zu einer wirklichen Reform veranlassen wird.
Wildbad, 18. Juni. Einer Blutvergiftung erlag hier ein blühendes Menschenleben, der 19 Jahre alte Karl Schraft. Derselbe hatte einem Furunkel zu spät Beachtung geschenkt.
Aliensteig, 17. Juni. Heute morgen wollte
sich ein Schreinerlehrling durch Erhängen das Leben nehmen. Der Lebensmüde wurde noch rechtzeitig entdeckt und abgeschnitten. Hoffentlich ist der Junge nun auf andere Gedanken gekommen.
Pforzheim, 18. Juni. Die Eheleute Löffler im Nachbarort Dillweißenftein trieben seit langem den Milchbetrug derart, daß sie jeweils eine große Kanne halbvoll mit Wasser neben ihren leeren Kannen an die Bahn Mitnahmen und von der an- kommenden Milch das Wasser mit Milch mischten. Das Schöffengericht statuierte ein warnendes Exempel und schickte beide Eheleute auf je vier Wochen ins Gefängnis. Dazu kommen noch je 100 Geldstrafe und die Kosten. Warum geht es denn in Baden, aber nicht bei uns?
Pforzheim, 18. Juni. Gestern nachmittag gerieten in der Benckiserstraße zwei Frauen miteinander in Streit. Dabei ergriff die eine kurz entschlossen ein Feuerwehrbeil und schlug so auf die andere ein. daß sie einen Armbruch erlitt. Der Stil des Beiles brach entzwei.
Falsches Papiergeld. In den verschiedensten Städten sind im Verlaufe von einigen Monaten falsche Hundertmarkscheine angehalten worden. Die Gleichheit der Falsifikate beweist, daß sie alle aus einer Fabrikationsstätte stammen. Auf der Vorderseite unterscheiden sie sich von den echten nur durch kleine Einzelheiten, die bei flüchtiger Betrachtung leicht übersehen werden können. Die Figuren der der Rückseite find ziemlich stark verzerrt, was besonders bei einem Vergleich mit einer echten Note in die Augen fällt.
Warnung. Die Zeit ist wieder da, wo man den Kindern, manchmal aber auch Erwachsenen, nicht oft genug einschärfen kann, kein unreifes Obst zu genießen, und besonders nach dem Genuß von Obst kein Wasser zu trinken. Wie sehr die Warnung angebracht ist, beweist ein Fall aus Offenburg. Der 11 Jahre alte Sohn des Wagenwärters Steyle trank nach dem Genuß unreifen Obstes Wasser und mußte seine Unvorsichtigkeit mit dem Tode büßen.
Calw, 13. Juni. (Vieh- und Schweinemarkt.) Zugesührt waren 6 St. Pferde, 299 St. Rindvieh, 15 St. Milchschweine und 28 Läufer. An Großvieh wurden verkauft 28 Ochsen und Stiere zu 760 bis 1268 pro Paar, 43 Kühe zu 254—520 ^ü, 69 St. Kalbeln und Jungvieh zu 115—470 ^ und 3 Stück Kälber zu 68—104 ^ pro Stück. Der Preis für Milchschweine betrug 32—54 ^ und für Läufer 55—140 ^ pro Paar.
vermischtes»
Das Abteil der Schweiger. Eine Neuerung, die des Beifalls vieler Leute, besonders einer bestimmten Kategorie von Nervösen, sicher sein wird, soll jetzt in Frankreich eingeführt werden. Wie dem „Figaro" aus bester Quelle versichert wird, hat die Verwaltung der Westbahn beschlossen, vom 15. ds. Mts. ab Wagen für „Nichtsprecher" einzustellen, d. h. für solche Reisende, die auf der Fahrt von Mitreisenden nicht angesprochen werden wollen. Es werden also in der Westbahn in Zukunft neben Abteilen „für Damen", „für Nichtraucher", „für Raucher", „für Reisende mit Hunden" auch solche „für Nichtsprecher" vorhanden sein. Man wäre versucht, die Nachricht für die Erfindung eines Spaßvogels zu halten, wenn nicht ganz genaue Einzelheiten über die Linien angegeben wären, auf denen die Neuerung zur Durchführung gelangen soll. Namentlich handelt es sich um die Linie Paris-Nantes. Der „Figaro" hält es für ausgeschlossen, daß die Neuerung einen längeren Bestand haben wird.
Ein Prozeß um 400 Millionen Mark. Die Nationaltelephonkompagnie in London hat das Ministerium der Posten, Telegraphen und Telephone auf Zahlung von 400 Millionen Mark verlangt. Das Ministerium hatte der Gesellschaft die alleinige Ausbeutung des Fernsprechers für einen Zeitraum von 31 Jahren übertragen. Dafür erhielt das Ministerium jährlich eine Abgabe von 10 v. H., die viele Millionen Mark auSmachte. Jetzt ist die Lizenz der Gesellschaft erloschen, und das Ministerium will das gesamte Material und die Einrichtung der Nationaltelephonkompagnie übernehmen. Die Gesellschaft fordert infolgedessen die Rückerstattung der von ihr gezahlten Entschädigungen. Man ist auf den Ausgang des Rechtsstreites, bei dem jedenfalls die Advokaten das beste Geschäft machen werden, sehr gespannt.
560 Mark Einkommen in der Minute Kürzlich erschien Rockefeller als Zeuge vor Gericht und mußte Auskunft geben über seine Beteiligung und sein Verhältnis zum Standard Oil Trust, vor allem aber über die Beziehungen des Trusts zu
zahlreichen Nebengesellschaften. Bei dieser Gelegenheit erfuhr man näheres über das Einkommen Rocke- fellers und über sein Vermögen. Er selbst freilich erklärte, er könne genaue Angaben über sein Gesamtvermögen nicht machen, er könne es nur schätzen und Jrrtümer von 40 Millionen wären dabei unvermeidlich. Aber er gab im übrigen sehr klar und rückhaltslos über alles Auskunft. Auf Grund dieser Angaben hat die New-Mark World berechnet, daß Rockefeller heute über ein Vermögen von rund 3600 Millionen Mark verfügt. Aber der Wert schwankt täglich um ein paar Dutzend Millionen, da mit jeder geringen Kursveränderung an der Börse die Werte steigen oder fallen. Rockefeller „spekuliert" übrigens nicht: er legt sein Geld an, und wenn die Kurse sehr hoch stehen, verkauft er. Ebenso kauft er bei sehr niedrigem Kursstand und legt die erzielten Reingewinne wieder in billigen Papieren an. Der größte Teil seines Vermögens sind in Petroleum-, Eisenbahn-, Bank- und Jndustrieaktien angelegt. Amüsant ist die Tatsache, daß Rockefeller durch das Gerichtsurteil, das seinerzeit die Auflösung des Standard Oil Trustes verfügte, ein glänzendes Geschäft gemacht hat. Mit dem Urteil gingen die Kurse der dem Trust unterstehenden Tochtergesellschaften in die Höhe, und Rockefeller verdiente dabei rund 400 Millionen. Durchschnittlich hat der Petroleum König ein Jahreseinkommen von 240 Millionen Mark, im Jahre 1907 aber verdiente er nicht weniger als 550 Millionen. Das war ein ungewöhnlich günstiges Jahr. Gewöhnlich kann er mit einer Monatseinnahme von 20 Millionen rechnen, sein Einkommen beträgt also in der Woche rund 4'/» Millionen, in der Minute rund 580 Mark und in der Sekunde rund 9,50 Mark. Für wohltätige Zwecke und Bildungsinstitute hat Rockefeller bisher insgesamt 698 Millionen Mark gestiftet; das Opfer war aber nicht groß, er bestritt die Stiftungen von seinem Einkommen und lastete als vorsichtiger Hausvater sein Kapital nicht an. —
Ueber neue Wunder der Chirurgie wird — aus den Vereinigten Staaten natürlich — berichtet: Dem Dr. Alexis Carrel, Chirurg des Rockefeller-Jnstituts in New-Aork, ist es gelungen, lebende Gewebe außerhalb des Körpers zu züchten, so daß man, wenigstens in den Vereinigten Staaten, für eine Ueberpflanzung jederzeit das nötige Organ beschaffen kann. So wurde er selbst jüngst von Chicago her aufgefordert, einen bestimmten Knorpel für eine Knieoperation zu liefern. Diesen Knorpel hatte er lebend in einer Nährflüssigkeit; er verpackte ihn in einen Kühlapparat, schickte ihn mit dem Schnellzuge nach Chicago, und alsbald konnte die Ueberpflanzung dort vorgenommen werden, während früher die Aerzte darauf angewiesen waren. Körperteile, die überpflanzt werden sollten, von einem anderen lebenden Menschen oder einem Tiere herauszuschneiden. Carrel will es jetzt so weit gebracht haben, daß Gewebe außerhalb des Körpers volle neun Monate selbständig weiterlebrn und -wachsen. Bei einem Versuche mit einem Stück eines Hühnerherzens hat er eine Lebensdauer von 104 Tagen erreicht, und bei der mikroskopischen Untersuchung dieses Versuchsstückes zeigte sich, daß vom fünften Monate an sich neues Bindegewebe gebildet hatte. Dr. Carrel verwendet neun verschiedene Nährflüssigkeiten, in denen er die Gewebe außerhalb des Körpers wachsen läßt. Er entnimmt sie frischen Leichen und hält sie dann vorrätig, bis sie irgendwo gebraucht werden können. Dies geschieht mit den verschiedensten Körperteilen, mit Haut, Knochen, Knorpeln und verschiedenen Drüsen. (Hoffentlich auch mit Hirnen!)
Die kluge Witwe. Im Anschluß an die Tatsache, daß Frau Astor, die wie bekannt, auf Grund des Testaments ihres bei der „Titanic"- Katastrophe umgekommenen Gatten nur daun in den Genuß der gesamten Erbschaft gelangt, wenn sie sich nicht mehr verehelicht, erzählt die „Pall Mall Gazette" von einem ähnlichen Falle, der aber eine andere, als die vom Erblasser beabsichtigte Wendung nahm. Ein Londoner Börsenagent, der in etwas vorgerücktem Alter eine junge Miß von 18 Jahren geheiratet hatte, hinterließ seiner Witwe ein Vermögen von 75 Millionen Francs, unter der Bedingung, daß sie sich nicht wieder verheiraten würde. Andernfalls sollte das Geld dem Neffen des Verstorbenen zufallen. Was tat die Witwe? Sie heiratete den Neffen . . .
KovausficHtkicHe Witterung.
Der Hochdruck in Mitteleuropa wird zwar durch den über Irland aufgetretenen Luftwirbel etwas bedrängt, wird aber den überwiegenden Einfluß beibehalten und bei ziemlich heiterem Himmel trockenes und warmes Wetter herbei führen. Doch sind leichte Störungen nicht ganz ausgejchlossen.
Druck und Beklag der L. Me eh'schen Buchdruckerei dr» EnztLler» (Juhaber <S. Lonradi) in Neuenbürg.