RunSschau.
Berlin, 6. Mai. Unter ungeheurem Zudrang begann heute im alten Kriminalgericht in Moabit der Prozeß gegen den dreifachen Raubmörder Trenkler, der am 16. Februar d. I. die Juwelier Schultzeschen Eheleute und deren Tochter in grauenvoller Weise ermordet und beraubt hat. Der Mörder macht körperlich den elendesten Eindruck: man wundert sich, daß dieser Mensch den Mut zu einer solchen grauenvollen Tat gefunden hat. Im Laufe der Verhandlung erlitt der mit fortschreitender Tuberkulose behaftete Angeklagte einen Blutsturz, so daß er nach Befund des Arztes verhandlungsunfähig wurde. Es erscheint fraglich, ob der dreifache Mörder für seine furchtbaren Verbrechen überhaupt je zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen werden kann, da er wohl vorher durch den Tod der gerichtlichen Sühne entzogen werden wird.
Berlin, 8. Mai. Am Bahnhof Friedrichsstraße wurde gestern abend auf den Berlin-Königsberger D-Zug ein Schuß abgefeuert. Die Kugel ging durch zwei Fenster eines Abteils und zertrümmerte sie. Glücklicherweise wurde niemand verletzt. Der Tater konnte noch nicht ermittelt werden.
Berlin, 8. Mai. An Netzhautentzündung sind auch in Berlin und Vororten zahlreiche Personen erkrankt, und teilweise fast erblindet, die die Kannenstnkernis mit unbewaffnetem Auge beobachtet
Bremen, 8. Mai. Als der Erste Staatsanwalt während der Mittagspause in seinem Zimmer weilte, wurde er von einem 24 Jahre alten Schreiber überfallen und mit einem Stock und mit einer Scheere schwer mißhandelt. Er konnte sich schließlich in eine Telephonzelle flüchten und von da aus Hilfe herbeirufen.
Halle a. d. Saale, 7. Mai. Zur Bekämpfung des Mädchenhandels hat die Eisenbahndirektion Erfurt mit Bezug auf den jüngsten Fall in Magdeburg die Zugbegleitbeamten angewiesen, regelmäßig die Züge auf Verdächtige zu prüfen und sofort an die Stationen zu drahten. Für Ermittlung werden besondere Belohnungen ausgesetzt.
Jmmenstadt, 9. Mai. Infolge des gestrigen wolkenbruchartigen Regens sind die Flüsse über die Ufer getreten. Gestern abend mußte der Zugsverkehr Sonthofen-Jmmenstadt eingestellt werden. Auch am Jllerwerk bei Stein sind die Wiesen längs der Bahn so überschwemmt, daß das Wasser bereits an die Schienen reicht.
Letschen, 8. Mai. Infolge der Regenlosigkeit ist der sogenannte Hungerstein in der Elbe sichtbar geworden, der nur im Hochsommer der trockensten Jahre aufzutauchen pflegt.
Rastatt, 6. Mai. Zu welch nützlichen Zwecken man den Polizeihund gebrauchen kann, erhellt aus nachstehendem Vorfall. Das taubstumme Kind des Kaufmanns W. wurde kürzlich vermißt. Als der Abend herannahte, ohne daß das Kind zurückkehrte, wurde der Polizeihund des Hrn. Braun, „Arno vom Park", zu Hilfe gezogen. Der Hund nahm Witterung an einem Kleidungsstücke des Kindes und verfolgte dann die Spur nach dem Hasenwäldchen, wo das Kind abseits im Gestrüpp faß und mit Blumensammeln beschäftigt war.
Prag. Hier starb eine Witwe Anna Kreuz, eine geborene Deutsche, die ihr gesamtes Vermögen testamentarisch dem tschechischen Schulverein vermachte, dem auf diese Weise 50 000 Kronen zerfallen sollen. Die Verwandten haben aber dieses Testament angefochten, weil die Frau, die im Irrenhaus gestorben ist, schon bei der Abfassung des Testaments geistesgestört gewesen sein soll.
Budapest, 8. Mai. Die Gräfin Zecheny, eine geborene Vanderbilt, hat dem Bürgermeister 100000 Kronen als Spende für das Kinderheim überreicht.
Petersburg, 9. Mai. Eine junge barmherzige Schwester des hiesigen Marinehospitals beging Selbstmord durch Vergiftung. Der Selbstmord hängt mit der Vergiftung jenes jungen Mädchens zusammen, das von den Terroristen ausgewählt war, den Kultusminister zu ermorden.
New-Dork, 9. Mai. Am Mississippi hat sich die Lage etwas gebessert. Der durch die Ueber- schwemmungen angerichtete Schaden wird auf 50 Millionen Dollar geschätzt.
Württemberg.
Stuttgarts. Mai. Nachdem der 12. Kompagnie des Infanterie-Regiments Kaiser Wilhelm Nr. 120 und der 2. Batterie des Feldartillerie-Regiments Nr. 29 für beste Schießleiftungen im Jahr 1911 das Königsabzeichen verliehen worden ist, und zwar der Kompagnie zum erstenmal, der Batterie zum zweitenmal, haben auf Befehl des Königs die
Kompagnie die Büste des Königs, die Batterie die Büste des Königs Karl als weiteres dauernd in ihren Besitz übergehendes Erinnerungszeichen erhalten.
Helferinnen vom Roten Kreuz. Am 29. April fand in Anwesenheit Ihrer Maj. der Königin und Ihrer König!. Hoheit der Frau Prinzessin M ax zu Schaumburg-Lippe der von der Helferinnenabteilung Ludwigsburg neu eingerichtete Lehrkurs im Festsaal des Soldatenheims in einer Prüfung seinen Abschluß. 24 Damen waren dem Rufe des Landesvereins vom Roten Kreuz gefolgt und hatten an dem Unterricht teilgenommen. Die Prüfung wurde von Oberstabsarzt Dr. Faißt, welcher so liebenswürdig war, den Unterricht zu erteilen, abgehalten und ergab ein in jeder Beziehung befriedigendes Resultat. Generaldirektor Dr. Schneider dankte im Namen des Württ. Landesvereins vom Roten Kreuz Hrn. Dr. Faißt für die vorzügliche Ausbildung seiner Schülerinnen, sowie den beiden Vorsitzenden, Freiin Helene v. Gültlingen und Frl. Klara Springer, für die viele Mühe, die sie um das Zustandekommen der hiesigen Abteilung gehabt haben. Sodann sprach Sanitätsrat Dr. Richard Frank den Helferinnen seine volle Anerkennung aus und gab der Hoffnung Ausdruck, daß ihr Wirken in Kriegs- und Friedenszeiten ein segensreiches sein möge. Diesem ersten, so erfolgreichen Versuch, dem Roten Kreuz neue Hilfskräfte zuzuführen, werden nunmehr regelmäßige Lehr- kurfe folgen. Möchten recht viele Damen durch Beteiligung an diesen Kursen eine vaterländische Pflicht erfüllen!
Ludwigsburg, 6. Mai. Der württemb. Schlossermeisterverband hielt gestern hier seinen 5. Verbandstag ab. Der Vorsitzende, G. Rößler- Stuttgart, erstattete den Geschäftsbericht. Handwerkskammersekretär Dr. Gerhardt-Stuttgart erstattete ein Referat über die hauptsächlichsten Neuerungen der Reichsversicherungsordnung. Handwerkskammersekretär Hermann Reutlingen sprach über die neuen Submissionsbestimmungen. Der Verbandstag nahm ein- j stimmig folgende Resolution an: „Die Landesver- > sammlung spricht ihr lebhaftes Bedauern darüber aus, daß die Regierung beim Erlaß der neuen Submissionsvorschriften in so geringem Maße die berechtigten Wünsche des organisierten Handwerks in Württemberg berücksichtigt hat und fordert die Regelung des staatlichen und komunalen Submissionswesens durch Landesgesetz. Sie beauftragt den Vorstand, in Verbindung mit den Handwerkskammern des Landes eine Eingabe an die Regierung und an die Landstände zu richten. Als Ort für die nächstjährige Versammlung wurde Gmünd gewählt.
Zuffenhausen, 9. Mai. Heute nachmittag nach 5 Uhr brach in der Teer- und Asphalt- produktenfabrik von W. Burck aus bis jetzt nicht aufgeklärter Ursache Feuer aus, das sich mit rasender Geschwindigkeit über den ganzen Fabrikbau verbreitete. Die Feuerwehr mußte sich darauf beschränken, das Wohnhaus und die Nachbargebäude zu retten. Eine größere Abteilung der beiden Stuttgarter Infanterie- Regimenter, die gerade in der Nahe des Brandplatzes übten, eilten herbei, um Absperrungen vorzunehmen Die Fabrik sollte im Herbst in die bereits erstellten neuen Gebäude nach Kornwestheim verlegt werden, lieber die Entstehungsursache des Feuers ist noch nichts bekannt.
Zuffenhausen, 6. Mai. Der große Brand wird, wie das Neue Tagbl. berichtet, allem Anschein nach einen Prozeß im Gefolge haben, bei welchem es sich um Ansprüche der K. Staatseisenbahnverwal- tung an die Firma Horkheimer handelt. Die Cisen- bahnverwaltung besitzt neben ihren Schienenwegen und dicht angrenzend an die Bahnhofanlagen vielfach kleinere Grundflächen., die sie allerdings nicht benützt, die sie aber aus naheliegenden Gründen auch nicht verkaufen kann. Auch von einer Verpachtung im eigentlichen Sinne sieht sie ab. dagegen pflegt sie solche kleine Flächen, die sie nicht braucht, den Anliegern, die für sie Verwendung haben, zu überlassen, gegen eine ganz billige Vergütung, die mehr den Charakter einer Rekognition ihrer Besitzrechte, als eines Mietzinses hat. So hatte die Eisenbahnverwaltung auch der Firma Horkheimer ein solches kleines Areal gegen eine Vergütung von 10 ^ jährlich überlassen und der letzteren auf deren Ansuchen gestattet, darauf einen Schuppen zu errichten, jedoch mit der angefügten Klausel, daß für jeden Schaden oder Nachteil, wie immer geartet er auch sein möge, welche der Bahnverwaltung aus der Gebäulichkeit entstehen würde, die Firma Horkheimer aufzukommen habe. Nun wird behauptet, daß von diesem Schuppen aus das Feuer auf das angrenzende Schwellenlager übergesprungen sei, wodurch der Bahn, die bekanntlich nicht versichert ist, ein Schaden von etwa 60—80 000 entstanden ist. Auf Grund
der erwähnten Vertragsklausel macht jetzt die Bahnverwaltung die Firma Horkheimer haftbar, die sich aber auf die koreo majouro stützt. Auf diese Weise wird es wohl zu einem Prozeß kommen, der für manchen, dem solches Bahngelände überlassen ist, von Interesse ist.
Oehringen, 7. Mai. Der städtische Farren- wärter Deininger, der schon etliche 30 Jahre seines Amtes waltete, wurde heute früh von einem Farren zu Tod getreten. Das rasend gewordene Tier hat den Mann beim Füttern anscheinend zu Boden gestoßen und ist dann auf ihm herum getreten, wobei ihm der Brustkorb eingedrückt wurde, was den sofortigen Tod zur Folge hatte.
Vom Bodensee, 8. Mai. Bei einem Schmuggelprozeß in Radolfzell wurden aus dem Amtsgericht die beschlagnahmten 2 Zentner Saccharin von den Einbrechern wieder geholt und zu Schiff über den See fortgeschafft. Bis ans Seeufer verfolgte der Polizeihund die Spur der Spitzbuben.
. Mai. Nachdem die Dardanellen für die Schiffahrt wieder geöffnet werden, hat sich auf dem Getreidemarkt eine ruhigere Stimmung eingestellt und die Angebote sämtlicher Exportländer waren etwas nachgiebiger. In den letzten Tagen sind die Börsennotierungen wieder wesentlich höher gewesen und die Preise entsprechend teurer. Der Schifferstreik aus dem Rhein scheint sich auf einige Gesellschaften zu beschränken. Das Wetter war kühl und trocken und von vielen Gegenden Deutschlands kommen Klagen über Frost und Trockenheit. — Mehlpreise per 100 Kilogramm inklusive Sack Mehl Nr. 0: 86.— bis 36.50 Nr. 1-. 35.— bis 35.50
Nr. 2: 34.— bis 34.50 Nr. 3: 82.50 bis 38.—
Nr. 4: 2S.— .L bis 29.50 Kleie 14.— ^ bis l5.— (ohne Sack netto Kasse).
Die drei gestrenge« Herren.
Die drei gestrengen Herren werden namentlich von Landwirten und Gärtnern die Tage des 11., 12. und 13. Mai genannt, die den Kalendernamen Mamertus, Pankratius und Servatius führen. Mamertus war ein gelehrter Presbyter in Vienna, der im Jahre 452 feierliche Buß- und Betandachten einrichtete. Pankratius war ein christlicher Märtyrer, der während der Christenverfolgung unter dem römischen Kaiser Diokletian am 12. Mai 293 enthauptet wurde. Servatius endlich war der letzte Bischof von Tongern, mit Athanasius ein Gegner der Arianer, und starb in hohem Alter um das Jahr 384 zu Maastricht. Auf sein Grab soll nie Schnee gefallen sein, weshalb der Volksglaube meint, daß nach seinem Gedenktage, dem 13. Mai, kein Frost mehr kommen werde. Sie sind auch unter dem Namen der drei „Eisheiligen" bekannt, und die Winzer nennen sie die „Weinmörder" oder „Weindiebe". Man rechnet eben allgemein mit einem Kälterückschlag in diesen Tagen vor Mitte Mai und hat seine Sprüchlein, die vor diesen Heiligen warnen: Eh Pankraz und Servaz vorbei,
Ist nicht sicher von Kälte der Mai.
Aber tröstend heißt es dann auch wieder:
Kein Reif nach Servaz,
Kein Schnee nach Bonifaz.
Und alte Bauernregeln sagen ferner:
Pankraz und Servaz Stehlen wie der Spatz, oder
Mamertus, Pankratius, Servatius Machen Gärtnern und Bauern viel Verdruß.
Diese haben daher einen gewaltigen Scheu vor diesen „drei gestrengen Herren", die mit ihrem eisigen Hauch oft verwüstend in die Obstblüte einfallen. Mag im Frühjahr die Erde mit frischem Grün sich schmücken, mögen an den Reben die Knospen schwellen und die zierlichsten Blütenträubchrn würzigen Dust ausstreuen, dem Landmann, dem Gärtner und vor allem dem Winzer will es nicht wohl werden, solange nicht „die drei gestrengen Herren" vorüber sind. Sorgenvoll wartet ein jeder auf die berüchtigten Maitage, denn es ist ja Tatsache, daß um diese Zeit Kälterückfälle einireten können, aber daß diese an die Tage der „drei gestrengen Herren" gebunden seien, ist ein Märchen, das langjährige wissenschaftliche Beobachtungen und auch die Erfahrung widerlegt haben. So halten wir im Jahre 1907 an den ! gefürchteten drei Tagen die höchsten Temperaturen des ganzen Sommers, und auch im Jahre 1969 wehten linde, sommerliche Lüfte. Wie die Wissenschaft erforscht hat. stellen sich die gefürchteten Maifröste nach dem Vorübergang sehr tiefer und ausgedehnter Minima bei wieder steigendem Barometer und Nordwestwind zu jeder Zeit des Mai, oft sogar, wie vor sechs Jahren, noch in der ersten Junihälfte rin. Wir wollen wünschen und hoffen, daß auch in diesem Jahr „die drei gestrengen Herren" ein gelindes Regiment führen.
Druck und Verlag der C. Meeh'schen Buchdruckerei des EuztälerS (Inhaber G. Conradi) in Neuenbürg.