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Form eines der Regel nach wöchentlich einmal auf den Sonntag, in bewegten Zeiten öfter, er­scheinenden Blattesweiter geführt wird. In Aus­führung dieses Beschlusses erscheint dieWürtt. Volksztg." ab 1. Januar 1904 unter dem Titel Schwäbisches Wochenblatt" wöchentlich einmal, nach Bedarf öfter.

Stuttgart, 19. Dez. In der heutigen Sitzung des Schwurgerichts kam eine Anklage wegen Raubs zur Verhandlung, die sich gegen den 33jährigen ledigen Maler Karl Böhm aus Himm­lingsweiler, OA. Aalen, richtete. Die öffentliche Anklage vertrat Hilfsstaatsanwalt Stoll; Verteidiger war Rechtsanwalt Hedinger. Das dem Angeklagten zur Last fallende Verbrechen war an einer männ­lichen Person verübt worden; für die ganze Dauer der Verhandlung war wegen Gefährdung der Sitt­lichkeit die Oeffentlichkeit ausgeschloffen. Die Schuld­frage wurde von Seiten der Geschworenen bejaht und zwar unter Zubilligung von mildernden Um­ständen, worauf der Angeklagte zu 2'/- Jahren Gefängnis und 5jähr. Ehrverlust verurteilt wurde.

H eilbronn, 20. Dez. (Schwurgericht.) 6. Fall. Straffache gegen den früheren Kaufmann und Schuhwarenfabrikanten Wilhelm Mangold in Lauffen a. N. wegen betrügerischem BankerottS. Mangold ging, als er im März 1903 seinen Konkurs als unabwendbar vor Augen sah, mit ca. 600 in der Tasche nach Italien durch und hinterließ seinen zahlreichen Gläubigern, die nach der Konkursaufstellung ca. 55 000 zu fordern hatten, während aus der Masse nur 24000 verfügbar find, das Nachsehen. Er wollte sich angeblich in Catania auf Sizilien, wo ein Sohn von ihm begraben liegt, auf dessen Grab erschießen und behauptet, daß er auch tatsächlich zweimal einen mißglückten Selbstmordversuch gemacht habe. Als das Geld alle war, wurde er ermittelt und ausge­liefert. Das Urteil lautete auf 4 Monate Gefängnis.

Ulm, 21. Dez. Das hies. Divisionsgericht verurteilte vorgestern den 23 Jahre alten Unter­offizier August Knapp von der ersten Kompagnie des hies. Pionierbat. 13 wegen 170 Verbrechen und fünfzig Vergehen der körperlichen Mißhandlung Untergebener, wegen 30 Vergehen der vorschrifts­widrigen Behandlung wegen einer Anzahl weiterer Fälle vorschriftswidriger Behandlung in Verbindung mit unbefugter Befehlsanmaßung, wegen unerlaubten Geldborgens und Anstiftung eines Untergebenen zur Begünstigung zur Degradation und zu 1 Jahr und zwei Monaten Gefängnis, von welcher Strafe 1 Monat als durch die Unter­suchungshaft verbüßt erachtet wurde. Knapp, der im Sommer 1902 Unteroffizier wurde, hat bei der ihm obliegenden Ausbildung von Rekruten diese gewohnheitsmäßig durch Fauststöße auf die Brust, Schläge mit dem Jnstruktionsbuche auf den Kopf, Stoßen mit den Füßen, Treten auf die Zehen, Schlagen mit dem versicherten Seitengewehr auf die Finger, mir dem Meerrohr über Kopf und Rücken, mit einem Besenstiel u. s. w. mißhandelt. Außer­

dem ließ er teils die ganze Korporalschaft, teils einzelne Leute, ohne daß er hiezu von dem ihm Vorgesetzten Offizier ermächtigt worden wäre, während der Dienstpausen oder nach dem Dienste Gewehr­pumpen oder Griffe üben. In 2 Fällen ordnete er behufs Ermittlung des Täters eines kleinen Verschuldens das Gewehrpumpen so lange an, bis die Mannschaft ganz erschöpft war. Wenn Knopp in Geldverlegenheit war, ließ er sich von feinen Untergebenen Darlehen geben, deren Heim­zahlung erst nach seiner Verhaftung erfolgte. Die Verfehlungen des Angeklagten sind erst durch einen Reservisten zur Anzeige gekommen. Die in der Front stehenden Leute machten früher keinerlei An­zeigen und rückten selbst damals aus Furcht vor dem Unteroffizier mit belastenden Angaben nicht heraus, als noch dem am 4. Febr. d. I. begangenen Selbst­morde des Rekruten Stütz, der zufolge Aufzeich­nungen und Andeutungen des Verstorbenen in Ver­bindung mit den erlittenen Mißhandlungen gebracht wurde, eine eingehende Untersuchung vorgenommen wurde. Zehn dieser Pioniere wurden nun wegen Begünstigung zu je 1 Tag, einer zu 2 Tagen Ge­fängnis verurteilt.

Biberach, 21. Dez. Im nahen Mittelbuch wurde gestern früh während des Vormittagsgottes­dienstes ein Einbruchsdiebstahl verübt, wobei den Dieben verschiedene Schmucksachen in die Hände fielen. Den Tätern, 2 Handwerksburschen, die auch noch durch falsche Vorspiegelungen sich größere Ga­ben der Riß entlang zu verschaffen wußten, scheint man auf der Spur zu sein.

Starnberg b. München, 14. Dez. Auch hier hatte man in den letzten Tagen Gelegen­heit, das Rückgauer'sche Gebäudehebungsver­fahren kennen zu lernen. Die Villa Sonnen- burg, ein massives 2'/-stockiges Gebäude mit einer Last von 800000 Kilo, sollte, um aus dem Hoch­wassergebiet herauszukommen, um 1,80 m gehoben werden. Die Arbeit wurde tadellos vollzogen. Die Vorbereitungen dauerten nur eine Woche. Die Hebung, welche eine Zeit von 6 Stunden bean­spruchte, ging ruhig und sicher vor sich, was großes Erstaunen unter der anwesenden Menge hervorrief. Hohe Offiziere und Baubeamte, sowie ganze De­putationen, letztere von München aus hierher ge­sandt, haben mit regem Interesse die epochemachende Erfindung verfolgt. Auch in Bayern hat sich Rück- gauer gut eingeführt. Noch während seines Hier­seins liefen Aufträge aus München, Würzburg, Bad Kisfingen und Nürnberg ein.

Breslau, 19. Dez. In der vergangenen Nacht wurde hier an der Prostituierten Anna Bartz ein Mordversuch verübt unter ähnlichen Um­ständen, unter denen kürzlich das Mädchen Wein­land ermordet worden ist. Der Täter wurde durch ein anderes heimkehrendes Mädchen gestört, welches seine Verhaftung veranlaßte. Der Mörder ist ein gOjähriger Mann namens Fehse, verheiratet und Vater eines Kindes. Er hatte die Bartz zu er­

würgen versucht, diese konnte jedoch durch den Arzt ins Leben zurückgerufen werden.

Crimmitschau, 18. Dez. Die königliche Amtshauptmannschaft und der Stadtrat beschlossen, geplante sieben Weihnachtsbescheerungen für hies. im Ausstand befindliche Textilarbeiter und deren Familien nicht zu gestatten. Das Verbot wird damit begründet, daß das terroristische Verhalten der ausständigen Arbeiter gegen die Arbeitswilligen im verstärktem Maße wahrzunehmen sei. Ferner weist die Behörde darauf hin, daß in den letzten Tagen in auswärts abgehaltenen Versammlungen und in Flugblättern die Behörden und Sicherheits­organe unter Nichtachtung der behördlichen Autorität weiter angegriffen und verunglimpft wurden, so daß zu erwarten stehe, daß die geplanten WeihnachiS- bescheerungen zu ähnlichen Verhetzungen mißbraucht werden.

Berlin, 19. Dez. Die mehrfach erwähnte geheime Kabinettsordre hat, wie eine Korrespondenz erfahren haben will, in der Armee nicht gelinge Aufregung hervorgerufen. Eine größere Anzahl höherer Offiziere glauben sich auf die Ordre hin veranlaßt, den Abschied nachzusuchen. Die einzelnen Exemplare der Kabincttsordre sind unter besonderen Kautelen zur Versendung an die Kom­mandeure selbstständiger Truppenkörper gelangt. Sie war nummeriert, mußten sofort nach Empfang vor versammeltem Offizierkorps verlesen und dann um­gehend wieder an das Militärkabinett zurückgesandt werden.

Berlin, 19 Dez. Das gestrige 2. Jagen in der Göhrde wurde um 3 Uhr Nachmittags be­endet. Der Kaiser schoß, wie der Lokal-Anz. meldet, 26 grobe Sauen und fing einen Keiler mit der Saufeder und einen mit dem Hirschfänger ab. Der Kaiser war sehr gut gelaunt und unterhielt sich lebhaft mit den Jagdgästen. Um 5 Uhr war Diner im Jagdschloß. Um 7'/- Uhr fuhr der Monarch mit Gefolge zu dem Regimentsfest nach Hannover ab, wo die Ankunft um 10'/- Uhr erfolgte.

Berlin, 19. Dez. Die Erdstöße und Erderschütterungen in Bulgarien, die in diesem Jahre zuerst am 26. Nov. wahrgenommen wurden, halten noch immer an und wiederholen sich fast jeden Tag. Einer Meldung des Lok.-Anz. aus Sofia zufolge ist das Zentrum der Erdbeweg­ungen immer noch der Gebirgsstock des mächtigen Rila-Gebirges.

Berlin, 19. Dez. Wie dem Lokalanzeiger gemeldet wird, fand heute Morgen ein Pistolen­duell in der Jungfernheide in der Nähe des Artillerie-Schießplatzes statt. Die Duellanten waren vr. xbil. B. und Or. wkä. R. Der erstere erhielt einen leichten Streifschuß an der. linken Schulter, während vr. R. einen Schlüsselbein-Arterien-Riß davontrug.

Berlin. 19. Dez. Die Vossische Zeitung meldet aus Mailand: Andauernde Regengüsse in den letztvergangenen Tagen haben in der Provinz

Sch'loerung seiner Landsleute, der Sitten und Gebräuche hiermlande entwarf. Diese unbestechlich geraden, kindlich wahrhaftigen Charaktere haben etwas rüh­rendes an sich durch die eigenartige Unbeholfenheit, die ihnen der großen Welt gegenüber anhaftet. Und zugleich etwas Packendes durch das herois»e Element, das ihnen in hohem Grade eigen ist. Ich habe große Freude am Studium der Volksseele, wenn sie sich so zeigt, wie hier. Köstliche Typen sind auch unter den braven Schiffern und Fischern in unserem freundlichen Badeorte, haben Sie den Strandvogt schon kennen gelernt, den alten, prächtigen Fischer mit der Recken­gestall und dem langwallenden, grauen Barte? Er hat ein so wundervolles, unerschütterliches Selbstbewußtsein, daß mau ihn in unserer zerfahrenen Zeit darum beneiden könnte."

Das muß er auch haben, gnädige Frau," versetzte Klaus ernsthaft. .Sie müssen bedenken, daß er hier, in diesem kleinen Fischerneste, ungefähr die Funk­tionen eines Oberbürgermeisters ausfüllt und in der Wertschätzung seiner Mit­bürger entschieden eine viel größere Rolle spielt, als sein Amtskollege in sagen wir der Reichshauptstadt!"

Davon ist cr allerdings auch ganz durchdrungen!" sagte Frau Miller lachend.Als ihn neulich eine Dame fragte:Nun, Herr Strandvogt, kennen Sie mich vielleicht auch wieder, wie ich Sie? Ich war schon im vergangenen Jahre in Lohme" da schüttelte er bedächtig den prachtvollen Nassekopf und sagte ruhig:Nein, Madnm, das können Sie nicht verlangen! Es gibt so Viels Damen in der Welt, aber es gibt nur einen einzigen Strandoogt von Lohme!"

Jedenfalls eine unbestreitbare Tatsache, an der nicht zu rütteln und zu rühren ist!" meinte der alte Beamte lustig.Nun aber, meine verehrten An­wesenden, schlage ich eine kleine Dislokation vor! Wie wäre es, wenn wir

Herren uns jetzt zur Kegelbahn schlängelten und die holde Weiblichkeit in einer nahe gelegenen Laube Platz nähme, um den Kampf der Helden mit begeisternden Zurufen zu begrüßen!"

Wie schön Du das ouSzudrücken weißt!" sagte seine Frau mit schalk­hafter Bewunderung.Aber sieh nur einmal! Was geht denn da vor sich?"

Sie hielt den Gatten, der sich gleich den übrigen schon erhoben hatte, an der Hand zurück und wies mit einer Kopfbewegung noch jenem Trsche in der Mitte der Veranda, an dem Klaus Behrend vorhin grüßend vorübergeschritten war-

Ein stutzerhaft gekleideter junger Herr hatte von einem Nebentische aus die so ungeniert skatspielends und rauchende Dame zwischen den beiden älteren Herren da schon längere Zeit einer höchst belustigten Beobachtung unterworfen. Seine Kritik war infolge der Heiterkeit, die sie bei einigen neben ihm sitzenden jungen Leuten erregte, immer dreister und lauter geworden und hatte schließlich auch dir Aufmerksamkeit der zunächst Beteiligten erweckt. Ein einziger, durchdringender, scharfer Blick flog aus den dunklen Augen der Gräfin zu dem dreisten Spötter hinüber. Dann hatte sie die Karten, die sie fächerartig in der Han» gehalten, verdeckt auf den Tisch gelegt und sich ruhig erhoben. Der ahnungslose Fremde sah verwundert die große, dunkelgekleidete Frauengestalt auf seinen Platz zu­kommen. Sie sah einen Augenblick kalt in sein unverschämt lachendes Gesicht. Im nächsten Augenblick brannte eine wohlgezielte. schallende Ohrfeige auf seiner Wange-die Gräfin kehrte unter dem atemlosen Schweigen sämtlicher An­

wesenden auf ihren Platz zurück, ließ sich nieder, ergriff ihre Karten und sagte laut, mit unveränderlicher Ruhe, zu ihrem grauköpfigen Partner:Doktor, Sie spielen aus!"

(Fortsetzung folgt.)