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198.
Amts- rmd Anzngrölatt für den Bezirk Halm.
78. Jahrgang.
Geschetnun-Stage: Dienstag, Donnerstag, Samstag, Sonntag. AnsertionSpreiS 10 Pfg. pro Zeile für Stadt und S»>Irk«orte; außer Bezirk 12 Pfg.
Donnerstag, den 17. Dezember 1903.
AbonnementSpr. in d. Stadt pr. Biertelj. Mk. 1.16 incl. Träger!. Vierteljährl. Postbezugspreis ohne Nestellg. f. d. OrtS- u. Nachbar- ortsverkehr 1 Mk., f. d. sonst. Verkehr Mk. 1.10, Bestellgeld 20 Pfg
Amtliche Bekanntmachungen.
Den Ortsbehörde»
gingen in den letzten Tagen die Formulare zu den neuen Stammrolle» mit der Weisung zu, dieselben baldtunlichst anzulegen, damit sie bis S. Februar 1SV4 dem Oberamt vorgelegt werden können.
Sollte eine Ortsbehörde Geburtsscheine, Erkundigungsschreiben, Geburtslisten oder Ersuchen um Vorstrafen-Verzeichniffe oder weitere Einlage- bogen zur Stammrolle bedürfen, so wollen solche vom Oberamt verlangt werden.
Bei Anlegung der Stammrollen sind die Vorbemerkungen auf den Titelbogen genau zu beachten.
Bezüglich des Eintrags der Vorstrafen in die Rekrutierungsstammrollen wird auf den oberamtl. Erlaß vom 8. Dez. d. I., Wochenbl. Nr. 194, hingewiesen und ausdrücklich bemerkt, daß, wenn Registerstrafen nicht vorhanden sind, in den Stammrollen zu bemerken ist:
Regifterstrafe« und sonstige Angabe«:
keine.
Calw, 14. Dezember 1903.
K. Oberamt. Voelter.
Die Ortsbehörden,
in deren Gemeinden Molkereien sich befinden, werden beauftragt, binnen 4 Tagen zu berichten unter Bezeichnung als portopfl» D.-S.:
1) ob es sich um eine Genossenschafts- oder Privatmolkerei handelt, im letztem Fall ist der Name des Besitzers anzugeben,
2) ist das Gründungsjahr zu bezeichnen,
3) ob sie mit Dampf oder mit Hand betrieben wird.
Calw, 15. Dezember 1903.
K. Oberamt. Voelter.
An die Besitzer von Getreidemühlen.
Vom 1. Jan. 1904 ab muß in den Getreidemühlen an einer in die Augen fallenden Stelle eine Tafel ausgehängt werden, welche die Bestimmungen unter I und II der Bekanntmachung vom 26. April 1899 (Reichsges.-Blatt 273) in deutlicher Schrift wiedergibt.
Dies wird mit dem Anfügen bekannt ge- gegeben, daß solche Plakate zum Preis von 10 A das Stück von der W. Kohlhammer'schen Verlagsbuchhandlung in Stuttgart geliefert werden.
Calw, 12. Dezember 1903.
K. Oberamt.
Amtmann Rippm ann.
Tagesneuigkeiten.
H Gechingen, 15. Dez. Ein höchst aufregender Vorfall bewegte dieser Tage die Gemüter der ganzen hiesigen Einwohnerschaft. Der 12 Jahre alte Wilhelm Theurer ist seit Sonntag mittag spurlos vom Hause verschwunden. Derselbe ging an diesem Tage (etwa 1 Uhr mittags) von hier weg auf der Straße gegen Stammheim zu. Da er abends zur gewohnten Zeit sich nicht zu Hause einfand, machte sich der Vater des vermißten Knaben nach eingebrochener Dunkelheit auf die Suche, jedoch ohne den gehofften Erfolg. Als auch im Laufe des gestrigen Vormittags der Knabe nicht heimkehrte, wurde ein Teil der hies. Feuerwehr aufgeboten, um
die ganze Umgegend, insbesondere die benachbarten Waldungen in der Richtung gegen Stammheim und Gültlingen bis über Holzbronn und Hof Dicke hinaus zu durchstreifen. Auch diese Fahnder kehrten ohne den Vermißten zurück. Heute Dienstag erfährt man nun, daß der Vermißte laut hier eingetroffenem amtl. Schreiben in Pforzheim aufgehalten wurde.
»Amtliches aus dem Staatsanzeiger.j Se. Königl. Majestät haben am 14. Dez. d. I. allergnädigst geruht, auf das Zollamt Calw den Niederlageverwalter tit. Zollverwalter Marchtaler in Stuttgart seinem Ansuchen entsprechend zu versetze n.
Alten steig, 14. Dez. Die im Laufe dieses Jahres einem Umbau unterzogene Kirche des Nachbarorts Altensteig-Dorf wurde gestern feierlich eingeweiht. Ansprachen hielten dabei Dekan Römer von Nagold, der Ortsgeistliche Pfarrer Schott und der Vertreter der Oberkirchenbehörde. Prälat v. Wtttich.
Stuttgart, 14. Dez. (Strafkammer.) Am Nachmittag des 29. Juni, während des Schlosser st reiks, waren drei ausständige Schlosser in der Nähe deS annähernd fertiggestellten Neubaus (oberhalb des engl. Gartens) als Streikposten aufgestellt gewesen. Nach ihrer Ablösung betraten sie die Baustelle, um mit einigen dort arbeitenden Schlossern zu verhandeln, trotzdem sie von einem dieser Leute darauf aufmerksam gemacht worden sein sollen, daß der Eintritt verboten sei. Im Laufe des Gesprächs sollen auch Aeußerungen wie „Streikbrecher", „Dummköpfe" rc. gebraucht worden sein. Von dem dort beschäftigten Schlosser Schmieder und gleich darauf von dem dazu kommenden Bauführer Kübler sollen die Leute vergeblich zum Verlassen des Platzes aufgefordert worden sein und sich erst entfernt haben, als letzterer einen Schutzmann herbeirief. Infolge dessen waren sie vom Schöffengericht Stuttgart wegen Hausfriedensbruchs und Beleidigung bestraft worden, und zwar der 38jähr. Karl Markert mit 3 Wochen, der 40jähr. Albert Bauche mit 1 Monat und der dritte im Bunde mit 1 Woche Gefängnis. Die beiden Elfteren legten gegen dieses Urteil Berufung ein, indem sie bestritten, beleidigende Ausdrücke gebraucht zu haben, auch den Bauplatz nur in der Absicht betreten haben wollten, um einen dort benützten neuen Metallkitt in Augenschein zu nehmen. Die Strafkammer fand jedoch auf Grund der Zeugenaussagen keinerlei Ursache, das schöffengerichtliche Urteil abzuändern; die Berufung der beiden Angeklagten wurde somit als unbegründet verworfen.
Heilbronn, 15. Dez. In der Dampfziegelei Heilbronn wurde heute früh ein 40jähriger Arbeiter namens Denz aus Biberach vom Riemen einer Transmission erfaßt und an die Decke gedrückt, wo er tot hängen blieb. Er hinterläßt Frau und Kinder.
Waiblingen, 15. Dez. Zur Zeit lebt in der vom allgemeinen Weltverkehr abgelegenen Gemeinde Rettersburg ein Ehepaar, welches verdient, auch in weiteren Kreisen bekannt zu werden. Es ist dies der 68 Jahre alte dortige Bürger Bay, der 28 Jahre lang pflichtgetreu als Postbote seines
Amtes waltete, und seine Ehefrau, die nun 64 Jahre zählt. Dieser Ehe entsproßten 15 Kinder, 11 Söhne und 4 Töchter. Im letzten Jahre wurde der 10. Sohn zum Militär ausgehoben und der 11. der Ersatzreserve zugewtesen. In der Gemeinde Rettersburg hat man deshalb dem alten im Dienste ergrauten Postbediensteten, welcher der Beschwerlichkeit deS Dienstes halber aus dem Amte scheiden mußte, mit Stolz den Namen „Soldatenvater von Rettersburg" beigelegt. Als dieses Frühjahr Se. M. der König zur Einweihung der Brücke zu Hochburg- Ludwigsburg kam, wurde Bay dem König vorgestellt und hatte so Gelegenheit, persönlich für ein ihm vom König zugewiesenes Gnadengeschenk seinen Dank auszusprechen. Große Freude für die Familie, wie für die Gemeinde Rettersburg und dem ganzen Bezirk bereitet nun die Kunde, daß auch Se. M. der Kaiser eine Photographie, welche den betagten Vater im Kreise seiner uniformierten Söhne darstellt/entgegenzunehmen geruht hat und dem in bescheidenen Verhältnissen lebenden Elternpaar seinerseits ein reiches Gnadengeschenk aus seiner Privatschatulle hat zuweisen lassen. Es dürfte wohl einzig dastehen im Deutschen Reich, daß ein Familienvater so viele Söhne zum Militär stellen kann, wie der „Soldatenvater von Rettersburg".
Metzingen, 12. Dez. (Neue Baum- spritze). Der große Schaden, welchen die Blattfallkrankheit alljährlich unseren Obstbäumen und damit uns zufügt, verlangt eS gebieterisch, daß wir diesem Feinde ebenso energisch zu Leibe rücken, wie dies heute schon jeder verständige Weingärtner bet seinen Reben tut. Nun ist aber das Bespritzen der Obstbäume in der seither üblichen Weise nur mit großem Zeitaufwand möglich und ist es aus eben diesem Grunde mit Freuden zu begrüßen, daß es der Firma Gebrüder Holder hier gelang, eine Baumspritze zu konstruieren, die diese Arbeit in fast unglaublich rascher Zeit ausführt. Es wird bei dieser Spritze, die bereits in verschiedenen Staaten zum Patent angemeldet ist, sowohl die Fortbewegung der Maschine, als das Pumpen der Lösung durch ein Pferd besorgt und schon dadurch ganz bedeutend an Arbeitskräften gespart. Die Spritze wurde gestern einer Anzahl geladener Herren — darunter Herr Ockonomierat Lukas-Reutlingen und ein Teil der bürgerlichen Kollegien in Metzingen — auf einem Baumgut im Betrieb vorgeführt und waren sowohl die geleistete Arbeit als namentlich die Güte der letzteren wirklich verblüffend. Die Besichtigung von Baumzweigen an bespritzten Bäumen zeigte, daß jeder Teil ganz gleichmäßig und reichlich von der Flüssigkeit getroffen war. Es wurde auch die Leistungsfähigkeit der Maschine ausgeptobt und ergab sich, daß mit derselben in einer Stunde 75 und noch mehr Bäume bespritzt werden können. Bei Berechnung dieser Leistung wurde ein Viertel der Zeit für das Füllen der Spritze in Rechnung gestellt, so daß die Spritze imstande ist pro Tag ca. 750 große Bäume zu bearbeiten und zwar so gleichmäßig, wie dies von Hand nicht ausgeführt werden kann. Rechnet man, daß zur Bewältigung einer solchen Tagesleistung in der seither üblichen Weise mindestens 18 Mann, 6 Spritzen und sechs Pferde nötig wären, so isk die wirklich eminente