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einzuführen sei, so möchte doch der Bauer auf einzelnen, jederzeit zugänglichen Aeckern sie probieren und im übrigen dahin wirken, daß die Felder möglichst „bereinigt" werden. Durch rationellen Fruchtwechsel hat Hohenheim versuchsweise den Ertrag von einem bestimmten Bodenstück um 27 , bei
besonderem Aufwand sogar um 62 "/-> gesteigert. Um die Preise seiner Produkte zu steigern, soll dem Landwirt ein entsprechender Schutzzoll werden; er soll seine Ware marktfähig verkaufen oder aber sie in andere begehrte Substanzen umzuwandeln suchen. Dabei soll er nur die besten Futterverwerter pflegen; so verwertet eine gute Kuh den Zentner Heu auf 4 eine schlechte nur auf 92 A Auch durch Verminderung des Aufwands läßt sich der Reinertrag steigern. Der Bauer soll seine Gebäude einfach bauen, die Handarbeit durch billigere Maschinenarbeit ersetzen; wo nicht Pferde durchaus nötig sind, soll er Ochsengespanne halten und auch in seiner Tracht am Alten, Soliden bleiben. Für kleinbäuerliche Betriebe bietet der dieses Jahr erstmals ausgegebene Kalender vom landw. Verein praktische Formulare für einfache Buchführung. Der Kalender wird allgemein empfohlen. Hr. Reg.-Rat Voclter dankte dem Redner für den lehrreichen Vortrag und wünscht, daß er reiche Früchte trage; diesem Wunsche schließt sich auch Hr. Amtmann Ripp mann an. Kassenbericht und Rechenschaftsbericht wurden sodann verlesen. Der Verein zählt 1022 Mitglieder. Für Rindviehprämierung konnten dies Jahr schöne Summen ausgeworfen werden. Der Stand der Viehzucht ist ein lobenswerter. Der Verein unterstützte viele Gemeinden bei Anschaffung von Baumspritzen; der Güterbesitzerverein Calw erhielt einen Beitrag von 120 zur Anschaffung einer fahrbaren Hcderichspritze. Oekonom Din gier empfiehlt den Gemeinden die Anschaffung solcher Maschinen, da sie sich gut bewähren und Hr. Rau-Calw konstatiert, daß man eine reine Saat erziele. Nach kurzer Pause ergriff Hr. Kaufmann Schickhardt aus Stuttgart das Wort, um auch an dieser Stelle über die Erhaltung der Volkstrachten zu reden. Im Laufe des Monats November hat er den Bezirk bereist und mit seinen Ausführungen überall Anklang gefunden. Es wurden in Altburg, Würzbach, Neuweiler, Nenbulach, Deckenpfronn, Liebelsberg, Ortsvereine gegründet, die sich nun in heutiger Versammlung zu einem Bezirksverein zusammenschloffen. Hr. Stadtschultheiß Müller- Neubulach wurde zum Vorstand, Hr. Vcrwaltungs- aktuar Staudenmeyer zum Vizevorstand gewählt. Bis zur lOOjähr. Jubelfeier unseres Königreichs hofft der Verein so weit zu gedeihen, daß er sich an einem geplanten Festzug sehen lassen darf. Näher auf den Vortrag einzugehen ist hier nicht Raum, zumal in den letzten Nummern dieses Blattes dieses Thema wiederholt zur Behandlung kam. Der Vorsitzende dankte auch diesem Redner und es wird beschlossen, diesem neuesten Verein aus den Mitteln des landw. Vereins jährlich 50 zu gewähren. Nachdem die Diplome der diesjährigen staatl. Rind- viebprämicrung verteilt waren, wurde die Versamm
lung mit einem „Hoch" auf den Vereins Vorstand geschlossen.
* Calw, 2. Dez. Die Krieg er vereine des Bezirks haben ihrem früheren Bezirksobmann, Hrn. Rektor Haug in Freudenstadt als Zeichen der Dankbarkeit für dessen verdienstvolles Wirken einen schönen Regulator übersandt. — An der neuen Straße nach Altburg haben 2 Dammrutschungen stattgefunden. Die eine befindet sich an der Einbiegung der Zavelsteiner Straße und die andere beim Wurstbrunnen. Die Stellen sind abgeschrankt und nachts erleuchtet. Der eigentliche Straßenkörper hat nicht notgelitten und kann des- halq die Straße mit leichten Fuhrwerken wie bisher befahren werden. An der Straße hat leider auch schon ein Baumfrevler sein Unwesen getrieaen. Einem schönen neugesetzten Apfelbaum ist die Krone vollständig abgebrochen worden. Es ist einem unbegreiflich, wie ein Mensch einen derartigen Frevel begehen kann. Leider bleiben die Missetäter meistens unentdeckt und daher straflos.
* Calw, 2. Dez. In der Bahnhofstraße gab es heute morgen um 9 Uhr einen starken Auflauf von Menschen. In Speßhardt riß sich gestern ein Stier los und konnte nicht mehr eingefangen werden. Das Tier war ganz wütend geworden und trieb sich in der Nacht auf dem Feld und im Wald herum. Von dem Eigentümer verfolgt sprang es hierher und lief durch die Bahnhofstraße, wobei es einige Personen umrannte und leicht verwundete. Da ein Ergreifen des Tieres nicht möglich sondern Gefahr für das Leben der Passanten zu befürchten war, so entschloß man sich zur Tötung des Tieres. Hr. Julius Dreiß schoß das Tier mit einem Meisterschuß durch die Stirne, so daß es sofort tot umfiel; dadurch wurde weiterem Unglück vorgcbeugt.
-r. Gechingen. (Feldbereinigung). Bei einer größeren Anzahl hiesiger Grundbesitzer hat sich schon längst die Erkenntnis Bahn gebrochen, daß ein rationeller und intensiver landwirtschaftlicher Betrieb nur dann erreicht werden kann, wenn der mangelhafte Zustand unserer Feldmarkungen durch eine auf gesetzlichem Wege durchgeführte Feldbereinigung gründlich und nachhaltig verbessert wird. Dieser Stimmung Rechnung tragend, hat der Ge- meindera't den Antrag auf Bereinigung von zunächst zwei Distrikten der hiesigen Markung gestellt und dadurch die Bereinigungsfrage in Fluß gebracht. Bei der am letzten Samstag abgehaltenen Abstimmungstagfahrt wurde über das Schicksal der ersten, 58 ko, umfassenden Abteilung entschieden. Das Abstimmungsergebnis war ein überaus günstiges. Von 191 Beteiligten hat nur ein einziger gegen das Unternehmen gestimmt. Die Abstimmungsverhandlung wurde durch Herrn Regierungsrat Voelter mit bekannter Umsicht und Sachkenntnis geleitet. Als Vertreter der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft war Herr Obergeometer Kleinknecht aus Stuttgart, eine Autorität auf dem Gebiet des Feldbereinigungswesens, anwesend. Der Hauptzweck
gestachelt-fitzt verstand er sie bester. Er hatte in harter Lebensschule ge
lernt — er wußte jetzt, daß der Wert der Dinge nicht in Aeußerlichkeiten liegt, die herbste Schale oft den süßesten Kern birgt.
„Kann ich Nachtquartier und Abendessen bei Ihnen bekommen?" fragte freundlich.
Die Frau neigte wieder das Haupt, ohne zu sprechen. Sie wandte sich in den dunklen Hausflur zurück und winkte einer Magd, der sie das Gepäck des Reisenden übergab. Dabei öffnete sie zum ersten Male die Lippen,
„Bring den Kuffert in de nige Gaststuw baben!" befahl sie; „de Herr bliwwt öwer Nacht." Dann wandte sie sich in korrektem Hochdeutsch an den Fremden: „Sie werden nicht gern in die Wirtsstube gehen, mein Herr — wollen Sie vielleicht im Garten zu Abend essen?"
Klaus bejahte freudig, und die Wirtin führte ihn am Hause vorbei in den kleinen Garten daneben, besten Pforte auf die Dorfstraße hinausgmg. Dort standen ein paar hohe Pappeln am Zaune, niedriges Fliedergebüsch grenzte das Gärtchen vom Hofe ab. An die weißgetünchte Hauswand lehnte sich eine kleine Laube mit Tisch und Bänken aus unbehauenem Holze. Dort nahm Klaus Platz und sah nachdenklich der Wirtin zu, die flink und geschickt, aber in tiefstem Schweigen, den Tisch deckte und selbst das frugale Abendesten herbeitrug.
Welch köstliche Sommernacht das war! Und wie wohltuend diese Stille wirkte! Draußen auf der Dorfstraße kein Fußtritt, kein Wort mehr: schlaftrunken regte sich wohl von Zeit zu Zeit ein Vogel im Fliederbusche; sonst kein Laut, von nah und fern. Die letzten Gäste hatten anscheinend das Wirtshaus verkästen; die Wirtin ging auch nicht mehr ab und zu, sie hatte sich auf das andere Ende
des beschlossenen Unternehmens besteht darin, die neu erbaute Straße nach Deufringen für die im Bereich derselben gelegenen Acker- und Wiesengrundstücke benützbar zu machen und denselben bessere Zu- und Abfahrten zu schaffen. Gleichzeitig mit der Feldbereinigung im Deufringer Tal soll, in abgesondertem Verfahren, eine Verbesserung der sehr mangelhaften Ent- und Bewässerungs-Einrichtungen der Wiesen daselbst vorgenommen werden. Vom Gemeinderat wurde zunächst die Umwandlung der bestehenden Wässerungsgemeinschaft in eine Wassergenossenschaft nach Art. 100 des Wassergesetzes vom 1. Dezember 1900 beantragt; von dieser Wassergenostenschaft wäre sodann über die an der Anlage vorzunehmenden Verbesserungen zu beschließen.
Sindelfingen, 30. Nov. Das von der Firma Franke in Bremen erstellte Gaswerk konnte gestern abend dem Betrieb teilweise übergeben werden; es herrscht allgemeine Befriedigung hierüber und namentlich auch über die neue reichliche Beleuchtung der Straßen, neben welcher das bisherige Erdöllicht fast ganz verschwindet. Die vollständige Inbetriebsetzung des Gaswerkes wird mit Rücksicht auf die verhältnismäßig große Zahl der Hausleit- ungen kaum vor Ende des Jahres 1903 zu erwarten sein.
Lustnau, 30. Nov. Durch allerhöchste Entschließung Sr. Majestät des Königs vom 22. Nov. wurde !t. „Tübinger Chronik" der hiesigen Gemeinde zu den Kosten der Wiederherstellung des durch Hochwasser beschädigten Ammerauslauss ein Staatsbeitrag von 1200 °^. verwilltgt.
Bebenhausen, 30. Nov. Vorgestern wurden die hiesigen Schulkinder, der „Tüd. Chr." zufolge, nach Schluß deS Unterrichts auf angenehme Weise überrascht. Ihre Mafistät die Königin kam ins Schulzimrner und beschenkte jedes einzelne Kind mit einem Schnitzbrot, so daß die Lernarbeit den freudigsten Abschluß hatte.
Cannstatt, 1. Dez. Gestern nachmittag verunglückte der verheiratete Eisenhobler A. Spohn in der Maschinenfabrik Eßlingen, Filiale Cannstatt, auf bedauerliche Weise. Er wurde von dem Schlitten seiner Hobelmaschine erfaßt und zwischen dem auf- gespannten Gegenstand eingeklemmt. Der Bedauernswerte hat schwere innere Verletzungen erlitten und mußte mittelst Sanitätswagen in das Bezirkskranken- haus verbracht werden.
Heidenheim, 30. Nov. Vor einer überaus zahlreichen Zuhörerschaft hielt gestern im Hotel z. „Ochsen" der Sekretär derHahnemania Dr. H ä h l-Stuttgart, einen sehr interessanten Vortrag über den Magen und dessen Krankheiten. An vorzüglichen Modellen erläuterte er den Bau des Magens, entwarf ein Bild von der Funktion dieses Organs ünd wies auf die Vorzüge der Homöopathie in der Behandlung der Magenkrankheiten hin.
Ulm, 30. Nov. Eine „buchstäblich wahre Geschichte" erzählt die „Ulm. Ztg." folgendermaßen: „Kommt da dieser Tage in einer Ortschaft im
der Bank gesetzt und lehnte das Haupt müde au die Hauswand; ihre hartgear- beiteien Hände lagen gefaltet in ihrem Schoße. Das dunkle ernste Profil hob sich scharf von dem helleren Hintergründe ab; ihre Augen hingen an der Mondsichel, die zitternd zwischen den Zweigen der Pappeln im Aethsr hing und immer glänzender aufstrahlte, je tiefer die Nacht sank.
„Welcher Frieden!" sagte der Maler unwillkürlich laut; „sollte man eS für möglich halten, daß vor wenigen Stunden noch solch Nordost getobt hat? Hier freilich, in diesem stillen Winkel, merkt man nicht viel vom Sturm da draußen!"
Er sah die Frau bei seinen letzten Worten fast herausfordernd an. Ihre völlige Ruhe und Schweigsamkeit reizte ihn förmlich. Sie hatte etwas lebloses an sich! Vorhin schon war ihm der Gedanke flüchrig durch den Kopf geschossen, daß die Frau einer jener alten, Küstern Druidenpriesterinnen gliche, die hier vor über tausend Jahren geherrscht hatten. Der Eindruck verstärkte sich, als er sie jetzt aublickte. Sie hatte den Kopf leicht zu ihm hingedreht und das Mondlicht lag jetzt voll auf ihren Zügen und zeigte die tiefe Schwermut, die sich darauf mit einer fast grausamen Willenskraft paarte.
„Wir fühlen's wohl, wenn der Sturm da draußen tobt!" sagte sie langsam, mit fremdartigem Tonfalle. „Wir sehen hier die See nicht — der Wald und die Höhe liegt zwischen uns und ihr — aber wir wissen doch, daß sie nach uns verlangt — sie zieht uns zu sich — dann nimmt sie uns und läßt uns nicht mehr frei!"
„Die See ist wie ein schönes, falsches Weib!" sagte der junge Künstler gedankenvoll, hingerissen von der finstern, poetischen Eigenart, mit der die einfache Frau sprach. (Fortsetzung folgt.)