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173.
eneubürg, Freitag den 3. November Ml.
69. Jahrgang.
Rundschau.
Der Krieg um Tripolis.
Konstantinopel, 1. Nov. Es verlautet mit Bestimmtheit, daß die Türken gestern einen neuen Angriff auf die noch im Besitz der Italiener befindlichen Außenforts von Tripolis unternommen haben. Die Italiener wurden aus ihren Stellungen verdrängt und hatten große Verluste. Die Meldung, die Italiener hätten bereits kapituliert, ist vorläufig unbestätigt, aber die Regierung ist von großem Optimismus erfüllt. — Die Italiener räumten die Forts Said Mizri und Hani in der Nacht zum 28. v. Mts.
Konstantinopel, 1. Novbr. Amtliche Telegramme bestätigen die Gefangennahme des Generals Caneva, des Oberkommandeurs der ^ italienischen Truppen in Tripolis durch die türkischen i Truppen (?) In demselben Telegramm wird gemeldet, f daß die Türken und Araber sich bereits in den Besitz f des größten Teiles der Stadt Tripolis gesetzt hätten und daß die Kapitulation der übrigen Teile bevorstehe.
London, 1. Novbr. Konstantinopeler Privat- meldungen zufolge sollen die Türken während des Angriffes auf Benghasi 400—500 Italiener gefangen genommen haben. Bei dem Ueberfall ^ auf Tripolis durch die Araber wurden 150 Italiener vom Gros abgeschnitten und gleichfalls gefangen genommen. Jtalienischerseits befürchtet man angeblich, daß die Gefangenen zu Repressalien benützt werden sollen.
Rom, 2. Novbr. Gironale d'Jtalia meldet: Gestern fand im italienischen Lager vor Tripolis eine Gedächtnisfeier für die gefallenen italienischen Soldaten statt. Leutnant Gavotti, der gestern Lei einem Erkundigungsflug über einem der türkischen Lager vor Tripolis Sprengbomben fallen ließ, habe feststellen können, daß eine der Bomben eine unbeschreibliche Verwirrung angerichtet habe. Menschen wie Tiere seien nach allen Richtungen auseinandergestoben. Die Uneinigkeiten zwischen Araber und Türken scheinen sich zu bestätigen. Elftere beklagten sich darüber, daß sie stets in die vordersten Kampfreihen gebracht würden.
München, 1. Nov. Aus Anlaß des 90. Namenstages empfing Prinzregent Luitpold heute früh Gratulationsbesuche. In allen Kirchen wurden feierliche Hochämter mit Tedeum abgehalten. Nachmittags machte der Prinzregrnt, dessen Befinden ein gutes ist, die gewohnte Spazierfahrt nach Nymphenburg.
Berlin muß wohl ein ganz besonders günstiges Klima für Hochstapler sein. Diesmal ist es einem Hochstapler gelungen, mit den Titeln eines Doktors, eines Gerichtsaffeffors und Stabsarzts fast eine halbe Million Mark zu erbeuten. Der 34 Jahre alte Gerichtsschreiber Hans Möller nannte sich Dr. H. Martini, gab sich als Gerichtsassessor, Stabsarzt a. D. oder früheren Arzt der Charitö aus und verschaffte sich dadurch Eintritt in viele Gesellschaftskreise, die ihm sonst verschlossen gewesen wären. Er spiegelte seinen Bekannten vor, daß er ausgezeichnete Beziehungen zu einem Geheimrat im kaiserlichen Patentamt habe. Merkwürdigerweise fragte ihn niemand nach dem Namen dieses Geheimrats. Er erzählte, daß er von seinem Gönner die Prospekte zu den Patentanmeldungen erhalte, die bei dem Amt eingingrn. Er setze sich dann mit großen Firmen in Verbindung und arbeite für diese, weil er patenttechnisch völlig ausgebildet sei, die Patente durch. Hierbei springe nicht nur für ihn, sondern auch für jedermann, der ihm für seine Zwecke Kapital zur Verfügung stelle, enormer Gewinn heraus. Der Verdienst sei so hoch, daß sich auch nach Abzug seiner Spesen und Auslagen das hineingesteckte Kapital immer noch mit 100—300 Prozent verzinse. Um seine Vorspiegelung glaubhaft zu machen, ließ
er sich Formulars mit der Aufschrift: „Depotstelle des kaiserlichen Patentamts" drucken. Diese Depotformulare, die er auf 4000—80000 Mk. ausstellte, versah er mit nachgebildeten Siegeln. Auf die Rückseite des Kuverts schrieb er dann die Namen und Wohnungen der „Beteiligten" und die Höhe der Zahlungen, die ihm die Beschwindelten als Kapitalbeteiligung hergaben. Zahlreiche Leute ließen sich überreden, ihm Kapital zur Verfügung zu stellen, damit das Geschäft noch besser werde. Ihnen versprach er einen Gewinn von 100—300 Prozent. Von den Männern verschaffte er sich Kapitalien, indem er sich mit deren Frauen gut stellte, ihnen Theater-Billets schenkte, ihnen Delikatessen und Nahrungsmittel zukommen ließ und behauptete, er bekomme als Mitglied eines Einkaufsvereins das alles sehr billig. Nach den bisherigen Ermittelungen hat Möller im Laufe der letzten drei Jahre fast 500000 Mk. erbeutet. Vermutlich handelt es sich aber um noch größere Beträge, da sich noch nicht alle Geschädigten bei der Polizei gemeldet haben. Die Opfer des Betrügers gehören meist den Kreisen der Beamten an. Als „Dr. Martini" verhaftet wurde, spielten sich unter den Geschädigten schreckliche Szenen ab, da manche von ihnen ihr ganzes Vermögen, das sie in jahrelanger Sparsamkeit erworben hatten, verloren haben. Ein höherer Beamter eines Instituts hat 200 000 Mk. eingebüßt, die Eltern eines Angestellten in einem Zigarrengeschäft verloren 50000 Mk. usw. Entlarvt wurde der Schwindler dadurch, daß ein Kaufmann einem Kriminalkommissar von dem angeblichen Dr. Martini erzählte, und durch diesen Kriminalkommissar ist dann Möller in einer Weinstube in der Leipzigerstraße verhaftet worden. Bei seiner Verhaftung trug er 107 000 Mk. in Tausend- und Hundertmarkscheinen bei sich. Bei seiner Braut fand man Kostbarkeiten im Werte von 15000 Mk. Möller beabsichtigte übrigens, demnächst nach Paris zu gehen, um dort seine Schwindeleien fortzusetzen. Während Möller zu Hause, im Kreise seiner Opfer und früher auch auf dem Gericht den einfachen und soliden Mann spielte, war er im übrigen ein erstklassiger Lebemann, der das Geld mit vollen Händen ausgab.
Berlin, 1. Nov. Die Hochstapeleien des Hilfsschreibers Möller nehmen einen immer größeren Umfang an. Bisher konnte festgestellt werden, daß Möller Anfang Januar 3 Millionen Mark seinen Kunden hätte zurückzahlen sollen, darunter Summen von 5 und 600000 Mk. Bei der gestrigen Haussuchung in der Wohnung seiner Mutter wurden noch 3000 Mk. vorgefunden und beschlagnahmt.
Johannistal, 2. Nov. Heute nachmittag gegen 2 Uhr stieg die „Schwaben" zu einer Fahrt über Potsdam und Berlin auf. An der Fahrt nahmen teil die Prinzen Eitel Friedrich, August Wilhelm mit Gemahlin, Oskar und Joachim, ferner Prinz Friedrich Sigismund und Prinz Friedrich Karl von Preußen, der Erbprinz von Hohenzollem, Prinz Georg von Griechenland, Eisenbahnminister von Breitenbach, Unterstaatssekretär Richter, Rittmeister Frhr. von Mirbach und Direktor Colsmann. Die Fahrt ging über Groß-Lichterfelde, Teltow nach Berlin, wo das Neue Palais zweimal umkreist wurde, über Charlottenburg nach dem Schwielowsee, auf dem eine Wafferlandung vorgenommen wurde. Die Rückfahrt ging über Werder, Charlottenburg und Berlin nach Johannistal, wo die Landung b/i4 Uhr so glatt von statten ging, daß nicht einmal das Landungsseil benutzt zu werden brauchte. Gleichzeitig kreuzte auch Parse val über Berlin.
Mannheim, 31. Okt. Zur allgemeinen Verwunderung unternahm heute nachmittag 4 Uhr das Luftschiff Schütte-Lanz trotz des windigen Wetters seinen zweiten Aufstieg, der wiederum zur vollständigen Zufriedenheit des Konstrukteurs des Luftschiffes, Hrn. Professor Schütte, aussiel. Das Luftschiff flog langsam aber sicher in die Höhe; in
Höhe von 150 Meter änderte es seinen Lauf und flog über Schwetzingen, Friedrichsfeld, sowie über den Rhein. Es führte verschiedene elegante Schleifen und Achter aus. Obwohl das Luftschiff gegen den Wind ankämpfen mußte, verlief die Fahrt doch großartig. Von der beabsichtigten Schleifenfahrt über Mannheim mußte Abstand genommen werden, da der Wind stets zunahm. Wie verlautet, sind mindestens 50 Kilometer in der Stunde gefahren worden.
Mannheim, 1. Nov. In Viernheim ist in vergangener Nacht die Dampfsägerei von Gebr. Brechtel niedergebrannt. Es herrscht großer Wassermangel. Der Schaden soll über 100000 Mk. betragen.
Der französische Heeresetat fordert für das Jahr 1912 rund 20 Millionen mehr, obwohl es so aussteht, als vermindere er seine Anforderung um die genannte Summe. Er fordert 920 Millionen, das ist 20 Millionen weniger. Da für 1911 jedoch ein Betrag von rund 40 Millionen für die Ablösung der Militärbetten für die Soldaten von der Bettenvermietungsgesellschaft angesetzt war, so ergibt sich in Wirklichkeit eine Steigerung von 20 Millionen Franken.
Paris, 1. Nov. Eine entsetzliche Baukatastrophe hat sich gestern in Nogent für Seine ereignet. Eine Malzfabrik, die sich im Bau befindet, ist eingestürzt und 70 Arbeiter, die dort beschäftigt waren, sind, unter den Trümmern begraben. Von den Arbeitern sind bis zur Stunde 25 zum Teil schwer verletzte aus den Trümmern gezogen und 5 Tote geborgen worden. Das Gebäude hatte eine Höhe von 6 Etagen. Unter den 70 Arbeitern sind viele Italiener und auch einige Deutsche. Die Ursache der Katastrophe dürfte in der schlechten Eisenkonstruktion zu suchen sein. Die ganze Stadt befindet sich in einer furchtbaren Aufregung. Der Bahnhof wurde in ein Krankenlager umgewandelt. Eine Kompagnie Jäger ist inzwischen zur Hilfeleist, ung eingetroffen und hat sich ans Rettungswerk begeben. Ein Arbeiter, der in einem Trümmerhaufen eingekeilt ist, hat nur seinen Kopf frei und schreit in ganz fürchterlicher Weise. Es ist unmöglich, ihn sofort aus seiner entsetzlichen Lage zu befreien. Zwei deutsche Arbeiter wurde um 9 Uhr abends aus den Trümmern gezogen, nachdem er vier Stunden darunter gelegen. Seine Verletzungen sind leichterer Natur. Bis gegen 9 Uhr hörte man das Hilfegeschrei eines Kindes, das dann verstummte. Man glaubt, daß das Kind erstickt ist. Es ist immerhin noch Hoffnung vorhanden, daß eine größere Anzahl der Arbeiter sich in das Kellergeschoß geflüchtet hat, das dem Einsturz Widerstand geleistet haben dürfte. Noch 40 Arbeiter werden vermißt. Es befinden sich auch viele Arbeiter der Stadt darunter. Mütter, Frauen, Töchter umstehen die traurige Stätte und feuern die Rettungsmannschaften zu unermüdlicher Arbeit an.
Wien, 1. Nov. Während der Trauung eines jungen Offiziers wurde das Publikum durch ein donnerähnliches Gepolter in Aufregung versetzt. Auf dem Dache der Kirche waren sechs Arbeiter mit der Ausbesserung eines Kreuzes beschäftigt. Plötzlich gab die Säule des Kreuzes nach und alle sechs Arbeiter rollten bis zur Balustrade des Daches. Drei von ihnen konnten sich festklammern und blieben unverletzt. Einer erlitt einen Schädelbruch. Die beiden anderen trugen leichtere Verletzungen davon. Vor der Kirche hatte sich eine große Volksmenge angesammelt.
Beim Hinaufziehen einer 3000 Kilogramm schweren Glocke in den Glockenturm der neuen Kathedrale in Sofia, die nächstes Jahr anläßlich des Regierungsjubiläums von König Ferdinand eingeweiht werden soll, riß das Drahtseil und die stürzende Glocke riß drei Arbeiter mit sich in die Tiefe, die auf der Stelle tot blieben.