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Neuenbürg, Mittwoch den 1. November Ml.

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Stuttgart, 30. Oktober. Das Langenauer Wasserversorgungsprojekt scheint immer noch nicht bei den zuständigen Stellen der Stuttgarter Stadtverwaltung Anklang zu finden. Wenigstens sieht man sich unter der Hand anderwärts nach Wasser um, und zwar dürfte große Neigung vor­handen sein, auf das Jllertalprojekt zurückzugreifen. Unter Beiziehung eines Frankfurter Sachverständigen hat die städtische Wasserversorgungskommission vor einigen Tagen die Gegend von Jllerrieden OA. Laup- heim besichtigt, wo schon seit längerer Zeit drei von der Stadt Stuttgart aufgestellte Pumpen im Betrieb sind. Es soll sich hierbei gezeigt haben, daß in jener Gegend Wasser genug und in einwandfreier Beschaffenheit vorhanden ist. Jllerrieden liegt etwa 15 Kilometer oberhalb Ulm in einer Weitung des Jllertales. Es handelt sich um die Entnahme von Jllergrundwasser. Die Bedenken, die bereits beim ersten Auftauchen des Jllertalprojekies erhoben wur­den, nach der Richtung, daß auch das Jllertal im Lauf der Zeit mehr und mehr industrialisiert werden könnte, wodurch die zurzeit noch einwandfreie Be­schaffenheit des Wassers wieder in Frage gestellt würde, scheint man also in den Kreisen der Stutt­garter Stadtverwaltung nicht besonders ernst zu nehmen. (Württ. Ztg.)

Stuttgart, 30. Okt. Am 7. November wird der Evangelische Synodus zu seinen Beratungen zusammentreten, die Heuer insbesondere dem Entwurf eines Gesangbuches für die evangelische Landes­kirche gewidmet sein werden.

Die württembergische Unterrichtsverwal- tung, die vor zwei Jahren die alkoholfreien Schul­spaziergänge anordnele, hat gezeigt, daß sie der Nüchternheitsbewegung volles Verständnis entgegen­bringt. Die kürzlich veröffentlichte neue Hausord­nung für die Volksschullehrerseminarien besagt näm­lich u. a.:Alle Zöglinge haben sich des gewohn­heitsmäßigen Besuches der Wirtschaften zu enthalten. Ueberhaupt wird den Zöglingen Mäßigkeit im Ge­nüsse geistiger Getränke besonders ans Herz gelegt. Volle Enthaltsamkeit, um die sich jeder auf dem Wege der Selbsterziehung bemühen möge, ist für die Gesundheit das Zuträglichste."

8.-L. Stuttgart, 30. Okt. Ein parlamen­tarisches Kuriosum in Württemberg bildet die Tatsache, daß der 1838 geborene Herzog Philipp von Württemberg zwar der ersten Kammer schon seit 4. März 1861, also seit 50 Jahren, angehört, an den Verhandlungen aber noch nie teilnahm. Von 1861 bis 1906 ließ er sich durch andere Mitglieder der ersten Kammer vertreten; seit Inkrafttreten der Verfassungsrevision im Jahre 1906, in der das Recht der Vertretung der Prinzen ausgeschaltet wurde, war Herzog Philipp auch nicht mehr vertreten. Seine 3 Söhne sind in die erste Kammer eingetreten und haben sich wiederholt an den Verhandlungen beteiligt, so auch Herzog Albrecht.

Stuttgart, 30. Okt. Die Firma Werner und Pfleiderer, Backofen-, Teig- und Knetmaschinen- fabrik in Cannstatt, hat ihren großen Betrieb des Backofenbaues nach dem in Feuerbach an der Bahn­linie erstellten Neubau verlegt.

Herrenberg, 31. Okt. Die unter Führung des Ministers v. Pischek das Land bereisende Kom­mission hat auch hier den für die Rudolf-Sofien- stiftung der Familie Knosp angebotenen Bauplatz zu einem Erholungsheim besichtigt. Eine Ent­scheidung ist immer noch nicht gefallen.

Geislingen, 30. Oktober. Als Neuerungen werden hier eine elektrische Glockenläutemaschine für die evang. Stadtkirche und eine Sprechmaschine sür Unterrichtszwecke im hiesigen Realprogymnasium beschafft.

Stockhrim, 31. Oktbr. (Herbsterträgnis.) Auf der Markung stehen im Ertrag 55,78 Hektar Weinberge. Erzeugt wurden 87 460 t durchweg Rotwein. Der höchste Preis sür den Eimer betrug 260 Mk., der niederste 225 Mk. Verkauft wurden 72 080 I, erlöst 55440 Mk. Eingekeltert wurden 15 380 I. Rechnet man sür den eingekelterten Wein durchschnittlich 79 Mk. für den bl, so ergibt sich ein

Weinerträgnis von zusammen rund 68000 Mk. Im Herbst 1910 wurden nur etwas über 9000 Mk. Weinerträgnis festgestellt.

Friedrichshafen, 30. Okt. Mit Sack und Pack sind gestern die Tiroler Hütekinder aus allen Teilen Oberschwabens und vom Schwarzwald her wieder zusammengeströmt. Nachdem sie voll­zählig von ihren Dienstherrschaften wieder abgeliefert waren, bestiegen sie mit ihren Führern ein Sonder­schiff und steuerten nach Bregenz, der Heimat entgegen.

Vom Bodensee, 30. Okt. Wir haben seiner­zeit mitgeteilt, daß von St. Gallen Wildpark aus 6 Stücke Steinwild ins Gebiet der Grauen Hörner eingesetzt wurden. Laut Mitteilung eines Wildhüters haben sich die Tiere sehr gut akklimatisiert. Drei Stück, der einjährige Steinbock, die einjährige Geiß und eine zweijährige Geiß waren nach den ersten Wochen schon so verwildert, daß sie sich seit langem nicht mehr sehen lassen. Ihr Aufenthalt kann nur durch ihre Spuren bestätigt werden. Die anderen Tiere halten sich in der Nähe der Rappenbach- Alphütte auf. Sie befinden sich in bester Kondition. Der Winter wird keine großen Gefahren bringen, da die Tiere Schnee und Kälte leicht ertragen, auch am nötigen Futter fehlt es ihnen nicht. Der letzte Steinbock ist vor mehr denn 100 Jahren aus den Alpen verschwunden. Alle Freunde der Natur und der Tierwelt würden es sicherlich mit Freuden be­grüßen, wenn es gelänge, diese eigenartigen Grat­tiere in den Bergen wieder heimisch zu machen.

Kus Staöt» Bezirk unS Umgebung.

G Neuenbürg. 30. Okt. Am Samstag und Sonntag sprach der bisherige Reichstagsabgeordnete des VII. Wahlkreises, Hr. Schweickhardt. in Gräfenhausen, Birkenfeld und Engelsbrand. Alle 3 Versammlungen waren sehr gut besucht. Hr. Schweickhardt besprach seine Tätigkeit im Reichstag in den letzten 5 Jahren. Er konnte das um so besser, da er einer der fleißigsten Abgeordneten ist, der sehr selten im Reichstag fehlte. Er war auch Mitglied der Etatskommission, die die Steuergesetze der Neichsfinanzreform traurigen Angedenkens für das Plenum vorbereitete. Er gab sich auch die größte Mühe, um bis zuletzt zu retten, was zu retten war. Er machte auch den Auszug aus der Kom­mission mit, als die skrupellose Mehrheit von Zen­trum und Konservativen ohne ein Wort zu sprechen alle Anträge der Linken einfach niederstimmte. Er wußte sehr betrübende Vorgänge aus den Verhand­lungen zu erzählen, wie die Beratungen anfänglich rasch vorwärts gingen, wie die Konservativen an­fänglich verschiedene Konzessionen machten, auf die Liebesgaben auf Branntwein verzichten wollten, sogar die Erbschaftssteuer auch in den Reihen der Konser­vativen Freunde fand, wie dann durch das Eingreifen des Zentrumsmanns Gröber auf einmal die Ver­handlungen einen entgegengesetzten Gang nahmen. Das Zentrum garantierte den Konservativen die Liebesgaben, die sie bisher auch bekämpft hatten, half ihnen die verhaßte Erbschaftssteuer verwerfen. Von dem Tage an wurden beide einander Freund; denn zuvor waren sie einander Feind". Seither haben wir den sogenanntenschwarz-blauen Block" oder auchSchnapsblock". Hr. Schweickhardt be­leuchtete scharf die eigennützige Politik dieses Blocks. Das Zentrum bekommt feine Direktiven von Rom und hat überhaupt gar keinen ausgesprochenen poli­tischen Charakter. Es ist demokratisch und konser­vativ, Regierungspartei, bald Oppositionspartei, wie es am besten Geschäfte machen kann. Während die katholische Kirche in den rein katholischen Ländern immer mehr an Einfluß verliert, steht sie in dem überwiegend protestantischen Deutschland mächtig da, daß sie es sogar wagen konnte in der Borromäus- evcyklika, das ganze protestantische Volk in empörend­ster Weise zu beleidigen. Der Bund der Landwirte ist eine reine Geldin<ercsfenpartei, die nur für ihren Vorteil sorgt, mag cs den andern gehen wie es will. Gegen diese beide Parteien gilt hauptsächlich der nächste Wahlkampf, der jedenfalls im ganzen deut­schen Reiche sehr heftig werden wird. Aber die Volkspartei hat nach zwei Fronten zu kämpfen, weil

69. Jahrgang.

, sie von rechts und links angegriffen wird, während s die Sozialdemokratie nur eine Angriffsfront nach s rechts hat. Daher ist auch der Kampf so schwierig. ! In Birkenfeld trat der Hr. Gewerkschaftssekretär ! Kluge, den die Sozialdemokratie von Birkenfeld hatte kommen kaffen, dem Hrn. Schweickhardt ent­gegen und zwar in sehr ruhiger und sachlicher Weise. Er konnte sich mit den meisten Ausführungen Hrn. Schweickhardts vollständig einverstanden erklären, andere unterstrich er noch schärfer. Natürlich hatte er an der Haltung der Volkspartei manches auszu- setzen, wie auch wir an der Haltung der Sozial­demokratie auszusetzen hatten. Verschiedenes wurde gegenseitig auch anerkannt. Die Diskussion verlief sehr ruhig und sachlich in vornehmen Formen. Ebenso ging es auch in Engelsbrand, wo auch die gegenseitige Aussprache sehr ruhig vor sich ging und in manchen Punkten klärend wirkte. Die Volkspartei kann mit dem Verlauf der letzten 3 Versammlungen sehr zufrieden sein. Die Agitation wird fortgesetzt werden. Vielleicht werden wir in der nächsten Zeit den bekannten Reichstagsabgeordneten Hrn. Nau­mann in unseren Bezirk bekommen.

* Neuenbürg, 30. Okt. Reiche Anregung in Obstbausachen brachte uns der gestrige Sonntag durch den Besuch des Hrn. Sch aal, Sekretär des württ. Obstbauvereins. Hatte schon der Vormittag einzelnen Mitgliedern Gelegenheit gegeben, in verschiedenen Anlagen wertvolle Winke bei Behandlung der ver­schiedenen Obstarten und Baumformen zu erhalten, so war dies nachmittags in Gräfenhausen einem großen Kreis von Obstzüchtern vergönnt. Dort wur­den zunächst an Ort und Stelle die Fehler in Baum­satz, Kronenbildung und Pflege schonungslos aufge­deckt, musterhafte Bäume hervorgehoben und der Schnitt an Hochstämmen und Formbäumen vorgezeigt. In leichtverständlichem Vortrag gab uns sodann Hr. Schaal unter Berücksichtigung von Lage, Klima, Bodenart und unter Zugrundelegung des Gesehenen aus seiner reichen Erfahrung heraus Aufklärung über Sortenwahl. Baumpflanzung und Baumpflege. Er hob insbesondere hervor, nur das allerbeste Material und genügend weit zu pflanzen, die richtigen Sorten durch Ortsausschüsse festzustellen, die Bäume durch Anbinden, Ausputzen, Abkratzen und Wundbehand­lung, sowie Kalkanstrich zu pflegen und dieselben erst zu düngen, wenn sie anfangen zu tragen. Ferner ! empfahl der Redner, den Spalierobstbau an Haus­wänden zu pflegen. Die Ausführungen wurden mit lebhaftem Beifall entgegengenommen. Der Vorstand des Bezirksobst- und Gartenbauvereins dankte dem Redner und dem württ. Obstbauverein und knüpfte daran die Mahnung, um die angestrebten Ziele zu erreichen, die Anwesenden möchten dem württ. Obst­bauverein und selbstverständlich auch dem Bezirks­verein beitreten. Dieser Aufforderung entsprachen zahlreiche Anwesende. Die Einladung sei auch hier wiederholt. Mögen die Anregungen auf fruchtbaren Boden gefallen sein und insbesondere künftig die Gemeinden mit den Baumwarten vorbildlich wirken. Die Demonstrationen und der Vortrag waren außer­ordentlich zahlreich besucht und zeigten ein reges Interesse nicht nur von Einwohnern von Gräfen­hausen, sondern auch von vielen Auswärtigen; sogar von Dobel war eine Abordnung erschienen.

Nagold, 30. Okt. Am Samstag nachmittag trafen sich 53 Mitglieder der Offiziervereine der Bezirkskommando Calw und Horb im Hotel Post. Es wurde hiebei ein Vortrag gegeben über die Ma­schinengewehre der Infanterie und deren Verwendung.

Altensteig, 29. Oktbr. Heute wurde hier me Gauversammlung der Gewerbevereine des nördlichen Schwarzwaldgaues abgehalten. Vertreter hatten gesandt die Gewerbevereine von Calw, Freu­denstadt, Haiterbach, Herrenberg, Nagold, Neuen­bürg und Pfalzgrafenweiler. Der Vorstand des hiesigen Gewerbevereins, Stadtpfleger Lutz, begrüßte die Versammlung, die gut besucht war und gab einen kurzen Rückblick auf die Tätigkeit in den letzten Jahren. Der Gau besitzt ein Vermögen von 134 Dann hielt Sekretär Bayr-Stuttgart einen Vortrag überder gewerbliche und kaufmännische Mittelstand in der modernen Wirtschaftspolitik", hiebei zuerst bemerkend, daß dies Thema in Süddeutschland für