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166.
Nerrenhürg, Mittwoch dm 18. Oktober Ml.
89. Jahrgang.
RunSichau.
Der Krieg um Tripolis.
Italien setzt sich der Türkei gegenüber immer mehr aufs hohe Pferd. Wie wenigstens das „Gior- nale d' Jtalia" zu wissen glaubt, hat die italienische Regierung die Mächte davon in Kenntnis gesetzt, daß sie die unerschütterliche Absicht habe, zur bedingungslosen Annexion von Tripolis, Cyre- naika und den hiermit zusammenhängenden Gebieten ! zu schreiten. Der Türkei wird in der betreffenden Mitteilung des römischen Kabinetts an die Mächte, wie weiter verlautet, allerhand vorgeworfen, wodurch sich Italien zur Annexion von Tripolis genötigt sehe. In dem nämlichen Sinn lassen sich auch „Corriere d' Jtalia" und „Popolo Romano" vernehmen. Angesichts einer derartigen herausfordernden Haltung Italiens dürften die „ehrlichen Friedensmakler" allerdings einen sehr harten Stand haben.
London, 17. Oktbr. Nach Blättermeldungen aus Gallipolis ist gestern früh eine türkische Schiffsdivision vom Goldenen Horn mit unbekanntem Ziel abgegangen.
London, 17. Okt. Der Korrespondent des „Daily Chronicle" in Wien erfährt aus gut unterrichteten Kreisen, daß alle Vermittlungsbemühungen der Mächte in Rom völlig gescheitert sind. Die Unterhandlungen wurden von Deutschland geführt, das von Großbritannien, Oesterreich-Ungarn und Frankreich unterstützt wurde. Vorläufig sind nun alle weiteren Friedensvermittlungsversuche ausgeschlossen.
Berlin, 17. Okt. Reichstag. Am Bundesratstisch Staatssekretär Lisco. Haus und Tribüne sind gut besetzt. Präsident Graf Schwerin eröffnet die Sitzung um 2 Uhr 20 mit einem Willkommen an die Mitglieder und dem Wunsch, daß es dem Reichstag im kommenden Sessionsabschnitt möglich sein werde, noch einen erheblichen Teil seiner gesetzgeberischen Aufgaben zu erfüllen. Hierauf ehrt das Haus das Andenken der verstorbenen Abgeordneten in der üblichen Weise. Nach geschäftlichen Mitteilungen tritt das Haus in die Tagesordnung ein, auf der Petitionen stehen. Die Abstimmung über die Petition betr. amtliche Zulassung der Antiqua- schrift ergibt Annahme des Antrags Bindervald (wirtsch. Vgg.) auf Uebergang zur Tagesordnung entgegen dem Kommissionsantrag auf Berücksichtigung. Zu der Petition auf Erlassung von Bestimmungen zum Schutz der Arbeitswilligen gegen Bedrohung und Mißhandlung und der Gewerbetreibenden gegen Verrufserklärung beantragt die Kommission Ueber- weisung als Material. Die Sozialdemokraten verlangen Uebergang zur Tagesordnung. Raab (wirtsch. Vgg.) fordert größeren Schutz gegen den Boykott, der immer mehr als Kampfmittel zur Vernichtung der mittleren Existenzen angewendet werde. Schmidt- Berlin (Soz.) wirft gerade der Partei des Hrn. Raab vor, daß sie den Boykott als Waffe im wirtschaftlichen Kampf benütze. Wie stehe es mit der Parole der Antisemiten: Kauft nicht bei Juden! (Sehr gut! bei den Soz.) Ohne weitere Debatte wird darauf der Antrag der Sozialdemokraten abgelehnt und der Kommissionsantrag angenommen. Zu einer Petition der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine betreffend Errichtung paritätischer Arbeitsnachweise beantragt die Kommission Ueberweisung an den Reichskanzler zur Erwägung. Hue (Soz ) betont, daß die bestehenden Arbeitsnachweise zu Ungerechtigkeiten den Arbeitern gegenüber führen. Die Petition wird der Regierung zur Erwägung übergeben. Nächste Sitzung Mittwoch 1 Uhr: Interpellationen betreffend Teuerung, Marokko und Vereinsgesetz, erste Lesung des Privatbeamtenversicherungsgesetzes. Schluß 4 Uhr 30.
Im „Vorwärts" finden sich Andeutungen, wo- > nach die verbündeten Regierungen beabsichtigen ! sollen, den jetzt nochmals zusammengetretenen Reichs
tag aufzulösen und dann die Neuwahlen noch vor Weihnachten stattfinden zu lassen. Das sozialdemokratische Zentralorgan erwartet eine Erklärung seitens der verbündeten Regierungen über diese ihre angebliche Absicht. Es ist indessen sehr unwahrscheinlich. daß man regierungsseitig nun plötzlich das Bedürfnis empfinden sollte, den gegenwärtigen Reichstag noch kurz vor seinem natürlichen Ende nach Hause zu schicken und die Neuwahlen auf einen Termin noch im alten Jahre anzuberaumen.
Paris. 17. Okt. Die Meldung des „Matin", daß die deutsche Regierung auf den mittleren Teil des Kongo verzichte und sich mit Grenzregulierungen begnügen werde, findet hier wenig Glauben. Die Blätter schlagen wieder einen schärferen Ton an. Die „Liberte" schreibt, daß die französische Regierung sich nicht der allgemeinen Stimmung in Frankreich widersetzen könne und diese verwerfe aufs entschiedenste alle territorialen Kompensationen. In offiziellen Kreisen hüllt man sich in strenges Schweigen.
Berlin, 17. Okt. (Telegramm an den Enzt., 3 Uhr nachm.). Die Landungskorps der Schiffe „Leipzig", „Tiger" und „Vaterland" zusammen mit den aus Deutschland in Han kau bestehenden freiwilligen Kompagnien stehen im Straßenkampf mit dem Pöbel. Der Handel liegt stark darnieder.
Der Chef des deutschen ostasiatischen Geschwaders befindet sich mit der „Gneisenau" und einem Torpedoboot auf der Fahrt nach Han kau. Den Oberbefehl über die vereinigten Streitkräfte hat ein amerikanischer Admiral übernommen.
Die Revolution in China schreitet stetig siegreich vorwärts. Der Süden Chinas, von welchem die jetzige aufständige Bewegung ausgegangen ist, scheint sich schon fast vollständig in den Händen der Rebellen zu befinden, ebenso die reichen mittleren Provinzen Chinas. Und bereits greift der gefährliche Aufstand nach Norden hinauf, er hat schon die Stammprovinz Petschili, in welcher bekanntlich die Hauptstadt Peking liegt, an verschiedenen Punkten ergriffen, so daß die Situation für die kaiserliche Regierung eine äußerst bedrohliche ist. Sie macht denn auch geradezu verzweifelte Anstrengungen, des Aufstandes Herr zu werden, und hat sogar den alten Juanschikai, welcher vor drei Jahren trotz seiner hervorragenden Verdienste um die Regeneration des Reiches der Mitte infolge von Hofkabalen verbannt wurde, aus seinem Exil zurückgerufen, damit er der Netter des Kaiserthrones werde. Unterdessen haben die Aufständischen in Hankau eine förmliche Gegenregierung eingerichtet; sie hat den fremden Konsuln mitgeteilt, daß die Fremden von den Rebellen nichts zu besorgen hätten. Ferner ließ sie den Konsuln erklären, die Revolutionspartei sei bereit, die Anleiheverpflichtungen und andere Verbindlichkeiten der Pekinger Zentralregierung gegenüber dem Auslande anzuerkennen, falls sich die auswärtigen Mächte in dem Bürgerkriege in China neutral verhalten würden. Der Höchstkommandierende der Revolutionstruppen ist General Liyuanheng, er hat große Geldmittel zur Verfügung. Die Leiter des Aufstandes erklären offen, sie würden nach dem Sturze der regierenden Mingdynastie die Republik erklären. Vor Hankau befinden sich zurzeit an--fremden Kriegsschiffen vier britische, zwei deutsche und zwei amerikanische. Außerdem ankern eine chinesische Regierungsflottille, bestehend aus zwei Kreuzern, zwei Kanonenbooten und vier Torpedobooten, unterhalb der Fremdenniederlassungen von Hankau außerhalb der Schußweite der Geschütze der Revolutionäre. Die kaiserliche Regierung hat zunächst zwei Divisionen in aller Eile gegen die Rebellen entsendet.
Jerusalem, 17. Okt. Die zahlreichen württem- bergischen Landsleute in Palästina waren wegen der in Jaffa ausgebrochenen Unruhen in Sorge um ihre Sicherheit. Nach dem „Schw. K.-B." ist jedoch ein beruhigendes Telegramm von Kiderlen-Wächter
eingelaufen, wonach augenblicklich keine Gefahr bestehe und die türkischen Behörden die Garantie für die Aufrechterhaltung der Ordnung übernehmen.
Berlin, 17. Okt. Wie die „Tägliche Rundschau" erfährt, hat Generalfeldmarschall v. d. Goltz sich mit kaiserlicher Genehmigung mit den Korpskommandos in Verbindung gesetzt, um deren Unterstützung bei Durchführung der geplanten Vereinigung Jungdeutschland zu erhalten. Der Zweck dieser Vereinigung ist, die Jugend unter Ausschluß aller Politik wehrhaft und wahrhaft zu machen und der Armee die Herzen der Jugend zu gewinnen. Die Generalkommandos sind gebeten worden, innerhalb ihres Bereiches einen aktiven oder inaktiven Offizier oder eine Zivilperson vorzuschlagen, die die Einrichtung unter Leitung der Ortsgruppe übernimmt. Gleichzeitig ist die Bitte geäußert worden, die unterstellten Kommandeure zu beeinflussen, den Offizieren die Mitarbeit zu gestatten und auch geeignete Plätze und die nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Für Mitwirkung kommen außer den Offizieren des Dienststandes auch Offiziere des Beurlauüenftandes in Betracht.
Düsseldorf, 17. Okt. Die von den westfälisch- lippeschen Zigarrenfabrikanten angedrohte Aussperrung ist gestern Tatsache geworden. Etwa 8000 Zigarrenarbeiter werden davon betroffen.
Schwetzingen, 17. Okt. Das Luftschiff Schütte- Lanz hat heute nachmittag 5.21 Uhr unter Führung des Hauptmanns v. Müller seine erste Auffahrt unternommen. Das Luftschiff ist nach einstündiger glatter Fahrt gegen ff-7 Uhr bei Waldsee in der Pfalz niedergegangen. Die Landung ging ohne Zwischenfälle von statten.
Rudolstadt, 17. Okt. In der letzten Nacht fand bei der benachbarten Stadt Teichel ein Duell zwischen zwei Gymnasisten statt. Der Obersekundaner Hans Dietrich v. Necker, 16 Jahre alt, wurde erschossen. Der Unterprimaner Dietzen, 18 Jahre alt, erlitt leichtere Verletzungen. Ursache soll eine Tanzstundenliebe sein.
Halle a. d. S., 16. Okt. Gestern Nacht versuchte die Kaufmannsfrau Antonie Förster sich und ihre drei Kinder durch Einatmen von Leuchtgas zu töten. Als man in die Wohnung drang, war ein 6jähriger Knabe und ein 4jähriges Kind schon tot. Frau Förster und ein erst vorigen Monat geborenes Kind gaben noch Lebenszeichen von sich. Die Frau hat die Tat aus Kummer über den Tod ihres Mannes begangen.
Aus der Pfalz, 14. Okt. Zur Bekämpfung der teuren Fleischpreise wurde in St. Ingbert ein Fleischmarkt errichtet, der sich sehr gut bewährte und deshalb erweitert wird. Mit der Neuheit, auf diesem Fleischmarkt auch Wildbret auszubieten, wurde ein glücklicher Griff getan, es fand zu 60—70 Pfg. per Pfund schlanken Absatz. Nach dem Vorgehen St. Ingberts werden jetzt auch andere pfälzische Städte größere Wildbretmärkte einrichten, die bei dem guten Wildstand in der Pfalz in diesem Jahre recht gut befahren werden können.
St. Barbara (Californien), 17. Okt. Unter der Stahlbrücke der Southern Pacific-Eisenbahn zwischen El Capitano und Gaviota wurden gestern 36 Dynamitpatronen entdeckt, kurz bevor der Zug, in dem sich Präsident Taft befand, die Brücke passierte.
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Stuttgart, 17. Okt. Für das durch den Tod des Landtagsabg. Dr. Bauer freigewordene Uracher Landtagsmandat hat die Volkspartei als Kandidaten den früheren Abgeordneten Fabrikant Fritz Henning in Metzingen aufgestellt, der die Kandidatur angenommen hat.
Stuttgart, 17. Okt. (Schwäbische Landes- Ausstellung für Reise- und Fremdenverkehr Stuttgart 1912.) Die Landesausstellung für Reise-