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Reuenbürg, Samstag den 29. Zuli Ml.
69. Jahrgang.
RunSschau.
Die deutsche Arbeiterfahrt nach England ist überaus befriedigend verlaufen. Ein Teilnehmer der Fahrt schreibt den „Leipz. N. N.": Blicken wir noch einmal auf alles Erlebte zurück, so müssen wir uns gestehen, daß wir mit Worten nie vergelten können, was englische Freundschaft und Bruderliebe an uns getan. Die Reise an sich war nichts anderes als eine imposante Friedensfahrt, die den Zweck hatte, die beiden Völker fester aneinander zu ketten. Je näher zwei verwandte Nationen sich einander kennen lernen, desto fester muß das Band werden, das sich um beide schlingt. Das Schönste, was wir drüben erfahren haben, ist die sichere Gewißheit, daß das englische Volk, vornehmlich der englische Arbeiter, den Frieden will. Und wenn im nächsten Jahre wieder englische Arbeiter nach Deutschland kommen, wie dies beabsichtigt ist, dann soll es uns eine Ehrenpflicht sein, denselben das wiederzugeben, was wir in den Tagen unseres Besuches iu England in so reichem Maße empfangen haben!
Eine neue Großmacht in Sicht! Jules Huret, der bekannte Mitarbeiter des Pariser Figaro, der bekanntlich auch Reisen in Deutschland gemacht und sich darüber ausgelassen hat, veröffentlicht jetzt in demselben Blatte Reiseeindrücke aus Argentinien. Er steht nicht an, zu erklären, daß Argentinien sehr bald in die Reihe der Großmächte eintreten werde. Und zwar folgert er das aus dem riesigen Export des jungen Landes. Nicht Nordamerika, nicht Rußland, nicht Kanada wirst so viel Getreide auf den Weltmarkt wie Argentinien. Im Jahre 1909 exportierte Argentinien über 2,5 Millionen Tonnen im Wert von 4000 Millionen Mark. Auch in Mais, Leinsaat und Hafer ist Argentinien sehr leistungsfähig; es steht betreffs des Mais heute bereits an zweiter Stelle der Exportländer und wird binnen kurzem auch an erster Stelle stehen. Im Jahre 1872 wurden in Argentinien nur 400 000 Hektar Land bebaut, heute sind es 19 Millionen Hektar! Auch in der Viehzucht steht das Land, wie man weiß, an erster Stelle. Nun zieht Huret daraus einen sehr interessanten Schluß. Wer sind die Träger dieser Kultur in der Hauptsache? Er antwortet, wohl zutreffend, selbst darauf, indem er sagt: Es sind zum großen Teil die Nord-Italiener. Leute, die zu Hause blutarm waren und kaum das Reisegeld nach Argentinien erschwingen konnten, sind dort reich geworden und werden noch viel reicher werden. Und Huret sieht sich in der nahen Zukunft ein mächtiges Argentinisches Reich erstehen, einen Großstaat der
Wilhelm GmjhlMl «xd Rodert Moyer.
Auch der berühmte Entdecker des mechanischen Wärmeäquivalents und des Prinzips von der Erhaltung der Energie, Robert Mayer in Heilbronn, war mit Ganzhorn befreundet, und gerne folge ich der Anregung, zu meinem kürzlich an dieser Stelle veröffentlichten Aufsatz „Wilhelm Ganzhorn, der Freund Freiligraths und Scheffels" ein paar Gedichte Ganzhorns hier nachzutragen, welche diese Freundschaft bezeugen.
Die Gedichte sind aus dem Nachlaß des großen Naturforschers in das Buch „Kleinere Schriften und Briefe von Robert Mayer, nebst Mitteilungen aus seinem Leben" übergegangen, das 1893 Jakob I. Weyrauch, der um die gerechte Würdigung Mayers so hochverdiente Professor der mechanischen Wärmetheorie an der Stuttgarter Technischen Hochschule, im Verlag der I. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger in Stuttgart herausgegeben hat. Für das ergreifende und doch auch schließlich erhebende Entdeckerschicksal, dessen Denkmal Weyrauchs überaus gehaltvolles Buch ist, bilden die drei poetischen Glückwünsche des geistvollen Humoristen, der in seinem Ncckarsulmer Amtsgerichtshaus so viel „trinkbare" Berühmtheiten um sich zu versammeln verstand, keine erheblichen Dokumente. Dagegen gewinnen die kleinen Gedichte, wenn man sie im Zusammenhang mit den übrigen poetischen Dokumenten jenes Freundschaftsverkehrs im Zeichen des Ganzhorn'schen „Elfers" betrachtet, an Wert für die Würdigung des
1 lateinischen Rasse! Er fügt hinzu, daß es ganz merkwürdig sei, wie dieser große Getreidespeicher der Welt so lange unbeachtet bleiben konnte, während ! sich der Strom der Auswanderer fast ausschließlich nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika ge- j wendet hat. Aber die richtige Antwort hierauf ist wohl die, daß die Reise nach Nordamerika eben viel kürzer war und noch ist. Die ersten Auswanderer, die mit Segelschiffen fahren mußten, zogen dahin, wohin die Reise am kürzesten war. Und später zogen andere ihnen nach. Aus diesem Grunde hatte Südamerika unter den Auswanderungslusligen niemals rechte Popularität genossen.
Infolge des Unwetters am Donnerstag wurden die Berliner Feuerwehr und die Wehren der Vororte weit über zweihundertmal alarmiert. Die durch die Blitzschläge betäubten Personen erholten sich einigermaßen wieder.
Straßburg, 27. Juli. Die meteorologische Station verzeichnete gestern eine Maximaltemperatur von 34 Grad Celsius im Schatten. Seit Samstag steigen die Temperaturen täglich zu dieser Höhe an. Die Folge der Hitze ist große Dürre, die aus allen Teilen des Elsaß gemeldet wird. Seit Sonntag sind über ein Dutzend Hitzschläge zu verzeichnen. Eine ganze Anzahl Personen sind beim Baden ertrunken. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß die Hitze noch zunimmt oder mindestens weiter anhält.
Koblenz, 26. Juli. Die ungewöhnliche Hitze, die bisher dem Weinbau insofern förderlich war, als sie die Entwicklung der Rebschädtinge hinderte, beginnt nun doch allmählich dem Weinstock gefährlich zu werden. Wo die jungen Beeren der Sonne besonders stark ausgesetzt waren, sind sie vielfach geborsten, so daß die Kerne bloßliegen. In der Gemarkung Winningen bei Koblenz ist der dadurch angerichtete Schaden bereits so beträchtlich, daß man mit einem fühlbaren Ernteausfall zu rechnen gezwungen ist. Von der Wirkung der Sonnenglut auf die Früchte kann man sich einen Begriff machen, wenn man hört, daß in Winningen Aepfel am Baum, die von den Sonnenstrahlen schutzlos getroffen wurden, in ihrem oberen Teil regelrecht gebraten sind.
Infolge der außergewöhnlichen Hitze ist auf den Bergen des Schwarzwaldes in den Waldungen eine derartige Dürre entstanden, daß die geringste Unvorsichtigkeit den größten Waldbrand verursachen könnte. Das Forstpersonal ist deshalb angewiesen, nicht allein die bekannten Touristenwege, sondern auch die weniger bekannten Seitenwege scharf zu bewachen und sowohl das Rauchen im Walde als
hauptsächlich aber das in letzter Zeit so beliebt gewordene „Abkochen" unnachsichtig zu ahnden. Es sind bereits Fälle bekannt, daß Touristen, die die Nacht über im Walde gelagert halten und sich Verstöße zu schulden kommen ließen, vom Forstpersonal sestgehalten wurden.
Durlach, 27. Juli. Die anhaltende Hitze hat auf die Wasserversorgung des Alb-Pfinz- Plate aus ebenfalls einen ungünstinen Einfluß ausgeübt. Die Inanspruchnahme des Pumpwerks in Singen, das seit 16. ds. Mts. mit Dampf betrieben werden muß, ist derart gestiegen, daß es an der Höchstgrenze seiner Leistungsfähigkeit angelangt ist. Eine Fortdauer dieser Anspannung kann jeden Tag ein völliges Versagen der Maschine und damit des Wasserzuflusses in die dem Gruppenverband angehörenden Gemeinden zur Folge haben. Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß zeitweise eine völlige Absperrung der Zuleitungen eintritt. — Die Getreideernte in unserer Umgebung ist nahezu beendet; nur etwas Hafer und wenig Gerste stehen noch draußen. Für das Einbringen der Halmfrüchte war die trockene Witterung günstig. Nicht so für alles andere. Die Kartoffeln kränkeln und welken, das Futter brennt aus, das Gemüse will trotz Gießens, wozu nur spärliche Gelegenheit ist, nicht wachsen.
Innsbruck, 27. Juli. Die Hitze ist so groß, daß die Gletscher rapid schmelzen. Nächst Flies fuhr der Blitz in einen Kirschbaum, unter dem sechs Mädchen Schutz suchten. Eines davon ist tot, die anderen gelähmt. — Auf der Brandenburger Schafalpe im Unterinntal wurden 60 Schafe vom Blitz erschlagen. Auf der Alpe Rauhenstaffel Vorarlberg wurde der Hirte Rinderer vom Bitz getötet. Im Klostertale in Vorarlberg hat Hagelschlag großen Schaden angerichtet.
Müll heim i. B., 28. Juli. Die bei der Eisenbahnkatastrophe gefundene und bisher unerkannt gebliebene Leiche ist jetzt als die der 23 jährigen Maria Bohnet aus Grüntal bei Freudenstadt erkannt worden. Die Verunglückte war zuletzt in Basel bedienstet und wollte nach Hause fahren, um ihre Eltern zu besuchen. Der Vater ist Gastwirt in Grüntal. Die Leiche wird nach der Heimat der Verünglückten übergeführt werden.
In Rottach am Tegernsee vor dem Gasthaus „Zur Ueberfahrt" badete abends eine 17 jährige Dame, die Schwägerin des Münchener Rechtsrates Hörburger, Elisabeth Heigenmooser, als sie, des Schwimmens unkundig, plötzlich den Boden verlor und untersank. Die 27jährige Frau Rechtsrat Hörburger, ihre Schwester, schwamm schleunigst zur
j gemütvollen Grundzugs im Wesen des genialen Ent- ; der Apotheke zur Rose auf die Welt gekommen war. deckers, von dem sein Jugendfreund Gustav Rüme- ! Ganzhorn, der sich als junger Gerichtsaktuar in lin aus der gemeinsamen Schöntaler Schulzeit so ; Neuenbürg (1848—50) des anregenden Verkehrs anziehend berichtet hat und über dessen Humor viel ^ mit dem noch als Hauslehrer im nahen Pforzheim später der Bremer Arzt und Schriftsteller Heinrich ! lebenden Philosophen Kuno Fischer hatte erfreuen Rohlfs nach einem Zusammensein mit ihm im Kreise - können, besaß philosophisches Verständnis genug, um Heilbronner Honoratioren erzählt hat: „Dabei ent- ! den erkenntnistheoretischen Wert von Mayers epochewickelte Mayet einen blendenden Witz, einen köst- ! machenden physikalisch-physiologischen Feststellungen lichen, oft scharfen, aber stets zugleich gutmütigen ^ voll zu begreifen. Seine Wege führten ihn oft aus Humor und eine so einnehmende Kindlichkeit und j seiner Kleinstadt nach dem nahen Heilbronn. Aus Liebenswürdigkeit, daß ich ganz hingerissen wurde." s den gegebenen Verhältnissen ergab sich von selbst. Sein Freund Hettich hat uns einen Witz aus dieser daß die zwei Männer einander kennen lernten und späteren Zeit überliefert. „Wissen Sie auch, Frau ! näher treten mußten. Für beide ein außerordent- Doktor, daß die Frauen nicht in den Himmel kam- ! sicher Gewinn! Es ergaben sich viele Berührungsmen?" — „Nein! Wieso denn nicht?" — Offen- ! punkte aus ihrer gemeinsamen Vorliebe für die barung 8, Vers 1, steht: Und es ward eine Stille i poetische Literatur, für den Genuß der schönen Natur im Himmel bei einer halben Stunde." Z in Heimat und Fremde und auch für den alljähr-
Als der Oberamtsrichter Ganzhorn 1859 von ^ lichen Erntegewinn von den Rebbergen, welche Heil- Aalen nach Neckarsulm übersiedelte und sich dort , bronn wie Neckarsulm in so günstiger Lage umgeben. Haus, Keller und Garten so recht nach seinem Ge- ! Zu dem ererbten Besitz der Mayer'schen Familie schmack einrichtete, hatte Robert Mayer die tragische j gehörte ein stattlicher Wingert auf sonniger Halde. Krisis seines Lebens, soweit dies möglich war, über- ^ Aber einen Kometenwein wie Ganzhorns „Elfer" wunden; nach der langen Zeit der ihm unerträg- § hatte Robert Mayer bei aller „Trinkbarkeit" nicht, sichen Nichtbeachtung und Verkennung hatte sich von ^ Und da er diesen Tropfen andererseits nach Gebühr Basel, Paris und München aus der Umschwung voll- ? zu schätzen wußte, ließ es sich Ganzhorn zur Gewöhn- zogen, der 1862 durch Tyndall in London erstmals heit werden, dem Freund zum Geburtstag alljähr- zu einer großen starken Wirkung auf die Wissenschaft- sich ein paar Flaschen als Geschenk zu übersenden, liche Welt zusammengefaßt wurde. Doktor Mayer Aus dem Jahr 1869 — Mayers „Mechanik der lebte, seit seiner Heimkehr aus der Heilanstalt wieder Wärme" war 1867 im Cotta'schen Verlag in Stutt- als praktischer Arzt in Heilbronn, wo er 1814 als gart erschienen und Freiligrath hatte bereits sein Heiljüngster der drei Söhne des angesehenen Besitzers ratsgedichts zur Taufe des ersten männlichen Ganz-