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Neuenbürg, Samstag den 29. Juli 1911.

69. Jahrgang.

RunSlchau.

Kaiser Wilhelm ist von seiner diesjährigen Nordlandreise jetzt im besten Wohlsein wieder nach Deutschland zurückgekehrt; am Freitag abend traf er an Bord derHohenzollern" in Swinemünde ein. Der Kaiser gedenkt daselbst einige Tage Aufenthalt zu nehmen, um sich dann zunächst nach dem Truppen­übungsplätze Altengrabow zu begeben. Vor seiner Abreise von Bergen hatte der Kaiser eine Parade über die daselbst ankernde deutsche Hochseeflotte ab­genommen.

Auf dem Gebiete der inneren deutschen Angelegenheiten herrscht im allgemeinen hoch­sommerliche Stille. Zwar gehen die Reichslagswahl­vorbereitungen weiter, doch vermögen sie einstweilen noch kein besonderes Interesse zu erregen. Eine Ersatzwahl zum preußischen Abgeordnetenhause ist im Wahlkreise Witten-Hattingen vorgenommen worden, den zuletzt der inzwischen verstorbene national- liberale Abgeordnete Dr. Hermann vertreten hatte. Bei der Ersatzwahl wurde der allein aufgestellte nationalliberale Kandidat, Bergwerksdirektor Knupe, mit sämtlichen abgegebenen 306 Stimmen gewählt.

Kaiser Wilhelm hat den Sultan telegraphisch gebeten, eine Spende von 20000 Mark für die Abgebrannten in Konstantinopel entgegenzu­nehmen.

Der Reichskanzler und Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, v. Kiderlen-Wächter, sind zum Vortrag beim Kaiser nach Swinemünde abgereist.

Die deutsch-französischen Verhandlungen in der Marokkofrage haben auch in den letzten Tagen noch zu keinem Ergebnis geführt. Leider sind diese Verhandlungen durch eine Rede des eng­lischen Schatzkanzlers Lloyd George bei einem Bankett in London gestört worden, die von der Londoner Presse fast allgemein als eine Warnung an Deutsch­land wegen seiner an Frankreich gestellten Forderung aufgefaßt worden ist. Hr. Lloyd George hat in seiner Rede geäußert:Sollte uns aber eine Lage aufgenötigt werden, in welcher der Friede sich nur erhalten ließe durch Aufgabe der großen und wohl­tätigen Stellung, die England durch Jahrhunderte voller Heroismus und voller Großtaten errungen hat, sollte England in Fragen, die seine Lebens­interessen angehen, behandelt werden, als wäre es nichts von Belang im Rate der Völker, dann das sage ich nachdrücklich wäre der Friede um jeden Preis eine unerträgliche Demütigung für eine große Nation wie die unsrige." Ob das nun eine Warn­ung an Deutschland sein sollte oder nicht, jedenfalls ist in diesen Sätzen das ausgesprochen, was Deutsch­land selbst seinen Widersachern entgegenzuhalten hat, wie es in einem offiz. Artikel derKöln.Ztg." geschehen ist. Das Selbstbestimmungsrecht des Deutschen Reiches in seinen Verhandlungen mit einer anderen Macht darf nicht durch einen Dritten eingeschränkt werden. Wenn Frankreich sich das Maß seiner Zu­geständnisse an Deutschland von der englischen Entente vorzeichnen lassen will, ist das seine Sache, aber die deutsche Regierung wird darum nicht weniger fest unsere berechtigten Ansprüche vertreten und nicht auf die bedingungslose Friedensliebe Deutschlands sün­digen lasten, die man in manchen Kreisen als einen sicheren Faktor in die Rechnung gesetzt zu haben schien. Um die Rede des englischen Schatzkanzlers hätte man sich in gewöhnlichen Zeiten nicht sonderlich zu kümmern, denn Tisch- und Festmahlreden be­deuten noch lange keine Staatsaktionen, aber wir tp'elen gegenwärtig in der gesamten europäischen Politik so ein kleines Hazardspiel um Krieg und Frieden und da schenkt man eben jedem Kartenblatt seine Aufmerksamkeit. Lediglich von diesem Gesichts­punkt aus ist die Rede des Englishman zu bewerten, denn inhaltlich war sie ja so wenig von Belang, daß des Redners eigene Landsleute sie nicht zu

deuten, geschweige denn etwas ernstliches mit ihr anzufangen wußten. Die Fortdauer der Ber­liner Verhandlungen zwischen den HH. Cambon und v. Kiderlen-Wächter läßt darauf schließen, daß die Leitung unseres Auswärtigen Amtes nicht der Festigkeit und Kaltblütigkeit entbehrt, die den Einschüchterungsversuchen gegenüber standhätt und auf ihre Urheber den nötigen Eindruck macht. Die englische Regierung hat sich nun sogar veranlaßt ge­sehen, durch das Reutersche Bureau den beun­ruhigenden Meldungen Londoner Blätter ein aus­drückliches Dementi entgegenzusetzen und zu erklären, daß kein neuer Fakior aufgetaucht sei, der den Ver­lauf der deutsch-französischen Verhandlungen über Marokko stören könnte und daß man keinen Zweifel darüber hege, daß irgend eine Lösung gefunden werde, die Frankreich befriedigen und die sich für die britischen Interessen nicht als schädlich erweisen werde. Nach dieser Erklärung scheint also die eng­lische Regierung auch die Rede ihres Schatzkanzlers, ohne sie zu erwähnen, nicht als einen störenden Faktor gegenüber den deutsch-französischen Verhand­lungen betrachten zu wollen. Das ist erfreulich, wenngleich diese Rede und die ihr durch die eng­lische Presse gegebene Auslegung gegen Deutschland damit nicht beseitigt ist.

Ebensosehr wie durch die marokkanische Ange­legenheit wird die öffentliche Meinung Englands durch die bestehende innere politisch-parlamentarische Krisis in Anspruch genommen. Letztere hat eine neue Wendung genommen, denn in der umonjstischen Partei, also in der jetzigen Oppositionspartei Eng­lands, ist es infolge des Verfastungskampfes zu einem Riß zwischen den extremen Konservativen unter Führung von Austin Chamberlain, welche von einem Nachgeben gegenüber der Regierung und der libe­ralen Partei in der Frage der Verfassungsreform nichts wissen wollen, und den Opportunisten unter Landsdowne gekommen. Der Riß droht sich noch zu erweitern. Die Stellung der Regierung des Hrn. Asquith im Kampfe mit dem Oberhause wegen der Verfassungsreform dürfte durch diesen Zwist im unionistischen Lager eine Verstärkung erfahren.

Die im obersten französischen Kriegsrate entstandenen Meinungsverschiedenheiten über wichtige strategische Fragen werden zu einer Veränderung in den obersten militärischen Stellen Frankreichs führen. Der jetzige Generalissimus und Vizepräsident des obersten Kriegsrates, General Michel, wird demis­sionieren, da er mit seinen strategischen Ansichten im Kriegsrat allein steht. Zu seinem Nachfolger ist sein hauptsächlichster Gegner im obersten Kriegsrate, General Pau, ausersehen, doch wird er nicht mehr den Titel Generalissimus führen; dafür soll er, wie verlautet, künftig auch die Funktionen des Chefs des Generalstabes übernehmen. In maßgebenden Pariser Kreisen hofft man, durch diese Neuerung den für die französische Armee zweifelhaft nachteiligen bis­herigen Dualismus in ihrer Oberleitung zu beseitigen.

Paris, 22. Juli. Es geht das Gerücht, daß General Pau nicht, wie angekündigt wurde, den Posten des Generalstabschefs übernehmen werde. Er mache geltend, daß er bei seinem Alter dieses Kommando nur während zweier Jahre führen könne.

Die führende englische Juristengesellschaft Har- vicke-Society hielt am 25. Juli in London ihr Jahresbankett ab, an welchem auch mehrere ange­sehene deutsche Juristen teilnahmen. Hierbei wech­selten der Lord Oberrichter von England und der Kammergerichtspräsident Heinroth Berlin Toaste mit­einander, in welchen beiderseits der lebhafte Wunsch nach dem Fortbestände der guten freundschaftlichen Beziehungen zwischen der englischen und deutschen Nation betont wurde.

Am letzten Sonntag ereignete sich in der Luisen - kirche in Charlottenburg ein peinlicher Vorfall. Pastor Kraatz nahm in der ersten Predigt nach seinen Ferien zum Fall Jatho Stellung. Infolge­

dessen verließen etwa 150 Mann des Elisabeth- Garde-Grenadier-Regiments auf Weisung ihrer Vor­gesetzten die Kirche. Der Geistliche mußte die Predigt unterbrechen und konnte erst nach mehreren Minuten forifahren. Zum Gottesdienst waren 3 Kompagnien sowie die Maschinengewehrabteilung des Regiments mit ihren Offizieren erschienen. Von militärisch­kirchlicher Seite wird mitgeteilt, die Osfiziere haben gewiß nicht ohne Not den aufsehenerregenden Schritt getan. Es müsse von der Kanzel ein verletzendes Wort gefallen sein, aber ein Urteil zu fällen sei un­möglich. solange nicht eine einwandsfreie Schilderung des Tatbestandes vorliege. Pfarrer Kraatz teilt mit, seine Predigt, die er Wort für Wort aufrecht erhalte, werde im Druck erscheinen. Sowohl das königliche Konsistorium zu Berlin, als auch das Kommando des Gardekorps haben mit der Untersuchung der Angelegenheit begonnen. Der Exodus des Militärs während des Gottesdienstes ist gewiß ein Vorgang, der am besten unterblieben wäre, aber andererseits ist zu sagen, daß der amtierende Geistliche kirchlich­liberaler Richtung nach dem Genre Jatho, ihn ge­wissermaßen provoziert hat, denn die Erörterung j einer Angelegenheit wie des Falles Jatho gehört überhaupt nicht in die Kirche, noch viel weniger in den Gottesdienst.

Wie aus Müllheim gemeldet wird, sollen be­reits über 6 0 Schadenersatz an träge auf Grund des Eisenbahnunglücks an die badische Bahn­verwaltung gerichtet worden sein. Wenn die Zahl auch e.was zu hoch gegriffen sein dürfte, so steht doch fest, daß das Unglück ungewöhnliche Anforder­ungen an den badischen Staatssäckel stellen dürste.

Hamborn (bei Duisburg), 27. Juli. Der bei der hiesigen städtischen Feuerkaffe beschäftigte Kaffen- assistent Achten ist nach Unterschlagung von etwa 10000 Mk. städtischer Gelder geflüchtet.

Bei einem Brande im Bade Meinberg (Lippe-Detmold) wurden sechs Personen getötet.

Aus Schlesien, 27. Juli. Die tropische Hitze, welche in den letzten Tagen auf 44 Grad Celsius stieg, zeitigt allenthalben unangenehme Folgen. Der Schles. Volksztg." zufolge kamen am Sonntag wäh­rend dem Turnerfestzuge in Tropau 35 Fälle von Hitzschlag vor. wovon einige sehr schwerer Natur waren.

Shanghai, 27. Juli. Aus dem oberen Aangtsetal werden ungeheure Ueberschwemm- ungen gemeldet. In Hankow hat das Wasser den höchsten Stand seit Menschengedenken erreicht. Der Distrikt von Jtschang ist in einen Binnensee von mehreren Quadratmeilen Ausdehnung verwandelt. Der Tungtingsee, der aus seinen Ufern getreten ist und das ganze Land überflutet, hat die Ernte weggeschwemmt. Zahlreiche Dörfer sind zer­stört. Auf dem Uangtsee spielen sich erschütternde Szenen ab. In den Fluten treiben Häuser, auf deren Dächer sich ganze Familien geflüchtet haben.

Württemberg.

Stuttgart, 28. Juli. Die Zweite Kammer hielt heute eine nur viertelstündige Sitzung ab und nahm den Nachtrag zu Kap. 61. Universität und die Kapitel 82, Aussichtskosten für die Volksschulen an. Es folgte die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. Erhebung der Bier st euer. Darnach ist die Uebergangssteuer von Bier in der Zeit vom 1. April 1911 bis 30. September 1911 mit 5 50 für das Hektoliter Bier zu erheben.

Vom 1. Oklober 1911 an wird die Uebergangssteuer mit dem Mindestsatz von 4 84 ^ für das

Hektoliter Bier erhoben. Der Entwurf wurde in erster Beratung angenommen.

Stuttgart, 28. Juli. Bei der derzeitigen Ge­schäftslage des Landtags wird mit der Vertag­ung erst in der übernächsten Woche zu rechnen sein.

Stuttgart. 28. Juli. Die Prägung der Drei­markstücke zur Erinnerung an die silberne Hochzeit