Württemberg.
Stuttgart, 19. April. Dem Vernehmen nach beabsichtigt das Finanzministerium noch im Laufe des Sommers einen nur für Kassenzwecke bestimmten Neubau hinter dem schönen Garten zwischen dem Hauptsteueramt und dem eigentlichen Finanzgebäude zu erstellen. Ein Teil des Gartens wird dem Neubau zum Opfer fallen.
Stuttgart, 19. April. In der Bauhütte fand am Montag eine Protestversammlung der württ. Krankenlassenbeamten gegen die Reichsoersicherungsordnung statt, zu der sich etwa 200 Teilnehmer eingefunden hatten. Es gelangte einstimmig eine Erklärung zur Annahme, in der die Reichsversicherungsordnung als unannehmbar bezeichnet wurde, weil sie eine große Härte gegen die zum Teil im Dienste der Ortskrankenkafsen ergrauten Angestellten enthalte.
Stuttgart, 20. April. In den Unteren Anlagenseen an der Hellasgruppe haben sich auf der kleinen Insel ca. 10 Paar Wildenten eingenistet. Ein Paar hat zur Zeit 7 Junge.
Stuttgart, 20. April. Gestern nachmittag spielte sich auf dem Untertürkheimer Personenbahnhof eine aufregende Szene ab. Eine junge Frau warf sich bei der Einfahrt eines Personenzuges auf die Schienen, um sich überfahren zu lassen. Der Lokomotivführer, der die Frau heranspringen sah, konnte bei dem langsamen Tempo der Fahrt sofort anhalten und die Frau wurde mit großer Mühe unter der Maschine hervorgezogen, Die Frau erlitt solch schwere Verletzungen, daß sie nach ihrer Verbringung ins Cannstatter Krankenhaus eine Stunde später starb. Wie man hört, handelt es sich um eine junge Frau aus Gais bürg, die bis vor kurzem in einer Heilanstalt untergebracht war.
Bei dem Eisenbahnviadukt bei Bietigheim hat sich die Frau des Fabrikarbeiters Fischer mit ihren drei Kindern in selbstmörderischer Absicht in die Enz gestürzt. Durch einen Passanten konnte das jüngste Kind, ein 6 Monate alter Knabe, gerettet werden, während die Frau mit den beiden andern Kindern. Mädchen von 2 und 5 Jahren, ertrunken ist. Die Frau soll schon oft Selbstmordgedanken geäußert haben.
Horb, 16. April. Ein Zug von 7 gefesselten Männern machte heute hier Aufsehen. Es waren die Gebrüder Schwabenthan und der'Landwirt Dehner von Steinhofen, welche zur Verbüßung ihrer Strafen auf dem Transport in die Strafanstalt sich befanden und über Ostern in dem hiesigen Amtsgerichtsgefängnis untergebracht wurden.
Ulm, 19. April. Der letzte Thurn- und Taxis- sche Postillon, Karl Scheiffele, der zu der Zeit, da es noch keine Eisenbahn gab, 15 Jahre lang Postillondienste tat, konnte dieser Tage seinen 85. Geburtstag begehen.
Entringen, 18. April. Am Ostermontag nachmittag fand nach ca. lOjähriger Unterbrechung das früher weithin bekannte Eierlesen statt. Um 1 Uhr wurde unter Vorantritt der Seeburger Kapelle, welche flotte Weisen intonierte, der Festzug ausgeschöpft und angegriffen aus und begrüßte den Freiherrn herzlich, aber nicht so stürmisch, wie er das sonst von seiner Tochter gewohnt war.
Der Freiherr hatte seine Tochter prüfend betrachtet. Was war aus dem blühenden, lebenslustigen Mädchen geworden!
„Du hast dich sehr verändert, mein Kind," sagte der Freiherr besorgt. „Auch eine Mutter darf den Schmerz um ihr Kind nicht übertreiben. Seit Ilses Tod sind bereits zwei Monate verstrichen. Es wird Zeit, daß du dich von deinen trüben Erinnerungen befreist und wieder mit Hellen Augen in die Zukunft blickst. Du nimmst alles zu schwer und quälst damit dich und deine Umgebung."
„Marianne hatte ihrem Vater ruhig zugehört. Um ihren Mund zuckte es schmerzlich, als sie jetzt sagte: „Wenn sich deine Worte auf Harald beziehen, so darf ich dir offen sagen, daß mir nichts ferner liegt, als die Neigungen meines Mannes einzuschränken. Hat er das Bedürfnis nach Zerstreuung, so werde ich ihn daran nicht hindern. Nur für mich beanspruche ich das Recht, mich in die Einsamkeit zurückzuziehen. Das erklärte ich bereits Harald und ich sage es jetzt dir."
„Immer noch derselbe unbeugsame Trotzkopf!" dachte der Freiherr, als er mit Harald das Zimmer verließ.
Als Kronau mit seinem Schwiegersohn in Haralds Zimmer allein war, fragte er ihn offen: „Ist zwischen Euch etwas vorgefallen? Ich kenne Marianne und glaube, daß ihre Verbitterung nicht allein
führt. Die Rekruten, 20 Mann an der Zahl, 12 mit Büchsen bewaffnet, eröffneten den Reigen, 8 in Hellen Gewändern und 2 geschmückte mit einem bunten Korb mit ca. 200 Stück Eier, und mit einer großen mit Spreu gefüllten Wanne, bunt verziert, sowie die Hilfjungen zogen durch den Ort nach der Festwiese. Dort angelangt, wurden solche in ca. 20 Centimeter Abstand je nach 10 Stück ein gefärbtes Ei in schnurgerader Linie gelegt. Der erste Läufer mußte infolge einer Wette nach dem ca. eine halbe Stunde entfernten Breitenholz gehen, bis die zwei Eierleger solche wieder je Stück für Stück einsammelten und die Länge der Eierlage zurückspringen mußten, wo je das zehnte Ei unwillkürlich unter das Publikum geschleudert wurde, teils zum Schreck, teils zur Freude der Zuschauer. Sieger blieben die Eierleger Maurer und Vellnagel.
Wimpfen, 20. April. Auf der Saline Ludwigshall, wo kürzlich schon eine Anzahl Arbeiter entlassen wurden, sind wiederum 12 Arbeiter: meist jüngere, entlassen worden.
Eine „gute Kuttel". In Cannstatt machte ein junger Mann die Wette, 60 rohe Eier innerhalb 10 Minuten austrinken zu können. Trotzdem der unheimliche Kerl vorher schon eine rote Wurst, Brot und Most genossen halte, verleibte er sich die ganzen 60 Eier ein und gewann dann die Wette.
(Landesproduktenbörse Stuttgart). Bericht vom 18. April. Die Witterung hat in abgelaufener Woche frühlingsmäßigen Charakter angenommen, aber trotzdem hat sich die durch die abnorme Kälte anfangs April hervor- gerufene festere Stimmung im Getreidegeschäft vollauf erhalten. Sowohl Argentinien als auch Rußland haben ihre Forderungen erhöht und da in Europa augenblicklich großes Jmportbedürfnis, mußten Käufer auch die höheren Preise bewilligen. Die Umsätze waren infolge der Feiertage kleiner als in der Vorwoche. — Mehlpreise per 100 Kilogr. inkl. Sack Mehl Nr. 0: 32.25 bis 33.25 Nr. 1: 31.25 bis 32.25 Nr. 2: 30.25 bis 31.25 Nr. 3:
28.75 bis 29.75 -4L, Nr. 4: 25.25- bis'26,25 ^ Kleie
8.75 bis 9.25 ^ (ohne Sack netto Kasse).
Aus StaSt, Bezirk unS Umgebung.
Neuenbürg, 21. April. (Eisenbahn.) Wir werden ersucht, mitzuteilen, daß der Zug 987 (Pforzheim ab 8.03 abends, Wildbad an 9.06), dessen Ausführung auch nach dem 31. März angeordnet wurde, ab Freitag den 21. April nicht mehr verkehrt.
** Neuenbürg, 19. April. Wie wir hören, wird Rezitator Hans Weber, Regisseur am Stadt- theater in Heilbronn, auf Veranlassung des Vorstandes des hiesigen Lesevereins auch hier, wie dies anderwärts schon geschehen, das Drama „Glaube und Heimat" von Karl Schönherr zum Vortrag bringen. In dem Reiche, wo jetzt wieder so viele in Gefahr stehen, um des „Glaubens" willen als Verräter an ihrer „Heimat" verdächtigt zu werden, und wo andererseits so manche unter Berufung auf die „Heimat" dem Vorwärtsdringen des „Glaubens" zu wehren suchen, in Oesterreich, ist diese Dichtung „Glaube und Heimat" geboren, die in raschem Zuge ihren Siegeslauf nimmt in alle Welt hinaus. Durch die Großartigkeit und Reinheit seiner Ideen wie durch die packende Wucht der
auf den Tod des Kindes zurückzuführen ist." „Ich bin mir keiner Schuld bewußt," sagte Harald ausweichend. „Daß manches zwischen uns anders geworden ist, muß ich leider zugeben. Meine Frau hing an ihrem Kinde mit abgöttischer Liebe und ihre Liebe zu mir ist nicht mehr stark genug, um sie über den schweren Verlust zu trösten. Während der Krankheit des Kindes habe ich mich bei Marianne oft darüber beklagt, daß ich mich vernachlässigt fühle und das trägt sie mir wohl jetzt noch nach."
„Aber du bist doch der Herr im Hause. Du mußt deine Frau aufrütteln und sie diesem krankhaften Hang zur Melancholie entreißen. Da heißt es Energie zeigen. Ich glaube, daß du zu nachgiebig bist."
„Du kennst Marianne schlecht," meinte Harald. „Mit Gewalt und Strenge richtet man bei ihr nichts aus."
Harald brachte das Gespräch aus ein anderes Thema, da ihm diese Erörterungen unangenehm waren und Kronau kam während seines Aufenthalts auf Schloß Helmsbruck nicht mehr auf diese ehelichen Zwistigkeiten zu sprechen. Er wußte wohl, daß es keine dankbare Aufgabe war, zwischen zwei Eheleuten zu vermitteln.
So machte Kronau während seines weiteren Aufenthaltes auf dem Schlosse wegen Mariannes Zurückgezogenheit keine Einwendungen mehr, schloß sich aber um so enger an Harald an, dem die Gesellschaft seines lebenslustigen Schwiegervaters sehr willkommen war.
Ausführung hat das Stück weithin ungewöhnlichen Beifall gefunden und eine Zugkraft geübt, welcher auch die Berliner Bühne schließlich nicht widerstehen konnte. Kaiser Wilhelm Ib. spendete nach der Aufführung dem Verfasser Worte und Zeichen wärmster Anerkennung und pries sein Werk als die lang ersehnte Erfüllung vaterländischer Hoffnung. Die Dichtung versetzt uns auf den Boden Oesterreichs in die Zeiten der sogen. „Gegenreformation". Mögen wir uns etwa der Salzburger erinnern, die im Jahre 1732 unter Erzbischof Firmian die Heimat verlassen mußten um ihres Glaubens willen, oder an ähnliche Beispiele der Geschichte. Im Mittelpunkt der „Tragödie eines Volkes" steht die Geschichte einer schlichten Bauernfamilie, der Familie Rott, die ihren Stammbaum — ansässig auf demselben Gut — auf ein paar Jahrhunderte zurück- sührt. Bei dem 82 jährigen Großvater siegt die Liebe zur Scholle über die Treue gegen den Glauben; erst in der letzten Stunde will er sich zum Evangelium bekennen. Ganz ergreifend sind die Stürme, die in der Seele seines Sohnes, Christoph Rott, toben, bis er von der Heimat sich losreißend auf dem Wagen den sterbenden Vater und das tote Söhnlein ins unbekannte Land führt. Der „schwarze Reiter", ein früherer Mönch, verkörpert den Ketzerhaß und die grausige Roheit, mit der gegen Andersgläubige gewütet wurde. Doch ist auch er schließlich nicht ohne weichere Regungen und erschrickt selbst über sich, wenn er ausrust: „I bin voll Bluetl" Am Ende sinkt er zusammen, überwältigt von der Macht des Evangeliums, das den Todfeind lieben lehrt, und tritt sein Schwert entzwei. — Schönherrs Drama bedeutet eine neue Wendung in der Literatur. Ehebruchsdramen und die Lüsternheit kitzelnder Pikanterien hat man allmählich satt. Wenn von allen Seiten aufgerufen wird zum Kampf gegen den „Schund" und für das Edle, Reine und Große, so darf auch das Theater nicht Zurückbleiben.
Neuenbürg, 20. April. Am Montag abend kurz vor 8 Uhr ist am westlichen Himmel ein prachtvolles Meteor beobachtet worden. — In den Nächten von heute bis 24. April sind Sternschnuppen des Lyridenschwarmes zu erwarten. Die größte Häufigkeit dieser Meteore fällt in der Regel auf den 24. April.
Neuenbürg, 20. April. Es liegt wieder, wie immer besonders nach den Osterfeiertagen, eine Reihe von Nachrichten aus dem Lande über Waldbrände vor, die fast ausnahmslos durch Unvorsichtigkeit von Spaziergängern hervorgerufen wurden. „Anzünden einer Zigarre", „Wegwerfen eines brennenden Streichholzes" u. a. das ist meistens die Ursache. Die teilweise schon recht fühlbare Hitze der letzten Tage hat in den Wäldern das abgefallene Laub und die dünnen Zweiglein vollständig ausgetrocknet. Ein Fünkchen, und es glüht und weht zunächst am Boden hin, bis eine größere Schicht das Feuer auflodern läßt, und dann ist schnell ein Stück Wald dem Untergang geweiht. Der starke Wanderverkehr um die Feiertage läßt die Zahl der Brände immer bedenklich anschwellen. Die Kinder machen „Feuerle", und es glimmt im dürren Grase
Frau Marianne war es nur recht, daß sie sich der Einsamkeit völlig hingeben konnte. Trotzdem empfand sie es sehr schmerzlich, daß Harald nicht einmal den Versuch machte, sich ihr wieder zu nähern.
Im Innersten ihres Herzens hatte sie immer mehr gehofft, daß Harald ihr durch seine seelische Anteilnahme an ihrem Leide die Rückkehr zu ihm erleichtern würde. Nun schmerzte sie seine Gleichgiltigkeit. Sie machte sich jetzt selbst Vorwürfe. War es nicht ihre Pflicht gewesen, die Hand, die sich ihr versöhnlich entgegengestreckt hatte, zu ergreifen? Jetzt war es zu spät; die Entfremdung zwischen ihr und ihrem Gatten war nicht mehr zu überbrücken.
Eines Abends sah Marianne wie der Vater und Harald einander gegenübersaßen, die Karten in der Hand, eifrig in ein Hasardspiel vertieft. Gold und Banknoten lagen auf dem Tisch.
Harald schien besonders vom Glück begünstigt. Er hob das Sektglas und trank seinem Schwiegervater übermütig zu, wobei er den Inhalt des Glases in nervöser Hast hinabstürzte.
Seine Augen brannten und seine Wangen waren fieberhaft gerötet. Die Haare hingen ihm wirr über die Stirn. So wie jetzt hatte er in jener Unglücksnacht ausgesehen.
Entsetzt zog sich Marianne zurück, ohne von den beiden Männern bemerkt zu werden. Wie eine Verfolgte eilte sie in ihr Zimmer, das sie hinter sich abschloß.
(Fortsetzung folgt.)