Zweites
Blatt.
Der Lnztäler.
Zweites
Blatt.
Neuenbürg, MittwoL den 3V. November MO.
^ 191.
RunSschau.
Karlsruhe, 28. Nov. Die hiesige Schlacht- und Viehhofdirektion äußert sich über die Wirkungen der Einfuhr franzöfischen Viehs wie folgt: 1. Das sonst unvermeidliche weitere Steigen der Viehpreise wurde verhindert. 2. Infolge der billigeren Preise und der vorzüglichen Qualität des französischen Farren wurde der bereits eingetretene Wurstaufschlag wieder zurückgenommen. 3. Die Viehhändler haben bei den nächsten Transporten billigere Viehpreise und die Metzgerinnung einen Fleischabschlag von von 4—5 ^ pro Pfund auf 1. Dezember in Aussicht gestellt. Die Direktion erwartet, daß auch die Vieheinfuhr aus Dänemark und Schweden erleichtert wird, damit die Vorteile der Einfuhr ausländischen Viehs voll zur Geltung kommen. Die französische Vieheinfuhr wurde auch für den Freiburger Platz in beschränktem Umfang zugelassen.
Frankfurt a. M., 26. Novbr. Das bisher unter dem Namen „Ehrlich-Hata 606" bekannte Heilmittel ist von den Höchster Farbwerken unter der Bezeichnung „Salvarsan" patentamtlich geschützt worden. Es wird unter diesem neuen Namen von Mitte Dezember ab in allen Ländern gleichzeitig zum Verkauf kommen.
Landau (Pfalz), 28. Novbr. Der erwachsene Sohn des Bürgermeisters von Klingenmünster ist auf der Jagd infolge des Glatteises ausgeglnten, wobei sich das Gewehr entlud nnd die volle Ladung ihm in den Unterleib drang. Der junge Mann war sofort tot.
Ein schreckliches Brandunglück hat sich am Samstag in Newark im amerikanischen Staate New Jersey zugetragen. Die Gardinenfabrik Wolf u. Co. geriet in Brand, und ehe die Feuerwehr ankam, war das ganze Gebäude von oben bis unten in ein Flammenmeer gehüllt. Ein kleines Mädchen hatte eine Flasche voll Benzin zu nahe an eine brennende Gasflamme gehalten und so den Brand verursacht. In wenigen Minuten stand das ganze Gebäude in Flammen und 200 Arbeiterinnen drängten sich in dem schmalen Korridor, der zur Treppe führte, und kämpften auf den beiden Feuerwehrleitern an der Außenwand des Gebäudes. Als sie einsahen, daß eine Flucht unmöglich sei, stürzten sie sich aus den Fenstern. Eine Anzahl von ihnen erreichte die von der Menge aufgehaltenen Sprungtücher, aber einige zwanzig, deren Kleider schon in Flammen standen, sprangen zu kurz und wurden auf dem Pflaster zerschmettert. In einem Augenblick warfen sich drei Mädchen zugleich mit zusammengefaßten Händen aus dem Fenster; sie stürzten auf das Pflaster und waren sofort tot. Eine junge Arbeiterin hing aus dem Fenster und hielt sich am Fensterrahmen so lange fest, bis das Feuer ihre Hände erreicht hatte und sie loslassen mußte und den Tod auf dem Pflaster fand. Ein anderes Mädchen sprang in ein eisernes Gitter und hing, von drei Spitzen durchbohrt, eine Zeit lang darin, bis Feuerwehrleute sie erlösten; sie starb sofort. Aus einem Fenster des 3. Stocks hing eine junge Frau heraus und schrie; mit Entsetzen sah die Menge, daß ihre Haare in Flammen standen. Die Flammen ergriffen auch ihre Kleider; sie riß sie sich vom Leibe und sprang nackt aus dem Fenster. In ihrem Sturz riß sie einen Feuerwehrmann um, sie fiel dann auf das Pflaster und zerschmetterte sich den Schädel. Als es endlich der Feuerwehr gelang, in das halbeingestürzte vierstöckige Gebäude zu dringen, bot sich ein schrecklicher Anblick. In einem Zimmer wälzten sich 6 Leiber in ihren letzten Zuckungen, in einem anderen saß ein junges Mädchen tot vor ihrer halbverbrannten Nähmaschine. Eine große Anzahl der Verunglückten war bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Man erzählt heute von vielen heldenmütigen Taten der Feuerwehrleute, aber bei der niederträchtigen Bauart des Gebäudes waren alle Anstrengungen vergeblich. — Der Staat New Jersey ist einer der verbummelsten der Republik und dank der miserablen Vorsichtsmaßregeln im Falle einer Feuersgefahr sind 50 junge Frauen und Mädchen einem schrecklichen Tode geopfert worden. Unter den Umgekommenen sollen sich auch Deutsche befinden.
Württemberg.
Tübingen. 28. Nov. Eine große Veteranenfeier fand gestern zur 40. Wiederkehr der ruhmreichen Tage von Villiers und Champigny hier statt. Vormittags versammelten sich die Veteranen im unteren Rathaussaal, wo Oberbürgermeister Haußer das Ehrengeschenk der Stadt in Höhe von 10 Mk. für jeden Veteranen überreichte. Er hielt dabei eine herzliche Ansprache. Außer den Veteranen erhielten das gleiche Ehrengeschenk die Witwen der verstorbenen Feldzugsteilnehmer. Der Vorstand des hiesigen Veteranenvereins, Fabrikant Wendler, sprach der Stadt im Namen der Veteranen deren wärmsten Dank aus. Dann zog man, sämtliche Krieger- und Militärvereine, die Bürgerlichen Kollegien re., der Veteranenverein, mit der Regimentskapelle an der Spitze nach dem Platz vor dem Bahnhof, wo ein Feldgottesdienst stattfand, der besonders durch die Teilnahme des Königs eine besondere Bedeutung erhielt. Um 12 Uhr traf der König mit Gefolge ein. Er schritt die Front des Bataillons ab, begrüßte die Veteranen, von denen er verschiedene ins Gespräch zog, dann begann der Gottesdienst mit einem Choral. Die Predigt hielt Stadtpfarrer Meyer, das Gebet sprach Dekan Staudenmaier. Mit Gesang schloß die erhebende Feier. Der König, der recht gut aussah, wohnte dem Gottesdienst auf einer unbedeckten Tribüne bei und fuhr nach Schluß, vom Publikum lebhaft begrüßt, und nach herzlicher Verabschiedung von den Veteranen, nachdem er noch dem Privatier Kübler sein Bild mit den besten Glückwünschen zum 80. Geburtstag, den Kübler in voller, geistiger und körperlicher Rüstigkeit am Samstag begehen konnte, überreicht hatte, nach Bebenhausen zurück. Für die Veteranen und geladenen Gäste fand dann im „Hirsch" ein Festessen statt. Zahlreiche Ansprachen wurden gehalten. Geheimrat Exz. von Bruns überreichte den Kriegskameraden eine mit großer Mühe und Vollständigkeit angelegte Liste aller Kriegsteilnehmer aus Tübingen. Es waren 184; weit über die Hälfte sind aber gestorben. Man sprach ihm für die sehr hübsch ausgestattete Mappe wärmsten Dank aus. Für die ganze Bevölkerung fand dann um 5 Uhr nachmittags im großen Museumssaal ein Bankett statt, das sehr gut besucht war. Den musikalischen Teil hatte die Regimentskapelle übernommen und, wie bei der Silcherfeier, hatten sich auch hier wieder sämtliche Gesangvereine von hier zusammengefunden. Unter der Leitung von Prof. Wörz sangen sie verschiedene eindrucksvolle Chöre. Gemeinsame Lieder wechselten mit Ansprachen, beinahe ein Dutzend solcher wurden gehalten. Vorstand Wendler begrüßte alle Erschienenen. Die eigentliche Festrede hielt Prof. Dr. Burchs Nachfolger, der Historiker Prof. Dr. Wahl, der über Suckow, den württ. Kriegsminister 1870—1874 sprach, von dem er ein kurzes Lebensbild entwarf und den er als Menschen, Organisator des württ. Heeres und als Politiker schilderte. Suckow war ein Prophet der deutschen Einheit, ohne dabei die Reservatrechte der Bundesstaaten irgendwie außer Acht zu lassen. Prof. Dr. Rietschel sprach auf Armee und Flotte und Oberst v. Niemann, Kommandeur des hiesigen Regiments Nr. 180, dankte im Namen des aktiven Heeres und toastete auf die Veteranen. Generalmajor Frhr. v. Hügel sprach und dankte im Namen der Veteranen. Gegen 11 Uhr erreichte die wohlgelungene Feier ihr Ende.
Eßlingen a. N., 28. Nov. Das an der Ostseite der Stadtkirche angebrachte Kriegerdenkmal, das nach einem Entwurf von Professor Donndorf in Suttgart ausgeführt wurde und einen gefallenen Soldaten auf seinem Tornister liegend darstellt, wurde gestern unter zahlreicher Beteiligung der Behörden und Kriegervereine enthüllt. Die Namen der 1870/71 im Kampf für das Vaterland gestorbenen Soldaten aus Eßlingen sind auf einer Gedenktafel eingezeichnet.
Heilbronn a. N., 28. Nov. In dem Pfarr- dorf Biber ach sind fast sämtliche Schüler der Mittelklasse an Kohlenoxydgasvergiftung erkrankt. Der Neckarzeitung zufolge, wurden etwa 25 Kinder sogar von Ohnmächten befallen und wenn der Auf-
68. Jahrgang.
enthalt im Schulzimmer noch höchstens 2 Minuten gedauert hätte, wäre nach Aussage des Arztes das Schlimmste zu befürchten gewesen. Die Ursache der Vergiftung ist darauf zurückzusühren, daß am vorhergegangenen Tage das Kamin gereinigt und dabei der Ruß im Ofenrohr nicht entfernt worden war. Der Zustand der Kinder hat sich inzwischen wieder gebessert.
Vom Zabergäu, 29. Nov. Der große Kampf in der Pforzheimer Goldwarenindustrie scheint für einzelne Gemeinden des Zabergäus nutzbringend werden zu wollen. Nachdem in Meimsheim die dort schon länger ansässige Firma Frey aus Pforzheim von einer kleinen Filiale in einen großen Geschäftsbetrieb mit eigenem Fabrikbau umgewandelt wurde, sucht sich in Brackenheim eine weitere Firma der Bijouteriebranche niederzulassen. Auch für Güglingen sind Unterhandlungen im Gange, die auf Gründung einer Goldwarenfabrik abzielen.
Hirschau OA. Rottenburg, 29. Nov. Unterlehrer Schwarz von hier wurde auf dem Nachhauseweg zwischen Rottenburg und Wurmlingen von mehreren Burschen überfallen und in roher Weise mißhandelt. Der Landjäger hat sich der Sache angenommen. Das Gericht dürfte den Tätern die Lust an solchen gemeingefährlichen Streichen vertreiben.
Saulgau, 26. Nov. Verlangt da durch besondere Rechnung eine württ. landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft von einer Gemeinde hiesigen Bezirks sage und schreibe zwei Pfennig restliche Umlage l — Der Brief an die Gemeindepflege kostete 10 Pfg., die Postanweisung mit Brief 20 Pfg., die Zurückgabe der quittierten Rechnung an die Gemeinde 10 Pfg.; also stehen dem Einzug von zwei Pfennig nicht weniger als 40 Pfg. Unkosten entgegen! — Und das, trotzdem in allen Zeitungen die Lächerlichkeit eines derartigen kleinlichen Gefchäftsgebabrens wiederholt gekennzeichnet wurde.
Kriegschronik von 1870171.
2S./3V. November rmb 1. Dezember 187V.
Beschießung der Citadelle von Amiens. Gefechte bei Garches, La Malmaison, L'Hay, Varize, Tournoisis, Autricourt. Flucht der Franzosen von Amiens nach Norden. Bei Noissy und Villiers glänzende Haltung der Sachsen und Württemberger. — Die deutsche Feldarmee wird um 150 000 Mann vermehrt, d. h. die Landwehrbataillone von 800 auf 1000 Mann erhöht.
104. Depesche vom Kriegsschauplatz. „Der Königin Auguste in Berlin. Versailles. Prinz Friedrich Karl meldet: Das gestrige Gefecht eine wahre Niederlage des größten Teils der Loire Armee, von der das 20. Korps und wahrscheinlich auch das 18. und Teile des 15. und 16. da waren; nach französischen Angaben 7000 Mann. Das 20. focht ganz, die anderen teilweise. Der Feind ließ 1000 Tote auf dem Schlachtfelds und soll über 4000 Blessierte haben, 1600 gesunde Gefangene, die sich stündlich mehren. Gesamtverlust wohl 7000 Mann. General d'Aurelles soll blessiert sein. Unser Verlust ist 1000 Mann, wenig Offiziere. Wilhelm."
Pithiviers. In der hiesigen Kirche waren gegen 300 frisch aus Algier eingetroffene gefangene Zuaven einige Stunden lang eingesperrt, wo sie von den Einwohnern mit Brot gespeist wurden. In einer Seitenkapelle beteten einige erschreckte Frauen und ein deutscher Soldat spielte dazu in meisterhafter Weise auf der Orgel Bachs Symphonien.
104. Depesche vom Kriegsschauplatz. „Versailles. Der bei Amiens geschlagene Feind flieht in voller Auflösung, von den diesseitigen Truppen verfolgt, gegen Norden. In seinen Verschanzungen wurden noch 4 Geschütze vorgefunden. Infolge des siegreichen Kampfes des 10. Armeekorps am 18. hat der vor demselben befindliche Gegner den Rückzug weiter fortgesetzt.
In der Nacht vom 28. zum 29., sowie am Morgen des 29. heftiges Geschützfener aus den Forts um Paris; demnächst stärkerer Ausfall, unterstützt durch Kanonenboote auf der Seine, gegen L'Hay und das 6. Armeekorps. Gleichzeitig kleine Ausfälle,