Kus Stadt, Bezirk und Umgebung.
/X Herrenalb, 13. Okt. Während der eben zu Ende gegangenen Fremdenzeit erhielten wir hier einen Postbeamten, der mit vollendetem Gleichmut, entgegenkommend für jedermann, bei absolut sicherer Arbeit seiner Pflicht auch außerhalb der Dienststunden nachkommt. Der freundliche Leser unsres „Enztälers" verrät wohl seinen Namen — es ist der Brief- marken-Automal. Sein einfacher, dunkler „Anzug" sticht vorteilhaft ab von dem anspruchsvollen Aeußern der Stollwerck - Automaten. Man merkt gleich den Unterschied: hier Reklame, bei ihm aber Kgl. Württ. Postdienst, der respektiert sein will. Man sieht es ihm wahrlich nicht an, welche Wunder der Technik sein solider Metallmantel umschließt und wieviel Erfindungsgabe dazu gehörte, um ihn gegen Täusch- ungsversuch^. oder unredliche Angriffe vollkommen zu rüstem/Es war mir jüngst vergönnt, einen Blick in sein Inneres zu tun, und davon möchte ich gerne erzählen. Wir verfolgen zunächst den Lauf eines eingeworfenen 10-Pfennigstücks unter normalen Verhältnissen, d. h. wenn die Markenrolle noch Vorrat hat und die Münze vollwertig ist in Beziehung auf Größe, Gewicht und Material. Die Marken befinden sich im oberen Teile bandförmig auf einer kleinen Trommel aufgerollt. Die Münze passiert eine gleitende Röhre, deren Oeffnung genau nach den Dimensionen eines 10-Pfennigstücks abgemessen ist. Auf diesem Wege begegnet sie einem Magneten, der sie unaufgehalten in eine Röhre gleiten läßt, worauf sie einen Stahlzylinder trifft. Von ihm zurückgeschnellt fällt sie in eine andere Röhre und setzt dabei jenen Hebel in Bewegung, welcher das Messer zur Trennung der Marken in Tätigkeit bringt. Die Münze ^ällt in die unten stehende Kasse; die Marken liegen zum Herausnehmen bereit, während ein feines Glockensignal ertönt. Ist das Markenband zerrissen oder der Markenvorrat erschöpft, so gibt der Apparat das Geldstück wieder heraus. Wird eine Münze eingeworfen, deren Metall der magnetischen Einwirkung unterliegt, z. B. eine eiserne Münze, so wird sie von beiden Polen des Magneten festgehalten und erst dann wieder abgegeben, wenn durch Druck auf den Knopf ein beweglicher Rahmen die Münze gewaltsam losreißt und hinausbefördert — ein Hausknecht, der sein Geschäft aus dem Grund versteht. Bei anormalen Nickelmünzen sind mehrere Fälle möglich. Ist das Stück kleiner als ein richtiges 10-Pfennig- stück, so daß es am Durchschnitt fehlt, so rutscht es in einen Spalt, aus dem es nur befreit werden kann, wenn auf den Knopf gedrückt wird. Ist das Gewicht der Münze zu groß oder zu kein, so scheitert der Erfolg an der Elastizitätsprobe des Stahlzylinders. Das Geldstück springt sozusagen fehl und gelangt in den Schacht, der zum Tageslicht führt. So ist es auch erklärlich, warum die wenig oder gar nicht elastischen Bleimünzen vor der Wachsamkeit unsres Postbeamten zu schänden werden. In allen diesen Fällen kündet seine stumme Sprache: Annahme Verweigert! Wollte aber ein Ritter von der Brechstange in nächtlichen Stunden den ganzen Nickelschatz zu heben suchen, so würde ein Alarmsignal das Ohr des schlafenden Hausherrn alsbald erreichen. Darum
Auf der Bahn des Verbrechens.
Detektivroman von Max Arendt-Denart.
1) - (Nachdruck verboten.)
Nach langen schönen Sommertagen begann es heute zum erstenmal ein wenig zu regnen; aber eine bleierne Schwere lag auf der Natur und drückender noch wie draußen war die Schwüle im Innern der Häuser. Das empfand man auch in dem westlichen Villenvorort und luftdünstend hatte man alle Fenster und Türen, die ins Freie führten, weit geöffnet.
Nur eine zweistöckige Villa in der Erlenallee machte eine Ausnahme. Sie stand etwas abseits von den übrigen Häusern und ihre Fensterjalousien waren herabgelasfen, so daß man den Eindruck gewann, ihr Bewohner sei vereist.
Aber sie schien nur so einsam; denn plötzlich öffnete sich die Haustür und eilenden Laufes verließ ein junger Mann den Treppenabsatz, nachdem er einen Augenblick wie sinnend die Straße entlang gesehen hatte. Am Ende der ziemlich langgestreckten Allee blieb er stehen. Hier war das Polizeibureau. Hastig trat er ein. Der diensthabende Beamte blickte erschreckt auf, als der bleich und verstört aussehende junge Mann hereinstürmte.
„Herr Wachtmeister." keuchte der Fremde, „ich glaube, meinem Vater ist ein Unglück passiert."
Der Beamte, durch eine lange Dienstzeit an Vorkommnisse aller Art gewöhnt, vermochte die Aufregung des jungen Mannes nicht sogleich zu teilen, und fragte daher ruhig:
vor diesem Beamten üb' immer Treu und Redlichkeit l
^ Loffenau, 12. Oktbr. (Unlieb verspätet!) Am Samstag den 8. ds. Mts. hatte der Militärverein Loffenau die traurige Pflicht, seinen im Alter von 50 Jahren verstorbenen, ledigen Kameraden Johann Wacker, gebürtig aus Neusatz, zur letzten Ruhestätte zu begleiten. Vorstand Fi eg legte im Namen des Vereins mit einem Nachruf einen Kranz am Grabe nieder. Es folgten 3 Salven über sein stilles Grab als Zeichen der Achtung, die ihm seine Kameraden immerdar bewahren werden. Er ruhe im Frieden.
** Feldrennach. Der nächste Viehmarkt findet hier statt am Kirchweihdienstag den 18. ds. Mts. Zu dessen recht zahlreicher Frequentierung und namentlich Befahrung mit Milch- und Jungvieh wird eingeladen. Händler und Kaufsliebhaber sind auf unseren Märkten immer zahlreich vertreten. Standgeld wird nicht erhoben.
Nagold, 13. Okt. Auf dem heutigen Viehmarkt waren zugeführt 10 Paar Ochsen, 37 Kühe, 20 Kälber. 33 Stück Schmalvieh. Verkauft wurden 2 Paar Ochsen mit einem Erlös von 1943 -/kl, 16 Kühe mit 5430 12 Kälber mit 2221 -/l, 20
Stück Schmalvieh mit 4923 -/l — Auf dem Schweinemarkt waren 180 Stück Läuferschweine und 194 Stück Saugschweine zugeführt, wovon 127 Stück Läuferschweine mit einem Erlös von 4501 -/l und 172 Saugschweine mit einem Erlös von 2092 o/l verkauft wurden. Preis pro Paar Läuferschweine 46—111 ^ Preis pro Paar Saugschweine 16 bis 32
Neuenbürg, 15. Oktbr. Auf den heutigen Schweinemarkt waren 25 Stück Milchschweine zugeführt, welche zum Preise von 12—20 Mk. pro Paar verkauft wurden.
Vermischtes.
Eine Epistel gegen die Klatschsucht. Gegen die Klatschsucht der Frauen hat der Bürgermeister Keßler des nassauischen Ortes Hattersheim folgenden Erlaß veröffentlicht: „Die Klagen wegen Beleidigungen und Verleumdungen nehmen in letzter Zeit unter einem gewissen Teile der Einwohnerschaft einen bedenklichen Umfang an. Die Folgen sind bittere Feindschaften, schwere Opfer an Kostenzahlungen, Verdienstverluste usw. Die Ursachen find in der Regel stets dieselben. Während die Männer tagsüber auswärts schwer arbeiten, verschwenden die Frauen die Zeit zum Klatschen und zu Zänkereien. Die Kinderzucht ist eine durchaus verkehrte; die Haushaltung leidet not. Dem smüde heimkehrenden Mann wird das Tageserlebnis falsch dargestellt, und nun muß der Mann die verärgerte Frau schützen, indem er zur Polizei, zum Schiedsgericht oder zum Rechtsanwalt läuft. Das ist des Mannes Familienleben, in welchem er vergeblich wahre Häuslichkeit sucht! Alle Belehrungen, die Frau möge in ihrem Haushalt bleiben, dort tätig sein und die Klatschweiber aus dem Hause jagen, dem Mann aber und den Kindern ein gemütliches Heim verschaffen, sind
„Wer sind Sie?"
„Ach, entschuldigen Sie, in der Aufregung vergaß ich. Ich heiße Hermann Klinger. Mein Vater wohnt hier am Ende der Erlenallee Nummer 75."
„Na, und was ist geschehen?"
„Ich kam heute morgen mit der Bahn von Magdeburg, um meinen Vater zu besuchen. Und da es noch sehr früh war, hielt ich mich in seinem Arbeitszimmer auf, um ihn nicht zu stören. Indessen erschien er zur gewohnten Stunde nicht. Und nachdem ich von sechs Uhr bis jetzt gewartet habe, wollte ich mich in sein Schlafkabinett begeben; aber es war verschlossen. Vergebens klopfte ich. Als ich endlich durch das Schlüsselloch sah, saß mein Vater an seinem Nachttisch über die Platte gebeugt, als ob er lese. Ich vermute nun, daß ihm ein Unglück zugestoßen ist."
Der Beamte begab sich in einen Nebenraum, aus dem bald darauf mit ihm ein Kriminalkommissar trat. Dieser verbeugte sich höflich vor dem jungen Manne und ersuchte ihn, mit ihm zu gehen. Die beiden Männer bogen erst in eine Nebenstraße, um einen Schlosser und einen Arzt zu holen.
Vom nahen Kirchturm schlug es zehn, als die kleine Gesellschaft vor dem Hause Nummer 75 angekommen war. „Bewohnt Ihr Vater das Haus allein?" fragte der Kommissar, als sie über die Schwelle schritten.
„Nein, seine alte Haushälterin, die bereits 13 Jahre in seinen Diensten steht, wohnt nach dem j Hofe hinaus."
bei solchen Leuten vergebens. Armutsatteste werden deshalb in solchen heraufbeschworenen Klagesachen in Zukunft nur in ganz besonderen Fällen noch erteilt. Die Polizeibeamten sind angewiesen worden, solche Prozeß- und streitsüchtigen Personen hier namhaft zu machen, um sie in einer Liste zu vermerken und Hausbesitzer und Mieter vor solchen Leuten zu warnen. Die von den Streitstiftern gewöhnlich noch verlangt werdenden „Führungsatteste" werden dann demgemäß eingerichtet werden." Schade, daß dieser pädagogisch veranlagte Bürgermeister nur über die 2000 und einige Seelen seiner Gemeinde zu sagen hat.
Ein englisches Loblied auf die deutschen Frauen. Den englischen Frauen, die so gern mit einem Lächeln gütiger Nachsicht auf ihre deutschen Gefährtinnen herabblicken, hält Frances H. Low in einem englischen Blatte eine strenge Predigt, die in einen Lobeshymnus auf die deutsche Frau ausklingt. „Zu Deutschlands herrlichstem Besitz gehören die Frauen. Sie sind aus dem Staatsleben nicht fortzudenken. Als tatkräftige, kluge Mitarbeiterinnen sind sie bei allen Dingen unentbehrlich, echte Vorkämpferinnen des Fortschritts ihres Landes. Sie sind es, die das künftige Deutschland schaffen, indem sie ihre Kinder von Jugend auf zum vaterländischen Pflichtbewußtsein erziehen. Wenn die Einkünfte des englischen Gatten sich steigern, ist das erste Ziel der Frau, ihre eigene Verantwortung zu erleichtern, sie engagiert mehr Dienstboten. Die deutsche Frau aber regiert selbst ihren Haushalt auch dann noch, wenn der Reichtum ihr keine Schranken auferlegt. Sie wollen ihr Haus nicht von anderen „geführt" wissen, wo Führerin zu sein sie sich berufen fühlen. Die Einfachheit und Würde und Einheit des Willens, das charakterisiert das deutsche Haus. In keiner Nation der Erde lebt ein so reiner idealer Familieninstinkt. Die moderne deutsche Frau hat nicht di« blendende Lebhaftigkeit der Amerikanerin, den raffinierten Geschmack der Französin, das Faszinierende der Südländerin und die frische gepflegte körperliche Schönheit der Engländerin. Aber unter allen Nationen ist sie der größte „Besitz".
Ein neuer Gaunertrick. Es scheint, daß die Gauner durch den Hauptmann von Köpenick gelernt haben; wenigstens ereignete sich dieser Tage in Marseille eine Affäre, die lebhaft an die des Schusters Voigt erinnert. Zu einem bekannten Waffenhändler kam ein Herr und sagte: Wenn Sie ein gutes Geschäft machen wollen, dann kommen Sie in das Alte Hotel, Zimmer Nr. 8, dort können Sie für 17 000 Franken Bijouteriewaren kaufen, an denen ein gutes Stück Geld zu verdienen ist. Der Waffenhändler verwahrte sich dagegen, derartige Geschäfte zu machen, erzählte die Sache aber doch einem bekannten Bijouteriewarenhändler und schließlich entschlossen sich beide, auf den Handel einzugehen. Sie begaben sich nach dem Hotel, sahen sich die zu kaufenden Waren an und fanden auch sofort, daß sie an den offerierten Waren viel Geld verdienen könnten. Im Augenblick, in dem sie die 17 Banknoten L 1000 Franken herausgezogen hatten, stellten sich die beiden Verkäufer als Kriminalbeamte vor, beschlagnahmten die 17 000 Franken, fesselten die beiden Käufer und
„Und was sagte sie?"
„Sie hat meinen Vater gestern abend um 10 Uhr zuletzt gesehen, als er mit einem Herrn nach Hause kam."
„In diesem Hause ist vor einem Jahre ein schwerer Einbruch verübt worden, ist es nicht so?" fragte der Kommissar aufs neue.
„Ja," erklärte Klinger, „mein Vater erzählte mir davon, als er mich vor einigen Wochen besuchte."
Man war unterdessen in dem Zimmer angekommen, in dem der junge Klinger nach seiner Angabe auf seinen Vater gewartet hatte.
Mit scharfen Blicken spähte der Kommissar umher. Aber kein noch so geringes Anzeichen deutete darauf hin, daß hier auch nur im entferntesten die Ordnung gestört worden war. Auf dem Fußboden waren allerdings Spuren von Stiefelabdrücken zu sehen, doch schienen sie offenbar von dem jungen Manne herzurühren, der hier auf und abgegangen war.
Der Kommissar trat an die Tür des Schlafzimmers und pochte heftig an, aber niemand rührte sich, nur die halbtaube Haushälterin Frau Kruse kam aus der gegenüber auf dem Korridor liegenden Küche herüber, mit verweinten Augen und aufge- löstem Haar. Nach abermaligem vergeblichen Klopfen beugte sich dann der Kommissar zu dem Schlüsselloch. An einem der Schlafzimmertür gegenüberstehenden Nachttische saß ein älterer Mann, den Kopf nach vorn übergebeugt, als sei er eingeschlafen, während er mit einer Arbeit beschäftigt war.