Württemberg.

Stuttgart, 10. Okt. In sämtlichen Kirchen der Residenz und des Landes fanden am gestrigen Sonntag zur Feier des Geburtstags der Königin Festgottesdienste statt. Vom König war für die kirchlichen Feiern der Text gewählt worden Sprüche 3.8:Der Herr behütet die, so recht tun und bewahrt den Weg seiner Heiligen." In den Kasernen wurden die Mannschaften festlich bewirtet. Die staatlichen und städtischen Gebäude trugen Flaggenschmuck. Aus Anlaß des Geburtsfestes der Königin wurden ver­schiedene Ordensauszeichnungen verliehen, so die Karl Olga-Medaille in Silber an: Obersorstrat a. D. Graf Albert von Uxkull-Gyllenband in Kirchheim u. Teck; Frau Gertruds Schleicher, Stuttgart.

Stuttgart, 11. Okt. Am gestrigen Geburtsfest der Königin wurden aus der Küche der Bürger­hospitals 571 Arme gespeist. Die Königin wird sich voraussichtlich übermorgen von Friedrichshafen nach Ratiboritz in Böhmen begeben.

Stuttgart, 10. Oktober. Die Errichtung einer Staatslotterie in Württemberg kann nach der Auffassung der württ. Regierung nur in Betracht kommen, wenn schlechterdings kein anderes Mittel mehr vorhanden wäre, um die Einnahmen des Staates auf der erforderlichen Höhe zu halten. Gegenüber einer zu weitgehenden Steuererhöhung käme dann eine Staatslotterie für die württ. Re­gierung als das kleine Nebel in Betracht. Im württ. Staalsministerium ist man sich bewußt, daß die Einführung einer Staatslotterie in weiten Kreisen des Volkes ernsten Bedenken und scharfem Wider­spruch begegnen und daß nur unter ganz besonderen Umständen ein solches Mittel zur Hebung der staat­lichen Finanzen sich rechtfertigen ließe und vom Landtag angenommen würde. Sollte eine Berech­nung über den zu erwartenden Reinertrag nur die Summe von einer halben Million, die in letzter Zeit vielfach genannt wurde, ergeben, so würde an die Einführung der Staatslotterie überhaupt nicht gedacht werden können, denn ein solcher Reinertrag stände in gar keinem Verhältnis zu dem erforder­lichen Aufwand und würde wohl auch den gefühls­mäßigen Erwägungen gegenüber, die gegen eine Staatslotterie überhaupt sprechen, nicht durchdringen können. Bis jetzt sind irgend welche Schritte zur Einführung einer württ. Staatslotterie weder von der Regierung noch vom Finanzministerium unter­nommen worden. Wenn man dieser Frage wirklich einmal ernstlich näher treten sollte, dann wird aller­dings voraussichtlich nur der Anschluß an eine andere Staatslotterie in Frage kommen können, da in Württemberg das Gebiet für eine eigene Staats­lotterie, die den notwendigen Aufwand lohnt, zu klein wäre.

Stuttgart, 10. Okt. Die gestern abgehaltene Landesversammlung der Sozialdemokraten Württembergs hatte den ganzen Tag in Anspruch genommen und ihr Verlauf war teilweise ein recht erregter. Anwesend waren 260 Delegierte. Nach sehr langausgesponnenen Debatten wurde eine ganze Anzahl von Anträgen der einzelnen Bezirke erledigt, teils durch Annahme, teils durch Ablehnung. Dem Landesvorstand wurde die Entfaltung einer inten­siveren Agitation im Oberland ans Herz gelegt. Schon in der geschlossenen Versammlung am Sams­tag waren gewisse innerhalb der Redaktion der Schwäbischen Tagwacht zum Ausdruck gekommene Unstimmigkeiten zur Sprache gekommen und gestern nahm die Versammlung, ohne daß es darüber weiter zu Debatten gekommen wäre,' eine Resolution an, in welcher die Erwartung ausgesprochen wurde, daß künftig die Genossen in der Redaktion in partei­politischen Fragen eine parteigenössische Verständig­ung untereinander herbeizuführen suchen sollen. In ziemlich vorgerückter Stunde gelangte der Abg. Keil erst zu seinem Bericht über den württemb. Landtag. Er nahm in demselben Anlaß, bei Be­sprechung der neuen Bauordnung verschiedene An­griffe gegen die anderen Parteien, insbesondere gegen die Volkspartei zu richten. Bezugnehmend auf ein Mandat, welches der Bauernbund (in Herrenberg) errungen, meinte Keil, daß sich die erfreuliche Aus­sicht ergeben könne, daß auch bei uns der schwarz­blaue Block zur Herrschaft gelange. Die Sozial­demokratie werde natürlich bei den nächsten Wahlen zu erobern suchen, was möglich sei. aber doch auch mit den Parteien, die uns am nächsten stehen, da, wo es gelte, die Reaktion zu bekämpfen, Zusammen­gehen. Endlich kam der Redner noch auf die schon vielfach in der Presse erörterte Sitzung der sozial­demokratischen Fraktion unseres Landtags in der Woche vor dem Magdeburger Parteitag zu sprechen.

in welcher die Uebereinstimmung mit den Badener Genossen wegen ihrer Budgetbewilligung ausgesprochen wurde. Keil nahm das Recht der Fraktion hierzu in Anspruch. Auch den Stuttgarter drei sozialdemo­kratischen Abgeordneten, die von den Stuttgarter Genossen wegen ihrer Zustimmung so schwer ange­griffen seien, müßte das Recht zugestanden werden, sich an die höchste Instanz zu wenden. Genosse Westmeyer, der Vorstand der Stuttgarter Ge­nossen, verlangte in erregtem Tone, daß die Stutt­garter Abgeordneten den Willen ihrer Wähler hätten respektieren müssen. Die erregten Erörterungen endeten damit, daß man gegen die Einsprache von Keil eine Tagesordnung annahm, in welcher die Parteiversammlung sich allerdings mit der Tätig­keit der Fraktion einverstanden erklärt, aber hinzu­setzt, sie erwarte, daß die Fraktion auch in Zukunft, dem Programm und den Parteibeschlüssen getreu, die Interessen des Proletariats rücksichtslos wahr­nehme. Dieser Beschluß wurde nur mit 49 gegen gegen 48 Stimmen gefaßt, also nur noch von etwa der Hälfte der Delegierten, die zum Parteitag er­schienen waren; die übrigen hatten sich, der vorge­rückten Zeit wegen, schon entfernt. Der nächste Parteitag soll wieder in Stuttgart sein; ihn in Heilbronn abzuhalten, wurde abgelehnt. Zum Vor­sitzenden des Landesvorstands wurde wieder Sperka- Stuttgart gewählt.

Ellwangen, 10. Okt. Unter sehr zahlreicher Beteiligung, namentlich auch aus dem Oberland und von der Alb, hielt die Nationalliberale (Deutsche) Partei gestern hier ihre Herbstwander­versammlung ab. Nachdem vormittags der Landes­ausschuß zu einer Reihe organisatorischer und tak­tischer Fragen Stellung genommen, fand nachmittags im Sonnensaal eine öffentliche Versammlung statt, die vom Landesvorsitzenden, Landtagsabgeordneten Kübel, mit einer Begrüßungsansprache eingeleitet wurde. Nachdem der Vorsitzende die Verdienste des aus dem politischen Leben zurückgetreten bisherigen Führers Dr. Hieber mit Worten der Dankbarkeit und Anerkennung gewürdigt, betonte er in einem Rückblick auf die letzten Reichstagsersatzwahlen, daß zu einer Mutlosigkeit keinerlei Grund vorliege, wenn zurzeit auch eine rote Hochflut eine Reihe unzu­friedener Elemente aus den bürgerlichen Kreisen wegschwemme, so werde doch über kurz oder lang wieder eine Rückströmung eintreten müssen. Der Verlauf des Kasseler Parteitages habe gezeigt, daß die Einigkeit innerhalb der Partei niemals größer gewesen sei als gerade jetzt. Nach wie vor gehe der Weg der Partei geradeaus. Je größer die Verhetzung links und rechts werde, umso nötiger werde sich auch die Erhaltung einer starken Mittel­partei erweisen, in der sich die verschiedenen wirt­schaftlichen Interessen zum Wohl des Ganzen aus- gleichen können. In einem Ausblick auf die nächsten Reichstagswahlen und auf die spätere politische Ent­wicklung vertrat der Redner die Anschauung, daß der Block, dessen Scheitern soviel Unzufriedenheit ausgelöst habe, wiederkommen müsse und wieder­kommen werde, wenn erst einmal die Konservativen durch Schaden klug geworden seien. In Württem­berg liegen die Dinge so, daß bei den Reichslags­wahlen dem Zentrum ein Wahlkreis kaum entrissen werden dürfte. Das Zentrum ist und bleibt unser entschiedener Gegner. Die Konservativen können vielleicht einen oder zwei Wahlkreise mit Unterstütz­ung des Zentrums behaupten, sonst aber ist im ganzen Lande der Kampf zwischen Liberalismus und Sozial­demokratie auszufechten. In erster Linie ist es die Volkspartei, die eine Reihe von Wahlkreisen gegen den Ansturm der Sozialdemokratie zu verteidigen habe. Bei dieser Sachlage zwingt die Fortschrittliche Volkspartei ihr Selbsterhaltungstrieb schon sich mit uns zu einigen und uns im Interesse des Zustande­kommens einer solchen Einigung auch Gegenleistungen zu bieten. Es muß ein ehrlicher Pakt zwischen Leistung und Gegenleistung geschlossen werden. Als weiterer Redner erstattete hierauf der Abgeordnete Wieland- Ulm den Landtagsbericht. Er wies auf die Schwierigkeiten hin, die einer Fortführung der Steuerreform in Württemberg zurzeit noch entgegen­stehen, und betonte die Notwendigkeit einer Verein­heitlichung des deutschen Eisenbahnwesens. Die Aufbesserung der Beamtengehälter bezeichnete er als eine Forderung der Billigkeit. In der Besprechung des Verhältnisses der Parteien im Landtag zuein­ander anerkannte Wieland, daß die Sozialdemokratie ehrlich bestrebt gewesen sei, praktisch mitzuarbeiten. Indessen habe erst neuerdings wieder der Verlauf des Magdeburger Parteitages gezeigt daß der Ra­dikalismus in der Sozialdemokratie die Oberhand habe und daß schon aus diesem Grunde von einer Großblockpolitik in Württemberg nicht die Rede sein

könne. Der Reichstagsabgeordnete Dr. Osann- Darmstadt besprach sodann noch verschiedene Fragen der Reichspolitik. Er warnte nachdrücklich vor einer Großblockpolitik nach badischem Vorgang; er äußerte aber auch Zweifel, ob bei der tiefgehenden Unzu­friedenheit, welche die ohne eine Besteuerung des Besitzes verabschiedete Reichsfinanzreform hervorge­rufen, in absehbarer Zeit an eine Wiederkehr des Bülowblocks gedacht werden könne. An die beiden Referate schloß sich eine kurze Erörterung an, in welcher B i ck e s - Feuerbach betonte, daß in Würt­temberg von einem Zusammengehen mit den Kon­servativen und dem Bund der Landwirte nicht die Rede sein könne; und an eine Besserung der Kon­servativen zu glauben, sei nicht möglich; haben sie doch erst neuerdings wieder Hrn. v. Heydebrand als Redner nach Württemberg verschrieben. Zum Schluß gelangte folgende Resolution zur einstimmigen An­nahme :Die Herbstwanderversammlung der National­liberalen Partei Württembergs erklärt ihre volle Uebereinstimmung mit der Haltung des Kasseler Parteitages. Sie schließt sich der glänzenden Ver­trauenskundgebung für Bassermann in vollem Um­fang an und versichert den Führer der Partei im Reiche der unerschütterlichen Treue der württemb. Nationalliberalen. Mit einem Hoch auf das deutsche Vaterland wurde die Versammlung geschlossen.

Neckarsulm, 9. Okt. Der 52. Verbandstag der württ. Gewerbevereine und Handwerker­vereinigungen fand heute unter überaus zahlreicher Beteiligung hier statt. Lebhafte Anerkennung fand die zahlreich besuchte Wanderausstellung der Kgl. Zentralstelle. Dem Präsidenten der Zentralstelle, Staatsrat v. Mosthaf, der vor kurzem die Ueber- nahme eines hohen Reichsamts abgelehnt hatte, wurde eine besondere Ovation zu teil. Nach ver­schiedenen Begrüßungsansprachen erstattete an der Hand von 24 Leitsätzen Vorsitzender Schindler ein instruktives Referat über das staatliche Submissions­wesen, das lebhaften Anklang fand und die wich­tigsten Wünsche der Gewerbetreibenden berücksichtigte. Einstimmig wurden die Leitsätze von der Versamm­lung angenommen und ebenso folgende Resolution: Der 52. Verbandstag württ. Gewerbevereine und Handwerkervereinigungen anerkennt das Bestreben der K. Staatsregierung, durch die geplanten Aender- ungen bezw. Ergänzungen der staatlichen Submissions­bestimmungen und Bedingungen, den Wünschen der Gewerbetreibenden und insbesondere der Klein­gewerbetreibenden entgegenzukommen. Er spricht deshalb den dringenden Wunsch aus, es möge die Kammer der Abgeordneten den Beschlüssen ihres volkswirtschaftlichen Ausschusses und den in unseren Leitsätzen enthaltenen weiteren Wünschen ihre Zu­stimmung erteilen. Ferner richtet er an die K. Staatsregierung die dringende Bitte um Berück­sichtigung der Beschlüsse unseres 52. Verbandstags. Zugleich bittet er die württ. Gemeinden und Amts­korporationen, sie möchten sich die staatlichen Sub­missionsbestimmungen und Bedingungen nach ihrer Bekanntgabe zu eigen machen. Großes Interesse fand ebenso ein treffliches Referat des Handwerks­kammersekretärs Freitag-Reutlingen über das private Submissionswesen. Die Anträge des Referenten gingen dahin, zu beschließen: a) energisch die reichs­gesetzliche Regelung des Submissionsvertrags zu betreiben, ausgehend von dem Gedanken, daß die Eigenart der bezüglichen Verhältnisse und besonders die notorisch schwächere Position, in der sich der Handwerker dem Bauunternehmertum gegenüber be­findet, eine solche spezielle Regelung aus rechtlichen und sozialen Gründen berechtigt und notwendig er­scheinen läßt; b) gemeinsam mit den übrigen Hand­werkerverbänden mit den in Württemberg bestehenden Verbänden der Architekten und Bauwerkmeister in Unterhandlungen einzutreten zu dem Zweck der Schaffung grundlegender Vertragsmuster für die all­gemeinen und für die besonderen Bedingungen. Die Leitsätze und Anträge wurden einmütig ohne Debatte unter stürmischem Beifall angenommen. Ein Antrag auf gesetzliche Festlegung der Lehrzeit für Hand- werkslinge auf 3ffs Jahre wegen des Zeitaus­falls infolge des Besuchs der Tagesfortbildungsschule durch die Lehrlinge wurde nach eingehender.De­batte zurückgezogen. Anträge betr. Herausgabe einer knappen Zusammenstellung der wichtigsten Neuer­ungen der Bauordnung und bessere Bekanntgabe von Güterrechtsangelegenheiten, Gütertrennungen und Ent- mündungen, wurden angenommen. Zum Ort der nächsten Tagung wurde Balingen bestimmt.

Stuttgart, 10. Okt. (Strafkammer.) Vor die Strafkammer waren wieder über 30 hiesige Wirte, die Geldspielautomaten aufgestellt hatten, geladen. Das Urteil lautete, wie in früheren Fällen