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eien im Betrage von etwa 100000 begangen hat. Die Firma galt noch bis vor kurzem als durchaus kreditwürdig.

Berlin, 16. Sept. Trotz des bereits er­gangenen Dementis bleiben einer Meldung des Lokal-Anzeigers" zufolge Belgrader Blätter dabei, daß in der Nacht von Sonnabend zu Sonntag ge­plant war, in die Belgrader Festung einzudringen, um die verhafteten Offiziere zu befreien und die Königsmörder umbringen zu lassen. Infolge der Entdeckung dieses Planes seien auch die Wachen an der Donau verdoppelt worden. Eine weitere Depesche besagt, daß weitere Verhaftungen in der Angelegen­heit des Nischer Komplotts nur deshalb nicht er­folgt seien, weil man den Anschein vermeiden möchte, daß die Angelegenheit größere Bedeutung habe.

Berlin, 16. Sept. Wie aus Warschau be­richtet wird, verhaftete die dortige Polizei drei Hochschüler, die vor einer Woche einen Gutsbesitzer beim Kartenspiel ermordet, 14 000 Rubel geraubt und die Leiche in einem Reisekorbe als Eilgut nach Moskau gesandt hatten. In Bromberg erschoß gestern Abend ein Maurer einen elfjährigen Jungen, den Sohn eines Stellmachers, weil er sich über denselben aus einer geringfügigen Ursache geärgert hatte. Der Knabe war sofort tot, der Mörder wurde verhaftet. Eine von 800 Angestellten der Mittelmeer- und Meridionalbahn-Gcsellschaft be­suchte Versammlung beschloß nach einer Meldung aus Mailand, eventuell über alle Linien der Pro­vinzen Mailand und Como den Ausstand zu ver­hängen. wenn die Regierung nicht sofort gegen die Verwaltung der Nordbahn und zu Gunsten der streikenden Angestellten derselben einschreite. Aus Kiel wird gemeldet, daß ein schwerer Nordoststurm große Wasscrmassen in den Hafen treibt. Das Wasser ist bereits meterhoch gestiegen. Man be­fürchtet weiteres Anwachsen der Flut. Die Quai­arbeiten werden durch hohen Wasserstand stark beeinträchtigt. Wie aus Wien telegraphirt wird, hat das Hochwasser in Steiermark und Kärnten in wenigen Stunden zahlreiche Existenzen vernichtet. Auch mehrere Menschenleben sind zu beklagen. Der Verkehr ist überall unterbrochen. Große Acker­flächen sind verwüstet, viele Brücken weggerissen.

Salzburg, 17. Sept. AuS Gastein kommen Unglücksbotschaften. Die Hotel- Filiale Gussenharters ist spurlos vom Erdboden verschwunden. Mehrere Logirhäuser gelten als ver­loren. Das Hotel Gasteiner Hof, ein Prachtbau, der Millionen gekostet hat, ist cirka einen halben Nieter gesunken. Mehrere weitere Hotels mußten geräumt werden. Die Thermal-Quellcn sind abge- gcspcrrt, eine große Anzahl Brücken zerstört.

Marburg a. d. Drau, 16. Septbr. Das Hochwasser hat gestern Abend einen über die Drau führenden Steg weggerissen. 10 bis 15 Personen, darunter 2 Polizisten, die sich auf dem Stege befanden, sind wahrscheinlich umgekommen. Auch die große Draubrücke ist in Gefahr. Aus allen Teilen der Alpen treffen fortwährend Hiobs­berichte über Verheerungen ein. Alle Bäche und Flüsse sind aus den Ufern getreten. Das Wasser steigt stetig.

Kopenhagen. Sechs Seeleute von dem auf offener See brennend verlassenen dänischen

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DampferKrawpenborg", die für verunglückt galten, sind nach vierzigstündigem Umhertreiben in der stür­mischen See gerettet worden. Sie hatten große Not, sich gegen den Sturm zu halten, am zweiten Tag wurde das Wetter besser. Um 11 Uhr nachts sah man einen englischen Dreimaster. Das Geschrei der Seeleute wurde gehört und der Dreimaster nahm seine Richtung auf das Boot zu. Die Seeleute hatten aber ein Ruder verloren und konnten mit dem übrig gebliebenen Ruder bei dem hohen See­gang nicht nahe genug an das Segelschiff heran­kommen. Zweimal gelang es beinahe, das Schiff zu erreichen, doch setzte dieses, nachdem es eine Stunde lang vergeblich in der Nähe des Bootes gehalten hatte, seine Reise fort. Endlich wurde das Boot von einem holländischen Fifchereidampfer gesehen und die Insassen gerettet. Die vierzig- stündige Fahrt war ein ununterbrochener Kampf auf Leben und Tod gewesen.

Urfeld (am Walchensee). Am Samstag. 5. Sept., abends, kam eine fünfköpfige Familie in Urfeld an. Es war ein etwa in den 60er Jahren stehender Herr, eine ältere Dame, anscheinend seine Gattin, zwei in den 20er Jahren stehende Fräulein und ein 12jähr. Mädchen. Sie kehrten beim Fischer am See ein und verweilten etwa 1 Stunde, wo sie zwei Glas Bier und zwei Limonaden tranken. Um V-7 Uhr verließen alle das Gasthaus und mieteten beim Fischer Rieger einen großen, schweren Kahn, mit dem sie in den See hinausfuhren. Seit­dem fehlt jede Spur von den 5 Personen. Am Sonntag früh 4 Uhr wurde der Kahn leer auf dem See treibend bemerkt; das Schiff lag etwa 300 Meter vom Ufer entfernt und war halb mit Wasser gefüllt. In dem Kahn lagen vier Damenstrohhüte und drei Seidenschirme; Schirme und Hüte trugen den Fabrikvermerk Luzern. Auch der Spazierstock des Mannes lag im Schiff, sein Hut dagegen fand sich bis jetzt nicht, auch nicht auf dem See schwimmend. Vermutlich handelt es sich um eine Selbstmordtragödie. Ein Unfall ist nach Ansicht aller Schiffer ausgeschlossen. Der See war voll­ständig ruhig, die Boote sind außerdem so schwer, daß sie selbst Stürmen Stand halten, ohne umzu­schlagen; sogar durch mutwillioes Schaukeln ließe sich das kaum erreichen. Die Suche nach den Vermißten wurde bis zum 11. Sept. fortgesetzt, ohne Ergebnis. Bei der Tiefe des Walchensees ist die Nachforschung nach Leichen sehr schwierig. Es können fast nie Ertrunkene wieder zu Tag ge­bracht werden. Die aufgefundenen Gegenstände wurden auf die Polizeistation Kochel gebracht.

Marktbericht.

Stuttgart, 17. Sept. (Kartoffelgroß­markt auf dem Leonhardsplatz. Zufuhr etwa 2000 Ztr. Preis 2.20 bis 3.70 per Ztr. (Krautmarkt auf dem Charlottenplatz.) Zufuhr 900 Stück. Preis 1417 per 100 Stück.

Fellbach, 16. Sept. Gestern kamen hier mehrere kleinere Partien Hopfen zum Verkauf zu 150 »M. pro Ztr.; die größeren Produzenten setzten noch nicht ab, da sie auf höhere Preise hoffen.

Ludwigsburg, 15. Sept. (Schweine­markt.) Zufuhr: Milchschweine 267, Läuferschweine 49 Stück. Preis für 1 Paar Milchschweine 16 bis 24 -/-L, für ein Läuferschwein 2540 Die

Zufuhr von Milch- und Läuferschweinen war mittel­stark. Der Verkauf ging gut, Milchschweine wurden vollständig, Läufer zu zwei Dritteln verkauft.

R o tt enburg a. N. Die Hopfenpreise sind in stetiger Aufwärtsbcwegung; am 15. d. M. erlöste die K. Landesgefängnisverwaltung für eine größere Partie Hopfen 185 pro Zentner nebst erheblichem Draufgeld.

Tübingen, 15. Sept. Dieser Tage wurden in Kilchberg, Weilheim und Derendingen ziemlich viele Hopfen verkauft, der Ztr. zu 140 bis 150 nebst Trinkgeld; in Pfäffingen wurden 145160 ^ nebst Trinkgeld erzielt.

MmrWstl. KkMkmrew " .

Zum Besuch des am 26. ds. Monats in Cann­statt stattfindcnden landwirtschaftlichen Haupt­festes wird den Mitgliedern der landwirtsch. Be­zirksvereine eine Ermäßigung des Eisenbahn­fahrpreises in folgender Weise bewilligt.

1) Die Mitglieder der landwirtschaftlichen Be­zirksvereine erhalten zu dem angegebenen Zwecke für ihre Person, sowie für die mit ihnen das landwirtschaftl. Hauptfest besuchenden An­gehörigen einfache Prrsonenzugsfahrkarten II. oder III. Klaffe nach Cannstatt mit der Berechtigung zur taxfreien Rückfahrt nach der Abgangsstation, falls die Fahrkarten (auf der Rück­seite) zuvor in der mit dem Hauptfest verbundenen Ausstellung abgestempelt worden sind.

Diese Abstempelung erfolgt nur auf Grund besonderer Vorweise, die den betreffenden Perso­nen nach vorausgegangener Anmeldung vom Ver­einssekretär verabfolgt werden.

2) Die Ausgabe der Fahrkarten zum er­mäßigten Preis nach Cannstatt erfolgt am 83. 24. 85. und 26. September (also am Sonn­tag, 27. September nicht mehr) und berechtigt zur Rückfahrt innerhalb 10 Tagen.

Ferner werden an die Mitglieder Festab­zeichen, welche zum Eintritt in den inneren Kreis des Festplatzes berechtigen, abgegeben.

Anmeldungen auf die in Ziff. 1 Abs. 2 er­wähnten Vorweise und auf die Festabzeichen wollen spätestens bis 28. September bei dem Unter­zeichneten gemacht werden.

Calw, 10. September 1903.

Vereinssekretär

Fechter.

Gottesdienste

am 15. Sonntag nach Hrintt., 20. September.

Vom Turm- 502. Predigtlied: 85, Ewge Liebere. 9'/- Uhr: Vonuitt.-Predigt, Herr Dekan Roos. 1Uhr: Christenlehre mit den Töchtern. 2 Uhr: Bibelstnnde im Vereinshaus, Herr Stadtpfarrer Schmid. Das Opfer ist für die evangelischen Werke im heiligen Lande bestimmt.

Aeleilag Matthäi, 21. Sept.

9(- Uhr: Predigt, Herr Stadtpfarrer Schmid.

Donnerstag, 24. Sept.

8 Uhr abends: Bibelstunde im Vereinshaus, Herr Stadtpfarrer Schmid.

Samstag, 26. Sept.

6 Uhr abends: Andacht und Beichte im Vereins­haus, Herr Stadtpfarrer Schmid.

Begleiterin. Vor allen ein schlanker Premierleutnant von der Infanterie konnte den Blick nicht von der reizenden Erscheinung wenden, die in der deutschen Offi­ziers- und Beamtengesellschaft Jedem auffallen mußte.

Sehen Sie sich nur die Augen nach der schönen Blume von Lothringen nicht aus, Holtensen," neckte den jungen Offizier ein älterer Kamerad.

Konrad von Holtensen fuhr wie aus einem Traume empor, während eine leichte Röte sein Antlitz überflog.

Na," lachte Hauptmann Brandt, eine kleine behäbige Erscheinung mit rundem, jovialem Gesicht, aus dem die blauen Aeuglein vergnügt in die Welt blitzten,brauchen nicht rot zu werden, lieber Holtensen. Das Mädel ist in der Tat reizend und wenn ich noch zehn Jahr jünger wäre, wer weiß, was ich für einen dummen Streich machte."

Kennen Sie die junge Dame, Herr Hauptmann?"

Nein. Aber seit einigen Wochen besucht sie mit ihrem Großvater ich meine nämlich, daß der Alte mit der Rosette der Ehrenlegion im Knopfloch ihr Großvater rst regelmäßig unsere Mittwochskonzerte. Sonst Hab' ich sie noch nicht gesehen. Sie ist vielleicht zum Besuch auf einem der umliegenden Schlösser, versichere Sie, Holiensen, da sind noch reizende Mädchenblumen verborgen auf diesen alten, feudalen Schlössern Lothringens! Man bekommt sie nur selten zu sehen leider! Wenn Sie erst länger in Metz stehen, werden Sie meine Er­fahrung bestätigen. Schon in dem nächsten Manöver werden Sie Ihr blaues Wunder erleben."

Konrad von Holtensen lächelte über den Enthusiasmus des kleinen, dicken Hauptmanns, der sich jetzt einem neu herantretenden Kameraden zuwandte, um mit demselben ein wichtiges Gespräch über die beste Behandlung der zweiten Gar­

nitur anzuknüpfen. Konrad vermochte in Folge dessen seine Beobachtungen der jungen Französin ungestört fortzusetzen.

Der alte Herr war mit seiner Begleiterin an die Bastionsmauern getreten, wies mit der Hand hier und dort hin und schien ihr die Gegend zu erklären.

Kaum vermag man sich einen schöneren, gewiß aber keinen interessanteren Ausblick zu denken, als von dieser hoch über dis breit dahinflutende Mosel gele­gene Bastion. Zu Füßen der wohl einige hundert Meter hohen Mauer die bläu­lich-grüne Flut der Mosel, welche sich hier in zwei Arme teilt und die gleich einem großen Park daliegmde Weidcninsel umspannt. Jenseits des Flusses saftige Wiesen und wogende Kornfelder bis zu den sanft ansteigenden, mit üppigen Wein­gärten bedeckten Moselbergen.

Welche Erinnerungen knüpfen sich an dieses Tal, an diese Berge! Rechter Hand ragt der gewaltige Kegel des Mont St. Quentin cuf, dessen Kuppe die unüberwindlichen Werke der Feste Friedrich Karl und des Forts Manstein krönen. An sie schließt sich der Höhenrücken ron Plappewille an mit dem Fort Alvensleben.

Auf der andern Seite setzen sich die Berge in sanfteren Wellenlinien nach Ponte L Mousson und Nancy fort, bis sie in der blauen Ferne verschwinden. Aus dem Grün der Weinberge lachen die roten Dächer der Dörfer freundlich hervor. Dort das romantisch gelegene Sey, dessen feurige Reben mit dem Weine Burgunds wetteifern. Dort das alte Chatel St. Germain, auf den Trümmern eines römischen Kastels erbaut. Dort das freundliche Longeville, dort in der Ferne das Städtchen Ars-sur-Moselle mit dm wunderbaren Bauten der altrömi­schen Wasserleitung und dort auf hohem, writumkränzten Gipfel das festungs­artige Rozerieulles, um dessen Steinbrüche am 18. August vor zwanzig Jahren so blutig gestritten wurde. (Fortsetzung folgt.)