RunSschau.

Berlin. 23. Febr. Ein durchgehendes Pferd richtete gestern abend in den Straßen Unheil an. Plötzlich scheu geworden, ging es. während der Führer, um eine Erfrischung einzunehmen, das Fuhr­werk für kurze Zeit verlassen hatte, durch. Der Wagen wurde gegen eine Bordschwelle geschleudert und völlig zertrümmert. Einige Eisenstücke durch­schlugen die Fensterscheiben eines Kinematographen- theaters und die Kassiererin wurde durch die umher­fliegenden Glassplitter schwer verletzt. Später überrannte das dahinstürmende Tier einen Kinder­wagen. Ein anderthalbjähriges Mädchen wurde auf das Straßenpflaster geschleudert und erlitt eine Gehirnerschütterung. Schließlich wurde noch eine Frau umgerannt, die einen Schädelbruch davontrug.

Landstuhl (Pfalz), 24. Februar. Eine auf­regende Szene ereignete sich in der zurzeit hier weilenden Menagerie Wieser. Ein Löwe griff plötz­lich die im Käfig befindliche Tierbändigerin Betty Sturm an und verletzte sie schwer. Dem hinzu­gekommenen Tierbändiger gelang es, die Bestie zurückzutreiben und auch die übrigen Tiere, die schon unruhig wurden, in Schach zu Hallen. Er trug ebenfalls Verletzungen am Fuß davon, die er durch einen Tatzenhieb erhielt. Die Tierbändigerin wurde blutüberströmt ins Krankenhaus verbracht. Man hofft jedoch, sie am Leben erhalten zu können.

In Brasilien etabliert sich französisches und namentlich englisches Kapital in wachsendem Maße zur größeren Ausbeutung der Naturreichtümer dieses gewaltigen Reiches. Der in Blumenau er­scheinende deutscheUrwaldbote" schreibt hierüber: Das fremde Kapital entfaltet gegenwärtig ein eifriges Liebeswerben um Brasilien und sucht Anlage in gewinnbringenden Unternehmungen unter Erwerbung vorteilhafter Konzessionen. Leider sind es Engländer und Franzosen, nicht Deutsche, die dabei voran­gehen. Jetzt wird aus London gemeldet, daß die dortigen Zeitungen Telegramme aus Rio veröffent­lichen, nach welchen mehrere in Rio weilenden eng­lische Finanzleute mit dem brasilianischen Landwirt­schaftsminister eine längere Besprechung über die Möglichkeit größerer Kapitalanlagen in Brasilien gehabt haben.Financial News" meinen, daß der Boden für die Anlegung bedeutender englischer Kapitalien in Brasilien geebnet sei, wo unschätzbare Reichtümer der Ausschließung harrten.

Paris, 20. Februar. Seit mehreren Monaten waren Klagen und anonyme Briefe an die Polizei gelangt, die besagten, daß der Apotheker Parat seine Frau in einem dunklen Zimmer angekettet halte. Die Polizei glaubte anfangs, diesen Klagen kein Gehör schenken zu sollen. Die Mitbewohner des Apothekerhauses wurden aber unter deln Ein­druck der aus der Wohnung Parats dringenden Klagelaute immer eindringlicher, so daß der Chef der Geheimpolizei Hamard das Ehepaar vor sich lud. Hamard verwarnte den Ehemann und stellte ihm das Ungesetzliche seines Tuns vor. worauf Parat Besserung schwur. Die Ehefrau söhnte sich der fünf Kinder wegen, die sie hat, mit ihrem Manne wieder aus. Es fiel nun in der Folgezeit auf, daß Frau Parat niemals ausging, während der Apo­theker selbst auch nur Donnerstag nachmittags mit seinem ältesten Sohne einen Spaziergang machte. Als sich die Klagen der Umwohner neuerdings wieder mehrten, benutzte die Polizei gestern die Abwesenheit Parats, um mit Gewalt in die Wohnung zu dringen. Das Personal der Apotheke vermochte keine Aus­kunft zu erteilen, da Frau Parat stets unsichtbar blieb. Niemand hatte sie jemals zu Gesicht bekom­men. Nun drang Hamard mit ein paar Geheim­schutzleuten in die fest verschlossene Wohnung, wobei die Türen mit Gewalt gesprengt werden mußten. Nach vielem Suchen und Rufen fand man endlich die bedauernswerte Frau in einem dunklen, nur durch eine kleine Nachtlampe notdürftig erhellten Hinter­zimmer. Sie war mit einer 7 Meter langen Stahl­kette, die sowohl Hände wie auch Füße fesselte, an die Wand gekettet. Dort war eine solide Stahl­platte in die Mauer eingelassen, an der die Kette befestigt war. Sie ließ der Unglücklichen nur gerade so viel Spielraum, daß Frau Parat sich setzen, hin­legen und wieder aufstehen, aber keinen Schritt gehen konnte. Die Frau hatte ihr drei Monate altes Kind bei sich, das sie noch stillt. In dieser Situation hat die Frau lange Monate hindurch ver­bracht, und es wird sogar behauptet, daß sie bei ihrer Niederkunft im vorigen November von der Kette nicht befreit und von ihrem Manne allein gepflegt wurde. Kein Arzt, keine Hebamme seien hinzugezogen worden. Da es nicht gelang, die

Schlösser der Fesseln zu erbrechen, so mußte die Stahlplatte aus der Mauer gebrochen werden. Frau Parat wurde in einen großen Mantel gehüllt, der ihre Fesseln verbarg, und fuhr mit ihr nach der Polizei­präfektur. Parat wurde abgefangen und ebenfalls nach der Präfektur gebracht. Er behauptete, ledig­lich aus übergroßer Liebe zu seiner Frau und aus Eifersucht gehandelt zu haben. Er wurde verhaftet und ins Santögefängnis abgeführt. Seine Frau, von ihren Ketten befreit, ist bei ihrer Schwester untergebracht worden.

Württemberg.

Stuttgart, 24. Febr. (Das Telephon als Bazillenträger.) Die bakteriologische Untersuchungs­station der Stadt Stuttgart hat in letzter Zeit genaue Untersuchungen an Telephonapparaten vorgenommen, die das für den Laien überraschende Ergebnis hatten, daß nicht das Sprachrohr (Mundstück), sondern das sogen. Hörrohr der Hauptträger der Bakterien ist. So wurden am Mundstück bei mehreren Prüfungen 816, am Hörer dagegen 308315 Keime festge­stellt. Dabei waren die Untersuchungsobjekte keines­wegs sog. öffentlichen Fernsprechapparate und auch nicht solche in Restaurants, die bekanntlich vielfach sehr stark und zwar von den verschiedensten Leuten benützt werden. Daß durch den Fernsprecher an­steckende Krankheiten übertragen werden können, ist schon länger wissenschaftlich nachgewiesen. So hat ein englischer Arzt die Mundöffnung eines Apparats mit einem Tuch abgewischt und den Inhalt des Tuches zu Versuchen an zwei Meerschweinchen be­nützt. Beide Tiere starben nach etwas mehr als 20 Tagen nach der Impfung und die Sezierung ließ deutlich Symptome der Tuberkulose erkennen. Auch von deutschen ärztlichen Autoritäten ist aufs bestimm­teste festgestellt worden, daß gerade der Telephon­apparat eine sehr günstige Stätte für Krankheits­übertragungen aller Art, besonders Haut- und Haar­krankheiten darstellt. Es hat sich deshalb erfreu­licherweise bereits eine Telephonhygiene heraus^ gebildet, die durch häufige Desinfizierung der Appa­rate erreicht wrrd. Die von der Stuttgarter Untersuchungsstation mit dem bereits bekannten Adolf Rümelin'schen Desinfektionsmittel (Inhaber Jakob Pfetsch, Stuttgart, Neckarstraße 90) ange- steüten Versuche haben ergeben, daß die Desinfektion innerhalb dreier Tage rasch fortschreitende Tötung der vorhandenen Keime zur Folge hatte und zwar wurden gerötet am Mundstück bis zu 15 und am Hörer bis zu 255 Keime. In mehreren Städten des Landes, so besonders in Smttgart, Heilbronn, Göppingen und Geislingen, wird in den größeren Hotels, Restaurants, Fabriken, Banken und sonstigen öffentlichen Lokalen schon seit längerer Zeit der Telephonapparat periodisch gereinigt. Es wäre im Interesse der allgemeinen Hygiene zu wünschen, daß alle derartigen Institute dafür sorgen, daß ihre Apparate in antiseptischem Zustande erhalten werden, was mit geringem Kostenaufwand geschehen kann. Die ständiger Desinfizierung unterliegenden Apparate werden durch weiße Schildchen kenntlich gemacht.

Tuttlingen, 24. Febr. Großes Unglück unter seinem Pferdebestande hat den hiesigen Rollfuhr­unternehmer R. Duttlinger betroffen. Vor 10 Tagen hatte er 3 sehr wertvolle Pferde von einem Händler angekauft und dieser Tage ist eines hiervon plötzlich verendet. Die nähere Untersuchung durch die zugezogenen drei Tierärzte ergab, daß es sich bei dem Pferde um eine eingeschleppte Seuche (Brust­seuche) handelt, welche sich nun bereits auf einen großen Teil des übrigen, 16 Stück betragenden Pferdebestandes verbreitet hat. Die Behörde hat bereits die erforderlichen Maßnahmen gegen die Seuche angeordnet.

Metzingen, 24. Febr. In dem benachbarten Pfarrort Riederich wurde anläßlich des Umbaus eines Hauses in der Ofenröhre versteckt eine Geld­summe vorgefunden; auch in einer alten Zinnkanne im Keller lagen Goldstücke. Der frühere Besitzer dieses Hauses, Kaufmann Flamm, ein etwas sonder­barer Mann, war im vorigen Jahre freiwillig aus dem Leben geschieden.

Kus StaSt, Bezirk unS Umgebung.

Neuenbürg. Eine stattliche Anzahl Wirte aus dem Oberamtsbezirk Neuenbürg hatten sich am Mon­tag den 21. Februar im Ankersaal hier zusammen­gefunden, um einen Wirtsverein ins Leben zu rufen. Den Vorsitz führte Kollege Kienzle zum grünen Baum, der in einer einleitenden Ansprache betonte, daß die Bierpreiserhöhung die Veranlassung zu dem Zusammenschluß der Wirte gegeben habe.

Er begrüßte die aus Stuttgart erschienenen HH. Verbandsvorsitzenden Gemeinderat Schramm und Verbandsredakteur O. Kromer und erteilte ersterem das Wort zu längeren Ausführungen über die Agi­tationstätigkeit im Wirtsberuf sowohl als auch über eine Reihe von wichtigen, wirtschaftspolitischen Fragen. Insbesondere verbreitete sich der Redner ausführlich über die Flaschenbierfrage, das Umgeld, das Ver­hältnis des Landesverbandes zu den staatlichen und städtischen Behörden, sowie über die Bierpreis- bewegung in Württemberg, am Schluffe seines Referats die Notwendigkeit des Zusammenschlusses betonend und die Anwesenden zur Gründung eines Vereins auffordernd. Sodann sprach Verbands­redakteur O. Kromer über den Wert der Organi­sation im Wirtsberuf. An der Hand zahlreicher Beispiele aus andern Erwerbs- und Berufsständen erläuterte der Redner die Vorteile eines festen Zu­sammenschlusses. Auch er forderte die Anwesenden zur Gründung eines Vereins auf. Zugleich empfahl er als wichtigste Stütze der Berufsvereinigungen die Fachpresse, die e>n Bindeglied zwischen den einzelnen Vereinen bilde und die Kollegen über alle Berufs­und Standesfragen auf dem Laufenden halte. Nachdem noch der Landesvorsitzende Koll. Schramm über den Bezug der Kohlensäure und den Einfluß der Berufsorganisation auf deren Preisregulierung gesprochen, Verbandsredakleur Kromer aus die im neuen Weingesetz vorgesehene Kellerbuchführung auf- merkiam gemacht und eine sorgsame Führung der Bücher dringend anempfohlen hatte, beschloß die Versammlung fast einstimmig, einen Bezirkswirts­verein ins Leben zu rufen. 42 Kollegen zeichneten sich sofort als Mitglieder in die aufgelegte Liste ein. Bei den sich anschließenden Wahlen wurden folgende Kollegen in den Ausschuß gewählt: Lörcher-Schöm­berg, Kienzle z. grünen Baum, Wagner z. Krone und Ochner z. Anker aus Neuenbürg. Faaß zum Waldhorn-Schwann, Ochner z. Ochsen-Arnbach, Fauth z. Lamm-Feldrennach, Bubeck z. Hirsch- Höfen, Schumacher z. Rößle-Gräfenhausen. Der Ausschuß unter sich wählte den Kollegen Kienzle z. grünen Baum zum Vorstand und den Kollegen Bubeck z. Hirsch in Höfen zum Schriftführer und Kassier. Alles in allem kann man mit dem Erfolg dieser Versammlung recht zufrieden sein. Sache des neugegründeten Vereins wird es nun sein, durch eifrige Agitation auch die noch fernstehenden Kollegen zum Beitritt zu bewegen. Geplant ist, in Bälde eine Kommission zu wählen, die mit den Bierbrauerei­besitzern wegen der Flaschenbierfrage in Unterhand­lungen tritt. In einer demnächst stattfindenden weiteren Versammlung werden sodann die Statuten beraten und die endgültige Konstituierung des Vereins vorgenommen werden. Mit dem Dank der Ver­sammlung an die beiden Referenten schloß der Vor­sitzende Kollege Kienzle die Versammlung. o. L

Calmbach, 24. Febr. Der hiesige Lieder­kranz feiert im Juni ds. Js. das Fest seines 50- jährigen Bestehens; mit dem Fest soll auch ein Gesangswettstreit verbunden werden.

Wildbad, 24 Febr. Am kommenden Sams­tag werden sich die Pforten des Krimmelschen Saales zurAlten Linde", der sich im vergangenen Winter bei verschiedenen Vereinsfestlichkeiten so glänzend erprobt hat, einem Unternehmen öffnen, das sich ge­wiß des Zuspruchs der hiesigen Einwohnerschaft in hohem Grade erfreuen wird. Ein Kinematograph, das in unseren Tagen für eine Stadt fast unentbehr­lich gewordene Institut, wird vom genannten Tage ab den Freunden derartiger Kunstgenüsse angenehme Stunden der Unterhaltung zu verschaffen wissen. Name und Ruf des Besitzers, Hrn. Keller aus Stuttgart, der in der Residenzstadt ein erstklassiges Kinematographentheater sein eigen nennt, bürgen da­für, daß in den Vorstellungen nur Hervorragendes auf dem Gebiet der Kinematographie Bilder klassischen und aktuellen, ernsten und humoristischen Genres geboten werden wird. DasUnion­theater", wie es sich nennt, wird voraussichtlich den ganzen Sommer über seine interessanten Vorstell­ungen geben und hat schon durch die Art seiner Dar­bietungen sicherlich mehr Aussicht und Anrecht auf Erfolg, als das vorjährige Theaterunternehmen im Krimmelschen Saal; wird es doch auch den Kur­gästen eine erwünschte Abwechslung in der Art, ihre Abende zu verbringen, bieten. Die Programme sind aus den jeweils angeschlagenen Plakaten ersichtlich. Möge das Unternehmen die darauf gesetzten Er­wartungen erfüllen, und gewiß wird ihm auch der materielle Erfolg nicht ausbleiben!

Neuenbürg, 26. Februar. Auf dem heutigen Schweinemarkt, welchem 24 Stück Milchschweine zugeführt waren, kostete das Paar 30 bis 38 Mk.