Chef der 1. Batterie des 45. Feldartillerie-Regiments in Flensburg, wegen Rekrutenmißhandlung zu 4 Monaten Festung. Das Kriegsgericht hatte seiner Zeit auf 7 Monate Festung erkannt.
Berlin, 29. August. Nach einer Meldung aus Metz sind in Ars 6 Depot-Arbeiter, der Depot- Feldwebel und ein Sergeant unter dem Verdachte verhaftet worden, eine im Depot fehlende Granate und einen Zünder neuesten Systems an Frankreich ausgeliefert zu haben.
Cherbourg, 30. Aug. Hier wütete gestern ein heftiger Südwe ft sturm, welcher großen Schaden anrichtete. Zahlreiche Fischerbarken gelten als verloren.
Cettinje, 29. Aug. Fürst Nikita äußerte sich bei Besprechung der Lage in Macedonien, daß, wenn es der türkischen Regierung nicht gelingen sollte, ihre eigenen Soldaten und die Albanesen vor Gewalttätigkeiten zurückzuhalten, Serbien und Montenegro sich nicht der heiligen Pflicht entziehen könnten, ihren bedrängten Glaubensgenossen zu Hilfe zu eilen.
Rom, 30. Aug. Die im Auslande verbreiteten Gerüchte, daß der Pap st an Gicht leide und deshalb die Spaziergänge in den vatikanischen Gärten eingestellt habe, sind vollständig unbegründet. Derselbe hat sich nur eine leichte Fußverletzung zugezogen, befindet sich aber sonst ganz wohl und wird heute seine Sommerwohnung im Schloßturm Leo IV beziehen.
Konstantinopel, 30. Aug. Die Pforte erklärt, der amerikanische Konsul in Bey- rutsei weder ermordet noch Gegen st and eines Anschlags gewesen. Als der Konsul am 23. August abends im Wagen zurückkchrte, gab ein Teilnehmer an einer Hochzeitsfeier in der Nähe des Konsulats dem Landesgebrauch gemäß einen Schuß in die Luft ab. Der Konsul glaubte, daß der Schuß gegen ihn gerichtet sei und dieser Vorfall gab den Anlaß zu den falschen Gerüchten.
Newyork, 29. Aug. In der Union hegt man große Befürchtungen für die Sicherheit der amerikanischen Bürger in der Türkei, deren Zahl sich auf circa 1500 beläuft. — Ein Konstantinopeler Telegramm versichert dagegen, der Konsul in Beirut sei nicht getötet worden. Es liege ein Irrtum vor, der durch die Uebertragung des chiffrierten Telegramms hervorgerufen worden sei. Es sei nur richtig, daß ein Attentat versucht wurde. Der Attentäter sei verhaftet, seine Persönlichkeit jedoch noch nicht fcstgestellt. Er soll auf den Vicekonsul einen Gewehrschuß abgefeuert haben, ohne zu treffen. Der Vali begab sich zum amerikanischen Konsul, um ihm sein Bedauern über den Zwischenfall auszudrücken mit dem Versprechen, alle Maßregeln zur Bestrafung der Schuldigen zu treffen.
Vermischtes.
— Dem Riesenstreik in der sächsischen Fabrik st adt Crimmitschau wird in industriellen Kreisen große Aufmerksamkeit gewidmet.
Mit derartigen Massenstreiks hat die Sozialdemokratie bisher wenig Glück gehabt. In Cottbus und Mühlhausen i. E. mußten die streikenden Textilarbeiter bedingungslos kapitulieren, nachdem sie in den langen Sreikwochen wirtschaftlich vollständig ruiniert waren. In Meerane wurden die 2000 Streikenden total ausgesogen, der 13 Wochen währende Streik brachte die Bevölkerung an den Bettelstab ; die sozialdemokratischen Gewerkschaften waren, nachdem sie etwa 150 000 aufgebracht hatten, nicht in der Lage, die Streikenden nur noch wenige Tage notdürftig über Wasser zu halten. Entsetzliche Bilder des Jammers und des Elends haben sich damals unter der armseligen Bevölkerung Meeranes (Königreich Sachsen) abgespielt. Dasselbe Drama scheint sich jetzt in Crimmitschau abwickeln zu wollen. 7827 Personen stehen im Streik, die Hälfte davon sind Frauen. Für die Streikenden werden mindestens jede Woche 60000 gebraucht; die Kaffen des Textilarbeiterverbands sind sehr schwach; der Vorsitzende des Verbands gibt auch dies unumwunden zu. „Trotz aller Opferfreudigkeit der armen Textilarbeiter ist es uns nicht möglich, diesen Riesenkawpf aus eigenen Kräften führen zu können", sagt er in einem Aufruf an die Gewerkschaftskartelle und die Zentralvorstände der Gewerkschaft Deutschlands und weiter: „Geld ist dringend nötig". Dieser Aufruf erschallt, da der Streik erst zwei Tage währt. Die Gewerkschaftskartelle haben im allgemeinen auch nichts in den Kaffen.
— (Vom Tode auferstand en.) Ein eigenartiger Fall wird, wie man aus Paris schreibt, demnächst die Gerichte beschäftigen. Während des Feldzuges auf Madagaskar wurde der Leutnant R. ... in einem Kampfe tödlich verwundet auf dem Schlachtfelde zurückgelasien. Der Leutnant übergab seine Papiere seinem Burschen mit dem Aufträge, diese seiner jungen Frau nach Blidah in Algerien zu Überbringern Der Soldat entledigte sich des Auftrages und durch lange Jahre hindurch machte die junge Witwe die größten Anstrengungen, um in den Besitz der Leiche des Getöteten zu gelangen. Als sie schließlich in den Besitz des amtlichen Totenscheines gelangt war, heiratete sie einen anderen Offizier. Vor wenigen Tagen hat nun der Vater des Totgemeldeten vom Kriegsministerium die Mitteilung erhalten, daß dieser nach einer langen Gefangenschaft wieder in Tamatave eingetroffen sei und sich nach Frankreich eingeschifft habe. Die Frage, was nun aus der zweiten Ehe seiner Frau werden wird, ist durch verschiedene gerichtliche Urteile längst erledigt: Die zweite Ehe wird einfach für ungültig erklärt.
— (In 54 Tagen um die Erde.) Die Zeit, in der Jules Vernes Erzählung von der Reise in 80 Tagen noch als ein Phantasiegebilde aufgefaßt wurde, liegt nicht weit zurück und heute ist es dem Amerikaner Henry Frederik bereits gelungen, diese Reise in 54 Tagen auszuführen. Am zweiten Juli verließ Mr. Frederik an Bord des
Dampfers Deutschland Newyork. Der Dampfer kreuzte den atlantischen Ozean in 6 Tagen. Der Zug trug den Reisenden von Paris nach Dalny in Nordchina in 18 Tagen. 2 Tage genügten zur Durchkreuzung des gelben Meeres und 2 weitere Tage, um mit der Eisenbahn Japan zu durchqueren und in Jokohama anzulangen. Auf dieser Strecke hatte der Reisende zum erstenmal Pech. Er hatte den Dampfer, den er in Uokohama zu erreichen hoffte, um 10 Stunden verpaßt und verlor dadurch 7 Tage, da er sich gezwungen sah, ein 2 Tage später fahrendes langsameres Schiff zu benutzen, das nicht weniger als 16 Tage zum Passieren des Stillen Ozeans brauchte. Mr. Frederick landete in Viktoria und machte die Reise über den amerikanischen Kontinent in etwas mehr als 4 Tagen. Obwohl Mr. Frederick mit dieser Reise um die Welt in 54 Tagen den in der letzten Woche aufgestellten Rekord um 1 Stunde schlug, hat er eine bedeutende Wette verloren, da er gewettet hatte, die Reise in 45 Tagen zurückzulegen. Der Reisende hat während seiner ganzen Reise um die Erde nur in einem einzigen Hotel geschlafen, nämlich in Jokohama.
Die trauernden Erben. Eine bisher unbekannt gebliebene Anekdote aus dem Leben des berühmten Arztes Adolf Kuß maul wird der „Frkf. Ztg." von einem Mitarbeiter wie folgt erzählt: In einer großen Stadt Süddeutschlands wohnte eine hochbetagte alte Jungfer, auf deren großes Vermögen eine Reihe von Erben schon lange wartete. Endlich verfiel die Erbtante in eine schwere Krankheit. Die Erben sahen sich nun dem Ziele ihrer Wünsche nahe. Auf Verlangen der Patientin wurde Kußmaul an das Krankenbett berufen. Nach einer Besprechung mit dem behandelnden Arzte begab sich Kußmaul in das Krankenzimmer. Nach langem bangen Warten erscheint er endlich wieder und wird von den Erben mit Fragen bestürmt. Ohne eine Miene zu verziehen, antwortete Kußmaul: „Bereiten Sie die Familie schonend vor; die Tante wird wieder besser!"
Gemeinnütziges.
Zerbrochene Blumentöpfe und alte Konservenbüchsen. Zerbrochene Blumentöpfe sollen nicht, wie es gewöhnlich geschieht, achtlos fortgeworfen werden, sondern man soll dieselben aufbewabren, da sie sich im Garten gut verwenden lassen. Im Garten alles nützlich zu verwenden und seinen Lesern diesbezügliche, praktische Vorschläge zu machen, hat sich die in Leipzig erscheinende Zeitschrift „DerLehrmeister im Garten und Kleintierhof" zur Aufgabe gestellt. Jede Nummer enthält ebenso wie folgende Notiz eine Menge derartiger wertvoller Anweisungen. So schreibt B. Grape: Ich habe z. B. im Garten einige Rosen, denen von dahinter stehenden Tannen zu viel Feuchtigkeit und Nahrung entzogen wird. Bei diesen Rosenstämmen grabe ich mehrfach übereinander gesetzte Blumentöpfe ein und fülle sie oft mit Wasser oder verdünnter Jauche. Die Flüssigkeit sickert dann durch die Riffe und durch die Löcher im Boden der Töpfe in die Erde und gibt so den Rosen Kraft zum Wachsen. Auch alte Konservenbüchsen, deren Boden und Seiten mittelst eines großen Nagels vorher durchlöchert sind, verwende ich zu solchen Zwecken.
„Um Gotteswillen." rief Jsa erschrocken und lehnte sich zitternd an den Wagenschlag. „Können Sie mir Näheres Mitteilen? Werde ich ihn noch erreichen?"
Der Kutscher kratzte sich hinter dem Ohr.
„Wenn ich mich recht erinnere, sprach der Herr gestern Abend davon, daß er um halb Zwölf, abreisen werde. Aber ich hörte nicht so genau hin. Doch nun kommen Sie, Fräulein, die Wirtin des Grafen muß es doch wissen, weil doch das Gepäck zur Bahn geschafft wurde.
Es begann nun eine tolle Fahrt. Die Pferde flogen förmlich dahin, der Weg dünkte Jsa unendlich weit. Sie hatte dem Kutscher ein reichliches Trinkgeld versprochen, wenn er sie so rasch als möglich an Ort und Stelle brächte, und er hieb auf die Pferde ein, sie immer zu rascherer Gangart antreibend.
Endlich standen sie still. Dunkel lag das bezeichnet« Haus da, mit bangem Zagen zog Jsa die Glocke, ein-, zweimal. Drinnen schien alles schon zur Ruhe gegangen sein. Angsterfüllt lauschte das junge Mädchen, nichts rührte sich.
Verzweifelnd wandte sich Jsa an den Kutscher. „Was sollen wir nun beginnen?"
Der Mann kam ihr zu Hilfe und schlug mit dem Peitschenstiel heftig an die Fensterläden.
„He," rief er, „seid Ihr denn alle taub, macht doch endlich einmal aufl"
Das half. Der Riegel wurde zurückgeschoben und eine mürrische alte Frau deren Gesicht von unzähligen Runzeln bedeckt war, erschien in dem schmalen Spalt der geöffneten Tür.
„Was ist denn das für ein Heidenspektakel," brummte sie verdrießlich, indem sie eine kleine Lampe hochhielt. Der Schein fiel auf JsaS bleiches Gesicht und die Alte warf ihr einen unfreundlichen Blick zu.
„Gute Frau," begann das Mädchen zitternd, „wißt Ihr nicht, ob Graf Tennewitz schon abgereist ist?"
„So, so, zum Herrn Grafen wollen Sie, — und noch so spät?" klang es in solch spöttischem Ton, daß Jsa vor Unwillen und Scham errötete.
„Ich bin seine Tochter!" verteidigte sie sich mit Tränen kämpfend.
„Wer das glaubt," lachte die Alte wieder, „der Herr Graf sieht nicht so aus, als ob er schon eine erwachsene Tochter hätte!"
„Macht weiter," schrie der Kutscher, „wir haben nicht Zeit, lange mit Euch zu verhandeln, ist der Herr Graf da oder nicht?"
„Er ist vor einer kleinen halben Stunde fortgefahren, nachher wollte er zur Bahn," gab die Alte Auskunft.
Nur mit Hilfe eines größeren Geldstückes brachte Jsa endlich heraus, wohin ihr Vater reisen würde. Glücklicherweise war die Frau genau unterrichtet.
Wieder begann die tolle Fahrt, noch schneller als vorher rasten die Pferde dahin. Der gutmütige Kutscher übergab, als man den Bahnhof erreicht hatte, das Gefährt einstweilen einem Kollegen zur Aufsicht, und drängte dann Jsa nach, die mit Tränen in den Augen durch die verschiedenen Wartesäle lief. Das Herz wollte ihr fast stille stehen vor Schreck, als ein Glockenzeichen ertönte. Wenn das das Abfahrtszeichen des Zuges war, den der Vater benützte, dann konnte sie ihn nicht mehr erreichen. Der trostlose Ausdruck des jungen Gesichtes siel manchem Vorübergehenden auf. Jsa merkte es kaum.
Da plötzlich vernahm sie hinter sich eine Stimme, die ihr in diesem Augen« blick das Schönste dünkte, was sie jemals in ihrem Leben gehört.
(Fortsetzung folgt.)