135.
Amis- und Anzeigebkatt für den Mezirk Gaüv.
78. Jahrgang.
UrscheirmngLtage: Dienstag, Donnerstag, GamS- tag, Sonntag. JnsertionSpreiS 10 Pfg. pro Zeile für Stadt und Dr-irr-orte; außer Bezirk 12 Pfg.
Samstag, den 29. August 1903.
Abonnementspr. in d. Stadt pr. Viertelj. Mk. 1.10 incl. Trägers.
Vierteljahr!. Postbezugspreis ohne Bestellg. f. d. Orts- u. Nachbar- " - - - —.. - _ . . ^ ^ ' -
ortsverkehr 1 Mk., f. d. sonst. Verkehr !
t.10, Bestellgeld 20 Pfg.
Amtliche AekarwLmachnnge».
An die Gemeindebehörden. Bekanntmachung, betr. die Einleitung der Jahresschätzung der Gebäude.
Nach dem Erlaß des Kgl. Verwaltungsrats der Gebäudebrandversicherungsanstalt vom 4. Aug. ds. Js. (Amtsbl. S. 451) ist nunmehr mit der Einleitung zu der Jahresschätzung der Gebäude und ihrer Zubehörden und zu der hienach auf den 1. Januar des nächsten Jahres zu vollziehenden jährlichen Aenderung der Feuerversicherungsbücher zu beginnen. Die Gemeindebehörden erhalten daher unter Hinweisung auf Art. 12 des Gesetzes vom 14. März 1853 und auf Ziffer 9 Abs. 1—5 des Normal-Erlasses vom 16. März dess. Js. (Klumpp's .3. Handausgabe S. 18 Buchstabe a) nachstehende Weisungen:
1. Die Besitzer von Fabriken, sonstigen größeren gewerblichen Anlagen und wertvollen Gebäudezubehörden sind zur Anmeldung derjenigen Neubauten und Aenderunge«, welche in ihren Anlagen seit der letzten Schätzung eingetreten sind, aufzufordern.
Die anzumcldenden Gegenstände (Gebäude und Zubehörden) sind unter Wertangabe möglichst ins Einzelne gehend und unter Beachtung der Ziff. I, 1 und 2 des Erlasses des K. Vsrwaltungs- rats vom 4. Aug. 1903 aufzunehmen. Formulare hiezu sind beim Oberamt für die Gemeindebehörden und Private erhältlich. Dabei wird noch besonders darauf aufmerksam gemacht, daß auch die elektrischen Beleuchtungs-Anlage» und Kraftübertragungen, soweit dieselben als Gebäudezubehörden erscheinen, in das Anmeldeverzeichnis aufzunehme« sind.
2. Hierauf ist die gemetnderätliche Durchsicht der auf Fabriken und ähnliche Gebäude bezüglichen Einträge des Feuerversicherungsbuchs unter Beachtung der durch Erlaß des K. Verwaltungsrats vom
18. Oktober 1892 (Minist.-Amtsbl. S. 478) erteilten Weisung vorzunehmen und die hienach sich ergebenden Acnderungsanträge spätestens bis SO. September dem Oberamt anzuzeigen.
3. In der zu erlassenden öffentlichen Aufforderung sind die beteiligten Gebäudebesitzer noch besonders auf obigen Termin mit dem Anfügen aufmerksam zu machen, daß spätere Anmeldungen als außerordentliche auf Rechnung der Fabrikbesitzer vorzunehmende Schätzungen behandelt werden können.
4. Bezüglich der übrigen Gebäude wird weitere Bekanntmachung erfolgen.
Calw, 27. August 1903.
K. Oberamt.
Amtm. Rippmann, AV.
Tagesnemgkeiten.
Stuttgart, 26. August. Eine außerordentliche Bäckerinnungsversammlung beschäftigte sich heute Nachmittag im „Herzog Christoph" mit der Errichtung eines Herbergeinnungshauses zum Zwecke der Herstellung eines geordneten Herbergewesens. Der Gesamtvorstand legte der Versammlung einen Entwurf nach dem gleichlautenden Nebenstatut der Bäckerinnung Hamburg, die ein Herbergeinnungshaus besitzt, vor. Nach lebhaften Erörterungen wurde der Entwurf im Prinzip abgelehnt.
Stuttgart, 27. Aug. Kartoffelgroßmarkt aus dem Leonhardsplatz. Zufuhr 1100 Ztr. Schmidener und Lauffeuer. Preis 2—3.50. Kraut markt auf dem Charlottenplatz. Zufuhr 1800 Stück. Preis 20—25 A das Stück, 18—20 das Hundert. — Obst markt auf dem Wilhelmsplatz. Zufuhr etwa 70 Ztr. Fallobst. Preis 4.30 bis 4.50 per Zentner.
Eßlingen, 27. Aug. Aus Anlaß seines
50. Geburtstages überreichte gestern eine Abordnung der freiwilligen Feuerwehr dem Bezirksfeuerlöschinspektor Aug. Plessing, derzeit Stellvertreter des abwesenden Bürgermeisters, mit Anerkennung seiner vielfachen Verdienste um das Feuerlöschwesen einen silbernen Tafelaufsatz.
Göppingen, 26. August. Hier ist ein junger Mann an den Folgen des Verschluckens eines Kirschensteins gestorben.
Biber ach, 27. Aug. Fabelhaftes Glück hatte der im Gasthof zum schwarzen Ochsen hier bedienstete ledige Knecht in der Lotterie. Derselbe hat mit einem Viertellos einer Klassenlotterie nicht weniger als 45,000 Mark gewonnen. Die Anweisung auf die Gewinnauszahlung, welche innerhalb drei Monaten erfolgt, hat er bereits im Besitz.
Vom Bodensee, 27. Aug. Mitten in dem schrecklichen orkanartigen Sturme, der am Sonntag Abend auf dem Bodensce herrschte, befanden sich auch Ihre Kgl. Majestäten mit dem Hofstaat, die von Friedrichshafen aus dem Großherzoglichen Paare auf der Mainau einen Besuch abgestattet hatten. Für die glückliche Führung während der Heimfahrt nach Schloß Friedrichshafen ließ der König dem Führer der „Kondwiramur" ein Geldgeschenk von 50 einem Matrosen 25 überreichen. — Der Sturm auf dem See tobte derart stark, daß sich selbst die ältesten Leute eines solchen Bildes vom See nicht entsinnen können. Der an den Obstbäumen und Hopfenanlagen in der Umgebung des Sees angerichtete Schaden ist bedeutend.
— Aus Mannheim wird gemeldet: Eine Versammlung von Streikenden der Maschinenfabrik von Lanz beschloß die Wiederaufnahme der Arbeit zu den von der Firma gestellten Bedingungen.
Fenllllelvn» Nachdruck «erbotin.
Treue.
Original-Roman von Irene v. Hellmuth.
(Fortsetzung.)
Völlig durchnäßt erreichte Jsa das Herrenhaus. Im Flur brannte eine Lampe und beschien die alten, dunklen Oelbilder an den Wänden. Aufatmend blieb das junge Mädchen stehen und lauschte. Kein Mensch war zu sehen, nur aus dem Zimmer Tante Marthas klang die Stimme Heßfcldts und das laute, glückliche Lachen Susannes.
Der Inspektor schien sich wieder einmal nicht von seiner Braut trennen zu können. Er wollte doch nur eine halbe Stunde bleiben, und es mochte wohl schon eine Stunde vergangen sein, seit er gekommen war. Jsa wollte sich eben nach ihrem Zimmer schleichen, als Heßfeldt die Tür öffnete.
„Ah, gnädiges Fräulein," rief er, „sind Sie endlich da? Susannchen ängstigte sich schon wieder um Sie, und wie pudelnaß Sie bei diesem Spaziergang geworden sind! Ist Ihnen unwohl? Sie sehen so blaß aus!"
Susanne eilte herbei und schlang den A:m um den Hals der Freundin.
„Arme Jsa," sagte sie, „wenn du dich nur nicht erkältet hast! Geschwind, Fritz, bitte, dort ist die Klingel, rufe die Köchin herbei, damit wir rasch heißen Thee bekommen! Jsa muß sofort die Kleider wechseln."
Fritz riß an der Glocke, daß die alte, dicke Köchin atemlos herbeigestürzt kam, um nach dem Befehl der jungen Herrin zu fragen. Dann verschwand sie eilig in der Küche.
Es war Jsa sehr unangenehm, daß man sie in dieser Weise aufhielt. Leicht konnte daran ihr ganzer Plan scheitern. Sie zog ihre kleine, goldene Uhr aus dem Gürtel. „Halb sechs," murmelte sie. In einer Stunde mußte sie fort, wenn sie den Zug noch erreichen wollte.
„Ja, Liebste, ich komme nachher mit einem Buch zu dir und lese dir etwas vor," meinte Susanne in ihrer treuherzigen Weise. .
Jsa erschrak.
„Nein, — ich danke dir, — ich möchte schlafen, — bitte, laß mich heute allein."
„Wie du willst, Jsa."
„Du bist mir doch nicht böse?"
„Wie sollte ich," sagte Susanne, und Jsa zog in aufwallendem Gefühl inniger Dankbarkeit die Freundin an sich und küßte dieselbe stürmisch. Wie gut war Susanne immer zu ihr gewesen, — Jsa fühlte erst in diesem Augenblicke, wie schwer es ihr wurde, aus dem traulichen Hau», von den treuen, aufrichtigen Menschen zu scheiden. Die Tränen wollten aufs neue Hervorbrechen, sie war nahe daran, der geliebten Freundin ihr ganzes Herz auszuschütten. Doch das durfte nicht sein, denn um keinen Preis würde Susanne zugeben, daß sie von hier fortging. Gewaltsam riß sie sich los und eilte davon. Sie hörte noch, wie Heßfeldt sich von den Damen verabschiedete, dann verriegelte sie die Türe hinter sich und begann in fieberhafter Eile nach ihrer Reisetasche zu suchen. Glücklicherweise fand sie dieselbe bald, und rasch packte sie das notwendigste hinein. Als dies geschehen war, zog sie ein Schubfach auf und steckte das darin liegende Geld zu sich. Dann erst wechselte sie die Kleider. Es klopfte an die Türe. Jsa erschrak. Wenn das Susanne war? Was sollte sie nur tun?