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Der Lnztäler.

Anzeiger für das Lnztal und Umgebung.

Amtsblatt für Ssn VberamtsbsIirk Nauenbürg.

^ 191.

Neuenbürg, Mittwoch den 1. Dezember 1999.

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67. Jahrgang.

Berlin, 29. Novbr. Der Kaiser fuhr heute l früh in Begleitung des Fürsten v. Pleß nach dem Bahnhof. Mittags traf der Kaiser in Breslau ein und fuhr dann in offenem Wagen allein durch die Stadt zum Besuch des Fürstbischofs Dr. Kopp; ! die Tausende, die trotz des Regens den Weg um­säumten, bereiteten dem Kaiser einen herzlichen Em­pfang. Um 4 Uhr ist der Kaiser nach Berlin abgereist, wo er abends 9^/r Uhr auf dem Bahn­hofe Friedrichsstraße eintraf.

München, 30. Nov. Herzog Karl Theodor ist, wie der Hofbericht meldet, heute nacht um 2 Uhr im sogenannten Fürstenbau des Bades Kreuth ohne schweren Todeskampf verschieden. Der Herzog war, wenn auch sehr schwach, doch bis zuletzt bei Bewußtsein. Am Sterbebette befanden sich außer der gramgebeugten Herzogin, die während der langen Krankheit Tag und Nacht ihrem Gemahl pflegend und tröstend zur Seite stand, die Kinder und Schwiegerkinder des Herzogs, sowie die behandelnden Aerzte. Der Herzog ist am 9. August 1839 in Possenhofen geboren, als zweiter Sohn des Herzogs Maximilian von der Linie Zweibrücken-Birkenfeld. Seine Schwester war die Kaiserin Elisabeth von Oesterreich. Herzog Karl Theodor war ein außer­ordentlich liebenswerter und einfacher Mensch. Wer ihn kannte, mußte seine Herzensgüte bewundern. Sein großer Fleiß, seine Beschäftigung mit den Wissenschaften haben ihn nie weltfremd gemacht; bis in das hohe Alter blieb er eine hohe elegante Erscheinung. Ueberall wird man an dem Hinscheiden des Herzogs tiefen und aufrichtigen Anteil nehmen. Denn man betrauert in ihm einen seltenen Wohl­täter der Menschheit. Wie bekannt, bestehen zwischen dem deutschen Kaiserhause und der herzoglichen Fa­milie die herzlichsten Beziehungen. Kaiser Wilhelm und die Kaiserin schätzen den Herzog und die Seinen außerordentlich hoch, und die Söhne des Kaiser- paares waren häufige Gäste in Tegernsee oder Kreuth, wo sich um den Dr. weä. Herzog Karl Theodor ein illustrer Kreis gesellschaftlich und geistig hochstehender Menschen scharte. Die Leichen­feier findet am Freitag statt. Die Beisetzung er­folgt in München. Herzog Wilhelm von Urach hat sich von Stuttgart nach Bad Kreuth an das Totenbett seines Schwiegervaters, des Herzogs Karl Theodor, begeben. Die Herzogin von Urach weilt bereits seit mehreren Tagen in Bad Kreuth. Einer der ersten Stuttgarter Augenärzte, der mehrfach Gelegenheit hatte, zu Herzog Karl Theodor in ärztlichen Beziehungen zu treten, äußerte sich zu einem unserer Mitarbeiter über des Herzogs Tätig­keit als Augenarzt wie folgt: Die Beobachtungen, die Herzog Karl Theodor im Kriege von 1870 ge­macht hat, haben ihn bewogen, sich medizinischen Studien zu widmen. Er begann diese 1871 in München und spezialisierte sich später unter Arlt in Wien und Rottmund in München für das Fach der Augenheilkunde. Seine erste Tätigkeit übte er im Bezirksspital zu Tegernsee aus, im Winter prak­tizierte er in Meran. Später hat er dann in Mün­chen eine Klinik errichtet. Der Herzog war einer der hervorragendsten Operateure und hat mit die größte Anzahl von Staroperationen ausgeführt. Sein Geschick dabei war ebenso bewundernswert, wie die Treffsicherheit seiner Diagnose.

Petersburg, 30. Nov. Nach Nachrichten aus Livadia hat sich das Frauenleiden der Zarin er­heblich gebessert, hingegen hat die Kaiserin wieder heftige Anfälle bedenklichen Gedächtnisverlustes, so daß sie nicht einmal ihre nächste Umgebung erkennt, und in denen sie von einer entsetzlichen Furcht be­fallen wird. Sie bringt dann Stunden in Strömen von Tränen zu und die Aerzte haben zeitweilig große Bedenken, daß in jedem Augenblick eine dauernde Veränderung ihres Zustandes eintreten könnte.

Die Verabschiedung der Steuerreform in der bayerischen Abgeordnetenkammer hat bis auf weiteres verschoben werden müssen. Für ver­gangenen Samstag war allgemein auch die Annahme der letzten auf die Steuerreform bezüglichen Vorlage, des Umlagengesetzes, erwartet worden, da ein Kom­promiß hierüber zwischen dem Zentrum, den libe­ralen und der freien Vereinigung verabredet worden war. Aber das Kompromiß bekam plötzlich ein Loch, die Liberalen wollten nicht mehr mittun, als das Zentrum das Umlagengesetz sofort verabschiedet haben wollte. Es erhob sich in der am Samstag vormittag begonnenen Sitzung ein furchtbarer Lärm, so daß schließlich die weitere Sitzung auf den Abend vertagt werden mußte, nachdem das Zentrum die on dloe-Annahme einer Anzahl Artikel durchgesetzt hatte. Aber die Liberalen und die Sozialdemokraten blieben der Abendsitzung fern und erzielten dadurch die Beschlußunsähigkeit des Hauses, womit denn auch die definitive Erledigung des Umlagengesetzes und hiermit der gesamten Steuerreform einstweilen unmöglich gemacht worden ist.

In Berlin wurde am Sonntag die aus allen Gauen des Reiches stark besuchte 6. ordentliche Ge­neralversammlung der deutschen Mittelstands- v e renigung abgehalten. Wie schon in den voran­gegangenen Mittelstandsversammlungen zu Düsseldorf und Leipzip. so stand auch in der Berliner Versamm­lung das Verhältnis der Mittelstandsvereinigung mit dem Hansabunde im Mittelpunkte der Verhandlungen, wobei die meisten Redner für ein Handinhandgehen dieser beiden großen Organisationen eintraten. Schließlich gelangte eine Resolution einstimmig zur Annahme, worin zwar die Aufrechterhaltunq der unbedingten Selbständigkeit der deutschen Mittel­standspartei betont, aber zugleich auch erklärt wird, daß ein Zusammengehen der Mittelstandsvereinigung mit dem Hansabunde in allen der Industrie, dem Gewerbe und dem Handel gemeinsamen Fragen im wohlverstandenen Interesse des Mittelstandes liege. Es wurde dann noch die preußische Wahlreform­frage besprochen, worauf sich ein kurzer Vortrag des konservativen Reichstagsabgeordneten Stockmann über das ThemaDer Detailhandel unter dem neuen Wettbewerbsgesetz" anschloß. Der öffentlichen Generalversammlung folgte dann eine geschlossene Delegiertenversammlung nach.

Berlin, 30. Nov. Der Revisionsbericht des Senators Garin über die Raubwirtschaft in der russischen Militärintendantur ist soeben zur Ueber- gahe an den Senat fertiggestellt worden. Das Raubsystem war allgemein unter den Beamten und wurde sogar seitens der höchsten Instanzen gefördert. In den letzten Jahren gab es unter ihnen nur noch einige ehrliche Leute, die man dumme Kerle nannte. Zu ihrer Beseitigung bestand in Petersburg eine besondere Organisation, die für 10 bis 20 Rubel und mit Hilfe hoher Persönlichkeiten diese dummen Kerle nach unerwarteter Rangerhöhung auf unge­fährliche Posten versetzte. Kleine Beamte, die 100 Rubel Monatsgage besitzen, wurden in 23 Jahren Hausbesitzer oder Kapitalisten. Der Höhepunkt der Diebereien war im letzten Kriege, wo die Unterschleife in wahre Raubbachanalen ausarteten.

Die belgische Kammer nahm die Herab­setzung der Dienstzeit der Infanterie 2 Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes über die Heeres­reform auf 15 Monate mit 98 gegen 27 Stimmen an. Die Dienstzeit der Kavallerie wurde auf 2 Jahre herabgesetzt. Damit ist die erste Lesung der Vorlage beendigt.

In Paris erregt ein Attentat Aufsehen, welches von einem algerischen Eingeborenen auf den Divi­sionsgeneral Verand verübt wurde, als dieser am Sonntag die Rue Castiglione passierte. Der Atten­täter feuerte zwei Revolverschüsse auf den General ab und verletzte ihn hierbei schwer. Der sofort ver­haftete Attentäter hat sich jedoch in der Person seines

Opfers geirrt, denn offenbar meinte er den Kriegs­minister Brun vor sich zu haben, dem General Verand sehr ähnlich sieht; der Attentäter führte auch die Photographie des Kriegsministers mit sich. Bei seiner ersten Vernehmung erklärte er, er sei ein Opfer der Ungerechtigkeit algerischer Offiziere und habe sich dafür am Kriegsminister rächen wollen.

London, 29. Nov. Frau Steinheil traf in Begleitung ihres Arztes hier ein. Sie war an Bord des Dampfers, auf welchem sich nur wenige weib­liche Passagiere befanden, erkannt worden. Im ersten Hotel, wo sie absteigen wollte, wurde sie von dem Besitzer, nachdem er sie erkannt hatte, ab­gewiesen. Frau Steinheil beabsichtigt, London wieder zu verlassen, um sich nach Liverpool zu be­geben. Vor ihrer Abreise aus Paris hat sie einem Journalisten ihre Erlebnisse diktiert und hiefür 15000 Frank erhalten. AuchDaily Mail" hat für ihre Memoiren ihr die Summe von 25 000 Frank bezahlt.

Württemberg«

Stuttgart, 29. Nov. Im Hinblick auf die in Aussicht gestellte Neuregelung der Ob er amts­arztfrage will die württ. Regierung in der nächsten Zeit Versuche darüber anstellen, ob nicht 2 kleinere Oberamtsphysikate vereinigt werden könnten, die einen Oberamtsarzt im Hauptamt genügend be­schäftigen würden. Es würden hierdurch Ersparnisse erzielt, durch welche die in Aussicht genommene Er­höhung der Gehälter der Oberamtsärzle zum Teil gedeckt werden könnte.

Stuttgart, 27. Nov. Die heute abgehaltene Vertreter-Versammlung der Nationalliberalen (Deutschen) Partei Württembergs ergab in allen wesentlichen Punkten eine völlige Uebereinstimmung. Nach den Berichten aus den Wahlkreisen verspricht die politische Arbeit auch in den vom Bund der Landwirte beherrschten Gemeinden nach den Erfahr­ungen beim Herrenberger Wahlkampf Erfolg. Die Annäherung der liberalen Parteien wird allgemein begrüßt, der Gedanke eines Zusammengehens mit der Sozialdemokratie jedoch abgelehnt. Die Ver­sammlung stellte sich freundlich zum Hansabund und zum Neuen deutschen Bauernbund. Die Haltung der Fraktion zur Reichsfinanzreform wurde ein­stimmig gebilligt. Die Deutsche Partei und die Volkspartei von Groß-Stuttgart sind überein­gekommen, die Listen für die bevorstehende Ge­meinderatswahl zu verbinden.

Ulm, 30. Nov. Am Sonntag fand hier eine Versammlung von Eisenbahnunterbeamten statt, die unter dem ZeichenLos von Roth" stand. Ge­werkschaftssekretär Krug von Stuttgart wies nach, daß der neue Eisenbahnerverband keine Zentrums­gründung darstelle. Er behandelte die Veranlassung, die zur Neugründung geführt habe und betonte, daß der neue Verband vom alten finanziell völlig unab­hängig sei. Landtagsabg. Andre gab eine Reihe von Fällen bekannt, die zur Beleuchtung der ganzen Sachlage beitragen und machte für die Mißstände im alten Verband nicht allein Roth, sondern auch die Vorstandschaft verantwortlich. Er bedauerte, daß der alte Verband sein Verhältnis zu den christ­lichen Gewerkschaften immer mehr gelockert habe und trat energisch für die Beamtenaufbefferung ein. die besonders den Verkehrsbeamten gegenüber bei ihrem harten und gefährlichen Dienst eine unabweisbare Forderung geworden sei. Die überwiegende Mehr­zahl der Anwesenden entsprach der Aufforderung zum Beitritt in den neuen Verband.

Oberndorf, 29. Nov. Die gegenwärtig hier weilende deutsche Gewehrabnahme-Kommission sollte in den nächsten Tagen unsere Stadt verlassen, da die von ihr zu prüfende Waffenbestellung ausgeführt war. Dem Vernehmen nach ist der Waffensabrik Mauser die Lieferung von 15000 Gewehren für die deutsche Armee in Auftrag gegeben worden. Zu-