Lebungsarbeiten fast die ganze Zeit über bewohnt. Es war prächtig zu sehen, wie der Bau sich zu­sehends in schönster Ruhe höher und immer höher hob. Mittwoch mittag war das Haus 2 m 70 ow gehoben es fehlten also nur noch 30 ow. Zum letztenmale wurde ans Werk gegangen, um die Ar­beit vollenden zu können. Da begann einer der acht unterstützten Balken, die eine Verschiebung des Baues nach seitwärts verhindern sollten, langsam nachzugeben und in dem vom Negenwefter aufge­weichten Boden einzusinken. Die Hebärbeit würde eingestellt, um womöglich der seitlichen Verschiebung Einhalt zu tun. Auffallenderweise war nun gerade für diesen Fall nicht vorgesorgt, denn vorerst mußten Balken gesucht werden, die zur Nachstützung hätten verwendet werden können, das nötige Material war leider nicht zur Stelle und auch nicht in nächster Nähe aufzutreiben. Geraume Zeit verstrich und allgemein glaubte man einem schweren Unglück ent­ronnen zu sein, wußte man doch, daß sich Personen im Innern des Hauses aufhallen. Doch plötzlich, als eben das benötigte Hilfsmaterial zur Stelle war, begann das Haus neuerdings zu weichen, unauf­haltsam gings seitswärts, um dann plötzlich in einen Trümmerhaufen zusammenzufallen. Ein panischer Schrecken bemächtigte sich der Menge. Sturmglocken und Feuerhörner verkündeten das geschehene Unglück. Verhältnismäßig rasch waren die Trümmer beseitigt. Zuerst fand man den Coiffeurgehilfen Becheli aus dem Breisgau, scheinbar wenig verletzt, aber bereits tot. Neben ihm lag, stark blutend, der zehnjährige Knabe Glaser, glücklicherweise nicht gefährlich ver­letz!. Die Bauleute, die aller Gefahr trotzend, sich beständig unter dem fallenden Hause zu schaffen machten, konnten sich mit wenigen Ausnahmen retten. Ein kühner Sprung rettete noch verschiedene vor dem Tode. Bauaufseher Weißschädel von St. Gallen konnte leider nicht mehr rechtzeitig fliehen, sondern wurde unter den Trümmern begraben; mit zerschla­genem Schädel und gebrochenen Gliedern wurde er nach langem Suchen unter der Schuttmasse gefun­den. Ein anderer Arbeiter wurde in wunderbarster Weise gerettet. Als er das Haus über sich stürzen sah, warf er sich zwischen zwei D-Balken. Und in der Tat wurde ihm diese Geistesgegenwart zum Lebensretter. Er trug allerdings einige Verletzungen davon, die aber nicht lebensgefährlich sind. Die Untersuchungsbehörden haben sich bereits in ein­gehender Weise Mit dem Falle befaßt.

(Eine geheimnisvolle Uhr.) In denBasler Nachr." ist zu lesen: Im Schaufenster einer Uhrenfirma in Zürich ist eine merkwürdige Uhr als Neuheit auf dem Gebiete der schweizerischen Uhrenindustrie ausgestellt. Die Uhr hat die Form einer Kugel und bewegt sich unmerkbar langsam von selbst auf einer schiefen Ebene von etwa 30 Prozent von oben nach unten, ohne ins Rollen zu kommen. In 24 Stunden wie die Sonne vollendet die Kugel ihre Laufbahn von etwa 40 ew, um dann ihr Tagwerk wieder von vorne zu beginnen, indem

die Kugel einfach wieder auf ihren früheren Platz gestellt wird. Diese Arbeit ersetzt dos Aufziehen der Uhr, die keine Feder besitzt und sich lediglich durch die eigene Schwere bewegt. Das Interessan­teste dabei ist, daß die Zahl zwölf stets oben bleibt. Die Konstruktion ist Geheimnis,' jedenfalls aber hat man es mit einer genialen Erfindung zu tun. Die Uhr ist von tadelloser Präzision und besonders für geodätische Arbeiten sehr wertvoll.

Das Campanile in Venedig. Wie aus Rom telegraphirt wird, erklärt der Avanti, daß der Architekt Luca Beltramie, der bedeutendste Fachmann Italiens, behauptet, der Wiederaufbau des Campanile sei unmöglich. Die ersten Ver­suche hätten bereits die Unmöglichkeit bewiesen, auf dem alten morschen Unterbau den kolossalen Bau des Campanile wieder aufzurichten. Beltramie sagte, daß durch die Fundamentierung die umliegenden Gebäude der größten Gefahr ausgesetzt würden.

Der afrikanische Prinz Mpundo Akwa, der sich zumeist in Hamburg aufhielt, ist dort verhaftet worden. Die Schulden, die der junge Häuptlingssohn kontrahiert hat, betragen über 7000 und cS besteht wenig Aussicht, daß die geschädigten Geschäftsleute zu ihrem Gelde kommen. Der leichtlebigePrinz" ist wegen Zechprellerei und Vorspiegelung falscher Tatsachen in Untersuchungs­haft genommen. Vor seiner Ankunft in Hamburg hielt er sich in Kiel auf, wo er in besseren Kreisen Zutritt fand. Er konnte aber dorr nicht lange reüssieren, weil ihn einige Seeoffiziere von ihrem früheren Aufenthalt in Kamerun her kannten. Mpundo Akwa hatte dann in Schlesien mehrere Monate auf einem Gute die Landwirtschaft erlernt und kehrte vor einiger Zeit nach Hamburg zurück, um in der Hafenstadt kaufmännische Studien zu betreiben. Er spricht außer seiner Muttersprache fließend deutsch und englisch. Bei seiner Verhaftung wurden seine sämtlichen Effekten beschlagnahmt. In den Koffern fanden sich zahlreiche Briefe vor, die von seinen Angehörigen in Kamerun herrührten; sie find in der Duallasprache geschrieben und konnten daher von der Hamburger Polizei noch nicht ent­ziffert werden. Die Schriftstücke werden dem Seminar für orientalische Sprachen in Berlin zur Uebersctzung übersandt.

Eine resolute Tierschützerin. Man schreibt dem N. Tgbl. aus Paris: Unter den zahlreichen Spaziergängern, die am Mittwoch nachmittag die Champs-Elysöes entlang schleuderten, rief ein brutaler Fiakerkutscher große Entrüstung hervor, der wie wahnsinnig auf ein etwas störrisch gewordenes Pferd einhieb und auf die Rufe der Entrüstung nur mit neuen Hieben antwortete. Indes einige Personen auf die Suche nach einem Polizisten gingen, sprang eine elegant gekleidete Dame, die das empörende Schauspiel mit an­gesehen hatte, behende aus ihrem Viktoriawagen, entriß ihrem Kutscher die Peitsche und versetzte

mit dieser dem rohen Gesellen einige wohlgezielte Hiebe. Dieser sprang von seinem Kutschbock und wollte sich auf die Dame stürzen, als eine große Anzahl von Zuschauern sich ihm entgegenstellte und den Tobsüchtigen festhielt, bis die herbeigeholten Polizisten eintrafen. Die Dame überreichte den letzteren ihre Karte und wollte sich zurückziehen, allein die Polizisten, die sich inmitten der allgemeinen Aufregung nicht zurechtfanden, wollten die Dame und den Kutscher nach dem Polizeibureau bringen. Dagegen verwahrte sich aber die Menge in so energischer Weise, daß die Polizisten die Dame von dannen ziehen ließen, die, höchst verwirrt über die ihr dargebrachte Ovation, sich in das nahe Theater der Folies-Marigny flüchtete, an dessen Schwelle die Enthusiasten in ihr die berühmte Tänzerin Saharet erkannten. Falls sie wegen ihres resoluten Einschreitens zur Verantwortung gezogen werden sollte, müßte der Tierschutzverein sie dafür durch eine seiner Medaillen entschädigen.

Ein Riesenwalfisch, allerdings nur aus Pappmache, wird ein interessantes Ausstellungs­objekt auf der Weltausstellung in St. Luis 1904 sein. ES handelt sich um ein sehr wertvolles Modell, das von der Direktion des Nationalmuseums in Washington zur Ausstellung gebracht wird. Die Walfischfängereien an der St. Johnsküste haben dem Museum vor einiger Zeit den größten Walfisch, der jemals gefangen wurde und der 92 Fuß lang ist und 200 000 Pfund wog, zur Verfügung ge­stellt. Von diesem Walfisch ist in Stücken ein vollkommener Gipsabguß genommen worden, ebenso ist dann das Skelett präpariert und dem National­museum zur Verfügung gestellt worden. Nach diesem Gipsabguß wird nun die Pappmache der Walfisch in natürlicher Größe nachgeahmt. Das Walfisch­modell ist natürlich hohl und hat ein Rahmenwerk im Innern als Stützpunkte. Neben dem Riesenwal­fisch aus Pappmache wird sein natürliches Skelett zum Vergleich ausgestellt werden.

Nach einer aus Newyork eingetroffenen Mitteilung verfahren Castro's Beamte in dem kürzlich von den Regierungstruppen eingenommenen Ciudad Bolivar äußerst willkürlich. Deutsche, französische und italienische Kaufleute wurden auf- gefordet, Zahlung von angeblich geschuldeten 65 000 Dollars zu leisten, obwohl sie durch Schrift­stücke bewiesen, daß die betreffenden Beträge bereits an die Rebellenregierung gezahlt waren. Infolge der Weigerung der Kaufleute wurden sie beschimpft und mehrere davon ins Gefängnis geworfen. Das ist ja sehr nett und könnte den Mächten abermals Gelegenheit geben einzuschreiten. Dann dürfte aber der Präsident Castro nicht so glimpflich davonkommen, wie das letzte Mal.

Letzte Nachrichten.

London, 84. August. Talisdury, der vieljährige Premierminister ist gestern Adend gestorde«.

habe dir nichts vorgelogen, als ich dir sagte, daß ich dich liebe! Siehst du denn nicht, wie schwer es mir wird, dir meine wahren Gründe darzulegen! Ja, Jsa, wir müssen uns trennen, aber nicht, weil ich dich nicht mehr liebe, nein, um deines Vaters willen! Er gehört dem Zirkus Conradty als kontraktlich verpflichtetes Mitglied an, er tritt allabendlich als Kunstreiter auf, beklatscht, bejubelt von der Menge, er wird dem Zirkus auch ferner angehören; die Reise, die er antreten wird, macht er als Kunstreiter, nicht, wie ich glaubte, zu seinem Vergnügen. Unter solchen Umständen ist eine Ver­bindung zwischen uns zur Unmöglichkeit geworden, meine adelsstolzen Eltern und Verwandten würden sich mit Entsetzen von mir wenden, wenn ich ihnen die Tochter eines solchen Mannes als Mitglied unserer Familie zuführen wollte! Verzeih, wenn ich dir wehe tat, aber ich konnte nicht anders!"

Er streckte jetzt ihr die Hand hin. Jsa schien es nicht zu bemerken. Sie stand eine Weile wie vernichtet; Zorn, Haß und Abscheu kämpften in ihrem Innern. Es war alles so jäh über sie hereingebrochen, daß sie nicht im Stande war die ganze Tragweite ihres Unglücks zu erfassen. Sie haßte Len Mann, der ihr so schonungslos die vernichtende Wahrheit geoffenbart hatte.

Uttrecht wartete anscheinend auf ein Wort von ihr. Doch da sie stumm blieb, fuhr er eindringlich fort:Du begreifst doch, daß wir uns trennen müssen, nicht wahr? Wir sind beide ein Opfer der Verhältnisse geworden, und jedes muß sehen, wie es sich mit dem Schicksal abfindet. Ich kann leider nichts anders handeln. Aber" unterbrach er sich wiederum, als er den zornigen Ausdruck auf Jsas Gesicht gewahrte,sprich doch ein Wort und sieh mich nicht so grimmig an. Ich wäre dir wahrhaftig treu geblieben kann ich denn dafür, daß alles so gekommen ist?"

Die junge Dame sagte noch immer nichts. Ihre Gedanken flogen

zurück. Sie sah sich wieder im Zirkus sitzen, sah ihren Vater in die Manege reiten, fühlte noch einmal den Schreck, der sie damals plötzlich durchzuckt hatte. Aber wie anders, wie ganz anders hatte Kurt, der treue Freund, sich damals benommen! Wie war er bemüht gewesen, sie zu beruhigen, zu besänftigen, zu trösten. Nur an sie hatte er gedacht, nicht an sich selbst. Und dieser hier? Wie klein, wie klein, wie erbärmlich kam er ihr vor gegenüber dem selbstlosen, herrlichen Mann, der sich nicht das Geringste darum bekümmert hatte, was etwa die Welt zum Treiben ihres Vaters sagen würde. Eine heiße, un- bezwingliche Sehnsucht nach dem fernen Freunde erfaßte plötzlich ihr Herz. Ach wenn sie jetzt zu ihm flüchten könnte, um an seiner treuen Brust sich aus­zuweinen! Welche Wohltat müßte das für sie sein! Wenn sie ihm sagen könnte: Laß mich hier bei dir, du allein bist echt und treu und wahr, die anderen sind alle falsch und schlecht, hinterlistig und eigennützig, wissen nichts von echter rechter Liebe! Ein Windstoß, eine kleine Widerwärtigkeit bläst alle Liebe und Treue über den Haufen, wie ein Kartenhaus. Auf dich nur kann man bauen in allen Fällen!"

Aber der Freund war fern, und um sie her wogte der Herbstnebel in phantastischen Gebilden. Ein feiner Regen sprühte hernieder, die ganze Um­gebung schien in einen weißlichen Schleier gehüllt. Ein namenloses Weh schnürte Jsa das Herz zusammen, die Tränen wollten sich ihr in die Augen

drängen doch gewaltsam suchte sie sich zu beherrschen. Der Mann da vor ihr

durfte sie nicht weinen sehen, um keinen Preis! Er könnte denken, sie

weine um ihn, und er schien ihr doch keiner Träne wert. Ihre ganze Ver­

achtung sollte er fühlen, sie raffte all ihren Stolz zusammen, um ihm zu zeigen, daß sie sich nichts, rein gar nichts aus ihm machte.

(Fortsetzung folgt.)