Zweites
Blatt.
täler.
Zweites
Blatt.
184.
Reuen bürg, Freitag den 19. November 1909.
67. Jahrgang.
Der Erfinder.
Von Walter Schwaebsch, Stuttgart.
Stuttgart, 12. November 1909.
Die Psyche des Erfinders zu studieren, ist insofern besonders interessant und lehrreich, als der Erfinder täglich in anderen Erscheinungsformen auftritt und seine Behandlung mit der größten Aufmerksamkeit und Liebe erfolgen muß, wenn man ihn nicht endgültig in das sogenannte Erfinderelend" hinabstoßen will, welches schon vielen Schriftstellern Stoff zu interessanten Arbeiten geliefert hat.
Erfinderelend findet sich allerorten vor und hat seine Ursache darin, daß Leute mit offenbar ungenügenden Kenntnissen oder Mitteln sich an Ideen festklammern, die für sie vorerst ganz unausführbar sind, um diesen zu Liebe ihre Seelenruhe, oft auch ihr ganzes Vermögen und das Wohl ihrer Familie opfern.
Aber auch diejenigen Erfinder, die eine Erfindung wirklich zu einem ersten Erfolg, d. h. zu einem guten Schutztitel durchgeführt haben, fallen noch oft in die Hände skruppelloser Ausbeuter und wenden, von diesen verleitet, für ihre Erfindungen Beträge auf, die nicht im entferntesten an das heranreicher,, was sie mit denselben ernten können. Derartige Ausbeuter pflegen die unerfahrenen Erfinder zu nutzlosem Schaffen und namentlich zu wertlosen Patentanmeldungen zu veranlassen. In neuester Zeit bedienen sich dabei einzelne einer eigenartigen Schleppereinrichtung. Dieselbe besteht darin, daß sie unter besonderer Firma (meist Gesellschaft) als Kapitalisten auftreten, welche angeblich Verbindungen mit Erfindern zur Verwertung ihrer Erfindungen suchen, in Wirklichkeit aber den Erfinder ihrem Hintermann, einem Patentbureau, in die Arme jagen, wo er dann häufig zum nutzlosen Verausgaben von Tausenden von Mark für Patent- re. Anmeldungen veranlaßt wird, weil er nicht erkannt hat, daß das Patentbureau mit der angeblichen Kapitalistengesellschaft unter einer Decke steckt.
Bekanntlich wird zu Anfang des Jahres 1910 eine staatliche Erfindungs-Ausstellung in Stuttgart stattfinden, mit dem Zweck, denjenigen Erfindern, welche nicht die Mittel und nicht die Beziehungen haben, schon erlangte Schutztitel angemessen zu verwerten, an die Hand zu gehen. Wir nehmen aber begründeten Anlaß, hierbei davor zu warnen, sich durch die Ausstellung zur Erwerbung nutzloser Schutzrechte anregen, und ganz besonders davor, sich durch die Ausstellung zur Entnahme von Auslandspatenten verleiten zu lassen. Denn die Erfindungs-
Der Kröe von Aiedheim.
Roman nach einer Idee von K. Felden von Irene v. Hellmuth.
18) - (Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
Der Alte befand sich in einer unbeschreiblichen Stimmung, sein ganzer Körper bebte, während Saldern mit haßfunkelnden Augen auf die Frau starrte, als wäre er jeden Augenblick bereit, sich auf sie zu stürzen.
Die Frau aber fuhr unbeirrt fort: „Sie wissen doch, daß damals außer dem kleinen Baron sich auch mein eigenes, ebenso altes Kind in meiner Pflege befand. Ich war in jener traurigen Zeit, als Unglück auf Unglück folgte, den ganzen Tag allein mit den Kindern, nur auf mich angewiesen, niemand kümmerte sich um mich. Den Kleinen wollte keines sehen.
Der Baron stöhnte wild auf.
„Weib — darf ich dir das glauben? Schwöre mir, daß du die Wahrheit sprichst I"
„Ich schwöre, Herr Baron! Gott ist mein Zeuge, daß alles sich so verhält, wie ich sagte. Meine Tat hatte keinen Zeugen."
Sie hob die Hand wie zum Schwure empor.
Saldern lachte laut auf. Es war ein hartes, furchtbares Lachen, das den Zuhörern durch Mark und Bein ging, aber die beiden waren zu erregt, um weiter auf ihn zu achten. Baron Egon von Riedheim war in seinen Sessel zurückgesunken.
Ausstellung hat in erster Linie den Zweck, den Erfindern bei der Verwertung inländischer Schutzrechte behilflich zu sein und auch bei diesen kann die Ausstellung nur für wirklich brauchbare Erfindungen zu einem Erfolg führen.
Es werden jährlich unendlich viele wertlose Erfindungen beim Kaiserlichen Patentamt eingereicht. Jeder Erfinder sollte dies beherzigen und sich nur auf dem Gebiete betätigen, auf welchem er durch seine Vorkenntnisse und durch seine Mittel befähigt ist, etwas Hervorragendes zu leisten.
Die Verwertung von ausländischen Schutzrechten aber ist eine kaufmännische Tätigkeit, welche so viele Mittel und Zeit erfordert, daß sie durch eine Ausstellung schwerlich ersetzt werden kann. Es ist wohl nicht ausgeschlossen, daß im einen oder anderen Falle Interessenten sich auch für die Ausnützung einer Erfindung im Großen und außerhalb des deutschen Reiches finden werden; die allgemeine Regel wird aber die sein, daß zuerst Verwertungsversuche mit den inländischen Schutzrechten gemacht werden.
Waldsee, 13. Novbr. Eine Wette, die einer fröhlichen Wirtshausstimmung ihre Entstehung verdankt, kam gestern früh zum Austrag. Einer der beteiligten Herren hatte sich verpflichtet, auf der Strecke Waldsee-Ravensburg den Kilometer in durchschnittlich 8 Minuten zurückzulegen. Der Einsatz galt 50 die in jedem Falle der Liederkranzkasse zufallen sollten. Gestern morgen punkt 4 Uhr begann der Wanderer, kontrolliert von zwei Radfahrern, von Kilometer 0 beim Ravensburger Tor aus die Reise. Bereits um 6.20 Uhr hatte er das Ziel, die Polizeiwache in Ravensburg, erreicht, ohne eine Spur von Erschöpfung zu zeigen. Das macht bei der 20,2 Kilometer betragenden Strecke eine Durch- schnittsgeschwindigkeit von 7 Minuten pro Kilometer. Die Wette war also glänzend gewonnen. Diese Leistung bei einem dazu noch sehr ungünstigen Wetter wird dem Herrn von Siebenmeilenstiefel, der allerdings bei der Austeilung der Füße nicht den Bescheidenen gespielt hat und sein redlich Teil abbekam, so leicht keiner nachmachen.
Neuen st adt, 15. Nov. Wenig Glück hatten die Pächter des Pfarrwaldes von Kochertürn auf ihrer Treibjagd. Zugegen waren 12 Treiber und 7 Schützen. Gesehen wurde 1 Hase, und dem gelang es, trotzdem die besten Schützen der Umgegend aufgeboten waren und Schnellfeuer auf ihn abgaben, mit heiler Haut davonzukommen.
Hayingen i. Lothr., 15. Nov. Nicht weniger als 500 Kaninchen wurden erlegt bei einer Jagd, vor acht Tagen waren es 900 Stück. Man hat beschlossen, dieser Landplage mit Wieseln ein Ende zu setzen.
Altenstadt (bei Weißenburg), 15. Nov. Eine Hochzeit, bei der der Magen jedenfalls nicht zu kurz kam, wurde auf dem Geitershof abgehalten. 160 Personen waren dazu erschienen und für den ersten Tag hatten ein Ochse, zwei Kälber und drei Schweine das Leben lassen müssen, um die Gesellschaft zu sättigen. Für den zweiten Tag waren neue Schlachtungen nötig.
Lembach (Kanton Weißenburg), 15. Nov. In der Wirtschaft Mischler fand ein Dackel unter dem Tische zwei zusammengerollte Hundertmarkscheine, die er von Tisch zu Tisch trug, ohne daß sein Fund bemerkt wurde. Schließlich wurde die Wirtin aufmerksam, nahm dem Tiere das Päckchen weg und entdeckte zu ihrer Ueberraschung den Wert. Am andern Morgen kam auch schon der Verlierer in der Person eines Metzgers in die Wirtschaft, der schon sehr niedergeschlagen die Landstraße abgesucht hatte und nun hocherfreut einige Schoppen zum Besten gab.
Der IV. Zeppelin-Ballon in der Reihe der bestehenden Fahrzeuge wird von der Zeppelin- Lustschiffahrt-Baugesellschaft für die in Bildung begriffene Deutsche Luftschiffahrt-Aklien-Gesellschaft mit dem Sitz in Frankfurt a. M. erbaut werden. Der Zeppelin IV ist im wesentlichen für Passagierfahrten, welche die neue Gesellschaft in den verschiedensten Gegenden Deutschlands zu veranstalten gedenkt, bestimmt. Der Ballon wird mit drei Gondeln ausgestattet werden und so in der Lage sein, eine größere Anzahl von Passagieren mitzunehmen. Er wird seine Vorgänger mit einem Fassungsvermögen von ca. 20000 Kubikmeter nicht unerheblich an Größe übertreffen und auch sonst einige wesentliche Aenderungen aufweisen. Vor allem wird das Ballongerippe nicht mehr aus Aluminium hergestellt sein, sondern aus einer neuen Metallegierung, dem sogenannten Elektrometall, das bei einem sehr günstigen spezifischen Gewicht eine große Stabilität besitzen soll. Es steht noch offen, ob der neue Luftkreuzer mit zwei oder drei Motoren ausgestattet werden wird. Jedenfalls ist die Stärke der Motoren so eingerichtet, daß die Arbeit zweier Motors vollständig genügt, um dem Ballon die nötige Geschwindigkeit zu geben. Falls die dritte Gondel lediglich für Passagiere frei bleibt, könnten bis zu 40 Personen gleichzeitig befördert werden.
Marie Burghardt nickte dem Aufgeregten beruhigend zu: „Seien Sie ganz unbesorgt, Herr Baron, Gott sei Dank, ist Ihr Enkel ein Mann geworden, auf den Sie stolz sein können. Das edle Blut, das in seinen Adern rollt, hat sich nicht verleugnet — er macht Ihnen Ehre! Als es mir so schlecht ging und ich meine Tat bereute, als mein Haß und meine Rachsucht sich einigermaßen gelegt, da wollte ich das Kind zurückbringen.
Den Greis befiehl ein heftiges Zittern, er klammerte sich an die Lehne seines Sessels.
„Ich denke. Sie kennen ihn bereits, Herr Baron. Der Zufall wollte es, daß er sich hierher versetzen ließ. Er heißt Klaus Hellborn und ist königlicher Oberförster. Er lebt ganz in Ihrer Nähe."
„Ja, ja — er ist es," nickte er, „jetzt weiß ich, daß du die Wahrheit sprichst. Ich sah ihn einmal — und da — wurde etwas in mir lebendig, das ich damals freilich nicht begriff. Aber heute verstehe ich es. Er sieht ja meinem verstorbenen Sohne, seinem Vater ganz ähnlich. Mir fiel es auf, ich dachte lange darüber nach, aber wie konnte ich einen solchen Zusammenhang ahnen! Wer konnte denken, daß ich in ihm meinen Enkel wiederfinden würde!"
Baron Egon streckte der ehemaligen Amme die Hand entgegen: „Ich gebe dir mein Wort, daß ich für dich sorgen werde. Es soll dir an nichts mangeln, so lange du lebst! Deine Nachricht hat mich unaussprechlich glücklich gemacht. Seit dreißig Jahren der erste Freudentag, den soll man im Schlosse feiern! — Und Marianne — was wird
nur Marianne dazu sagen? Die wird Augen machen! Nun werde ich auch noch ein wirkliches Glück schauen dürfen, nun wird es hell werden um mich und das tut not nach all den langen Jahren des Kummers."
In seinen Augen schimmerte es feucht. Er fühlte sich so wohl wie feit langer Zeit nicht.
Der Alte war wie umgewechselt. In fieberhafter Spannung saß er da und wartete.
Als Marianne nach Hause kam,' wurde sie sofort zu dem Baron beschicken. Ihr Herz klopfte unruhig, denn sie wußte, daß nun ein Sturm losbrechen würde, weil sie dem ausdrücklichen Befehl getrotzt und zu dem Geliebten geeilt war.
Ihr Erstaunen war daher sehr groß, als sie zwar mit hocherhobenem Haupt aber in kaum zu unterdrückender Erregung bei dem Baron eintrat und dieser sie mit glücklichem Lächeln empfing.
„Na," begann er in neckendem Ton, „schon wieder bei dem Liebsten gewesen? — Was? Schickt sich denn das für eine feine Dame, daß sie heimliche Zusammenkünfte im Walde hat? Hast du ihn denn gar so lieb, deinen stattlichen Schatz, daß du alles andere vergißt?"
Marianne war sehr rot geworden. Sie wußte nicht, was sie sagen sollte. Beinahe scheu blickte sie den Alten an, als fürchte sie seinen Verstand.
„Großpapa," begann sie schüchtern, „was ist denn geschehen? Du bist so anders?"
„Beantworte mir erst einmal meine Frage, du Schelmin. Warst du bei dem Oberförster Hellborn?"
„Ja, Großpapa!"