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Königs stehende 4. Wander-Sportsfest der vereinigten Gaue 5, 6, 7 und 8 des deutschen Radfahrerbundes am Sonntag den 27. September abgehalten wird. Die Anmeldungen auswärtiger Vereine, darunter aus Straßburg, Mannheim sind schon erfolgt. Den Hauptanziehungspunkt wird der Preisblumenkorso am Sonntag vormittag bilden, zu welchem der König sein Erscheinen zugesagt hat. Nachmittags folgen Reigenfahren, Blumenreigen, Kunstfahren und das hier noch nie aufgeführte Radballspiel. Ein Festbankett mit lebenden Bildern im Kursaal beschließt das Fest.
Tettnang, 21. Aug. Die Hopfenernte verzögert sich infolge der naßkalten Witterung. Die Preise der Frühhopfen steigen. Der Durchschnittspreis beträgt 185 Die Produzenten halten mit dem Verkauf sehr zurück. Man erwartet noch höhere Preise.
Berlin, 21. August. Auf der Berliner Untergrundbahn kam es gestern Nachmittag in dem von Treptow nach Stralau-Rummelsburg führenden Tunnel zu einer Betriebsstörung. Während der Fahrt erlosch plötzlich das elektrische Licht im Wagen und dieser selbst blieb stehen. Die Leitungsstange des Wagens war aus noch nicht aufgeklärter Ursache gebrochen. Zwei der Beamten eilten zu Fuß durch den Tunnel nach Stralau-Rummelsburg, wo sie einen Wagen reklamierten, der den im Tunnel steckenden Wagen samt Passagieren nach Stralau brachte. Dank der Besonnenheit sowohl der Passagiere als des Betriebs-Personals verlief die Betriebsstörung in aller Ruhe.
Berlin, 21. August. Der Großherzog von Mecklenburg g-Schwerin begiebt sich heute Abend nach Kopenhagen. Hierdurch nehmen, wie aus Schwerin telegraphirt wird, die Gerüchte von einer bevorstehenden Verlobung mit der Prinzessin Thyra von Dänemark feste Gewalt an.
Berlin, 21. August. Der „Lokalanzeiger" veröffentlicht eine Unterredung mit dem auf der Durchreffe in Berlin sich aufhaltenden amerikanischen Gesandten in Carracas, Bowen. Derselbe erklärte, daß er vor dem internationalen Schiedsgerichtshof in der Streitfrage zwischen Venezuela und den Mächten sowohl Venezuela als auch die Vereinigten Staaten vertrete. Zu der Nachricht von der Verhaftung deutscher und anderer ausländischer Kaufleute in Venezuela äußerte sich Bowen dahin, daß derselben, falls sie den Tatsachen entspräche, keine große Bedeutung beizulegen sei. Ueber den Kaiser und dessen unermüdliche Tätigkeit, um Deutschland groß zu machen, sprach sich der Gesandte mit Worten der größten Bewunderung aus. Von der Abneigung, die wie amerikanische Zeitungen zu berichten wissen, in Deutschland gegen die Vereinigten Staaten verbreitet sein soll, habe er bisher nichts wahrgenommen. — Bowen wird noch einige
Tage in Berlin verweilen und sich am 27. ds. auf seinen Posten im Haag begeben.
Berlin, 21. August. Wie aus Sofia gemeldet wird, hat Fürst Ferdinand von Bulgarien seine Ankunft für nächste Woche angesagt. — Die Aufstandbewegung von Macedonien nimmt immer größeren Umfang an. In den verschiedenen Bezirken wurden 22 Ortschaften zerstört und die Bevölkerung niedergemacht. Mehrere andere Dörfer stehen in Flammen. Zwischen türkischen Truppen und macedonischen Banden finden täglich Gefechte statt. Seitens der Aufständischen wurde nach einer Constantinopeler Depesche des „Berliner Tageblattes" ein Detachement türkischer Truppen in Stärke von 2 Offizieren und 60 Mann gefangen genommen. DaS große Dorf Florina wurde von den Aufständischen nach heftigem Widerstande der türkischen Truppen im Sturm genommen.
Swinemünde, 21. Aug. Zwischen Ahl- beck und Heringsdorf kenterte heute vormittag ein Segelboot. Ahlbecker Fischern gelang es, die Insassen, 4 Kurgäste, aus großer Lebensgefahr zu retten.
Paris, 21. August. Petit Parisien meldet aus Toulon: ein Taucherbvot des Hafens, in welchem sich 13 Personen befanden, kippte infolge eines Windstoßes um. Von den Insassen konnten sich nur 7 durch Schwimmen retten während die übrigen ertranken.
Belgrad, 21. Aug. Für den 29. August wird der Ausbruch des allgemeinen Aufstandes in allen Wilajets Mazedoniens angekündigt.
Vermischtes.
— Durch den in voriger Woche zu Tübingen an einem Herzschlag erfolgten Tod des Geh. Kommerzienrats Max von Duttenhofer aus Rottweil hat unser Heimatland seinen bedeutendsten Großindustriellen verloren, der von sich sagen konnte, daß er allein durch Intelligenz und Arbeit, nicht aber durch Spekulationen sein kolossales Vermögen erworben hat. Aus dem von seinem Vater und Schwiegervater (beide waren Apotheker in Rottweil) übernommenen, damals recht unbedeutenden Pulverfabrik in Rottweil hat der Verstorbene, namentlich auch durch die Errichtung einer riesigen Filiale in Düneberg bei Hamburg und durch die Hereinziehung der Pulverwerke der vormaligen Pulverfabrik Köln- Hamm a. d. Sieg, ein Weltinstitut der Pulverbranche geschaffen, dem kein anderer Staat etwas Aehnliches an die Seite stellen kann. Das langsam verbrennende, braune, prismatische Pulver, das die riesigen Festungs- und Schiffsgeschütze nur wenig angreift, und die gewaltigen Projektile auf vorher ungeahnte Entfernungen hinausschleudert, ist seine Erfindung. Als das rauchschwache Pulver erfunden wurde, verstand er es, die richtigen Leute zu finden, welche dieses Pulver und zwar in besserer Qualität nacherfanden. So stand er immer an der Spitze
des Fortschritts in der Pulverfabrikation. Ein Mann der humansten Gesinnungen förderte er sehr nachhaltig die Kleingewerbetreibenden seiner Vaterstadt, aber auch die Landwirte der Bezirks Rottwell und Umgebung; allgemeine Wohltätigkeit gegenüber Hilfsbedürftigen aller Art und ohne Unterschied übte er in geradezu fürstlicher Weise, weshalb sein früher Hingang in weiter Umgebung schmerzlich empfunden wird.
Schiller in Berlin. Professor Erich Schmidt veröffentlicht über die Anwesenheit Schillers in Berlin eine kleine Studie in dem Berliner Kalender für 1904, den der Verein für die Geschichte Berlins unter Leitung von Prof. Voß soeben herausgiebt. Am 1. Mai 1804 kam Friedrich Schiller mit seiner Gattin und seinen beiden Knaben von Leipzig her über Potsdam nach Berlin und dehnte diesen seinen ersten und auch letzten Aufenthalt in der preußischen Hauptstadt bis zum 17. Mai aus. Dem Dichter wurde von allen Seiten ein begeisterter Empfang zu teil. Das königliche Schauspielhaus, das damals der Aufführung des Wilhelm Tell entgegensah, brachte in dieser kurzen Spanne Zeit drei Stücke Schillers: Die Braut von Messina, die Jungfrau von Orleans und Wallensteins Tod. Jffland bewirtete das Paar in seinem Landhause am Tiergarten. Die Singakademie wurde schon Zelters wegen nicht versäumt. Auch den Gelehrtenkreisen Berlins trat Schiller nahe. Professor Erich Schmidt weist darauf hin, daß nach der Stille Weimars den Dichter der regere Strom des Lebens in Berlin wohltuend berührte, ohne daß er wie Goethe vor großstädtischer Unruhe und Berlins verwegenem Menschenschlag eine Scheue empfand. Der große Idealist war ein ungemein wsltkluger und sicherer Mann, auch bei Hofe. Am 5. Mai erschien er zum Mahl beim Prinzen Louis Ferdinand, und am 13. empfing ihn die Königin Luise . . . Als Schiller am letzten Tage der Gast des Kabinettsrats Beyme war, wurde der Plan einer Uebersiedlung nach Berlin besprochen und ein hoher Gehalt vereinbart. Schiller wäre dann Mitglied der Akademie der Wissenschaften geworden und hätte sein Verhältnis zum Schauspielhaus noch fester gestaltet. Diese Zukunftsaussichten nahm Schiller nach Weimar mit, zur schweren Sorge von Lotte, die sich in Berlin gar nicht wohl gefühlt hatte. Wir wissen über das weitere nur: der Herzog gab eine für Weimar ganz erkleckliche Zulage, und Schiller, der die Vorteile des bisherigen Lebens vollauf würdigte, trug sich dann mit dem Gedanken, nur einige Monate des Jahres in Berlin als freier Mann für einen Ehrensold zuzubringen. Leider machte der frühe Tod des Dichters allen diesen Plänen ein Ende. Schon am 5. Mai 1805 schloß er für immer die Augen. — Zuletzt erwähnt Erich Schmidt noch eine Episode vom Aufenthalt in Berlin: Nach der Feier im Schauspielhause sandten die kleinen Prinzen ihre goldenen Gedenkmünzen an Schillers Söhne, mit denen sie vor einem Jahr gespielt hatten. Wir erinnern uns, daß Schiller in Berlin sagte: Falls Johannes Müller (der schweizerische Historiker) nicht käme, würde er selbst, und zwar ohne Trockenheit wie ohne Romantik, dem Kronprinzen für das Studium der Geschichte dienen können. . .
Sin Gang durch die liiinstausftellimg in Lalw.
Von P. Weizsäcker.
(Schluß.)
Weitaus überwiegend sind das Porträt und die Landschaft in den verschiedensten Herstellungsarten vertreten. Unter den Porträts begegnen wir einer großen Anzahl älterer Calwer, die der älteren Generation z. t. noch von Angesicht, der jüngeren jedenfalls noch dem Namen nach bekannt sind. Da sehen wir z. B. den Begründer der Firma Ehr. Ludw. Wagner, den alten Gastwirt Thudium mit Frau, den Werkmeister Werner mit Frau, alle vier mit Lebenswahrheit gemalt von Pilgram um 1850; besonders die alte Frau Thudium ist ein Meisterstück, das bei jeder Betrachtung aufs neue fesselt. Ferner den alten Hirschwirt Schnauffer mit Frau, den Kaufmann Louis Dreiß mit Frau, den alten RößleSwirt Schnauffer, ein sehr gutes Bild, das von Stirnbrand sein könnte. Von diesem hat nämlich die Ausstellung ein 1837, also ungefähr gleichzeitig mit jenem und in derselben Art gemaltes Bild des Fabrikanten Friedrich Schauder. Auch das Porträt von dessen Frau Marie, geb. Zahn, 1837 von Universitätsmaler Dörr in Tübingen gemalt, kann sich daneben wohl sehen lassen. Dagegen muß das Bild des AdlerwirtS Din gl er, gemalt von Häuffer in Karlsruhe 1881, trotz der Feinheit der Ausführung, in Hinsicht der Auffassung und Charakteristik als wenig gelungen bezeichnet werden: wer den Charakterkopf mit der Löwenmähne, der auf äußere Eleganz nichts hielt, noch kannte, wird ihn in dieser geleckten Erscheinung kaum wieder erkennen.
Auch manche Nichtcalwer, deren Bilder durch die Uebersiedlung ihrer Nachkommen nach Calw hierher gekommen sind, finden wir in unserer Ausstellung vertreten, so die Urgroßeltern des Hrn. Rechtsanwalt Finck, die Großeltern der Frau Emil Dreiß Witwe, Kaufmann Kierecker von Freudenstadt und Frau, ersterer erwähnenswert als Mitglied des die neue Verfassung beratenden ersten neuwürttembergischen Landtags von 1815, ferner eine Kindergruppe aus der Schmidlin'schen Familie, sehr gelungene Copie nach dem Original von Heisch, und insbesondere die beiden vorzüglichen Porträts des Staatsministers v. Knapp und seiner Gemahlin, beide von Frl. v. Martens. Diese vor
treffliche Künstlerin ist hier mehrfach durch gute Bilder vertreten: an die erwähnten reihen sich noch drei weitere von ihr an, eine Copie der Beotrice Cenci von Guido Remi, ein lesendes Mädchen und ein äußerst anmutiges lebensvolles Porträt einer früheren Dienerin ihres Hauses. Unter die vorzüglichsten Bildnisse gehört jedenfalls, trotz seiner Kleinheit, das des Vaters des Hrn. Fabrikanten Baumann sen. von der berühmten Porträtmalerin Elisabeth Modell. Als das Bild einer hervorragenden Frauenschönheit erwähnen wir noch, wenn auch Farbengebung und Behandlung unserem Geschmack nicht mehr Zusagen wollen, das Jugendbildnis der Frau Emil Georgii, von unbekanntem Maler. Es ist nicht unsere Absicht und würde auch zuweit führen, alle Porträts aufzuzählen, aber als eine Calwer Merkwürdigkeit früherer Jahrzehnte durfte doch der bekannte Improvisator „der blinde Fritz" in unserer Sammlung nicht fehlen, und sein Bild verfehlt auch nicht, die Aufmerksamkeit aller Besucher auf sich zu ziehen. Als eine fremde Erscheinung mutet in dieser Umgebung, obwohl gleichfalls eine gute Schwäbin, die Frau von La Roche, geb. von Gutermann (1731—1807) an, gemalt 1762 von Langenbeck. Sie war einst eine gefeierte Schriftstellerin, die in naher Beziehung zu unfern Dichtergrößen Wieland, Göthe und Schiller stand, und das Bild hat um so höheren Wert, als sonst nur Bilder aus vorgerückteren Jahren von ihr existieren.
Als ein schönes Zeugnis des Kunstsinns unserer Einwohnerschaft führen wir auch an. daß wir in der Ausstellung verschiedenen guten Bildern moderner Italiener, Köpfen und Landschaften, in Oel und Aquarell begegnen, die ohne Zweifel von ihren Besitzern auf ihren Fahrten nach Italien erworben sind. Auf das Gebiet der Landschaft leiten unS verschiedene Jagd- und Tierstücke hinüber, unter denen ein prächtiger Hirsch und ein balzender Auerhahn, letzterer von Hrn. Kameralverwalter Schmidt in Altensteig, besondere Hervorhebung verdienen.
Und nun zur Landschaft, diesem Lieblingskinde der modernen Kunst. Hier tummelt sich unter Meistern eine Schar von Dilettanten, nirgends aber ist auch die Grenzlinie zwischen beiden schwerer zu ziehen; denn auch die Dilettanten haben z. T. recht schätzenswerte Bilder geliefert. Hier zeigen sich aber auch am meisten die Fortschritte, die die neuere Kunst in Wiedergabe der Natur gemacht hat. Verschiedene Werke älterer Künstler, die zu ihrer Zeit als Meister gegolten haben, vermögen uns heutzutage nicht mehr zu fesseln, oder gar zu begeistern, so die zwei großen italienischen Landschaften von Harper 1790 und das große