Zweites

Zweites

Blatt.

Der Lnztälsr.

Blatt.

^ 144.

Neuenbürg, Mittwoch den 8, September 19V9

67. Jahrgang.

Württemberg.

Stuttgart, 7. Septbr. Mittwoch vormittag 9 Uhr wird Graf Zeppelin das Ulanenregiment König Karl Nr. 19 a In suita dessen er gestellt worden ist, auf dem Felde zwischen Schmieden und Fellbach besichtigten. Das Regimentskommando hat sich bereit erklärt, für Krieger- und Militürvereine einen besonderen Platz zu reservieren. Um 12 Uhr nimmt Graf Zeppelin mit den Offizieren des Regi­ments ein Frühstück im Gasthof zur Traube in Fell­bach ein. Darauf wird Graf Zeppelin nach Luzern und von dort nach Frankfurt a. M. reisen.

Friedrichshafen, 6. Sept. Die Luftschiff­baugesellschaft teilt mit: Gegenüber den vielfach verbreiteten Anschauungen, als ob die verschiedenen Unfälle, die dem 2 III bei der Fahrt nach Berlin zugestoßen sind, auf Motordefekte zurückzuführen seien, erklären wir auf Ersuchen der Daimler- Motorengesellschaft hiermit gerne, daß dies den Tat­sachen nicht entspricht. Mit Ausnahme des Platzens eines Zylinders, das auf einem ungewöhnlichen Zu­fall beruhte, sind in den Motoren keinerlei Defekte eingetreten. Sie haben vielmehr unausgesetzt tadel­los funktioniert.

Stuttgart, 6. Sept. Im Hofe der Glocken­gießerei von Heinrich Kurtz, Heusteigstraße ist gegen­wärtig ein großes Geläute von 4 Glocken im Gewicht von 7500 Kilogramm aufgehängt, daß für die von Prof. Theodor Fischer erbaute evangelische Garnisonkirche erbaut ist und in den nächsten Tagen je abends 5 Uhr geläutet wird. Die Glocken, welche mit den Symbolen der vier Evangelisten geziert sind, haben die Töne 0, v, L, 0. Sie sind nach einer mittelalterlichen Rippe gegossen und haben einen vollen, prächtigen Zusammenklang.

Stuttgart, 5. Sept. Ein süddeutscher Ver­band für Leichtathletik (olympische Spiele) wird sich in nächster Zeit definitiv konstituieren. Die Grundlage hierzu wurde in einer am letzten Sams­tag in Frankfurt a. M. stattgefundenen Versamm­lung gelegt, die aus Anlaß der dort ausgetragenen deutschen Meisterschaften tagte. Sämtliche bestehen­den süddeutschen Verbände Baden, Württemberg, Bayern, Frankfurt erklärten einstimmig ihre Sym­pathie zu dem zu gründenden süddeutschen Verband. Die Landesverbände sollen als Unterverbände be­stehen bleiben. Ein dahingehender Antrag des zweiten Vorsitzenden des württ. Landesverbandes für Leichtathletik fand einstimmige Annahme. Zu den weiteren Vorbereitungen wurde eine Kommission ernannt und zum provisorischen Vorsitzenden bis zur definitiven Gründung, die zweifellos erscheint, Re­dakteur Max Eck - Troll - Stuttgart gewählt. Als Vorort gilt vorläufig Stuttgart. Die Vereinigung der süddeutschen Verbände zu einem Ganzen ist im Interesse des schönen Sports nur zu begrüßen.

Ulm, 6. Septbr. Der Einladung der hiesigen Stadtverwaltung zu einem Besuch der Stadt Ulm sind 60 Reichstagsabgeordnete gefolgt. Mit dem Reichstagsdirektor Jungheim an der Spitze kamen die Abgeordneten um 10 Uhr 54 hier an und wurden vom Oberbürgermeister von Wagner und den bürgerlichen Kollegien am Bahnhof em­pfangen. Auf einer Fahrt durch die Stadt wurden dann die Hauptsehenswürdigkeiten besichtigt. Es folgte ein Münsterkonzert und ein von der Stadt gegebenes Mittagsmahl zu 110 Gedecken. Bei dem Mahle hieß Oberbürgermeister von Wagner die Gäste namens der Stadtverwaltung und der Bürger­schaft herzlich willkommen. Abg. Bassermann dankte namens der Gäste und bezeichnte den Besuch in Friedrichshafen als den Höhepunkt der schönen Fahrt durch die deutschen Lande, rühmte dann den Wohl­stand und den Kunstsinn der reichsdeutschen Stadt Ulm, sowie die für ganz Deutschland vorbildliche Boden- und Wohnungspolitik der heutigen Stadt­verwaltung und Schloß mit einem Hoch auf Stadt und Bürgerschaft. Abends reisten die Abgeordneten von hier wieder ab.

Ulm, 6. Septbr. Hier wird Stimmung dafür gemacht, daß das vom Zeppelinbund geplante Zeppelin-Museum hier seinen Platz findet und zwar in der vom Grafen auf dem Michelsberg selbst

erbauten Villa, die noch heute Villa Zeppelin heißt j und sich für diesen Zweck gut eignen würde.

Ruhestein O/A. Freudenstadt, 7. Sept. Die Zeppelinfeier ans dem Nutzestem, von Ingenieur Seyder-Straßburg angeregt und geleitet, nahm einen würdigen Verlauf. Mit einbrechender Dunkelheit zog die Festgemeinde mit Lampions und Fackeln zum neuerrichteten Zeppelinsbank auf dem Vogels­kopf, wo Hr. Seyder an die Triumphfahrten des Grafen, des Lieblings des deutschen Volkes, erinnerte und sodann die Bank dem Schutze der württem- bergischen und badischen Forstverwaltung übergab. Nun stieg man zur höchsten Höhe des Berges, wo bald ein Freudenfeuer aufloderte. Ein Festgedicht wurde vorgetragen, Deutschland, Deutschland über alles, gesungen und nach einem Hoch auf Zeppelin der Rückmarsch zum Gasthofe angetreten. Ein Kom­mers beschloß das Fest.

Göppingen, 6. Septbr. Aus einem Zweige des unheilvollen Göppinger Birnbaums, der dem Zeppelinschen Luftschiff 2 II am 31. Mai zum Ve» hängnis geworden ist, wurde dieser Tage dem Grafen Zeppelin ein eigenartiges Andenken übermittelt: eine von einem hiesigen Fabrikanten prächtig ge­schnitzte Nußknackerfigur, die dem Grafen Zeppelin nachgebildet und von einem Gedicht begleitet ist, in dem darauf angespielt wird, daß der Graf selbst manche harte Nuß geknackt hat und nun diesen Nuß­knacker als freundliche Erinnerung an den Göppinger Unfall hinnehmen möchte. Vom gleichen Birnbaum­stamm ist auch dem Oberingenieur Dürr ein Er­innerungsstück mit vier Ansichten von der Göppinger Luftschifflandung übermittelt worden. Der hierzu er­forderlich gewesene Zweig des Birnbaums ist von dem Gastwirt Holzbauer zur Post (Türkei) erworben und zur Verfügung gestellt worden.

Schorndorf, 3. Septbr. Die bürgerlichen Kollegien beschäftigten sich gestern mit der Frage der Zulassung von Mädchen zum Besuch der Realschule; Anlaß hierzu bot eine Anfrage des Rektorats der Realschule. Die Kollegien äußerten sich dahin, daß gegen die stets widerrufliche Zulass­ung von Mädchen grundsätzlich nichts einzuwenden sei. Hinsichtlich des Schulgelds wurde bestimmt, daß die Mädchen das gleiche Schulgeld wie die Knaben zu bezahlen haben. Bei der Beratung dieses Punktes kam es zu einer erregten Auseinander­setzung zwischen einem Bürgerausschußmitglied und dem Stadtvorstand, weil ersteres bezweifelte, daß die Beschlußfassung über die zur Beratung stehende Angelegenheit zur Zuständigkeit des Bürger­ausschusses gehöre. Der Stadlvorstand erwiderte darauf, daß es auf Grund der Gemeindeordnung dem Vorsitzenden zustehe, Gegenstände von all­gemeinem Interesse in Gegenwart des Bürger­ausschusses zur Beratung zu stellen, selbst wenn diese nicht zu dessen Zuständigkeit gehören. Ueber- dies sei die Festsetzung der Tagesordnung allein Sache des Vorsitzenden. Als sich daraufhin das erwähnte Bürgerausschußmitglieddiesen Ton" verbat, kam es zu einer erregten Szene, bei der mehrere Mitglieder der Kollegien das Wort ergriffen, so daß der Stadtvorstand, da er ein geordnetes Weiter­verhandeln für unmöglich hielt, zur Schließung der Sitzung schritt und den Saal verließ. Die Mehrheit der Kollegien gab sofort ihrem Unwillen über diese Störung der bis dahin friedlich ver-. laufenen Sitzung Ausdruck und beschloß, den Stadt­vorstand um die Wiederaufnahme der Beratungen zu bitten, welchem Ersuchen der Vorsitzende auch entsprach, so daß die Sitzung nach ^ständiger Unterbrechung fortgesetzt werden konnte. Das Bürgerausschußmitglied, das den Anlaß zu dieser Unterbrechung gegeben hatte, erklärte, daß es keines­wegs eine absichtliche Störung der Sitzung beab­sichtigt habe, sondern nur eine Anfrage an den Vorsitzenden richten wollte.

Bad Mergentheim, 7. Sept. Die Räumlich­keiten des Karlsbades sind nunmehr an das K. Hofmarschallamt übergegangen und werden nun für den Kaiser und seine Gäste eingerichtet. Die dazu nötigen Möbel. Teppiche, Tapeten rc. sind aus Berlin hier eingetroffen. Zwei Hofbeamte über­wachen die Einrichtung, die von Berliner Deko­

rateuren ausgeführt wird. Mit Extrazug kamen ferner 14 kaiserliche Automobile hier an und wurden in den Autohallen im Kasernenhof untergebracht. Unter den Fahrzeugen befindet sich auch ein Wagen mit einer Feldkücheneinrichtung für den K. Hof. Vom 9. September ab treffen die Pferde der ver­schiedenen Fürstlichkeiten hier ein. Die Stadt beginnt mit der Dekoration zum Empfang des Kaisers.

Auf dem Cannstatter Wasen fand am Freitag die Versteigerung der Plätze für Schaubuden, Ka- ruffels usw. über das diesjährige Volksfest statt. Unter lebhafter Beteiligung wurden für den laufen­den Meter je nach Länge 1588 Mk. erlöst. Die vier Plätze für Ring- und Plattenwurfspiele waren besonders begehrt, man bezahlte für je 6 Meter Platz 205354 Mk. Die höchste Platzmiete bezählte ein Dampfkarusselbesitzer und zwar für 50 Meter 2000 Mk. Für 24 Plätze auf der Neckarseite wurden allein rund 15 000 Mk. erlöst. Gut vertreten sind wieder Kinematographen. Auch an Dampfkarussels fehlt es nicht.

Tübingen, 6. Sept. Die hiesige Bahnhof­wirtschaft, die bisher Gemeinderat Stängle ge­pachtet hatte, ist für einen ganz erheblich höheren Preis neu verpachtet worden.

Lauffen a. N., 6. September. Die vereinigten Liberalen und Demokraten des 3. Reichstags­wahlkreises und der angrenzenden Bezirke gaben sich gestern auf der Ulrichsheide ein Stelldichein. Die Ungunst der Witterung hatte den Besuch wohl beein­trächtigt, aber trotzdem war das Fest gut besucht. Im Mittelpunkt der zahlreichen Ansprachen stand die Rede des Reichstagsabgeordneten Dr. Naumann, der'zunächst recht interessant von seiner Zeppelinfahrt erzählte und von dieser überleitete auf die Fortschritte in der Politik und auf die derzeitige politische Lage, von der er ein genaues Bild zeichnete.

Heilbronn, 3. Aug. Am 22. Sept. vollendet Frau Karoline Schäfer, geborene Bracher, Witwe des verstorbenen Orgelbaumeisters Johann Heinrich Schäfer in Heilbronn, ihr 100. Lebensjahr. Die Schwester, 89 Jahre alt, lebt in Göppingen, der Bruder, 85 zählend, in Rorschach. Die Hundert­jährige erfreut sich noch einer verhältnismäßig großen körperlichen Rüstigkeit und geistigen Frische, sodaß sie gute Aussicht hat, auch im zweiten Jahrhundert ihres Lebens sich noch einige Zeit des Daseins zu erfreuen.

Eine reiche Fundstätte von Altertümern ist auch Schwäbisch-Hall. In den Ackeranlagen beim Eingang zu der sogen. Fuhre, wo man schon im November 1907 bei Grabarbeiten Keltenringe (Frauen- und Kinderfußringe) fand, wurden beim Graben einer Wasserleitung zwei weitere Keltenringe, diesmal Männer- und Kinderfußringe, gefunden. Der eine wurde durch einen Grabpickel entzwei geschlagen, der andere umklammerte noch den Knochen des hier begrabenen Kelten. Es wird noch weiter gegraben, denn diese Funde sind für die prähistorische Zeit Halls, etwa 400 Jahre v. Christus, hoch­interessant.

In Wangen bei Stuttgart fiel das 2 Jahre alte Kind eines Flaschners in einen in der Küche stehenden Kübel heißen Wassers und zog sich erhebliche Brandwunden zu, an denen es gestern vormittag in der Olgaheilanstalt gestorben ist.

Freuden st adt, 6. Sept. Am Freitag abend setzte sich in der Murgtalstraße ein hiesiger Bäcker­lehrling mit seinem Brotkorb auf einen Kohlen­wagen. Der Junge hatte diese Bequemlichkeit schwer zu büßen. Beim Absteigen kam er unter die Räder des Wagens. Mit bedeutenden Ver­letzungen am Kopf und an den Füßen wurde der Unglückliche ins Bezirkskrankenhaus verbracht.

Geislingen, 6. Septbr. Aus einer zur Zeit hier weilenden Menagerie ist auf dem Transport von Ulm nach Geislingen ein Bär entsprungen, der aber noch am gleichen Tag wieder eingefangen werden konnte. Ein telephonisch benachrichtigter Bahnwärter fand den Bär mitten auf der Bahn­strecke sitzend vor; als er sich dem Tier näherte und dessen Kette ergreifen wollte, schlug der Bär den Bahnwärter mit einem Tatzenhieb zu Boden und