Zweites

Blatt.

Der «nztäler.

Zweites

Blatt.

Neuenbürg, Mittlvock den 1. September 1909

140,

Zum Sedantage 1809.

Alljährlich, wenn der August sich neigt lieber Grummet und Stoppeln die Lerche steigt,

Und die Fiedel zu Erntetänzchen geigt:

Dann geht durch das deutsche Fahnenheer Und durch die Träume der alten Krieger,

Der Daigny-Stürmer und Sedansieger,

Gespenstisch ein Raunen und dumpf und schwer Hallt Trompetenwirbel und Schrei.der Trompeten Bald zwischen Kommandos und Fluchen und Beten I

Alljährlich, in frühester Septemberzeit Da künden's die Glocken noch weit und breit.

Daß unvergessen der sieghafte Streit

Der den Hochmut der Franken zu Boden schlug.

Als einig auf glutumbrandeten Auen

Das Volk sich erwies aus Germaniens Gauen;

Der den deutschen Adler zur Höhe trug,

Und unvergängliche Lorbeerreiser

Zur Krone ließ wachsen dem würdigen Kaiser I

Alljährlich, wenn langsam die Rosen verglühn Wenn leise sich wandelt der Wipfel Grün,

Und Astern schon auf den Gräbern blühn:

Fällt in Sinnen manch greises Mütterlein.

Im Herzen regt sich verwundener Kummer,

Weckt leise die Sehnsucht aus herbstlichem Schlummer, Und fliegt mit ihr tief nach Frankreich hinein:

Unter einem der Kreuzlein, in Feldern verloren Liegt, den sie in Freude und Schmerz einst geboren!

Alljährlich auch schweigt der Parteien Zwist, Wenn Deutschland die Sedanbanner hißt!

Doch ach, die kleinliche Selbstsucht vergißt So schnell wieder all das junge Blut,

Das sich geopfert zu aller Gedeihen Nicht für den Eigennutz kluger Parteien!

Und grollend klagt manch verzagter Mut:

Wozu, ihr Blinden, schlug einst in Flammen Und Gluten der große Schmied uns zusammen?

Alljährlich, wenn sich bei Spiel und Sang .

Vor jungen Herzen der Sturm und Drang Des großen Jahres belebt und Dank Aus ihren Seelen zum Höchsten wallt.

Weil festgewurzelt-uralte Gewalten

Drin für ihr Deutschtum treu Hochwacht halten

Von blöder Selbstsucht noch nicht umkrallt:

Alljährlich tröstet doch reinen Schalles

Die Jugend uns:Deutschland über alles!"

A.. kr.

Sedan.

Schon 39 Jahre sind seit dem Tage von Sedan im Zeitenstrome verrauscht, aber die Erinnerung an jene große Zeit der deutschen Siege ist uns lebendig geblieben. Zumal der 2. September ist wahrhaft volkstümlich geworden und das mit gut geschicht­lichem Rechte. Der Marksteine im Leben der Völker gibt es nie nllzu viele und man muß in der An­wendung jenes Ausdrucks etwas vorsichtig sein. Aber Sedan, das war ein solches weltgeschichtlich epoche­machendes Ereignis und uns Deutsche ging's und und geht es an. Dem großen entscheidenden Siege König Wilhelms vom 1. September folgte jener ewig denkwürdige Tag, an dem 85 000 Franzosen die Waffen streckten und der französische Kaiser Napoleon III. gefangen genommen wurde.Wenn ich mir denke," so schrieb damals der greise König Wilhelm an seine Gemahlin,daß nach einem großen glücklichen Kriege ich während meiner Re­gierung nichts Ruhmreicheres mehr erwarten konnte und ich nun diesen weltgeschichtlichen Akt erfolgt sehe, so beuge ich mich vor Gott, der allein mich, mein Heer und meine Milverbündeten ausersehen hat, das Geschehene zu vollbringen und uns zu Werkzeugen seines Willens bestellt hat; nur in diesem Sinne vermag ich das Werk aufzufassen und in Demut Gottes Führung und seine Gnade zu preisen."

Wahrlich, ohne dieses Walten der Vorsehung, das uns Sedan gab, wäre wohl kein Versailles gewesen. Aus Blut und Eisen sollte die deutsche Einheit hervorgehen. Und da gedenken wir wie könnte das anders sein! vor allem auch jenes Mannes, der am 2. September den dritten Napoleon

zu König Wilhelm geleitete: Bismarck ist's gewesen und dieser Name wird noch auf ungezählte Geschlechter hinaus seine national begeisternde Wirkung üben. Neben diesem Recken steht der kluge Schlachtenlenker Moltke und der getreue Waffenmeister Roon und wer vermöchte sie alle aufzuführen, die wackeren, hochverdienten Helden und Mitkämpfer von damals !

Die Schar ist im Laufe der Jahrzehnte immer mehr zusammengeschmolzen. Eine junge Generation ist herangewachsen, die nur noch von Hörensagen weiß, was sich um Sedan einstmals gruppierte. Doch nur umso eindringlicher soll es klingen:

Enkel mögen kraftvoll walten

Schwer Errung'nes zu erhalten!

Unsere politische und wirtschaftliche Lage mag ja vielfach eine andere sein als damals. Eine lange Friedenszeit hat die Blicke vornehmlich auf die Kulturgüter und Kulturbestrebungen gerichtet. Aber der patriotische, opferbereite, idealgesinnte Geist von damals, der muß uns bleiben, wenn anders unser Volk auf der Höhe wandeln will. Ueber aller Jnteressenpolitik soll das Vaterland stehen und Schillers Mahnruf muß gerade uns Deutschen nach wie vor aus innerster Seele gesprochen sein:Nichts­würdig ist die Nation, die nicht ihr alles freudig setzt an die Ehre!" Die Erinnerung an Sedan schaffe uns Lust und Kraft zu neuen Aufgaben und Pflichten I

Ein neuerer Historiker, der es beklagt, daß Deutschland früher so manches Mal mit Lauheit und Dickfelligkeit in vaterländischen Dingen vor der angelehnten Tür gestanden habe, hinter der die glänzende Assemblee der übrigen europäischen Staaten sich tonangebend bewegte, er fährt doch jubelnd fort: Mit dem Tage von Sedan aber und mit dem 18. Januar von Versailles, da schlug der deutsche Michel die Flügeltüren ein und stellte sich straff in die Mitte der Gesellschaft drinnen, ein verwandelter Michael, nicht mehr mit der Mütze, sondern mit der Stahlhaube und im klirrenden Eisengewand." Der Sedantag ist ein Markstein in der Geschichte des deutschen Volkes, der unverrückbar feststeht und hineinragen wird in unser Volksleben bis in den jüngsten Tag. Wehe uns, wenn es jemals anders würde, denn wir müßten uns dann vor uns selbst schämen. Sind wir nicht allen denen, die Sedan herbeigeführt und Deutschland geeint haben, zu un­endlichem Danke verpflichtet und liegt nicht in der würdigen Sedanfeier der Dank begründet? Ist es nicht heute mehr denn je geboten, sich der Helden­taten unserer Väter zu erinnern, damit wir uns zu immer neuem Opfermut, zu glühender Vaterlands­liebe und zu hingebender Treue an solchem Beispiel begeistern? Und endlich, ist es nicht geboten, in unserer Jugend neue Männer erstehen zu lassen, die würdige Söhne und Enkel ihre Vorfahren werden? Aufgerichtet ist das Deutsche Reich und seine Säulen stehen fest auf den blutgetränkten Schlachtfeldern Frankreichs. Euch ist das Erbe überkommen, das eure Väter mit ihrem Blute teuer bezahlten. Ihr seid nicht wert, den Namen Deutscher zu tragen, wenn ihr dies Erbe nicht heilig haltet. Wie eure Väter 1870/71 das Wohl des Vaterlandes über das eigene stellten und lieber alles dahingaben, was sie besaßen, als daß der Feind auch nur eine Hand voll Boden ihres geliebten Vaterlandes eroberte, so sollt auch ihr feststehen in opferwilliger Liebe zum Vaterlande und in Treue zu euerm Landessterrn! Bewahren wir uns den nationalen deutschen Stolz, bekunden wir deutsche Kraft und deutsche Treue! Das sei uns die Mahnung des Sedantags!

Kus ^taSt» Bestt'k uns U^igevung

§ Birkenfeld. (Fußballsport.) Die II. Mannschaft des F.-C. Birkenfeld, welche letzten Sonntag gegen den F.-C. Allemania III Pforzheim spielte, konnte nach schönem überlegenem Spiel einen Sieg von Z:0 Toren erringen. Dagegen brachte die I. Mannschaft des F.-C. Birkenfeld von Pforz­heim, wo sie gegen den F. C. Allemania II (Gau­meister) spielte, eine überraschend hohe Schlappe von 1:6 Toren mit nach Hause. Diesen Sieg haben die Pforzheimer allerdings nur ihrer äußerst

67. Jahrgang.

scharfen und oft regelwidrigen Spielweise, sowie dem Schiedsrichter zu verdanken.

Calw, 30. August. Als heute früh der erste Güterzug von Pforzheim auf den hiesigen Bahnhof einlief, fand man den verheirateten Bremser Rehm von hier auf einem mit Stangen beladenen Wagen liegend mit einer schweren Verwundung am Kopf bewußtlos auf. Man brachte ihn in das hiesige Krankenhaus, wo Rehm gestorben ist, ohne das Bewußtsein wieder erlangt zu haben. Da in ver­gangener Nacht in Brötzingen mehrere Häuser ab­gebrannt sind, nimmt man an, daß Rehm sich auf dem Stangenwagen gestellt hatte, um die Brand­stelle zu überblicken und durch irgend ein Hindernis einen Stoß erhielt, der ihn auf den Wagen warf.

** Pforzheim, 29. Aug. Das Pforzheimer sozialdemokratische Organ, diePforzheimer Freie Presse", das erst vor ein paar Wochen seinen Re­dakteur, den Genossen Fritz Fa verlor, der jetzt in Berlin einer gewerkschaftlichen Redaktion angehört, hat nunmehr auch eine Aenderung in seinem Verlag herbeigeführt. Derselbe ist von dem Reichstagsabg. Eichhorn und Otto Steinmayer auf die Firma Eichhorn u. Co. hier übergegangen.

Brötzingen, 30. Aug. Noch ist die Aufregung über das große Brandunglück in der Vetterschen Ziegelei nicht gewichen, ist leider schon wieder von einem großen Schadenfeuer in unserem neuen Stadtteil Brötzingen zu berichten. In der Scheuer des Landwirts Fr. Staib jr. brach bald nach 1 Uhr heute früh Feuer aus, das sich mit rasender Ge­schwindigkeit ausbreitete, die gemeinsame Scheuer der Witwe Joh. Gg. Kühn und des Wagners Jak. Kiefer ergriff und das große Besitztum des Karl Eberle in Asche legte, worauf auch das Wohnhaus des Fr. Staib in Asche gelegt wurde. Auch das Wohnhaus von Hch. Bechtold fiel dem rasenden Element zum Opfer, während das damit zusammen­hängende der Joh. Heinz Wtw. so stark beschädigt wurde, daß es wohl auch nicht mehr bewohnbar bleiben dürfte. Unter den Gebäuden, die zerstört wurden, befindet sich das größte landwirtschaftliche Anwesen Brötzingens, der alte Bauernhof, westliche Karl- sriedrichstraße 360, sowie das Gasthaus zum Anker. Die Scheuern waren alle gefüllt, die Bewohner zum Teil im ersten Schlaf; so kam es, daß nur wenige Fahrnisse gerettet werden konnten und manche Be­wohner froh sein mußten, ihr Leben in Sicherheit gebracht zu haben. Der Schaden erstreckt sich auf 15 Familien, die obdachlos geworden sind, und be­ziffert sich auf etwa 250 bis 300000 Mk. Obwohl alle Beschädigten versichert sind, dürfte doch für die meisten der Schaden um des willen recht empfindlich sein, weil sie fast alle ungenügend versichert sein sollen. Das Feuer war von weither sichtbar, mitten in der Stadt sah man die Feuersäulen emporsteigen, die Fruchtvorräte wirbelten empor und der Qualm uud beißende Rauch machte sich auf große Entfern­ung hin nur zu stark bemerkbar. Im Gegensatz zum Vetterschen Brand fehlte es diesmal an Wasser nicht. Es wurde reichlich angewendet und floß heute früh noch in Strömen von den noch stehenden Ge­bäuden. Ueber den Ausbruch des Brandes, der in der Staibschen Scheuer begann, weiß man noch nichts Genaues. Nach den Ereignissen der letzten Tage ist es natürlich, daß man sofort wieder an Brand­stiftung denkt, doch liegen darüber nur Vermutungen vor.

Gernsbach, 28. Aug. Das spanische Kriegs­ministerium hat die Wagen der Gaggenauer Automobilwerke nach dem marokkanischen Kriegs­schauplatz beordert, eine erfreuliche Tatsache für die deutsche Industrie und insbesondere für die unseres Murgtales, das schon einmal in den Annalen der neuzeitlichen spanischen Geschichte eine gewisse Rolle gespielt hat, als der spanische frühere Ministerpräsi- gent und Staatsmann Canovas del Castillo (be­kanntlich vor einigen Jahren unter Mörderhänden gefallen) einige Monate im Gernsbacher Badhotel weilte, um seinen Nerven von den Aufregungen der Parteikämpse in seinem Vaterlande Erholung zu gönnen und sich zu neuen Taten zu stärken. Da­mals wurde vom Murgtal aus ein Stück spanischer Politik inspiriert.