Zweites

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Blatt.

Der «nztäler.

Neuenbürg, Samstag den 28. August 1909

138.

Württemberg.

Stuttgart, 25. Aug. Der Saatenstand in Württemberg um die Mitte des Monats August stellt sich wie folgt: Winterweizen 2,4; Sommer­weizen 2,3; Winterdinkel 2,4; Winterroggen 2,3; Sommerroggen 2,4; Sommergerste 2,1; Haber 1,9; Kartoffeln 2,5; Hopfen 4,4; Klee 2,5; Luzerne 2,3; Bewüsserungswiesen 2,5; andere Wiesen 2,6; Aepfel 4,1; Birnen 3.2; Weinberge 2,7. Der Stand der Winter- und Sommergetreide ist dank der günstigen Witterung der letzten Wochen fast allerwärts zu­friedenstellend. Die Getreideernte hat sich zwar erheblich verspätet, verspricht jedoch im allgemeinen in Körnern und Stroh einen befriedigenden Ertrag. Besonders gerühmt wird der Stand des Habers, welcher Heuer einen reichen Ertrag liefert. Die Kartoffelfelder haben sich wieder gut erholt. Da­gegen hat sich der Hopfen nicht gebessert. Ins­besondere steht die Rottenburger Gegend vor einer völligen Fehlernte. Besser ist es im Bezirk Tett- nang bestellt. Der Stand der Obstbäume, der in Aepfeln eine geringe, in Birnen eine mittlere Ernte erwarten läßt, ist gegen den Vormonat unverändert geblieben.

Wie schon früher mitgeteilt, bedeutet das neue württemb. Brausteuergesetz für unsere Brau­industrie durchschnittlich eine Mehrbelastung von 1,60 Mk. für das Hektoliter, eine Erhöhung, die wesentlich geringer ist als im Reiche der sogenannten Norddeutschen Brausteuergemeinschaft, wenn auch die Steuer selbst, wie schon vorher, so auch künftig die der genannten Brausteuergemeinschaft übertreffen wird. Unsere Brauer suchen nun nicht nur die neuen Steuern, sondern auch den in den letzten Jahren eingetretenen Konsumrückgang in seiner Wirkung auf die Biertrinker abzuwälzen. Der Plan, den Bier- preis von vier Dezi von 10 auf 12 Pfennig, und sonach das Hekoliter um 5 Mark zu er­höhen, ist noch nicht fallen gelassen, wiewohl aus Wirtekreisen allmählich ein kräftiger Widerstand ein­setzt, der vielleicht weniger aus Tugend, als aus dem Bedürfnis heraus geübt wird, sich selbst an dem Aufschlag einen gehörigen Anteil zu sichern. In Nord-, Mittel- und Westdeutschland ist es be­reits zu zahlreichen regelrechten Bierkriegen ge­kommen, und auch wir sind anscheinend nicht mehr weit davon. Nur spielten sich diese Kriege bisher zwischen den Brauereien und den Wirten ab, wobei man den eigentlichen Leidtragenden, den Biertrinker, zunächst noch beiseite ließ. Man kann umso ge­spannter darauf sein, wie er sich verhalten wird, wenn die streitenden Parteien sich so oder so, sicher­lich aber auf seine Kosten, geeinigt haben. Heuer sind ja die Aussichten für Brauer und Wirte nicht schlecht, da Most und Wein wahrscheinlich teuer werden. Das kann sich aber übers Jahr schon sehr ändern und dann mag ja wohl auch einmal den Brauereien die Erkenntnis dämmern, daß das Pub­likum nicht dazu da ist, ihnen eine Mindestdividende für ihre Aktionäre zu sichern und für teures Geld ein Bier zu trinken, das von Jahrzehnt zu Jahr­zehnt gehaltloser wird. Auch die Mäßigkeitsbeweg­ung ist, wenn sie nicht in ödes Abstinententum aus­artet, eine schöne Sache.

Göppingen, 25. Aug. Freudig überrascht wurde vor einigen Tagen eine Anzahl hiesiger Ge­schäftsleute, als ihnen von einer hiesigen Familie Beträge bis zu mehreren Hundert Mark ausbezahlt wurden. Ein vor ca. 30 Jahren hier ansässiger Kaufmann, der infolge eines Konkurses seine Gläubiger nicht mehr befriedigen konnte, wanderte nach Amerika aus. Dort war er wieder vom Glück begünstigt, so daß er in die Lage kam, seine damaligen Gläu­biger zu befriedigen, was nun zur angenehmen Ueberraschung dieser in den letzten Tagen geschehen ist.

Biberach, 13. Aug. Vor wenigen Tagen seien infolge des Genusses von Obst mit darauffolgen­dem Waffergenuß zwei Kinder einer hiesigen Familie rasch gestorben. Die Todesursache scheint aber nicht richtig angegeben worden zu sein, denn in den letzten zwei Tagen sind weitere jdrei Kinder der gleichen Familie unter ähnlichen Erscheinungen ge­

storben. Die Eltern, die noch vor 8 Tagen sechs gesunde und frische Kinder hatten, besitzen also nun mehr eines und auch dies liegt, wie man hört, in den letzten Zügen. Angesichts dieser beunruhigenden Todesfälle fragt die geängstigte Einwohnerschaft der Stadt, namentlich die Nachbarn der betroffenen Familie nach der Todesursache. Die Behörde schweigt aber vor der Oeffentlichkeit und hat verfügt, daß die Familie auszuquartieren und die Wohnung zu desinfizieren sei. Es zirkulieren bei dieser Sachlage natürlich die widersprechendsten Gerüchte, denen durch eine Bekanntgabe der zuständigen Beamtung der Boden entzogen werden könnte und sollte.

Giengen a./Brenz, 27. August. Nach einer gelungenen Hebung eines kleineren Hauses in Burg­berg durch hiesige Bauleute sollte auch das Wohn­haus des Händlers Danzer daselbst um 90 cm gehoben werden. Bald stürzte die Hinterwand des Hauses ein, ohne jemand zu treffen, und die weitere Hebung war vereitelt.

Slus Bezirk uns UngeduM

Neuenbürg, 27. Aug. Im Hinblick auf den am kommenden Sonntag stattfindenden Ausflug des Schwarzwaldvereins zur Waldenburg und von da überStraubenhardt" nach Dennach mag es von Interesse sein, etwasGeschichtliches" über diesen Teil unseres Bezirks nachstehend zu erfahren:

Etwa fft Stunde nordöstlich von Dennach stand auf einem Bergvorsprung gegen das Enztal die Burg Straubenhardt (alt Strubenhart), von der nur noch Reste des ehemaligen Burggrabens und Trümmer­steine sichtbar sind.

Auf der b/t Stunden südwestlich vom Ort ge­legenen Horntannebene soll ein OrtSchwabhausen" gestanden sein, auch will die Volkssage von einem abgegangenen Orte auf dem Heuberg wissen. Auf diesem Heuberg läßt der Volksaberglaube in der ersten Mainacht sich die Hexen versammeln. Von dem Enztal führt eine Steige, der Schwabenstich genannt, nach Dennach; in der Mitte des Berges finden sich an derselben noch die Reste eines stei­nernen Tors (Schwabentor), aus 2, etwa 5" hohen, mit pyramidenförmig zugehauenen Aufsätzen ver­sehenen Torpfeilern bestehend. Diese Benennung rührt aus der Zeit, in welcher Dennach, Feldrennach, Schwann rc. noch Badisch war und man auf dem sogenannten Schwabenstich aus dem markgräflichen und pfälzischen Gebiet in das württembergische oder schwäbische Land eintrat.

Durch den Ort Dennach führt eine von Dobel nach Pforzheim ziehende Römerstraße.

Dennach (alt Tennach, Tenech 1368) war ur­sprünglich Besitztum der Herren von Straubenhardt, hatte aber frühe die Herren von Schmalenstein als Mitbesitzer. Seit 1368 waren die Wölfe von Wunnenstein Lehensherren über ein Viertel des Dorfes.

Conz von Schmalenstein übergab den 28. März 1368 mit Willen seiner Söhne an Wolf von Wunnenstein, der gleißende Wolf genannt, nebst mehreren benachbarten Besitzungen zu Eigen das ganze DorfKunwyler", ffi der Dörfer Dobel, Dennach und Schwann und seinen Teil der zu Straubenhardt gehörigen Wälder, auch den Hof zu Oberniebelsbach, doch so, daß Conzens Söhne es wieder an Lehen empfangen sollten. Im Jahre 1414 aber trat Fürderer von Wunnenstein mit seinem Sohne Hans und seinem Tochtermann Erps von Venningen seine Rechte auf alle diese Besitzungen an Württemberg ab. Hierüber geriet Graf Eberhard in Streit mit dem Markgrafen Bernhard von Baden; beide wurden aber den 29. September 1423 mit einander dahin verglichen, daß Württemberg bei seinem Kauf um Conweiler mit seiner Zugehörde bleiben sollte, dem Markgrafen jedoch gegen die, welche ihm vorher den Kauf versprochen haben, sein Recht in allweg Vorbehalten wäre.

Den badischen Besitz überwuchs bald der würt­tembergische, und letztere Herrschaft brachte allmählig 1414, 1442, 1528 und 1598 den ganzen Ort an sich.

Die Herren von Straubenhardt hatten ursprüng­lich eine den nordwestlichen Teil unseres Bezirks begreifende, bis zum Dobel einschließlich herauf sich

67. Jahrgang.

erstreckende Herrschaft; einzelne Güter besaßen sie im 12. Jahrhundert in Bauschlott, auch in Derdingen, OA. Maulbronn. In sehr früher Zeit waren sie Dienstmannen der Grafschaft Calw, zuletzt der Graf­schaft Württemberg, trugen aber namentlich auch an­sehnliche Lehen von. der Grafschaft Eberstein, wie das Dorf Dobel. Burkhard, Schwigger, Konrad, Eberhard um 1100 sind die ältesten bekannten Namen des Geschlechts, von denen sich Eberhard um 1150 und 1186, Burkhard 1219 und Konrad, dieser im 13. Jahrhundert öfters, wiederholt; im Jahr 1261 kommt vor Berthold.

Das Schloß Straubenhardt selbst war im 14. Jahrhundert Ganerbschloß der von Straubenhardt und der von Schmalenstein. In dem Jahr 1360 hielten die Besitzer zu der fehdelustigen Raubritter­gesellschaft der Martinsvögel, die mit Wolf von Wunnenstein (seit 1308 Mitbesitzer von Dennach) und dem Grafen von Eberstein 1367 denUeberfall von Wildbad" ausführten, dafür aber erfahren mußten, daß von dem Grafen Eberhard dem Greiner von Württemberg und dessen Genossen eben dieses Schloß erobert, jedoch nicht auf lange behalten wurde (Stälin, Wirt. Gesch. 3, 302). Darüber mußten die Ganerben, die von Schmalenstein und Albrecht von Straubenhardt am 30. Juli 1369 dem Herzog Ruprecht dem älteren Pfalzgrafen die Burg zu einem offenen Haus machen, Conz und Aberlin von Straubenhardt und mehrere andere den 6. Mai 1374 dem Württemberger Grafen die Oeffnung und den Vorkauf der Burg zusichern. Am 16. Juni 1381 verschrieben sich der genannte Graf Eberhard mit seinem Sohn Ulrich gegen die badischen Markgrafen Bernhard und Rudolf Gebrüder, ihnen getreulich beholfen zu sein, daß die Veste Straubenhardt, welche sie mit einander gebrochen haben, nicht mehr gebaut werden sollte, und am folgenden Tage gaben die Markgrafen von Baden den Grafen von Würt­temberg eine gleichlautende Gegenverschreibung (Stein­hofer W. Ehr., 2, 424). Dies wechselseitige Ver­sprechen verlor aber bald an Bedeutung, als im Jahre 1382 die Markgrafen selbst einen Anteil an Straubenhardt erkauften (s. oben). Immerhin lebte der Straubenhardt'sche Mannesstamm noch fort bis zum Jahre 1442, wo er mit Hans von Strauben­hardt erlosch.

Im Jahre 1528 überließ Markgraf Ernst von Baden-Durlach die Burg Straubenhardt, ff- Schwann, ffi an Dennach und ffi an Dobel gegen das Dorf Dietlingen an den Erzherzog Ferdinand von Oestreich als damaligen Besitzer des Herzogtums Württemberg.

Ganz verschieden von dem älteren Geschlechts der von Straubenhardt sind die im 16. und 17. Jahr­hundert blühenden Edlen Schöner von Strauben­hardt, welche seit dem Ende des 15. Jahrhunderts in dieser Gegend Vorkommen (Veit Schöner zu Schwann 1488 im schwäbischen Bunde), und nach­dem sie 1598, 1599 ihre verschiedenen Besitzungen, Rechte zu Schwann, Oberniebelsbach, Pfinz, Gräfen- hausen, Ottenhausen, Arnbach, Conweiler, Dennach, Dobel, Neusatz, Rudmersbach an Württemberg ver­äußert, zuletzt das Schloß Rudmersbach, als dessen Besitzer Ludwig Schöner von Straubenhardt noch im Landbuch von 1623 erscheint, inne hatten. Kuni­gunde Schönerin von Straubenhardt, verehelicht 1) an Samson Scheer von Schwarzenberg auf Ober­hausen, württ. Kapitän zu Balingen, 2) an einen von Türk, lebte noch 1663 in hohem Alter und war wahrscheinlich die letzte ihres Hauses.

Neuenbürg, 27. August. Am Montag früh wurde in der Scheune des Gasthauses z.Löwen" in Salmbach der 27 Jahre alte, imLöwen" bedienstete Knecht Bernhard Hug mit zertrümmertem Schädel bewußtlos ausgefunden. Er wurde sofort ins hiesige Krankenhaus gebracht, wo er, ohne zum Bewußtsein zurückzukehren, am Mittwoch früh ver­starb. Gericht und Staatsanwaltschaft waren be­reits an Ort und Stelle und die eingeleitete Unter­suchung wird wohl Aufklärung darüber bringen, ob eine strafbare Handlung vorliegt oder ob es sich nur, wie vermutet wird, um einen Unglücksfall (Sturz vom Garbenloch) handelt.