2 II um 7 Uhr wieder in Manzell angelangt. Die Landung ging überaus rasch und glatt von statten. Die Fahrt nach Hohentwiel und zurück, etwa 120 Kilometer, ist sehr gut verlaufen. Die Herren der Reichskommission verweilen heute abend noch in Friedrichshafen.

Friedrichshafen, 26. Juli. Einem Pforz- hcimer Fabrikanten ist im Eisenbahnzug zwischen Aulendorf und hier, während er eingeschlafen war, seine Handtasche mit darin verwahrten Uhrketten, Ringen und unechten Edelsteinen im Gesamtwert von etwa 600 Mk. gestohlen worden. Die Tasche wurde auf dem Bahnhof Kißlegg gefunden, wo sie ein Italiener zurückgelassen hat. der, als er wegen unbefugten Verweilens im Wartesaal zur Rede ge­stellt wurde, flüchtig ging.

Obertürkheim, 26. Juli. Obertürkheim war am gestrigen Sonntag der Schauplatz einer entsetz­lichen Bluttat. In einem Hause der Eßlinger- straße hat ein Arbeiter seinen 10jährigen Sohn durch Beilhiebe getötet und alsdann durch Erhängen Selbstmord verübt. Der Täter, Gg. Schneider, war Heizer in einer Obertürkheimer Fabrik, er lebte seit längerer Zeit mit seiner Frau im Unfrieden, so daß sich diese vor 8 Tagen von ihm getrennt hat. Von den 6 Kindern blieben ein Sohn von 14 Jahren und der 10jährige Knabe beim Vater. Der Vier­zehnjährige wurde gestern nachmittag von dem Vater mit dem Bemerken weggeschickt, er solle sich die Vorführungen des Seiltänzers ansehen. Als er gegen Abend nach Hause kam, traf er den Vater erhängt und den Bruder im Blute schwimmend an. Der Mord und Selbstmord sind in den späteren Nachmittagsstunden verübt worden. Der Täter hatte dem Knaben zuvor Most und Bier vorgesetzt, um ihn durch den Alkoholgenuß zum Schlafen zu bringen, und versetzte ihm dann drei schwere Beilhiebe. Als­dann machte der Täter den Versuch, sich den Hals abzuschneiden, und als ihm dies nicht gelang, hängte er sich an einem an der Decke befindlichen Haken auf. Sonntag vormittag hatte der Täter eine Aus­söhnung mit seiner Frau herbeizuführen gesucht, wo­rauf sich diese nicht einließ. Es scheint, daß dies den furchtbaren Entschluß, den Mord und Selbst­mord zu verüben, zur Folge gehabt hat. In der Einwohnerschaft rief das Bekanntwerden der schweren Bluttat die größte Erregung hervor.

Im Alter von 46 Jahren ist am Samstag in Tachensee bei Korntal Professor Otto Reiniger, einer der bedeutendsten Landschaftsmaler Deutsch­lands, infolge eines Schlaganfalls gestorben.

Nürtingen, 24. Juli. Eine von 60 Bäcker­meistern besuchte Versammlung beschloß die Gründ­ung einer Bäckerinnung für den Oberamtsbezirk Nürtingen. Die Innung wird geschlossen dem Württ. Bäckerinnungs-Verband beitreten. Zum offiziellen Organ wurde dieDeutsche Bäcker- und Konditor- zeitung" in Stuttgart bestimmt.

Slus ^taSt. Brzirk uns Umgebung

Aus der Sitzung der Zweiten Kammer

vom 18. Juni 1909.

II.

Abgeordneter Wasuer : Meine Herren, Ihnen ist ja die Bitte der Arbeitervertreter von in Pforz­heim beschäftigten, aber auswärts wohnenden Ar­beitern um Einführung von Arbeiterwochenfahrkarten mit 5- und 4tägiger Gültigkeit direkt zugegangen, so daß jeder der Herren darüber unterrichtet ist. Die Kommission hat in ihren Beratungen beschlossen, dem hohen Hause den Antrag zu unterbreiten, daß diese Bitte der K. Staatsregierungzur Erwägung" über­wiesen werden soll. Ich habe mit den Herren Kollegen Staudenmeyer und Rösler den Antrag auf Abänderung dieses Beschlusses auf Berücksichtig­ung gestellt und zwar aus dem Grunde, weil ich über die Verhältnisse besonders genau unterrichtet bin und diese Bitte als eine vollständig berechtigte dem Hause vorlegen und zur Berücksichtigung em­pfehlen kann.

Es handelt sich dabei um einen schon längst be­stehenden Wunsch der Arbeirer Pforzheims. Die Verhältnisse in Pforzheim sind tatsächlich ganz eigen­artiger Natur. Daß dort am Tage oft die doppelte Zahl Menschen vorhanden sind, als Einwohner in der Nacht, ist hier schon öfter betont worden. Die Arbeiterschaft wird aus der ganzen Umgebung von Pforzheim herangezogen, um insbesondere in der ausschlaggebenden Industrie, der Goldwarenindustrie beschäftigt zu werden. Von allen Seiten sowohl aus Baden als aus Württemberg werden da Ar­beiter herangezogen, und es ist darum die badische Regierung ebenso wie die württembergische Regier­

ung angegangen worden, der in der Eingabe ent­haltenen Bitte zu entsprechen. Seit Jahren ist von den Arbeitern darauf hingewiesen worden, daß sich die Arbeitsgelegenheit in Pforzheim gegen früher wesentlich geändert hat, daß insbesondere die Ar­beiterverhältnisse ganz andere geworden sind, als sie früher waren, daß man dort nicht mehr die ganze Woche über Arbeit hat, sondern daß die Arbeiter gezwungen find, sehr oft mit Arbeitslosigkeit zu rechnen. Die Arbeiter haben daraufhin mit den Arbeitgebern darüber verhandelt, ob es nicht möglich wäre, in irgend einer Form dem Uebelstand zu be­gegnen, so daß ein ständiger Arbeitsmangel ausge­glichen würde und man von Entlassungen absehen könne. Man ist dabei zu der Vereinbarung ge­kommen, daß bei einem Arbeitsmangel im Anschluß an einen Ruhetag, also den Sonntag, dann womög­lich einen oder einige Tage mit der Arbeit ausgesetzt wird. Diese Vereinbarung besteht nunmehr schon seit längerer Zeit und sie wird von den Arbeitgebern in der Goldwarenindustrie ganz allgemein gehand- habt in der Weise, daß die Arbeiter nicht nur einen Tag, sondern unter Umständen zwei und drei Tage vollständig aussetzen, daß sie statt am Montag erst am Dienstag, Mittwoch oder auch am Donnerstag mit der Arbeit beginnen. Nun empfinden es die Arbeiter und Arbeiterinnen als eine direkte Unge­rechtigkeit, daß sie keine Gelegenheit haben, dann die Wochenfahrkarten benützen zu können. Man muß dabei beachten, manche der Arbeiter wohnen sehr weit entfernt von Pforzheim, sie haben zur Bahn selbst sogar einen recht beschwerlichen Weg zurück­zulegen, ehe sie diese erreichen; die überwiegende Mehrzahl kommt in beschwerlicher Weise von den Bergen herunter. Wenn sie nun noch womöglich für einige Tage umsonst das Fahrgeld bezahlen sollen, da ihnen nur die 6tägige Arbeiterwochenfahrkarte zur Verfügung steht, so sagen sie, es ist dann gleich­gültig, wenn wir womöglich noch eine halbe Stunde weiter laufen müssen, oder wenn wir auch einen etwas beschwerlicheren Weg dahin haben, dann be­nützen wir die Bahn einfach überhaupt nicht. Es ist tatsächlich festgestellt worden ich glaube auch, daß die Eisenbahndirektion darüber unterrichtet sein wird, daß der Verkehr dadurch wesentlich beein­flußt wurde, ja daß sogar ein Rückgang in der Be­nützung der Arbeiterwochenfahrkarten zu verzeichnen war.

Man hat dazu schon früher an die K. General- direktion bezw. an die Eisenbahndirektion Pforzheim das Verlangen gestellt, ob darin nicht eine Aender- ung herbeigeführt werden könne. Von der Eisen­bahnverwaltung ist den Wünschen nun in der Weise entgegengekommen worden, daß wohl für feststehende Feiertage eine Aenderung getroffen wurde, zugleich wurde jedoch beigefügt, man könne außerhalb des Rahmens, in welchem die Arbeiterwochenkarte im all­gemeinen eingeführt sei, keine Aenderung herbeiführen. Es wurden nun Arbeiterwochenfahrkarten eingeführt für solche Wochen, in welche sogenannte stehende Feiertage fallen. In der Eingabe sind diese Feier­tage benannt. Man hat dazu besondere Karten, die wesentlich größer sind als die gewöhnlichen Knips­karten, eingesührt und diese Fahrkarten in der Weise ausgestaltet, daß der kontrollierende Beamte an der Bahnsteigsperre nicht nötig hat, die Karte zu knipsen; der Arbeiter hat sie nur vorzuzeigen, mit einem Blick kann der kontrollierende Beamte ersehen, ob die Karte gültig ist oder nicht. Gerade diese Einrichtung ist von den Arbeitern mit Freuden begrüßt worden, weil dadurch der lästige Aufenthalt bei der Bahn­steigsperre vollständig wegfiel und ein ungehindertes Durchgehen an der Sperre damit ermöglicht wurde. Das veranlaßte nun die Arbeiter, auch den Wunsch auszusprechen, ob es nicht möglich wäre, ganz all­gemein zu solchen Karten überzugehen, die Knips­karten abzuschaffen, und diese anderen Karten ganz allgemein einzuführen; vor allem sollte aber auch der Wunsch, den sie schon seit Jahren geäußert haben, berücksichtigt werden, daß für die Tage, wo sie am Anfang der Woche nicht arbeiten können, ihnen auch eine billigere Fahrkarte zur Verfügung gestellt würde.

Ich habe nun gehört, daß in der Finanzkommis­sion diese Eingabe zunächst zwar in wohlwollende Behandlung genommen wurde, daß aber dann ein Einwand erhoben wurde, der Bedenken erregte. Man verwies darauf, es sei bekannt, daß unter den Goldschmieden in Pforzheim sehr vieleBlaumacher" seien, und man würde das womöglich noch begün­stigen, wenn man diesen noch eine billigere Karte zur Verfügung stellte, wenn sie freiwillig die Arbeit ruhen lassen und erst nachträglich zur Arbeit gehen.

Meine Herren, sie Verhältnisse gegenüber früher haben sich auch in der Goldwarenindustrie in Pforz­

heim ganz wesentlich geändert. (Sehr richtig! links). Heute sind die Verhältnisse so, daß die Arbeiter froh sind, wenn sie nur Arbeit haben (Sehr richtig I links) und daß sie mit Vergnügen jede Stunde wahr­nehmen, die sie der Arbeit widmen können. Das Unternehmertum hat dem Drängen der Arbeiter entsprechend die von mir erwähnte Vereinbarung mit den Vertrauensmännern der Arbeiter geschloffen, daß sie sogar den Arbeitsmangel in der Weise auszugleichen suchen, daß einzelne an den Sonntag anschließende Tage dann als Ruhetage gelten. Den Arbeitgebern wurden damit die Arbeitskräfte erhalten und dies wurde auch von den Arbeitern sehr gern entgegengenommen, weil ja viele zu Hause auch ein Häuschen, ein Stückchen Feld haben und sie unter Umständen dann den freien Tag benützen können, um dort in der Landwirtschaft und zu Hause sich betätigen zu können. Diese Vereinbarung, die auf gegenseitigem Interesse beruhte, ist jetzt eine ständige Einrichtung geworden. Die Krise, die angeblich überwunden sein soll, ist nicht überwunden, am aller­wenigsten in einer solchen Luxusindustrie, wie es gerade die Goldwarenbranche ist und die Pforzheim insbesondere in Mitleidenschaft zieht. Ich kann dazu nur erwähnen, daß heute in Pforzheim Betriebe vorhanden sind, wo beinahe ein Vierteljahr hinter­einander die Arbeit regelrecht erst am Mittwoch oder Donnerstag ausgenommen wurde. Es ist mir dies mehrfach versichert worden, und ich glaube auch, wenn von der Handelskammer Pforzheim eine Aus­kunft eingefordert worden wäre, so würde dies zweifellos auch vom Regierungstisch bestätigt werden können. Daraus ersehen Sie, daß die Verhältnisse ganz wesentlich anders geworden sind gegenüber früher.

Ich habe mir darum erlaubt, einen diesbezüg­lichen Abänderungsantrag zu stellen, und glaube, daß es auch im Interesse der Eisenbahnverwaltung selbst liegt, wenn auf diesen Wunsch eingegangen wird. Zunächst könnte durch die Einführung der geänderten Wochenfahrkarten der Dienst an den Bahnsteigsperren billiger und leichter gestaltet werden, es würde dann der unnötige Aufenthalt an den Bahn­steigsperren wenigstens etwas gemildert dadurch, daß das Knipsen wegfällt; im weiteren würde auch zweifel­los damit zu rechnen sein, daß die Benützung der Wochenfahrkarten eine größere wird, als dies in der letzten Zeit zu verzeichnen war, denn es sind insbe­sondere in nicht zu weit entfernten Orten tatsächlich die Arbeiter schon gemeinschaftlich übereingekommen, dann lieber zur Arbeit zu gehen, als daß sie eine sechstägige Arbeiterwochenkarte lösen, für die sie nur 3 Tage Verwendung haben. Ich glaube, daß diese Verhältnisse der Generaldirektion nicht unbe­kannt sein dürsten. Ich habe mir deshalb erlaubt, den Antrag auf Berücksichtigung zu stellen an­statt Erwägung, und ich bitte, daß das hohe Haus diesem Anträge zustimmen möge.

Nachdem noch die Abgg. Rösler-Mühlacker und Staudenmeyer-Calw zu dieser Sache ge­sprochen hatten, ergriff der Präsident des Staats­ministeriums, Staatsminister der auswärtigen Ange­legenheiten Dr. v. Weizsäcker das Wort und führte folgendes aus:

Meine Herren, eine vollständige Aenderung des bisherigen Systems der Arbeiterwochenkarten können wir nicht in Aussicht nehmen. Denn dabei würden ganz zweifellos in einer für die gegenwärtigen Ver­hältnisse unverantwortlichen Weise Ausfälle entstehen, und es ist meines Wissens in keiner anderen Ver­waltung ein derartiger Schritt getan worden. Ob wir für Pforzheim etwa eine Ausnahme machen können, das will ich gerne noch einmal untersuchen und will mich nicht ohne weiteres ablehnend stellen, unter der Voraussetzung, daß auch ich die Ueber- zeugung gewinne, es liegen hier ganz außerordent­liche Verhältnisse vor, und unter der weiteren Be­dingung, daß ich mich auf Berufungen in der Sache, auf Konsequenzen unter gar keinen Umständen ein­lasse. Denn sobald wir den Grundsatz aufstellen würden: da, wo durch irgend einen Zufall der eine oder andere Arbeitstag nicht benützt werden kann, da muß auch eine Erleichterung eintreten, da muß das bisherige System verlassen werden, kämen wir eben aus eine Aenderung des ganzen Systems der Arbeiterwochenkarten, und wir haben doch davon gesprochen, daß dieser Tarif eher zu niedrig als zu hoch ist. Es sind hier in diesem hohen Hause Stimmen laut geworden, wonach bereits die jetzigen Sätze nicht genügend seien. Wenn wir aber allge­mein in der für Pforzheim angeregten Richtung Vor­gehen würden, dann käme es dahin, daß wir auch den bestehenden Tarif noch herabsetzen, und darauf kann ich mich unmöglich einlassen. Also ich beschränke meine weitere Untersuchung ausschließlich aus den Pforzheimer Fall.