' Württemberg.
Heilbronn, 22. Juli. Ein freier Turner aus Gießen, der neulich an dem Turnfest in Frankfurt teilgenommen hatte, erhielt von seinem Frankfurter Logiswirt eine Ansichtspostkarte, die außer vielen Grüßen folgende Einladung erhielt: „Wenn Sie vielleicht die „Jla" besuchen sollten, so werden Sie bei uns freundliche Aufnahme finden." Diese Karte bekam die Frau Gemahlin des Adressaten in die Hände und nahm natürlich von dem Inhalt Kenntnis, der sie aufs höchste empörte. Und als der nichtsahnende Ehemann nach Hause kam, gab's eine Szene. „Da kann man sehen — fuhr sie ihn entrüstet an, indem sie ihm die Ansichtskarte als Beweisstück unter die Nase hielt — „daß Du Dich bei allen möglichen Frauenzimmern herumtreibst, wenn Du außerhalb bist I" . . . Um ähnlichen Aufregungen im Kreise unserer Leserinnen vorzubeugen, wollen wir verraten, daß die „Jla" weiter nichts ist, als die „Internationale Luftschiffahrts - Ausstellung", die der leichteren Aussprache halber mit den Anfangsbuchstaben JLA bezeichnet wird.
Saatenstandsbericht des Statistischen Landesamts. Die Witterung des heurigen Jahrgangs zeigt in ihrem seitherigen Verlauf einen auffallenden Charakter. Der Winter war von abnorm langer Dauer und setzte sich bis tief in den Monat März hinein fort. Ende April erfolgte nochmals ein Kälterückfall, der in höheren Lagen -sogar Schnee mit sich brachte, und auch in der ersten Hälfte des Monats Mai war die Witterung bei meist scharfen, austrocknenden Winden überaus kühl, zum Teil sogar rauh, wodurch die Vegetation in ihrer ersten Entwicklung gehemmt worden ist. Dann folgte bis gegen die Mitte des Monats Juni hin eine Periode sehr warmer, zum Teil hochsommerlicher, zugleich überaus trockener Witterung, welche der Entwicklung des Getreides und besonders der Weinberge sehr zu statten kam, jedoch das Wachstum der Futtergewächse beeinträchtigte. Doch sind die mehrtägigen reichlichen Niederschläge, die gegen das Ende der vorigen Witterungsperiode (vom 11. bis 13. Juni) im ganzen Lande niedergegangen sind, den Futtergewächsen noch einigermaßen zu statten gekommen, so daß eine wenigstens annähernd mittlere Futterernte in Aussicht stand. Auch die nun abgelaufene Berichtsperiode (von Mitte Juni bis Mitte Juli) ließ sich in der ersten Woche noch ganz befriedigend an; dann aber folgte überaus ungünstiges, fortgesetzt regnerisches, zum Teil abnorm kühles Wetter, das bis Mitte Juli anhielt. Unter dem Einstuß der feuchten Witterung hat sich das Getreide vielfach stark gelagert, wodurch die Körnerbildung beeinträchtigt wird. Indessen wird mehrfach auch berichtet, daß die Halmfrüchte infolge der reichlichen Niederschläge gegen den Vormonat sich gebessert haben. Im Landesdurchschnitt weist sogar das Getreide, mit Ausnahme von Sommerroggen und Sommerweizen, eine höhere Note auf als im Vormonat, und im Landesmittel ist durchweg bei den Getreidefrüchten nach dem jetzigen Stande immerhin noch eine gute bis mittlere, bei Gerste und Haber sogar eine annähernd gute Ernte zu erwarten. Die Note für die Kartoffeln hat sich gegen den Vormonat um ein weniges verschlechtert, eine Folge davon, daß die Knollen infolge der Nässe besonders auf feuchten Böden etwas notzuleiden begonnen haben. Vereinzelt wird auch bereits Auftreten von Peronospora berichtet. Immerhin läßt der derzeitige Stand der Kartoffeln noch einen guten bis mittleren Ertrag erwarten. Ganz erheblich verschlechtert hat sich gegen den Vormonat der Stand von Hopfen; er leidet fast überall unter Schwarzbrand, Ruß und Läusen, so daß geradezu eine Fehlernte zu befürchten ist. Ueberaus mißlich gestaltete sich die fortgesetzt nasse Witterung für die Heuernte. Ein großer Teil des Heues mußte in minderwertigem Zustande eingebracht werden, manches ist geradezu verdorben und muß als Streu verwendet werden, und ein nicht geringer Teil des Futters steht noch überständig auf dem Halme. Der zweite Schnitt von Klee, Luzerne und Wiesen hat gut angesetzt. Der Stand der Ob st bäume, der in Aepfeln eine nur geringe, in Birnen eine mittlere Ernte erwarten läßt, ist gegen den Vormonat fast unverändert geblieben. Die Aussichten beim Wein stock, welche im vorigen Monat sehr befriedigende und hoffnungsvolle waren, sind infolge der ungünstigen Witterung merklich zurückgegangen. Die Blüte hat sich sehr lange hm- gezögert und viele Fruchtansätze sind abgefallen; häufig ist wahrzunehmen, daß an einem und demselben Stock die Trauben teils schon verblüht haben, teils noch in Blüte stehen, so daß der Stand
der Weinberge Heuer ein überaus ungleicher ist und wohl auch bleiben wird. Mehrfach, und zwar gerade aus Hauptweinbaugebieten, wird übrigens berichtet, daß bei dem überaus reichen Traubenansatz, der sich Heuer zeigte, ein immerhin noch befriedigender Herbstertrag erhofft werden könne, sofern nur die künftige Witterung sich günstig gestalte.
Vom Lande, 22. Juli. Die Bienen haben eine schlechte Zeit hinter sich. Im Frühjahr lieferten sie in hiesiger Gegend trotz der großen Trockenheit und des anhaltendes Nordwindes noch ziemlich Honig, während aus vielen anderen Gegenden Klagen laut wurden. Aber die nun vier Wochen andauernde kalte Regenperiode hat die Völker stark zurückgebracht und gerade in dieser Zeit der Lindenblüte hätten sie die reichsten Erträge liefern müssen bei ordentlicher Witterung. Statt dessen haben sie ihre Vorräte ganz aufgezehrt und wer vor dem Regen zur Schleuder griff, mußte jetzt Tag für Tag füttern, nur um sie vor dem Hungertode zu bewahren. Die zahlreichen jungen Schwärme während der genannten Zeit haben die Kalamität der Imker nur noch vermehrt. Hoffentlich bringen uns die nun sonnigen Tage reichlich Honigblüten, die während der ersten Trachtzeit (Klee) fehlten. Es ist noch viel nachzuholen, wenn die Bienenzüchter im laufenden Jahre auf ihre Rechnung kommen sollen.
vermischtes.
In Toni verlud neulich ein Metzger eine Anzahl Ochsen. Eins der Tiere, durch den Straßenlärm wild geworden, riß sich los und stürzte quer über den Bahnhofsplatz auf eine Kaffeehausterrasse los, auf der eine Menge Leute Platz genommen hatten. Der Ochse warf hier Tische und Stühle um und jagte alle Leute in die Flucht. Der zufällig des Weges kommende Gouverneur von Toul, General Dopommier, suchte das wütende Tier zu bändigen, indem er es bei den Hörnern ergriff. Er wurde zu Boden geschleudert, erlitt jedoch keine Verletzungen.
Ein tragischer Vorfall, der dem Leichtsinn eines Vaters zuzuschreiben ist, hat sich im Dorfe Dissen in der Lausitz ereignet. Dort ließ sich der Kossät Burchard von seinem 7 Jahre alten Knaben das Tesching holen, um die Vögel aus dem Garten zu verjagen. Als der Knabe mit dem Gewehr aus der Wohnung trat, rief ihm der Vater scherzend zu: „Na, zeige mal, wie gut du zielen kannst I" Das Kind drückte ab, ein Schuß krachte und der Vater stürzte, in die Brust geschossen, zu Boden.
Sinu.Riitsel.
Niemand weiß es, niemand auch versteht es. Niemand kann es tun und niemand rät es.
Wer es hat, dem kann hier nichts mehr fehlen, Wem's genügt, den ziert Bescheidenheit.
Wer es will, den wird Begierde quälen,
Wer's versucht, der bringt's gewiß nicht weit.
Auflösung der Viersilbigen Charade in Nr. 115. Apfelschimmel.
Hun-stage.
Hundstage! Kaum eine unserer kalenderischen Bezeichnungen dürfte so gemischte Gefühle Hervorrufen wie dieses Wort. Hundstagshitze — der Inbegriff jener stechenden, sengenden Glut, die alle Lebensgeister zu ersticken droht, und der wir gleichwohl nicht zu entfliehen vermögen — solange der Nordpol noch nicht als Sommerfrische eingerichtet ist, oder die in die Eis- und Schneeregionen führenden Hochalpenbahnen für jedermanns Geldbeutel zugänglich sind. Denn auch am Meeresstrande und in unseren beliebten waldumrauschten Sommerfrischen ist der Gluthauch der Hundstage oft nur allzu sehr zu verspüren. — Hundstagsferien I Wie andere, gerade entgegengesetzte Gefühle wiederum löst dieser Klang aus! Zwar klingt er heute etwas verbraucht, altvaterisch — die moderne Pädagogik, die ja überhaupt vieles besser wissen und machen will als unsere biederen Altvordern — sagt dafür „korrekter" große Ferien. Und sie hat ja auch insofern recht mit ihrer Bezeichnung, als diese hoch- gelobte, von unserer Jugend ein ganzes Jahr lang mit heißer Inbrunst herbeigesehnte Zeit der Freiheit sich in der Regel nicht mit der Zeit der wirklichen Hundstage deckt. Denn diese fallen in die Tage vom 23. Juli bis 13. August. Der Name kommt vom Hundsstern oder Sirius her, einem Fixstern erster Größe, dem hellsten am ganzen leuchtenden Himmelsgewölbe, der am Maul des Sternbildes des
NedaMoN, VrM 8« Mrsh i«
großen Hundes steht. Will man eine Vorstellung von den ungeheuren Dimensionen im Weltall haben, so kann gerade Sirius uns einen Begriff geben. Wenn die Sonne 20 Millionen Meilen von uns entfernt ist, so betrügt die Entfernung des Hundessternes von uns 543 000 Sonnenweiten — wer's mag, kann's ausrechnen! — und sein Licht braucht acht Jahre um zu uns zu gelangen! Der Lichtstrahl des Serius also, der in diesem Augenblicke unser Auge trifft, ist im Jahre 1901 von ihm ausgegangen. Doch das nur beiläufig.Die Hundstage be
ginnen nun mit dem Frühaufgange des Sirius, der nahe mit dem Eintritte der Sonne in das Sternbild des Löwen — 25. Juli — zusammenfällt. Die Griechen bezeichnten die Zeit der Hundstage mit dem Namen Opora, die durch große Hitze und nach dem alten Arzte Hippokrates durch schwere Gallenkrankheiten verhängnisvoll war.
Wenn Hippokrates Gallenleiden als Hauptkrankheit der Hundstage annimmt, so mag das darin mit begründet sein, daß der. Genuß kalter Getränke im erhitzten Zustande ferner auch der nun beginnende Genuß von Obst, zumal halb unreifem, und mancher Diätfehler in der Tat eine erhöhte Mor- bitäts- — Krankheits- — und Mortalitäts- — Todesfall- — Ziffer zur Folge haben. Namentlich sind es Magen- und Darmleiden, die dann grassieren und nicht selten tödlich enden.
Aber auch das Hirn der Sterblichen scheint zuweilen durch die Hundstagshitze arg mitgenommen zu werden. Wir reden nicht von akuten Gehirnleiden — Hirnschlag —, die teilweise auch durch allzu große Hitze verursacht werden. Aber das menschliche Hirn macht in dieser heißen Zeit oft gar sonderbare Seitensprünge, die die Vermutung nahelegen, als ob im Oberstübchen droben nicht alles in Ordnung sei. Und es ist doch kein 1. April! Da werden Eier ausgebrütet, aus denen lustig die phänomenalsten Enten emporflattern, an den dichtbelaubte Ranken reifen die verlockendsten sauren Gurken und auf fernem Weltmeere wird das greulichste Ungeheuer, die gefürchtete Seeschlange, sichtbar.Woher diese — fragewürdigen Gebilde?
Sind es wirklich Ausgeburten eines kranken, unter der Hundstagshitze leidenden Hirns? Nun, „Enten" flattern auch zu anderen Zeilen, leider nur zu häufig, auf; schon Braut in seinem „Narrenschiff" und Luther kannten sie, eigentlich „Lügenden" verdreht aus „Legenden", dann „Lugenten" genannt, Mürlein und Fabeln, die in den Zeitungen lustig fortschwimmend, ein gar beschauliches Dasein führen. Daß aber zur Hundstagszeit die ersten „neuen" sauren Gurken als Leckerbissen für bescheidene Feinschmecker am Geschmackshorizonte auftauchen, ist eine „Neuigkeit", die, obwohl alljährlich wiederkehrend, sicherlich von allgemeinstem „Interesse" ist. Und schließlich — Seeschlangen I Solche gibt's bekanntermaßen eine ganze Anzahl, sogar giftige, aber sie alle haben mit der be . . . rüchtigten Seeschlange der Hundstage wenig zu tun. Diese ward bereits im 16. Jahrhundert von den Gelehrten erwähnt . . . „30 Meter lang, nicht sehr dick, braune Hautfärbung, langer, schmaler Kopf, rotglühende Augen, wallende Mähne" . . . wem möchte da nicht gruselig werden, wenn er davon liest oder sich gar um diese-Zeit auf offenem Meere befindet? . . . Neuerdings will man sie an den östlichen Küsten von Amerika, mitten im Großen — Stillen — Ozeane, ja, sogar in den größeren Buchten der norwegischen Küsten gesehen und von ihr Zeichnungen, die der obigen Schilderung entsprechen, angefertigt haben . . . Oder sind's in langem Zuge hintereinander schwimmende Delphine oder große Haifische oder gar die abenteuerlichen Höckerpottwale, die der aufgeregten Phantasie zur Hundslagszeit die gefürchtete Seeschlange vorgaukelten? . . .
Die Hundstagszeit, in der in der Regel mit den Parlamenten. Schulen und allen erholungsbedürftigen Menschenkindern auch die hohe Politik m die Ferien zu gehen pflegt — „über allen Gipfeln ist Ruh'" — ist eine Zeit tiefster Stille auch für das Nachrichtenwesen. Wie soll es aber nun ein armer, „verantwortlicher" Zeitungsschreiber anfangen, seine neuigkeitenhungrigen Leser zu befriedigen? ... Da martert er sein armes Hirn ab. die Hundstagshitze brütet im engen, dumpfigen Bureau — halt, da kommt ihm ein rettender Gedanke, und während ihm dicke Schweißtropfen auf der hohen Denkerstirn perlen, schreibt er's gefaßt nieder, was ihm oft zu Zeiten politischer Dürre aus der Verlegenheit half .. . das lustig aufflatternde Entlein, die saure Gurke, die Seeschlange — o ihr seid mehr als Ausgeburten der Phantasie, ihr seid — doch wir dürfen nicht indiskret sein, selbst nicht zur Zeit der — Hundstage I