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Neuenbürg. Samstag den 24. Juli 1909.

67. Jahrgang.

Berlin, 23. Juli. Die heutige Nummer 43 des Reichsgesetzblatts enthält die Bekanntmachung betreffend die Fassung des Brausteuergesetzes vom 21. Juli 1909.

Beim deutschen Bundesschießen in Ham­burg hat den Preis des Königs von Württem­berg, der auf der Feldfestscheibe gesetzt war, der Schütze H. Meyer aus Bremen herausgeschossen. Einige Preise werden nach Stuttgart fallen, im übrigen ist Württemberg bis jetzt noch nicht in der Siegerliste vertreten.

London, 23. Juli. Gestern nachmittag fand im Schatzkanzleramt eine besonders zahlreich von Damen besuchte Versammlung des deutsch-eng­lischen Freundschaftsbundes zur Förderung besserer Beziehungen zwischen Deutschland und Eng­land statt. Es wurde vorgeschlagen, zu diesem Zwecke häufig Besuche zu veranstalten und weitgehende gegenseitige Gastfreundschaft zu üben. Schatzkanzler Lloyd George sprach sich in einer zweimal von Stuffragettes unterbrochenen Rede für den Vorschlag aus und forderte bessere Verhältnisse zwischen beiden Nationen. Alle Streiligkeiten, von denen er gehört habe, seien Mißverständnissen zuzuschreiben gewesen. Er wies dann darauf hin, daß z. B. trotz früherer erheblicher Konflikte mit Frankreich jetzt die wärmsten Beziehungen zwischen England und Frankreich herrschten und fragte, warum man ein solches Ver­hältnis nicht auch mit Deutschland herbeiführen könne. Die materiellen Interessen beider Länder ständen sich nicht gegenüber und es sei sicher, daß das deutsche Volk keinen Streit mit England wünsche. Er sei in den letzten Jahren mehrfach in Deutschland gewesen und habe dort stets freundschaftliche Gesinn­ungen für England gefunden. Der deutsche Bot­schafter Graf Wolf-Metternich konnte an der Versammlung nicht teilnehmen und wünschte der Belegung brieflich besten Erfolg.

In Spanien ist die öffentliche Meinung gegen den Krieg mit den Rifkabylen, weil man in Spa­nien nicht mit Unrecht von dem abenteuerlichen Unter­nehmen nur empfindliche Opfer an Geld und Menschen­leben befürchtet. Vorerst ist aber Spaniens Waffen­ehre in den Kämpfen mit den feindlichen Kabylen engagiert und die Regierung ist daher entschlossen, die kriegerische Expedition in Nord-Marokko mit aller Energie durchzuführen. Die Gefechte zwischen den spanischen Truppen und den Kabylen bei Me­litta folgen sich fast unaufhörlich; nach den blutigen zweitägigen Kämpfen vom letzten Sonntag und Mon­tag fand bereits am letzten Mittwoch wieder ein neues Gefecht statt, in welchem die Kabylen den Versuch machten, den Lebensmittel- und Munitions­park der Spanier wegzunehmen. Sie wurden jedoch unter großen Verlusten zurückgeschlagen.

Der neue Schah von Persien, Achmed Mirza, hat sein erstes Handschreiben erlassen. Es ist an den Regenten gerichtet und empfiehlt die be­schleunigte Einberufung des Parlamentes zur Herbei­führung geordneter Zustände. Am Donnerstag fand die Krönung des jungen Schahs in Teheran unter großen Festlichkeiten statt, die auch am Freitag noch fortdauerten. *

In Nerv-Jork wurde eine Lufttransport- Aktiengesellschaft mit 250000 Dollars Kapital ge­gründet. Der Zweck der Gesellschaft ist die Her­stellung von Luftfahrzeugen, sowie die Uebernahme der Beförderung von Personen und Gütern mit Luftschiffen.

Durch einen Wolkenbruch wurden in Duluth (Minnesota) 20 Häuser fortgeschwemmt. Drei Per­sonen kamen dabei ums Leben.

Ludwigshafen a. S., 22. Juli. Ein hiesiger Arbeiter erhielt vorgestern einen anonymen Brief folgenden Inhalts:Sie können 300 Mk. verdienen, wenn Sie denAdler" anzünden. Kommen Sie

heute abend 8 Uhr zur ersten Badanstalt." Der Gasthof zumAdler" ist vor kurzem in anderen Besitz übergegangen. Er sollte einer Erneuerung unterzogen bezw. teilweise abgebrochen werden, um aus dem Gebäude ein modernes Restaurant Her­stellen zu können. Gestern morgen wurde der Gast­hof zumAdler" ein Raub der Flammen. Das Anwesen ist vollständig niedergebrannt. Der Schaden wird sehr hoch geschätzt. Der Besitzer des Gasthofs ist Privatier Gallenberg.

Württemberg»

Stuttgart, 22. Juli. Die Mitglieder der Ersten und Zweiten Kammer unternahmen heute in Begleitung sämtlicher Minister einen Ausflug nach dem Bodensee. Sie besichtigten unter Führung Zeppelins die Zeppelinschen Anlagen in Friedrichs­hafen. Sodann wurde ihnen vom König, der sie am Eingang des Friedrichshafener Schlosses begrüßte, ein Frühstück gegeben. Beim Empfang durch den König waren auch die sozialdemokratischen Abgeord­neten zugegen. Am Nachmittag wurde in Manzell die Reichshalle und II" besucht. Graf Zeppelin machte den Führer, erinnerte an die großartige Nationalspende nach dem Echterdinger Unglück und betonte seine Pflicht einer wirtschaftlichen Verwend­ung. Er empfahl die Errichtung einer Ausbildungs­schule für Luftschifführer und -Erbauer und sprach die Hoffnung aus, daß von hier aus einmal Luft­schiffe in alle Welt ausgesührt werden. Gegen 3 Uhr kam die Reisegesellschaft in Konstanz an, wo sie von dem badischen Ministex Frhrn. v. Bodman begrüßt und wo im Jnselhotel das Mittagsmahl eingenommen wurde. Um 5 Uhr begab man sich wieder zu Schiff und machte eine zweistündige See­fahrt. Die Rückfahrt von Friedrichshafen nach Stuttgart erfolgte um 7 Uhr.

Friedrichshafen, 23. Juli. Wie bei dem gestrigen Besuche der beiden Ständekammern beim Grafen Zeppelin in Manzell von zuständiger Seite mitgeteilt wurde, wird mit den Probefahrten des 2 II am 28. Juli begonnen werden. Am 1. August findet dann die Fahrt nach Köln statt. Bis zum 28. August spätestens muß 2 III flugbereit sein, da an diesem Tage die Fahrt nach Berlin angetreten werden soll. Von Berlin soll 2 III alsbald dann wieder die Rückreise nach Friedrichshafen antreten, um am 1. September dem Kaiser Franz Josef in Bregenz vorgeführt zu werden. Graf Zeppelin war von der Stadt Karlsbad einAeladen worden, auf der Rückfahrt von Berlin mit (einem Luftschiff Karlsbad zu besuchen. Gestern erhielt nun der Bürgermeister von Karlsbad ein Schreiben des Grafen aus Friedrichshafen, in dem es heißt: Die Einladung, mit meinem Luftschiff die Stadt Karls­bad zu besuchen, gereicht mir zur großen Ehre. Ich würde mir ein Vergnügen daraus machen, ihr Folge zu leisten, wenn ich nicht genötigt wäre, von Berlin auf kürzestem Wege hierher zurückzukehren, um am 31. August dem Kaiser von Oesterreich mein Luft­schiff bei Bregenz vorzuführen.

Stuttgart, 21. Juli. Veränderungen im inneren Dienst des Heeres werden in nächster Zeit durch Anordnung des Kaisers getroffen werden. Das Frontmachen von Unteroffizieren und Mann­schaften vor den direkten Vorgesetzten fällt fort, bei­behalten wird es nur noch vor dem Kaiser und den Kontingentsherren. Damit wird die Quelle für manche Disziplinarstrafe und für manche Störung des Verkehrs in großen Städten beseitigt. Ferner soll der sog. Zapfenstreich für die Chargierten aus­gedehnt wernen. In Zukunft soll jeder Unteroffizier bis 12 Uhr abends, jeder Sergeant die ganze Nacht ausbleiben dürfen, während bis jetzt ohne Urlaub diese Befugnis nur bis 10 Uhr im Winter, bis 11 Uhr im Sommer dauerte.

Stuttgart, 22. Juli. 3^on der Postverwaltung werden wieder Kandidaten für den niederen Post­

dienst ausgenommen. Für Bewerber, die eine Latein-, Real- oder Bürgerschule nicht oder nicht lange genug, oder nicht mit befriedigendem Erfolg besucht haben, wird eine Vorprüfung im Herbst ds. Js. abgehalten. Die Annahmegesuche sind an die Generaldireklion der Posten und Telegraphen zu richten. Ueber die denselben beizufügenden Nach­weise geben die Postämter Auskunft.

Stuttgart, 23. Juli. Die Ferienstraskammer sprach den Ingenieur Dobesch von hier, der in ganz Württemberg gegen 500 Geldspielautomaten des SystemsPhönix" vertrieben hat, von der An­klage eines verbotenen Glücksspiels frei, da sie zu der Ansicht kam, daß bei dem in Frage stehenden Automaten nicht der Zufall, sondern eine Durch­schnittsgeschwindigkeit maßgebend sei.

Cannstatt, 22. Juli. Das Volksfest beginnt am Freitag den 24. September und dauert bis ein­schließlich Montag den 27. September. Am Sams­tag den 25. September findet dasLandwirtschaft­liche Hauplfest", am Sonntag den 26. September turnerische und sportliche Aufführungen und Wett­kämpfe" und am Montag den 27. SeptemberPferde­rennen" statt.

Göppingen, 23. Juli. Zeppelins Luftschiff wurde gestern abend wieder einmal über Göppingen erwartet. Es scheint sich allmählich die Ansicht herausgebildet zu haben, daß Graf Zeppelin über­haupt keine Fahrten mehr ausführen könne, ohne Göppingen zu berühren. In der neunten Abend­stunde konnte man auf allen Straßen hören, daß Zeppelin wieder unterwegs sei. Woher die Mähr gekommen, war nicht festzustellen. Die Nacht wird aber inzwischen alle diejenigen, die auf Zeppelin etwa warteten, davon überzeupt haben, daß irgend ein Spaßvogel wieder einmal sein Unwesen getrieben hat. Für Ende Juli oder Anfang August steht allerdings die Fahrt des 2 II nach Köln in Aus­sicht, es ist aber kaum anzunehmen, daß diese so still angetreten wird, daß man vorher davon über­haupt nichts erfährt.

Mühlacker, 22. Juli. Eine Wirkung der Staatsbahnwagengemeinschaft ist die jetzt erfolgte Zurückziehung der badischen Wagenrevidenten auf den beiden Gemeinschaftsbahnhöfen Jagstfeld und Mühlacker. Nachdem bereits im Jahre 1905 die früheren selbständigen Güterexpeditionen der badischen Staatsbahnverwaltung ausgehoben worden, sind mit den Wagenrevidenten an beiden Plätzen jetzt auch die letzten badischen Beamten zurück­gezogen worden und wird der Gesamtdienst jetzt von Württemberg besorgt.

Aalen, 23. Juli. Nachdem auf 1. März ds. Js. dieAalener Volkszeitung" unter Verschmelzung mit demBote von Braunenberg" gegründet wurde, wird nun auf 1. August auch die bisher von Adolf Oettinger betriebene Akzidenzdruckerei in den Besitz derAktiengesellschaft D. Volksblatt" über­gehen.

Ulm, 22. Juli. In Weidenstetten, hiesigen Oberamts, hat der Polizeidiener Johann Witt- linger seine Frau mit der Heugabel erschlagen. Der Vorfall, der im Orte die größte Aufregung hervorrief, hat sich auf freiem Felde zugetragen. Dort arbeitete der Polzeidiener, der sich neben seinem Amte auch als Taglöhner verdingte, im Dienste eines Bauern. Gegen Mittag kam auch seine 65 Jahre alte Frau auf die Wiese, um an der Heu- arbeil mitzuhelfen. Wie so manchmal, war sie aber auch diesmal wieder betrunken; Wittlinger geriet darüber so in Aufregung und Zorn, daß er mit der Heugabel auf seine Frau losging und wie unsinnig lange Zeit auf sie einhieb. Schon als die Fau be­wußtlos und von Mitbeschäftigten in ein Kornfeld geschafft worden war, ließ er von der Frau nicht ab, die gegen 3 Uhr ihren Geist aufgab. Der Mann wurde verhaftet.