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117.
Neuenbürg, Freitag -eu 23. Juli 1999.
67. Jahrgang.
Die neuen Steuern.
Das Inkrafttreten der neuen Steuergesetze wirft bereits seine Schatten voraus. Wie jeder Ueber- gangszustand ist auch dieser ungemütlich und für die Beteiligten aufregend. Denn die betroffenen Industrien sind noch keineswegs sicher, in welcher Weise die Ausführungsbestimmungen der neuen Gesetze angeordnet werden, eine Maßnahme, die für den inneren Geschäftsbetrieb von großer Bedeutung ist. Auch über die Art, in welcher dem Publikum, das die Kosten der Reform zahlt, die Preiserhöhung mundgerecht gemacht werden soll, gehen die Meinungen noch auseinander.
Da über die Sätze, die die neuen Steuergesetze vorsehen, Unklarheiten bestehen, seien die wichtigsten Bestimmungen der einzelnen Steuergesetze hier aufgeführt.
1. Branntweinsteuer.
Die Verbrauchsabgabe wird von 70 auf 125 lür das Hektoliter Alkohol erhöht; für Kontingentsbranntwein beträgt der Satz 105 (früher 50) ^ Die übrigen Branntweinsteuern fallen weg, dafür wird aber neben der Verbrauchsabgabe eine neue Betriebsauflage geschaffen, die je nach der Produktion 4—14 ^ beträgt. Mit dieser Betriebsauflage ist eine zweite Art von Kontingentierung verbunden worden; es wird jeder Brennerei ein sogenannter Durchschnittsbrand zuerteilt; für den Ueberbrand tritt eine starke Erhöhung der Betriebsauflage ein. Aus den Einnahmen der Betriebsauflage werden Prämien für denaturierten Branntwein gezahlt. Die bisher erhobene Maischraumsteuer fällt weg, so daß die tatsächliche Steuererhöhung nur etwa 40 ^ pro Hektoliter Alkohol oder 10 pro Liter Trinkbranntwein von 25 Prozent Gehalt beträgt. Das Gesetz tritt am 1. Oktober 1909 in Kraft.
2. Tabaksteuer.
Der Reichstag hat die von der Regierung beantragte Banderolesteuer abgelehnt und dafür ein gemischtes System von Gewichts- und Wertsteuer beschlossen. Der Zoll wird für Tabakblätter auf 85 Mark pro Doppelzentner, für Tabakerzeugnisse auf 85 bis 700 für Zigarren auf 270 -/-L und für Zigaretten auf 1000 erhöht. Hierzu kommt für Tabakblätter und Zigarren ein Wertzuschlag von 40 Prozent. Die Tabaksteuer für Tabak wird auf 57 ^ erhöht und tritt am 15. August ds. Js. in Kraft. Außerdem erfahren die Sätze der schon bestehenden Zigarettenbanderole vom 1. September an eine Steigerung.
3. Brausteuer.
Die Brausteuer wird vom 1. August an von 4 bis 10 auf 14—20 ^ pro Doppelzentner erhöht, die Staffel richtet sich nach der Produktion. In der dritten Lesung ist eine beschränkte Kontingentierung beschlossen worden; neu errichtete Brauereien sollen in den nächsten zehn Jahren eine Strafsteuer zahlen. Während die Brausteuer bisher per Doppelzentner Malz je nach Größe der Brauerei 4—10 ^ betrug, wurde sie auf 14—20 ^ erhöht, also durchschnittlich um 10 ^ pro Doppelzentner, was einer Verteuerung des Bieres um 2 -/A vom Hektoliter oder 2 ^ auf das Liter Bier entspricht. Diese Steuererhöhung soll einschließlich der von den süddeutschen Staaten, welche ihre eigene Biersteuer besitzen, zu zahlenden Ausgleichabgäben jährlich 100 Millionen Mark Ertrag bringen. Die Erhöhung der Biersteuer im norddeutschen Brausteuergebiet wird bekanntlich auch eine Erhöhung der Malzsteuer in Württemberg im Gefolge haben und es hat der württ. Finanzminister neulich in der Finanzkommission eine diesbezügliche Vorlage bereits angekündigt. Die Erhöhung der Malzsteuer wird aber, wie man hört, vor dem 1. Oktober ds. Js. nicht in Kraft treten und es wird durch die in Aussicht genommene Steuererhöhung i Hektoliter Bier eine Mehrbelastung von etwa 1,60 ^ erfahren.
4. Schaumweinsteuer (Champagner).
Die Schaumweinsteuer wird von 50 ^ auf 1
pro Flasche vom 1. Aug. ab erhöht, teuerere Sorten zahlen künftig 2 und 3 Steuer pro Flasche.
5. Steuer auf Beleuchtungsmittel.
Die neue Steuer auf Glühstrümpfe und elektrische Lampen im Betrage von 20 Millionen trat an Stelle der Regierungsvorlage, welche eine Gas- und Elektrizitätssteuer in Höhe von 50 Millionen Mark einführen wollte. Mit Rücksicht darauf, daß das Beleuchtungsmittel der großen Masse der Bevölkerung, das Petroleum, schon seit 30 Jahren sehr hoch besteuert ist, wurde es für richtig erachtet, das elektrische und Gaslicht durch Besteuerung der Glühstrümpfe und elektrischen Lampen auch etwas zu den Lasten heranzuziehen. Die Steuer für Beleuchtungsmittel mit Nachsteuer tritt am 1. Okt. 1909 in Kraft.
6. Zündwarensteuer.
Der Steuersatz beträgt für Zündhölzchen 14/r für je 60 Stück, mindestens aber 1 für jede Schachtel; für Zündkerzchen 5 für je 20 Slück. Die Besteuerung der Zündwaren tritt nur zum Teil am 1. August in Kraft, soweit es sich um Erhöhung des Zolls auf Zündhölzer und Zündstäbchen aus Pappe von 10 auf 30^! handelt; im übrigen gilt die neue Steuer vom 1. Oktober 1909 ab. Die Steuer auf Zündhölzer besteht in ähnlicher Weise jedoch in vielen anderen Ländern und hat den guten Nebenzweck, daß sie zur sparsamen Verwendung und sorgfältigeren Aufbewahrung der Zündhölzer veranlaßt.
7. Zoll auf Kaffee und Tee.
Der Kaffeezoll wird von 40 auf 60. der Teezoll von 25 auf 100 -4? per Doppelzentner erhöht. Für die Uebergangszeit tritt Nachverzollung ein. Die Erhöhung des Tee- und Kaffeezolls beträgt 10 auf das Pfund Kaffee, für Tee wurde der alte Zollsatz, wie er bis zum Jahre 1906 bestand, wieder hergestellt. Gültigkeit des Gesetzes vom 1. Aug. an.
8. Effektenstempel.
Der Stempel erfährt in verschiedenen Punkten Erhöhungen, die die Steuer auf 1 bis 4 pro Mille festsetzen.
9. Wertzuwachssteuer.
Die Wertzuwachssteuer auf Grundstücke, welche den Spekulationsgewinn an Grundstücksverkäufen, also namentlich die Güterschlächter und Grundstücksspekulanten treffen soll, wurde zwar prinzipiell beschlossen und muß bis zum 1. April 1912 eingeführt sein. Da die Vorarbeiten für das Gesetz jedoch längere Zeit erfordern, soll für die Zeit vom 1. Aug. 1909 an bis zum 1. April 1912 einstweilen ein Umsatzstempel von zwei Drittel Prozent auf Grundstücksverkäufe als Ersatz erhoben werden, vom 1. April 1912 an jbeträgt solcher nur noch ein Drittel Prozent, und sobald die Wertzuwachssteuer nach diesem Datum den Ertrag von 40 Millionen Mark jährlich bringt, fällt der Umsatzstempel fort.
10. Stempel auf Schecks, Bankquittungen und Wechsel.
Für Schecks- und Bankquittungen wird ein Fixstempel von 10 eingeführt, für Wechsel, die länger als 3 Monate laufen, tritt eine Erhöhung des Stempels ein. Die Steuer soll nach Ansicht der Regierung 13 Millionen Mark jährlich erbringen. Der Scheckstempel tritt am 1. Oktober, die Erhöhung des Wechselstempels für langfristige Wechsel am 1. August 1909 in Kraft.
Talonsteuer.
Von 10 zu 10 Jahren wird von den Talons ein Stempel erhoben, im Normalfall 1 Prozent. Reichs- und Staatsanleihen sind befreit. Die Talonsteuer tritt am 1. August ds. Js. in Kraft.
Aalesund. 22. Juli. Der deutsche Kaiser begab sich heute nachmittag mit Gefolge an Land, um die neue Kirche zu besichtigen. Um 6 Uhr kehrte der Kaiser auf die „Hohenzollern" zurück. Die Stadt trägt reichen Flaggenschmuck. Eine große Menschenmenge brachte dem Kaiser begeisterte Huldigungen dar.
Eine große Ueberraschung hat es in Frankreich gegeben, wo übernacht, sozusagen, das Kabinett Clemenceau zusammengebrochen ist. Noch vor acht Tagen schien es fester zu stehen als je und über mehr Vertrauensvoten zu verfügen als irgend ein anderes Ministerium der Welt. Nun liegt es plötzlich am Boden. Daß es Delcassö sein mußte, der den alten Ministerstürzer stürzte, will uns nicht gefallen. Ein Treppenwitz der Geschichte aber wollte es, daß von den beiden besten Freunden des Königs Eduard in Frankreich der eine den anderen abtun muß. wobei freilich zu beachten ist, daß der Besiegte die englische Freundschaft weniger auf unsere Kosten pflegte als der Sieger. Unsere Diplomatie wird gut aufpassen müssen, wenn Delcassö wieder ans Ruder kommt. Wir glauben aber, daß seine eigenen Freunde so boshaft sein werden, ihn im Marineministerium kalt zu stellen. Dort findet er Arbeit genug, um auf keine Extravaganzen zu verfallen.
Im Ausland hat sich in dieser Woche allerhand interessantes begeben. Die Spanier haben einen Jnfanten seines Titels und Ranges für verlustig erklärt, weil er ohne königliche Erlaubnis eine Prinzessin von Sachsen-Koburg-Gotha geheiratet hat, was ihn aber nicht hinderte mit seiner jungen Frau auf die Hochzeitsreise zu gehen. Wäre er ledig geblieben, so könnte er sich jetzt in der Gegend von Melilla mit den Riffkabylen herumschlagen, mit denen Spanien in den schönsten und dazu in einen recht gefährlichen Krieg verwickelt ist, bei dem viel Schläge und wenig Ehre zu holen ist, wenn das Riff auch kein Kuba und die Kabylen keine Amerikaner sind. Der Mann, der nach dem Verluste jener gesegneten Insel den rechten Moment zur Wiederentfaltung seiner Flagge verpaßte — er hat überhaupt sein Lebtag alles verpaßt bis auf die Hinrichtung eines deutschen Zeitungsberichterstatters, die ihm von deutschen Gerichten das Prädikat Mörder eintrug — der Karlistenhäuptling und Thronprätendent Don Carlos ist gestorben. Seine spanischen Aktien wurden immer weniger wert, je öfter der Storch im Eskorial vorspricht.
Im ungarischen Parlament hatte es sich in letzter Zeit wiederholt ereignet, daß Abgeordnete aus der Bibliothek wertvolle Bücher entlehnt hatten, ohne sie, trotz wiederholter Mahnung zurückzuerstatten. Die betreffenden Abgeordneten waren nun neulich sehr unangenehm überrascht, als ihnen der Wert dieser Bücher von ihren Diäten abgezogen wurde. Die Abzüge beliefen sich bei manchem Abgeordneten auf 500, 1000, 1500, ja sogar auf 2000 Kronen. Die Affäre erregt in Ungarn das unangenehmste Aussehen.
150000 Fernsprechanschlüsse wird Groß- Berlin ohne Zweifel noch im Laufe dies^ Jahres erreichen. Nach der letzten Aufstellung der Oberpostdirektion vom 30. Juni sind im ganzen Bezirk 146476 Fernsprechanschlüsse vorhanden.
Frankfurt a. M., 20. Juli. Die gestrige Zielfahrt des württembergischen Vereins für Luftschiffahrt auf der „Jla" endete mit dem Siege des von Riedinger jun. geführten Ballons „Gersthof er", 800 Meter vom Ziel entfernt, das unweit von Büdingen durch ein weißes Kreuz markiert war. Zweiter wurde der Ballon „Württemberg".
Mannheim, 21. Juli. Verschiedene Mannheimer Blätter teilen mit, die Zeppelin-Gesellschaft habe die Einrichtung einer Luftschifflinie Friedrichshafen —Straßburg — Baden - Baden—Frankfurt a. M. beschlossen. Da auf diesem Wege Mann-