Zweites
Zweites
Blatt.
Der «nztäler.
^ 116 .
Reuenbürg, Mittwock den 21. Zuli 1969.
67. Jahrgang.
Württemberg.
Stuttgart, 18. Juli. Die Nationalliberale Partei — Deutsche Partei in Württemberg hielt am Samstag eine außerordentliche Vertreterversammlung zur Besprechung der politischen Lage ab. Die Versammlung war sehr stark aus allen Teilen des Landes besucht und zeigte die gleiche Einhelligkeit der Partei, wie der große Parteitag in Berlin am 4. Juni. Nach Referaten vom Reichstagsabg. Pros. Dr. Hieb er'und Parteisekretär Keinath nahm die Versammlung einstimmig folgende Resolution an: „Die Vertreterversammlung des Landesverbandes der Nationalliberalen Partei — Deutsche Partei — in Württemberg spricht ihre volle Uebereinstimmung mit den Beschlüssen des allgemeinen Vertretertages der Partei in Berlin und mit der Haltung der Reichstagsfraktion aus. Die Beschlüsse der neuen Mehrheit des Reichstages bedeuten eine schwere Belastung des gesamten Erwerbslebens und eine Mißachtung der Interessen des in Württemberg besonders zahlreichen bäuerlichen und gewerblichen Mittelstandes. Die Versammlung ruft das schwäbische Volk in Stadt und Land zu energischem Kampf gegen den unsere nationalen Interessen schwer schädigenden ultramontan-konservativ-polnischen Block auf und erwartet, daß alle Bezirks- und Ortsvereine der Nationalliberalen Partei — Deutschen Partei — die Arbeit in diesem Sinne unverzüglich aufnehmen."
Stuttgart, 17. Juli. Der kieitere, zahlreich erschienene Ausschuß der deutschen Volkspartei trat heute in Stuttgart zu einer Sitzung zusammen. Nach längerer Aussprache fand folgende Resolution einstimmig Annahme: „Der weitere Ausschuß der deutschen Volkspartei spricht der Fraktion und ihren Führern den Dank für ihre Vertretung der Volksinteressen und ihr einmütiges Vertrauen aus. Der Ausschuß erachtet den Zeitpunkt für gekommen für die Schaffung einer einheitlichen Partei durch die drei linksliberalen Parteien auf Grund eines freiheitlichen Programmes mit einer die Bewegungsfreiheit der Parteigenossen der einzelnen Länder in Rahmen der Gesamtpartei gewährleistenden Organisation und beschließt einmütig, in diesem Sinne die Frage der Parteiverschmelzung auf die Tagesordnung des bevorstehenden Parteitages zu setzen." Weiter wurde beschlossen, den diesjährigen Parteitag in Heidelberg abzuhalten.
Neuffen, 18. Juli. Auf dem Hohenneuffen wurde ein nationalliberales Sommerfest des fünften
Die Dame mit den Rosen.
Kriminalroman von G. Quis.
26) -(Nachdruck verboten.!
(Fortsetzung.)
Drei Monate vergingen. Die zahlreichen Besuche, ein lebhafter Briefwechsel, die Gewißheit, mehr wieder zu finden, als er verloren hatte, verliehen dem Gefangenen Geduld.
Endlich rückte die langersehnte Schwurgerichtssitzung heran, der man allgemein mit um so größerer Spannung entgegensah, da Karl als Zeuge vorgeladen war, während der ehemalige Zeuge auf der Bank der Angeklagten sitzen sollte. Inzwischen verbreitete sich die Kunde, daß die Marode, eine Hauptzeugin, sich im Gefängnis erhängt hatte.
Die Zuschauerräume waren an dem betreffenden Tage wiederum überfüllt. Menschen aus allen Klassen der Gesellschaft wollten Zeugen der merkwürdigen Verhandlung sein. So groß der Saal auch war, faßte er dennoch die Zahl der Neugierigen nicht. Draußen aus dem Platze vor dem Gerichtsgebäude drängte sich eine unruhige Masse und wartete gespannt auf die Entscheidung.
Als Karl erschien, um seine Zeugenaussage abzugeben, richteten sich aller Augen auf ihn. Er hörte Worte der Ermutigung, des Mitleids, der Teilnahme. Er grüßte die unbekannten Freunde, die an seinem Schicksal so innigen Anteil nahmen, und sprach mit klarer Stimme, ohne Haß, ohne Bitterkeit, als ob er ganz außerhalb dieser Sache stände, und als ob
I Reichstagswahlkreises abgehalten, bei welchem Reichs- s tagsabg. Wetzel der Hauptredner war. An den Fürsten Bülow wurde ein Telegramm geschickt mit der Versicherung unauslöschlichen Dankes für alles, was er für Deutschlands Landwirtschaft, Gewerbe und Handel, für des Deutschen Reiches Ehre und Frieden geleistet.
Schloß Unterriexingen, 20. Juli. Vergangene Nacht wurde hier im Schloß des Hrn. Grasen Leutrum von Ertingen eingebrochen und in den Zimmern des Grafen sämtliche Schränke und Schreibtische aufgebrochen. Entwendet wurde dabei ein wertvoller silberner Siegelstock im Wert von etwa 500 Mk.
Weil der Stadt, 19. Juli. In Abwesenheit der Eltern machte sich ein dreijähriges Kind zu seinem 1'/ 2 jährigen Brüderlein in dessen Bettlein. Das ältere Kind muß nun Zündhölzchen erwischt und damit gezündelt haben, wodurch das Hemd- chen des jungen Brüderchen in Flammen geriet und es am Fuß, Unterleib und Arm derart verbrannt wurde, daß es wohl kaum mit dem Leben davonkommen dürfte. — In Merklingen ließ ein dortiger Landwirt seinen Göppel anlaufen. Zu gleicher Zeit machte sich sein achtjähriger Sohn an der Futterschneidmaschine zu schaffen. Ein durchdringender Schrei veranlaßte den Landwirt abzustellen und nach der Ursache zu sehen. Ein nicht geringer Schrecken mag dem Vater in die Glieder gefahren sein, als er eine Hand seines Sohnes glatt abgeschnitten am Boden liegen sah.
Stuttgart. kLa«desProduktenbörseZ (Bericht vom 19. Juli.) Die Witterung war in der abgelaufenen Woche kühl und regnerisch und wäre trockenes, schönes Wetter sehr erwünscht. Durch die starken Regeniälle wird eine Schädigung des Erntestands befürchtet, auch verzögert sich dadurch allgemein die Ernte. Die Abladungen aus Argentinien und Rußland waren schwächer und bleibt trotz der etwas niedrigeren amerikanischen Kurse die Stimmung für Weizen eine feste. — Mehlpreis« per 100 Kilogr. inkl. Sack: Mehl Nr. 0: S9 Mk. — Psg. bis 4v Mk. — Psg., Nr. 1: 38 Mk. — Psg. bis 39 Mk. — Psg., Nr. 2: 37 Mk.
— Psg. bis 38 Mk. - Psg., Nr. 3: 36 Mk. - Psg. bis 37 Mk. - Psg., Nr. 4: 32 Mk. — Psg. bis 33 Mk.
— Psg. Kleie 11 Mk. — Psg. bis II Mk. 50 Psg. (ohne Sack.)
Slus StaSt, Bezirk unS Umgebung.
Neuenbürg, 19. Juli. Biersteuer und Bieraufschlag. Die Eröhung der Biersteuer im norddeutschen Brausteuergebiet wird bekanntlich auch eine Erhöhung der Malzsteuer in Württemberg im Gefolge haben und es hat der Finanzminister neulich in der Finanzkommission eine diesbezügliche
das Verbrechen Münchs niemals sein eigenes Haupt belastet hätte.
Daß sich unter den anwesenden Damen auch Anna befand, bedarf kaum der Erwähnung.
Als Karl seine Aussage gemacht, nahm er neben seinem Freunde, dem Rechtsanwalt Schwinger, Platz. In der Sache selbst gab es keinen Zweifel mehr.
Münch gestand alles in der Hoffnung auf eine Milderung der Strafe. Er erzählte, daß er zur Zeit, als Karl aus dem Hause seines Oheims zog, ebenfalls dessen Dienst verlassen habe, in der Absicht, diesen Umstand sich zunutze zu machen und aus einer scheinbaren Mißhelligkeit zwischen dem Oheim und dem Neffen sich einen ruchlosen Vorteil zu verschaffen. Karl hatte dem Münch damals abgelegte Kleidungsstücke und Schuhzeug geschenkt. Der Elende hatte sorgfältig ein paar Stiefel verwahrt, um absichtlich durch die Fußspuren den Verdacht auf Karl zu lenken. Er schilderte dann ein Verhältnis zur Marode, wie er in jener Nacht sich zu ihr begeben und am andern Morgen nach Treilburg abgereist sei.
Als er bei dieser Gelegenheit Annas erwähnen mußte, wechselte seine Stimme und ging in sehr langsam klingende, wehmütige Töne über. Seine Augen rollten, der wilde Blick schweifte über den Kreis der auf der Tribüne anwesenden Damen, doch unter den mit Blumen, Bändern und Spitzen geschmückten Hüten konnte er die lieblichen Züge der jungen Dame nicht heraus erkennen.
„Dieses Mädchen hat mich verraten." sagte er zum Präsidenten. „Ich liebte sie so sehr, daß ich
Vorlage bereits angekündigt. Die Erhöhung der Malzsteuer wird aber, wie man hört, vor dem 1. Oktober ds. Js. nicht in Kraft treten und es wird der auf den Konsum umzulegende Betrag 3 ^ pro Hektoliter nicht übersteigen. In Leipzig hielt am Donnerstag der Bund deutscher Gastwirte unter Teilnahme der süddeutschen Delegierten eingehende Besprechungen über die bevorstehende Bierpreiserhöhung ab.
Neuenbürg, 19. Juli. Von den neuen Steuern. Durch die Reichstagsverhandlungen ist bekannt geworden, daß die Zündhölzer für die Folge mit einer nicht unerheblichen Steuer belastet werden. Die Folge davon ist eine kolossale Nachfrage in allen Geschäften, daß eine förmliche Zündholznot entstanden ist, weil die Fabriken nicht im Stande gewesen sind, ihre Produktionen so rasch zu steigern, daß allen Anforderungen entsprochen werden kann. Nun tritt aber die Steuer auf Zündhölzer erst am 1. Oktober in Kraft, so daß also die Konsumenten noch genügend Zeit haben, sich zu versorgen und ihren Lieferanten Zeit lassen sollten, nach und nach wieder beizuschaffen. Man möge für sichere, den Kindern nicht zugängliche Aufbewahrung sorgen. Anders verhält es sich mit Kaffee und Thee! Die Zollerhöhung für diese beiden Artikel tritt bereits am 1. August in Kraft und beträgt 10 per Pfund für rohen Kaffee, 12'/, per Pfund für gerösteten Kaffee und 37'/, ^ per Pfund für Thee. Um diese Beträge werden also die Artikel vom 1. August ab verteuert. Quantitäten bis zu 20 Pfund, welche sich im Besitze von Haushaltungen befinden, bleiben von der Nachversteuerung befreit. Bis Ende Juli ist den Hausfrauen Gelegenheit geboten, noch zu bisherigen Preisen zu kaufen. Bei guter Aufbewahrung des rohen Kaffees in reiner trockener Luft verbessert sich der Geschmack, bis zu 3 Jahren bei feinen guten und bis zu 6, selbst 10 Jahren, bei billigeren Sorten; gebrannter, wenn in Blechdosen verschlossen, hält sich einige Monate, ohne viel an Aroma einzubüßen. Thee kann in gutverschlossenen Blechdosen über 1 Jahr aufbewahrt werden, ohne an Wert zu verlieren; man muß aber darauf achten, daß der Raum trocken und möglichst dunkel ist, bei Feuchtigkeit wird er modrig. Auch Zigarren und Zigaretten werden erheblich teurer! Die neue Steuer auf die im Inland fabrizierten Zigarren tritt am 15. August in Kraft und beträgt etwa 20°/o des bisherigen Wertes; im Inland fabrizierte Zigarren sind nicht nachzuversteuern. Auch die neue Glühlampen st euer bringt eine Verteuerung der Glühlampen schon vom
ihr von meinem Reichtum erzählte und ihr mein Geheimnis anvertraute. Ihretwegen folgte ich der Marode. Ich zitierte aus Furcht, die Geliebte zu verlieren. Sie war mit Jakob verbündet."
Auf die Frage, die man an den alten Diener Jakob nach dem jetzigen Aufenthalt des jungen Mädchens richtete, antwortete er:
„Was sollte sie im Gerichtssaal machen? Sie hat nichts auszusagen; sie ist sanft, gütig, zuvorkommend gegen alle und keine üble Nachrede kann ihr folgen. Sie durfte einen Mann aus der Zahl der Reichen und Glücklichen wählen. Sie ist nach ihrer Heimat zurückgekehrt."
Damit blieb er bei der Wahrheit. Der Gerichtshof verzichtete auch, als unerheblich, auf ihr Zeugnis."
„Anna," schrie plötzlich, wie vom Wahnsinn gepackt, der Verbrecher in die Gerichtsversammlung hinein, „ich will dich sehen, ich will dich um Gnade bitten, ich will, daß du für mich bitten sollst!"
Der Schmerz des Unglücklichen unterbrach für einen Augenblick den Fortgang der Verhandlung. Karl richtete leise eine Frage an Schwinger, worauf dieser antwortete:
„Wenn jene Anna ihn zugrunde gerichtet hat, so geschah es, um dich zu retten."
„Und wer ist meine Befreierin?"
„Sie ist unter dem poetischen Namen der Rose von Treilburg bekannt. Ich habe, um sie zu sehen, eine vergebliche Reise gemacht, und einer meiner Freunde, der sie dort gesehen hat, ist beinahe wahnsinnig aus Liebe zu ihr geworden."