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114.
Neuenbürg, Samstag den 17. Juli 1909.
67. Jahrgang.
Berlin, 16. Juli. Der Kaiser tritt seine Nordlandreise am Samstag früh an. — Fürst und Fürstin Bülow werden am Samstag mittag Berlin verlassen und sich nach Norderney begeben. — Die neuen Steuergesetze werden die Unterschrift des neuen Reichskanzlers tragen.
Berlin, 16. Juli. Der „Kreuzztg." zufolge erschien gestern nachmittag unter der Führung des Reichskanzlers v. Bethmann-Hollweg eine Abordnung des Bundesrats beim Fürsten Bülow, um ihm zum Abschied eine Adresse zu überreichen. Nachdem der Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg die Adresse mit einer Ansprache überreicht hatte, dankte Fürst Bülow und fübrte in einer kurzen Erwiderung aus: Die Adresse bereite ihm deshalb aufrichtige Freude, weil er sie als einen Beweis dafür ansehe, daß es ihm gelungen sei, sich das Vertrauen des Bundesrats zu erwerben. Vertrauensvolle Fühlung mit dem Bundesrat zu unterhalten, sei ihm vom ersten Tag seiner Amtsführung an ein Bedürfnis gewesen. Er wisse, wie lebendig und tiefgewurzelt der Reichsgedanke im Bundesrat sei. Solange dem so sei, können wir mit Ruhe in die Zukunft blicken. Er übergebe mit vollem Vertrauen die Geschäfte an Hrn. v. Bethmann-Hollweg, ein Vertrauen, das nicht nur begründet sei auf der Anerkennung der hohen Begabung seines Nachfolgers, sondern auch auf der Achtung vor dessen Charaktereigenschaften.
Berlin, 15. Juli. Die „Nordd. Mg. Ztg." meldet: Der Vorstand des Bundes vaterländischer Arbeitervereine hat an den Fürsten v. Bülow ein Schreiben gerichtet, worin betont wird, auch der Bund vaterländischer Arbeitervereine betrachte den Rücktritt des Fürsten als ein für Kaiser und Reich verhängnisvolles Ereignis. Nach Würdigung der Verdienste des Fürsten um die äußere Politik und die Erhaltung des Friedens heißt es dann weiter: Auch in der inneren Politik haben Ew. Durchlaucht große Erfolge zum Segen unseres Vaterlandes zu verzeichnen. Durch die Handelsverträge ist unserer nationalen Arbeit der erforderliche Schutz auf längere Zeit gewährleistet worden. Vor allem aber bedeutet die durch Ew. Durchlaucht bewirkte Niederlage der Sozialdemokratie bei den letzten Reichstagswahlen geradezu einen Wendepunkt in unserer inneren nationalen Entwicklung. Schließlich wird an den Fürsten die ehrerbietige Bitte gerichtet, als Schöpfer und Wiedererwecker der nationalen Bewegung in der deutschen Arbeiterschaft die Ehrenmitgliedschaft des Bundes anzunehmen. — In der Antwort des Fürsten heißt es, er werde sich freuen, auch weiter sein Interesse für die Vereinigung der vaterländischen Arbeiterschaft zu bezeugen und sei gerne bereit, die Ehrenmitgliedschaft anzunehmen.
Berlin, 16. Juli. Der Vorsitzende des Hansabundes, Geh. Rat Rießer, nimmt in der Deutschen Wirtschaftszeitung Gelegenheit, noch einmal auf das Wesen des Hansabundes hinzuweisen. Er betont, der Hansabund sei keine politische Partei, sondern eine wirtschaftliche Vereinigung mit gewissen, durch sein wirtschaftliches Programm bedingten Zielen. Gewerbe, Handel und Industrie seien mit Recht davon durchdrungen, daß weder ihnen noch der Landwirtschaft eine Vorherrschaft im Staat gebühre, daß sie aber einen begründeten Anspruch auf die Mitherrschaft im Staatswesen und zwar in dessen Verwaltungsgesetzen und Leitung erheben dürfen. Für eine Betätigung konfessioneller Interessen oder Austragung konfessioneller Gegensätze sei im Hansabund kein Raum. Wer etwa auf Grund von Erwägungen, die auf konfessionellem Boden liegen, dem Bund beitrete, verkenne die Ziele des Bundes ebenso wie der, der ihm aus konfessionellen Gründen fernbleibe.
Die neue Finanzreform sieht bis jetzt in ihren Erträgnissen folgendermaßen aus: Grundstücksübertragungen 40 Millionen, Glühkörper 20, Kaffee- und Teezoll 37, Wechselstempel 2, Bier 100, Tabak 43, Branntwein 80, Schaumwein 5, Zündwaren 25, Quittungen über Schecks 20, Kuren- und Effektenstempel 22'/s, Talvnstempel'27^s, Erhöhung der Matrikularbeiträge 25 Millionen. Dazu kommen die bestehenden bezw. die aufrechterhaltenen Steuern: Fahrkartensteuer 20 Millionen, Zuckerschuer 35 Mill., zusammen 502 Millionen. Als Besitzsteuern gellen in dieser Aufstellung die Stempel auf den Umsatz von Grundstücken, Scheck- und Bankguthaben, Kuxe und Effekten und Talons, sowie die Erhöhung der Matrikularbeiträge, alles in allem 135 Mill. Mark.
Berlin, 15. Juli. Die Vertreter des gesamten deutschen Brauerei- und Gastwirtgewerbes sind gegenwärtig in Berlin versammelt, um über die zweckmäßigste Abwälzung der neuen Bier st euer auf das Publikum zu beraten. Alle maßgebenden Organisationen der am Bierverkauf interessierten Gewerbetreibenden haben Vertreter entsandt und heute soll die letzte entscheidende Sitzung stattsinden. Die bisherigen Verhandlungen haben bereits zu einer grundsätzlichen Einigung der Brauer und Gastwirte in der Richtung geführt, daß am 1. August eine Bierpreisgemeinschaft für das ganze nord- und süddeutsche Brausteuergebiet in Kraft treten soll. Die Brauer werden für ihre bisherigen Bierabnehmer den Bierpreis um 5 Mk. pro Hektoliter erhöhen und für die Gastwirte wird ein Mindestpreis von 40 Pfg. pro Liter beim Verkauf an die Konsumenten festgesetzt. Die Gastwirte, die ihren Kunden das Bier unter diesem Mindestpreis verkaufen, erhalten von den der Preisgemeinschaft angeschlossenen Brauereien kein Bier mehr geliefert, während umgekehrt die Brauereien, die sich nichl an den Preistarif von den Gastwirtsorganisationen halten, boykottiert werden sollen. Auch im Flaschenbierhandel haben die Brauereien den Preis für den Kasten Bier um 50 Pfg. erhöht. Das Publikum muß künftig mindestens 35 Pfg. für 3 Flaschen zahlen, während bisher beim Flaschenbiergewerbe oft noch unter den Preis von 10 Pfg. pro Flasche heruntergegangen wurde. In der heute stallfindenden Schlußsitzung sollen auch feste Abmachungen zwischen den Brauereien und Gastwirten getroffen werden, um das gesamte Biergeschäft auch in anderer Beziehung einheitlich zu regeln und vor allem die Konkurrenz des ffi »-Ausschanks usw. zu beseitigen.
Berlin, 16. Juli. Der Magistrat der Stadt Berlin hat heute beschlossen, dem Babelsberger Platz den Namen „Fürst Bülowplatz" zu geben.
In Paris ist der Tag des 14. Juli, der Tag des französischen Nationalfestes, in der üblichen lärmvollen Weise mit einer Truppenparade vor dem Präsidenten Falliöres in Longshamps als Hauptstück begangen worden. In der französischen Deputiertenkammer ist von dem französischen Sozialistenführer James der Antrag eingebracht worden, die Regierung solle im Hinblick auf das entlarvte Treiben des russischen Polizeispions Harting ausländische Polizeiorganisationen in Frankreich nicht mehr dulden. In England erreicht die Bewegung gegen den bevorstehenden Zarenbesuch in Cowes nachgerade ihren Höhepunkt. An diesem Sonntag sind im ganzen Lande von sozialistischer Seite rund 10000 Protestversammlungen gegen den Zarenbesuch geplant. Das Oberhaus verwarf am Mittwoch den Antrag Lord Roberts auf Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in der englischen Territorialarmee mit 123 gegen 103 Stimmen.
Der Pforte ist von den Schutzmächten Kretas eine neue Note überreicht worden, welche erklärt, daß die Mächte den gegenwärtigen Zustand nicht als eine endgültige Lösung des kretischen Problems betrachten, und daß sie sich das Recht vorbehielten, mit der Türkei über das fernere Schicksal der Insel
zu verhandeln. Die Note hat in Pfortenkreisen Enttäuschung, in Athen und auf Kreta dagegen Befriedigung hervorgerufen.
Die persischen Wirren treiben offenbar ihrer Entscheidung zu. Die Rebellen sind in Teheran eingedrungen und fechten mit den Schahtruppen blutige Straßenkämpfe aus. Zur Lage in Marokko verlautet, daß der Thronprätendent Bu Hamara unter blutigen Kämpfen mit den Truppen des Sultans Mulay Hafid in der Hauptstadt Fez eingedrungen sei. Ueber den Ausgang diejer Kämpfe und über das Schicksal Mulay Hafids ist noch nichts bekannt.
In Südamerika droht infolge des bolivianischperuanischen Grenzstreites ein Krieg zwischen Peru und Argentinien einerseits und Bolivia andererseits auszubrechen. Die bolivianische Regierung verhängte über das ganze Land den Belagerungszustand und proklamierte das Standrecht, außerdem berief sie alle Reserven der drei letzten Jahrgänge telegraphisch ein.
Paris, 16. Juli. Das lenkbare Luftschiff „Ville de Nancy" ist heute morgen in Sartrouville bei Paris aufgestiegen und hat die Richtung nach Nancy genommen. Der Ballon erlitt in der Nähe von Varemoutiers, etwa 80 Kilometer von Paris entfernt, einen Motordefekt. Im Augenblick der Landung erfaßte ein Windstoß das Luftschiff, wodurch ein Schraubenflügel gebrochen wurde.
Der diesjährige nasse Sommer ist, wie der „Inf." aus Eisenbahnkreisen mitgeteilt wird, daran schuld, daß der Reiseverkehr nach der Schweiz geradezu ein Fiasko erlebt hat. Die Hotels stehen leer und in den höher gelegenen Orten lassen sich fast gar keine Gäste sehen. Für den diesjährigen Sommerfahrplan wurden große Einschränkungen im Eisenbahnverkehr vorgenommen, da sich die Züge nicht mehr rentieren. Einige Luxuszüge fallen in dem neuen Fahrplan vollständig weg, wie z. B. der Luxuszug Calais-Bern-Jnterlaken. Auch die Expreß- und Schnellzüge werden zum Teil aufgehoben, zum Teil eingeschränkt. Der Schnellzug Bern-Jnterlaken-Bern und die Expreßzüge Bern- Luzern und Luzern-Bern, die sonst schon am 15. Mai zu verkehren begannen und bis zum 1. Oktober fuhren, werden in diesem Jahre nur vom 1. Juli bis zum 15. September verkehren. Derartige Einschränkungen sind noch vielfach geplant und werden im Sommerfahrplan durchgeführt. Auch die Züge nach Deutschland und die Verbindungen von Deutschland aus werden nicht mehr so zahlreich sein, wie bisher. Für alle Schweizreisenden wird es also jetzt sehr gut sein, wenn sie eifrig die Kursbücher studieren, da sie sonst aufs allerschönste den Anschluß versäumen können. — Briefe von Sommerfrischlern melden aus der Schweiz: Vorläufig schneit es in den Bergen noch ausgiebig. Die Berge im Appenzell sind aufs neue tief verschneit. Bis zur Meglisalp fällt dichter Schnee seit letzten Mittwoch fast ununterbrochen. Im Säntisgebiet liegt der Schnee stellenweise 2 Meter hoch, und fast jede Nacht bringt 30—40 Zentimeter Neuschnee bei 3—4 Grad Kälte. Aehnlich ist es am Pilatus und selbst auf den niedrigeren Bergen, wie dem Rigi, sieht es aus wie mitten im Winter. Für das hungernde Vieh dort oben sind in den letzten Tagen Massen Heu hinaufbefördert worden. Bittere Klagen über die Wetter-Kalamität kommen auch aus dem Berner Oberland. Wenn also nicht endlich eine Wendung zum Besseren eintritt, droht eine finanzielle Krisis über die Schweizer Höhenkurorte hereinzubrechen. Man rechnet für das Land bereits mit einem Schaden von über 30 Mill. Franken.
Im S ulmtal ist der Personenzug Nr. 3102 entgleist. Die Ursache der Entgleisung ist auf einen Bahnsrevel zurückzuführen. Der Heizer wurde tödlich, mehrere Bahnbedienstete und Passegiere schwer verletzt.