Zweites

Blatt.

Der Lnztäler. s

92 .

Reuen bürg, Mittwock -en 9. Juni 1909,

67. Jahrgang.

Oermischres»

Wie Abdul Hamid in der Gefangen­schaft lebt. Von dem Major Fethi Bey, dem türkischen Offizier, dem in Saloniki die Ueberwach- ung des Exsultans übertragen ist, erhielt der Korre­spondent des Temps eine Schilderung des Lebens Abdul Hamids in der Villa Allatini und der Vor­gänge, die den Exsultan bestimmt haben, seine auswärtigen Bankdepositen der konstitutionellen Regierung zu überweisen.Als ich von Konstanti­nopel die Anweisung erhielt, von dem Sultan die Herausgabe seiner ausländischen Bankdepositen zu verlangen, benachrichtigte ich sofort den Intendanten Mushin Bey und ersuchte ihn, seinem Herrn niitzu- teilen, daß ich einen Auftrag bei ihm zu erfüllen habe. Ich wurde sofort empfangen, überreichte ihm die empfangene Depesche und riet ihm, die Summen von den Banken zurückzuziehen.Und wenn ich Ihren Rat befolge, welche Garantien bieten Sie mir? Ich möchte meine persönliche Freiheit garan­tiert wissen und auch die Zukunft meiner Kinder." Ich antwortete, daß die Zukunft seiner Kinder sicher- gestellt, seine persönliche Freiheit aber aus Gründen der Staatsraison einstweilen unmöglich sei.Die Zukunft", so sagte ich,hängt von Ihnen ab und den Gefühlen, die Sie der neuen Regierung be­zeugen." Nach kurzer Ueberlegung verlangte Abdul Hamid 24 Stunden Bedenkzeit. Am nächsten Morgen ließ er mich rufen und überreichte mir die fertigen Briefe für die Banken. Die Umschläge waren offen. Er verlangte von mir nur eine Quitt­ung über die Uebergabe der Briefe, die ich ihm sofort gab." Fethi Bey erzählt, daß der Sultan ihn sehr freundlich empfing und zu empfangen pflegte.Sobald ich eintrete, erhebt er sich, begrüßt mich in türkischer Weise, dann setzt er sich und ladet mich ein, ihm gegenüber auf dem Sessel Platz zu nehmen. Ich sehe ihn übrigens nur, wenn ich einen besonderen Auftrag auszuführen habe; ge­wöhnlich verkehre ich mit ihm nur durch Vermittlung des Intendanten. Er ist sehr neugierig; sobald er erfährt, daß ich in der Villa bin, läßt er mir durch den Intendanten einen Haufen Fragen über Kon- ftantinopel, den neuen Sultan, Saloniki, über die Armee stellen. Seit dem 25. Mai empfängt er auch Zeitungen und zwar den Tanin, den Sabah und die Dem Gazetta. Ausländische Zeitungen empfängt er einstweilen noch nicht. Seine Gedanken beschäftigen sich unausgesetzt mit der Furcht vor dem Tode. Immerhin scheint er sich nach und nach zu beruhigen. Er begreift, daß man nichts gegen sein

Die Dame mit den Rosen.

Kriminalroman von G. Quis.

2) - (Nachdruck verboten.)

Nachdem der alte Jakob sich entfernt hatte, begann Karl in seinem schönsten Zimmern einige Vorkehrungen zu treffen, die die baldige Ankunft eines ihm sehr teuren Gastes erwarten ließen. Er versäumte auch nicht, einen Blick in den Spiegel zu werfen, seine Haare zu bürsten und sich über­haupt sorgfältig mit seiner Toilette zu beschäftigen.

Sobald er fertig war, ging er unruhig im Zimmer auf und ab, blickte bald auf die Uhr, bald auf die Straße hinaus und lauschte mit klopfendem Herzen auf jedes Geräusch, das sich draußen hören ließ. Endlich glaubte er einen Schatten durch die einsame Straße gleiten zu sehen. Er eilte die Treppe hin­unter, öffnete die Haustür und lauschte von neuem. Eine Dame näherte sich, blickte ängstlich um sich und stieß einen leichten Schrei aus, als der un­geduldige Arm ihres Geliebten sie in den Flur des Hauses hineinzog.

Sei unbesorgt, Charlotte," flüsterte er,wir sind hier sicher und unbemerkt."

Mit zärtlicher Aufmerksamkeit führte Karl seine furchtsame Gefährtin die Treppe hinauf. Sie sank erschöpft auf einen Lehnstuhl und bedeckte ihr Ge­sicht mit beiden Händen. In ihrem ganzen Wesen lag nichts weniger als Koketterie oder Entzücken, mit dem Erwählten ihres Herzens allein zu sein.

Leben beabsichtigt. Vor drei oder vier Tagen er­schrak er heftig und zitterte, weil er in der Nähe der Villa einige Flintenschüsse hörte. Wir be­ruhigten ihn und sagten ihm, daß die Schüsse von einem Knaben herrührten, der auf die Spatzenjagd gezogen war. Der jugendliche Jäger ist übrigens veranlaßt worden, seine Jagdleidenschaft künftig zu beherrschen. Die Nervosität und Erregbarkeit des Sultans hat sich gebessert. Als er vor einigen

Tagen vergeblich auf einige Persönlichkeiten wartete, die er zu sich gebeten hatte und unter denen auch einige Frauen waren, wurde er allerdings wütend. Sie wollen mich langsam durch die Furcht, die

Langeweile und durch Quälereien ermorden", schrie er;ich bin hier schlecht untergebracht, die Zimmer sind fast ohne Möbel. Wenn ich etwas verlange, wird es mir versprochen, dann aber . . . nicht Wort gehalten!" Cr protestiert auch gegen die 1000 türkischen Pfund, die ihm ausgesetzt sind und die er für unzureichend hält.Denn man hat mir alles genommen, sogar meine Kleider." Und dann sprach er von den großen Summen, die er seinem Bruder Murad und dem jetzigen Sultan gegeben habe.

Die Zimmer des Sultans betritt niemand. Man

sagt, daß er in den Zimmern umhergehe, durch die Vorhänge sehe, aber er beschäftigt sich nicht und raucht beständig. Manchmal setzt er sich einige Augenblicke auf die Freitreppe der Villa. Um seine Person ist er sehr besorgt, läßt sich regelmäßig Bart und Haare färben; auch sein Gesicht ist stets sorgsam geschminkt, so daß sein Teint frisch und rosig aussieht."

Die Störche von Kolmar. Die alte Reichs­stadt im Oberelsaß war früher berühmt als Storchenkolonie. Noch 1870 zählte man dort zweiunddreißig Storchennester, heute sind es ihrer nur noch vier, darunter das größte und als Sehens­würdigkeit bekannte auf dem unvollendeten der beiden Münstertürme. Dieses hatte im Laufe vieler Jahre derartige Dimensionen angenommen, daß man befürchten mußte, es werde eines Tages Herabstürzen, und es deshalb vor einiger Zeit, ehe die Störche wiederkehrten, abnehmen ließ. Das Nest, das so viele Generationen der Familie Langbein beherbergt hatte, wies einen Durchmesser von 1 Meter 80 und eine Höhe von Iffs Metern auf. Das Gewicht be­trug 800 Kilo und die Masse war derart fest, daß sie mit Axlhieben zerschlagen werden mußte. Im Innern fand man u. a. folgende Gegenstände: siebzehn Frauenstrümpfe, fünf Pelzmützen, einen seidenen Blusenärmel, drei alte Stiefel, ein großes Stück Leder und vier Metallknöpfe. Das alte Nest

Sie schien vielmehr den gewagten Schritt zu bereuen und eine üble Deutung desselben selbst in Karls Augen zu fürchten.

Verzeihe, Karl, den kühnen Schritt," sagte sie hastig,und denke nicht geringer, von mir, daß ich dich in deiner Häuslichkeit aufsuchte. Aber es ist Gefahr im Verzüge; denke dir, Kapitän Honsby trifft schon über acht Tage in Berlin ein. Meine Eltern empfingen heute vormittag von sihm eine Depesche aus Liverpool. Da es seine letzte Fahrt als Kapitän ist, braucht er nur einige Tage, um seine Angelegenheiten mit seiner Reederfirma zu regeln. Es ist für mich eine Gelegenheit und ich bin verloren, wenn wir sie ungenützt verstreichen lassen. Dich allein liebe ich aus der tiefsten Tiefe meines Herzens und ich soll verurteilt sein, mein ganzes Leben an der Seite eines mir von Eltern und Bruder aufgedrängten Mannes zu vertrauern? Jenem Ergebenheit zu heucheln und dabei doch jeden Augenblick an dich zu denken? Es ist schreck­lich! Karl Karl, rette mich."

Charlotte rang verzweifelt die Hände. Ehe Karl noch etwas erwidern konnte, fuhr sie fort:

Natürlich wollte mich mein Bruder Anton auf den Ball begleiten. Er war aber um halb Zehn noch nicht zu Hause. So fuhr ich denn allein. Es ist ungewöhnlich und unpassend im hohen Grade, ich weiß es aber ich mußte dich heute noch sprechen, mußte meine Last vom Herzen herunter­reden."

Karls Augen leuchteten in kühnen Entschlüsse auf.

wurde durch ein künstliches neues aus fünf großen Reisigbündeln und einem Sack Sägespäne ersetzt, und die in diesem Frühjahr heimgekehrten Störche nahmen ohne weiteres von ihrer neuen Villa Besitz, die sie sich seither einigermaßen nach ihrem Privat­geschmack eingerichtet haben.

Deutsch! Ein Leser teilt derFrkf. Ztg." folgendes kleine Reiseerlebnis mit: Ort der Hand lung: Speisewagen Wiesbaden-Basel. Handelnde Personen: Ein Reisender, der Oberkellner. Reisender: Ich wünsche eine Tasse Kaffee mit Butter und Brot." Oberkellner: Also ein Lako eomplol" (Ton sehr stark auf der ersten Silbe: complet). Reisender:Nein, Kaffee mit Butter und Brot."

Oberkellner:Wir haben nur Oakä cümplot."

Reisender:Heißt dennButter und Brot" auch Französisch eowxlot?" Oberkellner: ?? Reisender:Also Kaffee mit Butter und Brot." Oberkellner:Jawohl, ein 6alo complet." Und die Rechnung, die der Reisende erhielt, lautete: 1 Oat'ä eömplet." Wende man sich doch all­gemein energisch gegen solchen Unfug! (lato evmplot, äiner, soupor, monu, potaZo usw. fort damit!

2000000000 Mark für Kanalbauten. Aus New-Dork wird geschrieben:Billigere Verkehrswege", das ist das Leitmotiv der neuesten amerikanischen Pläne. Wie bekannt, befinden sich sämtliche Eisenbahnen der Vereinigten Staaten in Privathänden und es ist leider eine Tatsache, daß die Bahnen jedesmal versagen, wenn Handel und Industrie einen Aufschwung nehmen und eine schnelle Beförderung der Waren fordern. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, sollen sämtliche weit aus­einander liegende Gebiete der Vereinigten Staaten durch ein vereinigtes Kanalnetz verbunden werden, dessen Herstellungskosten nicht mehr und nicht weniger als 2000 000 000 Mark betragen. Der Kanal wird bei New-Dork beginnen, dann der atlantischen Küste folgend nach Florida gehen, sich von dort um den Golf von Mexiko nach New-Orleans wenden, dann den Mississippi hinauf nach St. Louis gehen und über Chicago den Michigan-See erreichen. Durch den Erie- und Huronsee würde der Kanal Buffalo berühren, dann über den Erie-Kanal Albany er­reichen und über den Hudsonfluß endlich wieder nach New-Dork gelangen. Dieser Kanal würde ein Gebiet umspannen, welches größer wäre als Deutsch­land, Frankreich, Oesterreich-Ungarn, Italien, Spanien und Skandinavien zusammengenommen. Seine Länge würde 8000 Kilometer betragen und er würde einen Flächenraum von 1400000 englische Meilen umfassen. Interessant ist, daß diesem Projekt all-

Sei ohne Sorge, teure Charlotte, vertraue auf mich. Wir entfliehen. Morgen schon es gibt keine andere Rettung für dich und mich. Ich habe mich insgeheim schon heute meinem Onkel anver­traut. Ich weiß bestimmt, daß er uns nicht im Stiche läßt. Morgen abend erwarte ich dich vor dem Hause deiner Tante Cäcilie. Nimm nur das Notwendigste für den augenblicklichen Bedarf mit dir. Wir reisen über Bremen nach London, lassen uns drüben trauen und stellen deine Eltern und deinen Bruder vor eine vollendete Tatsache. Ich bin jung und der einzige Erbe meines geliebten Onkels eine goldene Zukunft winkt uns, wenn du den Mut zu einem Opfer, zu einer entschlossenen Tat findest."

In höchster Erregung besprachen sie noch Einzel­heiten des Planes, bis plötzlich Charlotte, auf die Uhr sehend, sich aus seinen Armen losriß.

Ich muß jetzt eilen, Geliebter," sagte sie.Fast dreiviertel Stunden haben wir verplaudern Bedenke, wenn mein Bruder vor mir auf dem Balle anlangt!"

Karl legte ihr den Abendmantel um und führte Charlotte die Treppe hinunter. Mehrere Häuser von dem Seinigen hielt ihr Wagen. Sie hüpfte hinein, preßte dann noch einen Abschiedskuß auf Karls Lippen und sagte leise:Also morgen abend Punkt 7 Uhr vor dem Hause meiner Tante Cäcilie. Ich bin bereit. Bis dahin lebe wohl!"

Der junge Doktor eilte nach seinem Hause zurück, stieg aber scgleich nach dem eine Treppe höher ge­legenen Zimmer seines treuen Dieners Jakob hinaus