Wunsch der Königin nur einfach geschmückten Kirche ein, wo die Hofgesellschaft bereits versammelt war. An der Seite der Königin und des Prinzen der Niederlande nahmen Platz die Königin-Witwe der Niederlande, die Großherzogin Marie von Mecklern bürg-Schwerin, die Fürstin-Witwe zu Wied, Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg, der Regent von Braunschweig, Herzog Adolf Friedrich von Mecklen­burg und viele andere Fürstlichkeiten. Die Königin hielt ihr Kind selbst über die Taufe. Auf dem Hin- und Rückweg wurden dem hohen Paare be­geisterte Huldigungen dargebracht.

Die kretische Frage rührt sich wieder. Zwi­schen den vier Schutzmächten Kretas schweben Ver­handlungen darüber, wie eine bedenkliche Gestaltung der kretischen Affäre bei der im Prinzip beschlossenen Zurückziehung der internationalen Truppen von Kreta zu verhindern sei. Man hoft dies dadurch zu er­reichen, daß Kriegsschiffe der vier Mächte in un­mittelbarer Nähe der Insel kreuzen sollen, mit der Befugnis, sofort wieder Truppen auf Kreta zu landen, falls von griechischer oder türkischer Seite der Ver­such gemacht werden sollte, den dortigen Status quo zu ändern.

In der arabischen Provinz Jemen gärt es fortgesetzt bedenklich gegen die türkische Herr­schaft. Der Gouverneur richtete nach Konstantinopel die dringende telegraphische Bitte um schleunigste Absendung von Truppen wegen eines drohenden neuen Aufstandes in Jemen.

Die Frau des Generals v. Stössel soll zur Verantwortung gezogen worden, weil sie während ihres Aufenthaltes in Port Arthur 15000 Rubel Wohltätigkeitsgelder kassierte, ohne über ihren Ver­bleib Belege beizubringen.

Die Cholera ist in Petersburg wieder aus­gebrochen. Bis jetzt gelangten dort dreizehn neue Cholerafälle zur Feststellung, von ihnen verliefen drei tödlich.

Paris, 8. Juni. Das französische Amtsblatt «röffentlicht eine Statistik zurBevölkerungs­zunahme Frankreichs". Während anno 1907 die Zahl der Todesfälle die Geburtenziffer um etwa 20000 überstieg, kann das abgelaufene Jahr einen Bevölkerungszuwachs von 46 441 Köpfen verzeichnen. An dieser spärlichen Vermehrung beteiligen sich nur 45 Departements. In 42 Departements ist die Geburtsziffer von der Todesziffer überholt. Die erstgenannten Gebiete liegen im Norden und Osten Frankreichs, in der Bretagne, der Normandie und auf Korsika, kurz in Gegenden, die dem Vordringen des Atheismus noch Halt geboten haben. Die Hauptstadt Paris wächst. Aber dieses Anwachsen der Bevölkerung ist dem Zuzug aus der Provinz und dem Ausland in erster Linie zuzuschreiben. Trostlos sind die Zustände im schönen Süden und im Rhonegebiet, da, wo der heutzutage herrschende Radikalsozialismus seine Hochburgen besitzt. Mehrere Departements sind dort in einem Jahre um 12 bis 16 000 Seelen zurückgegangen. Anno 1908 wurden in Frankreich 315925 Heiraten abgeschlossen. Das ist die Höchstzahl seit dem Bestand der dritten Republik. Aber auch die Zahl der Ehescheidungen ist im Wachsen begriffen. Von 7157 anno 1900 ist sie auf 11515 im Vorjahre gestiegen.

Marseille, 7. Juni. Die streikenden einge­schriebenen Seeleute haben sich für die Fortsetzung des Ausstandes entschieden, aber einen Ausschuß beauftragt, die Vorschläge der Rheder von Marseille zu prüfen und sie zu beantworten.

Paris, 7. Juni. Infolge der Einführung der Stückarbeit anstatt der Arbeit in Tageslohn haben sämtliche 2500 Arbeiter der Stahlwerke von Stenay bei Bar le Duc die Arbeit eingestellt.

Die Fünfzigpfennigstücke der älteren Ge­prägeformen mit der Wertangabe50 Pfennig" gelten vom 1. Oktober 1909 ab nicht mehr als gesetzliches Zahlungsmittel. Es ist von diesem Zeit­punkt ab außer den mit der Einlösung beauftragten Kassen niemand verpflichtet, diese Münzen in Zahlung zu nehmen. Die Fünfzigpfennigstücke der bezeichnet«» Formen werden bis zum 30. September 1910 bei den Reichs- und Landeskassen zu ihrem gesetzlichen Werte sowohl in Zahlung genommen als auch gegen Reichsmünzen umgelauscht. Die Verpflichtung zur Annahme und zum Umtausche findet auf durch­löcherte und anders als durch -den gewöhnlichen Umlauf im Gewichte verringerte, sowie auf verfälschte Münzstücke keine Anwendung.

Als Montag mittag gegen 14/« Uhr das Auto­mobil des früheren persischen Generalkonsuls in Berlin von Greve auf der Fahrt von Frankfurt a. O. sich 3 Kilometer von Münchberg i. d. Mark befand, versagte plötzlich die Steuerung, als der Chauffeur das Gefährt in die Mitte der Straße

lenken wollte. Durch die starke Erschütterung stürzte Greve aus dem Wagen und trug eine Gehirn­verletzung davon, infolge deren augenblicklich der Tod eintrat. Ein weiterer Insasse des Gefährtes, Inspektor Greve, wurde etwa 15 Meter weit aus den anliegenden Acker geschleudert und erlitt neben geringfügigen Verletzungen einen Armbruch. Der Chauffeur, der behauptet, nur mit einer Schnelligkeit von 2530 Kilometer gefahren zu sein, blieb un­verletzt.

Der stellenlose Kaufmann Pleißner in Hof, der mit seiner Frau in ehelichen Zwistigkeiten lebte, paßte dieser als sie die Moschendorfsche Porzellan- sabrik verließ, auf und feuerte auf sie vier Schüsse ab, die sie so schwer verletzten, daß sie bald darauf im Krankenhause starb. Pleißner richtete dann die Waffe gegen sich selbst und verletzte sich gleichfalls schwer. Bei der Schießerei wurde ein vorüber­gehendes junges Mädchen durch die Hand geschossen. Der Direktor der Moschendorfsche» Fabrik, der den Vorfall mit ansah, erlitt aus Aufregung einen töd­lichen Gehirnschlag.

Das Unwetter der letzten Tage hat in Süd­bayern größere Verheerungen angerichtet, als zuerst angenommen war. Die Ernte ist in vielen Gegenden total vernichtet, auch viele Brand- und Wasserschäden werden gemeldet.

Württemberg.

Stuttgart, 7. Juni. In der Zweiten Kammer widmete heute Präsident v. Payer dem heute vormittag in Tübingen an den Folgen einer Gallensteinoperation verstorbenen, im ganzen Hause beliebten Abgeordneten von Herrenberg, Guoth, einen Nachruf. Das Haus ehrte sein Andenken durch Erheben von den Sitzen und setzte dann die Beratung des Etats beim Artikel 116, Salinen, fort. Hierzu wurde ein Antrag angenommen, der die Veräußerung der Saline Sulz an die Gemeinde Sulz oder ihre Aufhebung vom 1. Juli 1911 an unter entsprechender Entschädigung der Arbeiter be­zweckt. Gegen den Antrag äußerte sich nur der Abg. Böhm (D. P.) und Keßler (Ztr.) Finanz- minister v. Geßler erklärte, daß ein dringender Grund zur Aufhebung der Salinen nicht vorliege und daß die Regierung die Haltung der Stände abwarten wolle. Die Sitzung dauerte nur zwei Stunden. Morgen beginnt die Beratung des Eisen­bahnbaukreditgesetzes.

Stuttgart, 8. Juni. Die Zweite Kammer begann heute die Beratung des Eisenbahnbau­kreditgesetzes und genehmigte 8145 000 Mk. als weitere Raten für im Bau begriffene Nebenbahnen, 150000 Mk. für die Bahn Sontheim-Gundelfingen, sowie den Bau der Bahnen Buchau-Riedlingen, Bretten-Kürnbach nebst Erwägung ihrer Fortsetzung nach Leonbronn, Maulbronn - Bahnhof - Maulbronn- Stadt, Biberach-Uttenweiler, Böblingen-Renningen. Morgen vormittag 8 Uhr Fortsetzung.

Stuttgart, 7. Juni. Der geschäftsführende Ausschuß des Landesverbandes der national­liberalen Partei in Württemberg nahm in seiner Sitzung am Samstag Stellung zu der augenblick­lichen Lage in der Frage der Reichsfinanzreform. Er billigte die Haltung der Fraktion, die in einer allgemeinen Besitzsteuer die notwendige Voraus­bedingung des Zustandekommens der Reform erblickt. Insbesondere billigte er es im Gegensatz zu der Berliner Korrespondenz des Schwäbischen Merkur einstimmig, daß die nationalliberalen Kommissions­mitglieder den Anschluß an den polnisch-ultramontan- konservativen Block auf der Grundlage der konser­vativen sogenannten Besitzsteueranträge abgelehnt und eine weitere Mitarbeit auf dieser Grundlage versagt haben.

Stuttgart, 8. Juni. Die Feuerbestattung des im Alter von 62 Jahren verstorbenen lang­jährigen württ. Bundesratsbevollmächtigten Staats­rats Karl von Schicker fand heute vormittag im Krematorium statt. Der Trauerfeier in der Kapelle wohnten an der sächsische Bundesratsbevollmächtigte Wirkl. Geh. Rat Dr. Otto Fischer als Vertreter des Bundesrats, die Minister v. Weizsäcker, v. Pi- schek, v. Fleischhauer, v. Schmidlin und v. Geßler, Staatsrat v. Heß, die Präsidenten v. Nestle, v. Bocks- Hammer, v. Mosthaf, Ministerialdirektor Sting und zahlreichere höhere Beamte, auch Graf Zeppelin war erschiene^ Nach dem Wunsch des Verstorbenen sprach der Geistliche nur ein Gebet. Wirkl. Geh. Rat Dr. Otto Fischer widmete hierauf dem Dahin­geschiedenen namens des Bundesrats einen warm empfundenen Nachruf, in dem er den Verstorbenen als Zierde des Bundesrats schilderte. Namens der württ. Oberregierung, der der Dahingeschiedene früher

längere Zeit als Mitglied angehörte, legte Ministerial­rat Schmid unter ehrenden Worten einen Lorbeer­kranz am Sarge nieder. Einen weiteren Nachruf widmete Oberregierungsrat Biesenberger namens der Freunde des Verblichenen.

Stuttgart, 8. Juni. Die Einnahmen aus dem Post-, Telegraphen- und Fernsprechbelrieb im Monat April 1909 betrugen 2 940686,51 Mk., was gegen den gleichen Monat des Vorjahrs ein Plus von 114766,38 Mk. darstellt.

Stuttgart, 8. Juni. Ein hiesiges Dienst­mädchen hat in der Nacht zum 4. Juni heimlich geboren. Das angeblich totgeborene Kind vergrub sie auf dem Bopser. Sie holte es aber dort wieder und verbrannte die Leiche im Waschkücheherd.

Tübingen, 7. Juni. Der Landtagsabgeord­nete G u o t h - Herrenberg ist in der hiesigen chirurg­ischen Klinik, wo er sich einer Gallensteinoperation hatte unterziehen müssen, erst 41 Jahre alt, ge­storben. Er gehörte der deutschen Partei an und hat sich im Landtage besonders durch seine Förder­ung der elektrischen Licht- und Kraftübertragung auf dem Lands hervorgetan.

Tübingen, 5. Juni. Gestern abend entlud sich hier wie auch im Schwarzwald und im Hohen- zollernschen ein furchtbares Gewitter mit enormem Sturm, das mannigfachen Schaden an Bäumen anrichtete. Ganze Gießbäche stürzten sich ca. eine Stunde lang vom Schloßberg und Oesterberg herab und überschwemmten Keller und Wohnungen, be­sonders im Industrieviertel, wo auch eine Telegraphen­stange glatt abgebrochen ward. Hinter der Kaserne schlug der Blitz in einen Kastanienbaum, worunter kurz vorher zwei Pferde sich aufgehalten hatten. Die städtische Badeanstalt im Neckar verlor durch den Sturm die vordere Reihe ihrer Badekabinen.

Sulz a. N., 6. Juni. Die Folgen des am Donnerstag niedergegangenen Wolkenbruchs und Hagelschlags lassen sich erst heute recht übersehen. Der angerichtete Schaden ist weit größer als an­genommen wurde. Auf einzelnen Teilen der Mark­ung Sulz, Geroldseck, Sigmarswangen und Witters­hausen hat der Hagelschlag so schrecklich gehaust, daß die Acker- und Wiesengewächse, welche ohnedies schon geringen Ertrag versprachen, bis zu 80 und 90 Prozent vernichtet sind. Einzelne Obstbäume stehen ganz kahl da. Die Gartengewächse, die allgemein sehr schön standen, sind beinahe bis zur Unkenntlich­keit zerhackt.

Münsingen, 8. Juni. Mit welchen Schwierig­keiten die doch zu einem glücklichen Ende geführte Heimfahrt des Zeppelinschen Luftschiffes von Göppingen aus zu kämpfen hatte, beweist u. a. ein Inserat, der Luftschiffbaugesellschaft Zeppelin im hiesigen Albboten, worin mitgeteilt wird, daß aus dem Luftschiff in der dortigen Gegend verschiedene Gegenstände als Ballast ausgeworfen wurden. Die Gesellschaft bittet, solche Teile aus dem Luftschiff nach Auffindung an einen Laupheimer Spediteur abzuliefern, der sie sammeln und nach Friedrichs­hafen zu senden hat.

Freuden st ad t, 8. Juni. Am Sonntag abend 4' 2 7 Uhr fuhr ein der Süddeutschen Automobil­betriebs'Gesellschaft gehöriges Automobil die Bahn­hofstraße herauf. Diesem Wagen wollte anscheinend der Tags zuvor 8 Jahre alt gewordene Knabe der Liebschen Eheleute nachspringen, als er beim Ueber- schreiten der Straße plötzlich von einem die Bahn­hofstraße herabfahrenden Automobil der gleichen Gesellschaft erfaßt und so schwer verletzt wurde, daß der Tod nach wenigen Minuten eintrat. Die Gerichts­kommission traf alsbald an der Unglücksstelle ein, doch scheint eine Schuld des Chauffeurs ausgeschlossen zu sein, da feststeht, daß dieser in langsamem Tempo fuhr, auch ist er, als er das Kind sah, noch um einen Meter ausgewichen und konnte seinen Wagen sofort zum Stehen bringen.

Besigheim, 6. Juni. Wie im vorigen Jahr, so wurde auch Heuer in sämtlichen 19 Gemeinden des Oberamtsbezirks, die alle Weinbau treiben, die Vertilgung der Motte des Heuwurms energisch in die Hand genommen. Man begann damit Mitte Mai und setzte sie fort bis Ende Mai bezw. bis in die ersten Tage des Juni hinein. Der Wegfang des kleinen Schmetterlings, aus dessen Eiern der gefräßige Heuwurm ausschlüpft, der jährlich eine gewaltige Zahl von Traubenblüten vernichtet und dadurch den Weinertrag dezimiert, geschieht in der Regel abends von 5 Uhr an durch Schulknaben, die unter Anführung der Lehrer in die Weinberge hinausziehen, ausgerüstet mit Blechfächern, die mit Klebleim bestrichen sind, an denen die aufgescheuchten Schmetterlinge oder Motten hängen bleiben. Auf diese Weise wurden in Besigheim 26 000, in Hessig­heim 27 000, in Lauffen a. N. 23 000, in Erligheim