dern vor allem die Ausbildung des Auges in der Fähigkeit, richtig zu sehen, d. h. das Wesentliche vom Unwesentlichen, Zufälligen zu unterscheiden, und dazu genügt die Uebung im Zeichnen nach Vorlagen und Körpern allein nicht, dazu gehört vor allem auch die Anleitung dazu, auf was man beim Sehen vorwiegend zu achten hat, sowohl in der Natur, als gegenüber von Kunstgegenständen, und dann besonders die Gelegenheit, viel zu sehen. Die Gegenstände brauchen zu diesem Zwecke nicht lauter Meisterwerke zu sein: man kann auch an minderwertigen Erzeugnissen der Kunst richtig sehen lernen, oft besser als an vollendeten Kunstwerken.

Von diesem Gesichtspunkt aus verdient das Unternehmen einiger Kunstfreunde, eine Ausstell­ung von Bildwerken aus hiesigem Prtvatbesitz zu veranstalten, auch von seiten der Schule freudige Aufnahme und wir haben uns, um diesem Zwecke förderlich zu sein, gerne diesmal die Verdrängung ans unserem gewohnten Festsaal gefallen lassen, umso mehr, als wir hier im großen Rathaussaal freundliche Aufnahme gefunden haben, ein Entgegenkommen, wofür den städtischen Behörden und dem verehrten Hrn. Stadlschultheißen auch hier der öffentliche Dank ausgesprochen wird.

Da es mir aber heute zum letztenmal vor Beginn der Vakanz vergönnt ist, die Schüler ver­sammelt zu sehen, so möchte ich die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, sie noch besonders auf diese Kunstausstellung hinzuweisen, sie zu wieder­holtem aufmerksamen Besuch derselben einzuladen und ihnen einige Gesichtspunkte für die Betrachtung derselben mit auf den Weg zu geben.

Bei einer Stadt von der Größe der unsrigen wird man vorweg sich nicht auf eine große Anzahl hervorragender Kunstwerke gefaßt machen dürfen, obwohl es gewiß auch an solchen von namhaften Künstlern, wie Theodor Schüz, nicht fehlen wird. Wichtiger fast als der rein künstlerische, war bei dem Unternehmen der historische und lokalpatriotische Gesichtspunkt. ES war uns darum zu tun, einmal eine Probe zu machen, wie viel wohl in einer Land­stadt von nicht ganz 5000 Einwohnern an Bild­werken von künstlerischem oder historischem Wert in

verschiedenen Häusern oufbewahrt sein mag, wo es stets nur wenige zu Gesicht bekommen. Wir wissen, daß der Dekan I. V. Andreä eine namhafte Samm­lung von Kunstwerken hervorragender Künstler wie Dürer, Holbein u. a., besaß, die leider in der Kata­strophe von 1634 im dreißigjährigen Krieg ein Raub der Flammen wurde. Ihm werden wir etwas Ebenbürtiges nicht an die Seite zu setzen haben. Aber gerade weil mit 1634, bezw. 1692 die Ge­schichte unserer Stadt eigentlich abgcschnitten ist, so daß aus den vorausliegenden Jahrhunderten nichts mehr erhalten ist, schien cs wertvoll, kennen zu lernen, was etwa aus der Zeit noch diesen Kata­strophen hier an merkwürdigen Bildern vorhanden ist. Zu solchen sind zu rechnen die, wenn auch oft schlecht und mittelmäßig gemalten Bilder von Vor­fahren jetziger Familien, von hervorragenden oder irgend sonst bekannten Persönlichkeiten, Ansichten der Stadt und Gegend aus verschiedenen Zeitaltern und dergl.; dann weiter Bilder, die der Kunstsinn verschiedener Einwohner gesammelt und endlich Bil­der, die von jetzt lebenden Malern von Beruf und Dilettanten, beiderlei Geschlechts, geschaffen worden sind und die sich neben den älteren kecklich sehen lassen können. Tie lernende und strebende Jugend möchte ich noch besonders darauf Hinweisen, daß auch einige Werke früherer Schüler des Reallyceums ausgestellt sind, die allen ein rühmliches Vorbild der Nacheiferung sein mögen!

So hoffen wir, daß diese Ausstellung, nicht bloß für die Jugend, sondern für alle Lebensalter und Schichten der Bevölkerung eine Quelle des Vergnügens, der Anregung und des edelsten Ge­nusses sein werde, wenn man sie nur nicht mit zu hoch gespannten Erwartungen, sondern mit der be­scheidenen Absicht betritt, ein Bild der künstlerischen Bestrebungen der Einwohnerschaft in den letzten zwei Jahrhunderten zu gewinnen, das wohl auch für die weitere Entwicklung des künstlerischen Sinnes bei Alt und Jung gute Früchte tragen wird. Den Schülern, die die Ausstellung besuchen, möchte ich besonders noch ans Herz legen, ihr Augenmerk auch auf die verschiedenen Arten der Herstellung der Bilder zu richten, ob Oelgemälde, Aquarell, Kupfer­

stich, Relief u. dergl., was immer auf den bei­gegebenen Zetteln vermerkt ist. Soviel hievon.

(Es folgt ein Nachruf auf die beiden im abgelaufenen Schuljahr verstorbenen früheren Lehrer des Reallyceums, Rektor vr. Müller und Prä­zeptor Dölker.)

-Noch erübrigt mir, eine bevorstehende Ver­änderung zur öffentlichen Kenntnis zu bringen, die allerdings mehr äußerlicher Natur und für die innere Organisation der Anstalt zunächst ohne Be­lang ist. Nach einer Ministerialverfügung sollen die Realyceen vom neuen Schuljahr an Realpro­gymnasien heißen und die erste Klasse soll nach norddeutschem Muster als Vorklasse abgetrennt werden, aber dem Rektor unterstellt bleiben, die Klassen IIVIII sollen künftig als Klasse IVII gezählt werden, und so der norddeutschen Sexta bis Obersekunda entsprechen.

Infolge dessen wird künftig das Zeugnis der wissenschaftlichen Befähigung zum einjährig freiwilligen Dienst mit Abschluß derselben Klasse wie bisher erreicht werden, nur wird dieselbe künftig nicht mehr die siebente, sondern die sechste heißen und die untere Abteilung des Reallyceum wird mit derselben Klasse wie bisher abschließen, aber sie wird nicht mehr die VI., sondern die V. genannt werden. Wenn es erlaubt ist, die ernste Sache in ein scherzhaftes Gewand zu kleiden, so kann man also B. sagen: Ihr arme Sechskläßler, die ihr euch freutet, Siebener zu werden, werdet Sechser bleiben, aber, tröstet euch, Sechser eines Realpro­gymnasiums, und das ist dasselbe wie Siebener eines ehemaligen Reallyceums! Aber es ist not­wendig, daß die Eltern und Vormünder der Schüler über diese Verschiebung der Klassenzählung klar werden, damit keine unliebsamen Enttäuschungen daraus entstehen.

Indem ich nunmehr den scheidenden Schülern des Reallyceums die besten Glückwünsche für ihr Ergehen auf ihrem ferneren Lebensweg zurufe, wünsche ich auch den übrigen Schülern eine schöne Erhohlungszeit in der Vakanz und hoffe sie nach derselben neugestärkt wieder begrüßen zu dürfen als fleißige, strebsame, muntere Nealpro»-Ymnasisten!

Amtliche und NwMMigen.

Bekanntmachung üetr.

Wasserverbrauch.

In letzter Zeit wiederholt eingetre­tener außerordentlicher Wasserverbrauch legt die Vermutung nahe, daß Hahne«, insbesondere zur Nachtzeit ohne Ver­wendung des ablaufenden Wassers, offen gelassen werden.

Es wird daher aufmerksam gemacht, daß eine solche Vergeudung des Was­sers nach § 8 der Wasserbezugsbeding­ungen mit einer Vertragsstrafe bis zu 2V Mk. geahndet werden kann.

Unzulässig ist ferner die Bedienung der zur Garten- und Srraßenbespreng- ung benützten Schläuche durch Kinder, weil durch diese ertabrungsgemäß Miß­brauch mit dem Wasser 'getrieben wird.

Calw, den 31. Juli 1903.

StadlsÄulrheißenamt.

C o n z.

Bekanntmachung betr. die

Fruchtschranne.

Der Handel mit Frucht außerhalb der Schranne ist nichr gestattet.

Gegen die Benützung öffentlicher Straßen und Plätze in der Stadt zum Fruchthandel wird polizeilich einge­schritten.

Calw, 31. Juli 1903.

Stadtschultheißenamt.

Co nz.

Bekanntmachung betr.

Kehrichtabfuhr.

Wer zur Kehrichtabfuhr nicht ange­meldet ist und die hiefür angesetzte Gebühr nicht bezahlt, hat keinen An­

spruch auf Leerung und Abfuhr seines Kehrichtkistchens.

Die städtischen Taglöhner sind an­gewiesen, die Kistchen nicht angcmcldeter Einwohner nicht mehr zu entleeren.

Die Einwohnerschaft wird wiederholt eingeladen, von der Einrichtung der freiwilligen Kehrichtabfuhr im Interesse der öffentlichen Ordnung ausgedehnten Gebrauch zu machen und ihre mit Namenszeichen zu versehende Behälter zur Entleerung anzumclden.

Bei zahlreicherer Beteiligung könnte die Einfügung eines niedrigeren Satzes in den Gebührenlarif bei der demnächst stattfindcnden Neueinschätzung in Aus­sicht gestellt werden.

Calw. 31. Juli 1903.

S.'adlschultheißenamt.

Conz.

Sonntag Abend

ElblUlussBiOe

im Vereinshaus von 89 Uhr. Jedermann ist freundlich eingeladcn.

lurnverein Lai«.

Nächsten Montag, den 3. August,

Turnversammlung

im Lokal.

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Danksagung.

Für die vielen Beweise! herzl. Liede u. Teilnahme § während der langen Krank­heit und bei dem Hin­scheiden unseres lieben, treubcsorgten Vaters

Seö. Kofstetter

für die trostreichen Worte des Hrn. Dekans am Grabe, sowie den HH. Ehrcnträgern sagen wir unfern j innigen heczl. Dank

die tieftrauernden Töchter Emilie u. Nanele.

' Simmozheim.

Bei Unterzeichnetem sind bis 14. Sep­tember 1903

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