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Eßlingen, 27. Juli. Die häufigen starken Regen, die durch Gewitter herbeigeführt wurden, kommen dem Landmann und Weingärtner zurzeit sehr ungelegen. Die Kartoffeln, die sehr schön stehen, bedürfen zum Ausreisen und zur Stärtemehl- gcwinnung jetzt trockene, warme Witterung; die Nässe schadet; an den Feldern, die Frühkartoffeln tragen, empfindet man schon den Geruch, der aus die Kartoffelfäule schließen läßt. Die Dinkelfelder sind bei dem starken Platzregen niedergedrückt worden und setzen teilweise wie gewalzt aus; weitere Nässe müßte Fäulnis herbeiführen. In den Weinbergen zeigt sich vereinzelt die Lederkrankheit, gegen deren Weiterverbreitung trockene, warme Witterung sich als bestes Schutzmittel erweist.
8 Reichenberg, 27. Juli. Unter zahlreicher Beteiligung von nah und fern feierte gestern nachmittag um 2 Uhr die Samariterstiftung in Stuttgart ihre Jahresfeier im Garten des Schlosses Reichenbcrg. Nach einer Begrüßung von Pfarrer Bertsch in Oppenweiler hielt Prälat v. Weitbrecht in Stuttgart die Festrede. Aus dem vom Vorstand, Gemeinderat Vöhringer in Stutgart, erstatteten Jahresbericht heben wir hervor, daß die Samariterstiftung, welche die Aufgabe hat, gebrechlichen Leuten, welchen Arm oder Fuß fehlt oder die gelähmt sind, eine Heimat zu bieten, zurzeit 58 männliche und 52 weibliche, zusammen also 110 Gebrechliche aus allen Teilen deS Landes in ihrer Pflege hat. Die weiblichen Pfleglinge sind zunächst mietweise in dem der Dienstbotenheimat gehörigen Schloß Stammheim untergebracht, während sich die männlichen auf dem Schloß Reichenberg befinden. Die Einnahmen der Stiftung im vorigen Jahr betrugen für Kostgelder 20 505,37 für Jndustriecrlös 1464,34 -//L An Mitgliederbeiträgen und Liebesgaben gingen 18196,95 Mark ein, darunter 7500 Legate und 2500 ^ Beitrag des Kgl. Ministeriums deS Innern. Dagegen wurden verausgabt für Haushaltungskosten in beiden Anstalten 28 811,85 für sonstige Unkosten 1199,43 und für Anschaffung von Geräten 749,85 Der Fonds zur Gründung einer Anstalt für weibliche Gebrechliche, für welchen schon seit einigen Jahren gesammelt wird, ist durch die Legate des letzten Jahres aus 18 838 an- gewochsen, und der Vcrwaltungsrat der Stiftung ist dadurch der Verwirklichung seines Wunsches, für die weiblichen Gebrechlichen ein eigenes Heim zu erhalten, in erfreulicher Weise um einen großen Schritt näher gerückt. Weitere Beiträge hiezu sind aber dringend nötig. Das Schlußgebet sprach Stadtpfarrer Buck von Backnang. Nach einer Pause von einer Stunde, während welcher die Festgäste die Anstaltsräume besichtigten, versammelten sich dieselben zu einer Nachfeier, welche von Prälat I). v. Schmid geleitet wurde, und bei welcher Direktor Ziegler aus Wilhelmsdorf, Inspektor
Krockenberger von Lichtenstern und Dekan Leypoldt von Stuttgart Ansprachen hielten. Die Posaunenchöre von Oppenweiler, Backnang, Schorndorf, Grunbach und Lichtenstern belebten und verschönerten die wohlgelungene Feier
Ludwigsburg, 25. Juli. (Kriegsgericht.) Vor dem Kriegsgericht stand heute der Oberlt. Meyer vom Feldart. Reg. Nr. 65, angeklagt einer Reihe von Mißhandlungen Untergebener, sowie verschiedener Beleidigungen. Aus der Verhandlung, die über vier Stunden in Anspruch nahm, ging hervor, daß der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Mißhandlungen aus geringfügigen Ursachen begangen hat. Es handelt sich dabei um Faustschläge ins Genick und Stöße auf Brust und Rücken und Ziehen am Ohr u. s. w. Die,Mißhandelten, Mannschaften der 2. Batterie gen. Regts., bekundeten übereinstimmend, daß sie wohl von den Mißhandlungen unangenehm berührt gewesen seien, daß sie aber erhebliche Schmerzen nicht gehabt und keine Meldung gemacht hätten. Nur einer hat ein paar Hiebe mit dem Reitstock 2 Tage lang gespürt. Die Beleidigungen hat Oberlt. Mcyer in 3 Fällen gegen Sergeanten seiner Batterie verübt. Kriegs- gerichtsrat Kallee, der in der Verhandlung die Anklage vertrat, beantragte eine Gesamtstrafe von 4 Monaten Festungshaft und stellte es dem Gerichtshof anheim, event. die Entlassung aus dem Dienst auszusprechen. Der Gerichtshof erkannte auf 6 Wochen Stubenarrest. In den Urteilsgründen heißt es, der Gerichthof habe nicht zu der Ueberzeugung kommen können, daß bei den Mißhandlungen ein gewohnheitsmäßiges Stoßen und Schlagen vorliege, sondern daß es sich um einzelne Fälle handle, von denen jeder seinen besonderen Anlaß hatte. Zu Gunsten des Angeklagten spreche auch, daß es sich bei den Tätlichkeiten um sehr geringfügige Fälle handle, daß sich niemand von der Mannschaft beschwert habe, und daß eine Erbitterung unter den Leuten dadurch nicht entstanden sei. Erschwerend falle .ins Gewicht, daß Oberlt. Meyer seinen Untergebenen, insbesondere den Unter- osfizieren, kein gutes Beispiel gegeben habe und daß dadurch, wenn auch nicht eine Schädigung, so doch eine Gefährdung des Dienstes herbeigeführt worden sei. Der Verurteilte hat auf die Einlegung der Berufung verzichtet.
Heidenhcim, 27. Juli. Dem vorgestrigen Viehmarki wurden beigeführt: 1 Farren, 4 Ochsen, 4 Stiere, 17 Kühe, 18 Kalbinnen und 15 Stück Jungvieh. Verkauft wurden 42 Stück. Höchste Preise: 1 Farren 162 1 Ochse 305
1 Stier 165 1 Kuh 360 ^L., 1 St. Jungvieh
136 -/«. Der Markt war, wohl wegen des schlimmen Wetters und wegen des israelitischen Sabbats, nur schwach befahren. Doch ging der Handel ziemlich lebhaft, und es wurden im Durchschnitt sehr schöne Preise erzielt.
Jsny, 24. Juli. DäL-MWhrige Jubiläumsschießen der hiesigen Sch-ützengilde, das vom 9.—12. August stattfinden soll, verspricht sehr stattlich zu werden. Der neue Schießstand ist fertiggestellt, ein stattliches Gebäude, das sich tm Rahmen deS schönen Rainbildes gut ausnimmt; ist doch der Rain ein Festplatz von bester Art. Heute wird das Verzeichnis der eingegangenen Ehrengaben veröffentlicht. Nicht weniger als 285 zum Teil sehr werlvolle Gegenstände aller Art und 112 Geldgaben sind eingegangen. Hervorzuheben sind ein silberner vergoldeter Jagdbecher von Sr. Maß dem König, filb. vergold. Becher vom Großhrrzvg von Baden, Herzog Albrecht und Herzog Ulrich von Württemberg, ein vergoldeter Becher von Fürst Quadt, Gaben von den Füllten Waldburg-Zeil, Löwen- stein-Freudenberg, Fürstenberg, , von den Grafen Quadt, Schäsberg-Thannheim, Rechberg-Rothenlöwen, Königsegg-Aulendorf,, Zeppelin-Aschhausen, Bissingen, Ucxküll, Beroldiugen u. a. m. Sämtliche Gaben sind derzeit im oberen Rathaussaal ausgestellt und bieten in diesem architektonisch-merkwürdigen Raum eine reizvolle Ausstellung. Nächster Zeit soll eine Festschrift mit Beitrügen zur Geschichte der Jsnyer Schützengesellschaft' erscheinen.
Von der badischen Grenze, 27. Juli. In Brötzingen bei Pforzheim machten dieser Tage einige junge Burschen einen überraschenden Fund. Durch ein aus dem Boden ragendes rotes Bändchen darauf geleitet, gruben sie ein jedenfalls schon lange verstecktes Säckchen aus, das Gold, Silber und Double, teils zugerichtet, teils verarbeitet, im Gesamtgewicht von 6 Pfund enhielt. Der Fund wurde auf das Rathaus gebracht. Man geht wohl kaum fehl, wenn man ihn auf einen Diebstahl zurückführt.
Mainz, 27. Juli. Die gestrige Regatta wurde infolge eines bedauerlichen Unfalles vorzeitig abgebrochen. Das- Achterboot der Mannheimer Amicitia schöpfte am Start Wasser und kenterte. Einer von der Rudermannschaft verschwand in den Wellen und kam nicht mehr zum Vorschein. Auch der Großherzog wohnte der Regatta bei.
Köln a. Rh., 27. Juli. Die „Kölnische Zeitung" berichtet aus Langendreer: Ein schreckliches Unglück ereignete sich auf den hiesigen Drohtwerken. Das Ende eines glühenden Drahtstückes trafi den Walzmeister Sonderbrink oberhalb der Brust und zerschnitt ihm die Schlagader, sodaß er in 5 Minuten verblutete. Der Verunglückte hinterläßt Frau und 5 Kinder.
Erfurt. In der Nacht vom Freitag zum Samstag wurde ein 40jähriges Fräulein, Tochter des verstorbenen Amtsrichters Starke, von unbekannter Hand ermordet. Sie war am Freitag abend von einem Gange nach dem Bahnhofe nicht
an Uttrecht, und was dieser wohl sagen würde, wenn er die Wahrheit erführe. Ob er auch so dawle, wie Kurt und Susanne? Ob er im Stande wäre, sich über dis kompromittierende Tatsache hinwegzusetzen? —
Sie wurde in ihren Gedanken gestört, draußen klopfte jimand an die Türe. Susanne öffnete und ließ Kurt eintreten. Er sah sehr blaß und angegriffen aus. Heftig atmend ging er auf Jsa zu und ihre Hand fassend, fragte er weich: „Wie befindest du dick, hast du dich sehr erschreckt?"
„Danke, eS geht wohl vorüber."
„In der Gesellschaft spricht man hin und her, worauf Graf Dornbusch wohl anspielte," sagte Kurt wieder. „Niemand ahnt indessen, was der Elende bezweckt, du kannst darüber ganz beruhigt fein. Ich werde übrigens den frechen Eindringling zu züchtigen wißen!"
Die letzten Worte hatte er mehr zu sich selbst gesprochen, sie kamen wie zwischen zusammengebifsenen Zähnen hervor. Tie Hand des jungen Mädchens, die noch immer in der seinigen lag, bebte leise.
„Was willst du damit sagen, Kurt?" fuhr Jsa erschrocken auf, „du, du willst dich mit Dornbusch schlagen?"
Kurt erwiderte nichts, und Jsa nahm sein Schweigen für Zustimmung.
„Das wirst du nicht tun, Kurt! Bitte, bitte, versprich es mir, daß du es nicht tun wirst!-Du? Undummeinetwegen? — Ach, ich stürbe vor Angst!"
Kurt legte halb unbewußt den Arm um die bebende Gestalt der Jugendfreundin und sah ihr tief in die Augen.
„So würde es dir nicht gleichgültig fein, — wenn die Kugel jenes Menschen mich träfe?" fragte er mit verschleierter Stimme, „es würde dir ein wtnig weh tun, Jsa?"-
Die Angeredete schauderte leise zusammen.
„Wie du nur so fragen kannst, Kurt, — ich begreife dich nicht. Versprich mir, daß du dich nicht schlagen wirst!"
„Gut, ich verspreche es dir."
Jsa schlug die schönen, großen Augen dankbar zu ihm auf; um ihren noch immer blaffen Mund spielte ein schattenhaftes Lächeln. Sie war Kurt so nahe, daß er sich nur zu bücken brauchte, um ihren süßen Mund zu küffen. Durch seinen Kopf jagten tolle Gedanken.
Wenn er dies holde Kind jetzt an sich preßte und es sein eigen nannte für alle Zeit, wenn er Jsa in dieser Minute fragte, ob sie die Seine, sein cmgebe- letes, vergöttertes Weib werden wolle, wenn er der Gesellschaft da unten verkündigen durfte: „Sie ist meine Braut, — ist cs soeben geworden, sie gehört nun mir, — mir ganz allein,-"
Dann mochten es olle erfahren, was ihr Vater war, wie tief er hsrab-
gestiegen, und Rang, Stand und Namen als wertlose Dinge von sich geworfen,
mochten sie dann doch zischeln und flüstern, was kümmerte es ihn? Es würde ihn
nicht stören in seinem namenlosen Glück. Dann mochte Graf Dornbusch es aller
Welt verkündigen, — Kurt würde ihn nicht daran hindern.
Aber da tauchte vor seinen Augen Jsas strahlendes Gesicht auf, wie er es heute im Walde gesehen, als sie Herrn v. Uttrecht zulächelte, — und damit kamen wieder dis dangen Zweifel, die ihn den ganzen Nachmittag gequält hatten. Ob Jsa den andern liebte? Kurt vergegenwärtigte sich nochmals alles, was er zu fürchten und hoffen durfte, und immer trübere Scharten zogen herauf, sein Gesicht verdüsterte sich wieder. — Nein, er mußte erst abwarten, wie das Herz der Geliebten sich entscheiden würde, er wollte keinerlei Zwang ausüben. Aus freiem Entschluß sollte sie sich ihm hmgeben. Wenn aber dennoch der andere als Sieger heroorging? Tenn daß jener Jsa liebte, darüber konnte Kurt nicht mehr im Zweifel sein. Er hatte, von Eifersucht gequält, Uttrecht genau beobachtet, er hatte die heißen, liebevollen Blicke wohl bemerkt, mit denen fein Nebenbuhler um dir Gunst des schönen Mädchens warb.
(Fortsetzung folgt.)