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Neuenbürg, Samstag den 9. Januar 1909.
67. Jahrgang.
Die wirtschaftlichen Aussichten im neuen Jahre.
Mehr als sonst zur Jahreswende wird gegenwärtig die ganze Geschäftswelt von der Frage erfüllt, wie sich im neuen Jahre die wirtschaftlichen Verhältnisse gestalten werden, denn das Jahr 1908 war eine Periode des wirtschaftlichen Niederganges, von der nicht nur Deutschland, sondern auch die meisten anderen Kulturländer heimgesucht werden. Wenn man aber die Frage der wirtschaftlichen Aussichten im neuen Jahre gewissenhaft beantworten will, so muß man untersuchen, was für Faktoren in Betracht kommen, welche die wirtschaftliche Konjunktur verbessern oder auch verschlechtern können. Wohl kann ein einziger Umstand, wie z. B. eine Kriegsgefahr, das ganze wirtschaftliche Leben lahmlegen und alle günstigen Faktoren ausschalten. Aber mit einer solchen Einwirkung wollen wir im neuen Jahre zunächst nicht rechnen, da bei den Großmächten der Wille vorhanden zu sein scheint, den Frieden zu erhalten und die Kriegsgefahr im Orient zu beschwören. Da bleiben nun für die Beurteilung der wirtschaftlichen Aussichten die rein wirtschaftlichen Faktoren übrig. Bei dem heutigen Weltverkehr spielen für die Gestaltung der geschäftlichen Konjunktur die Ausfuhr von Waren und die Lage des Geldmarktes zunächst die größte Rolle. Da Nordamerika und England eine schlimme Geschäftskrisis überwunden zu haben scheinen, so hat also Deutschland in Bezug auf seine Ausfuhr nach England und Nordamerika im neuen Jahre bessere Aussichten und dürfte sich für manche Industrie im Januar und Februar der erhoffte Aufschwung einstellen. Auch ist die Lage des internationalen Geldmarktes an sich nicht ungünstig für die Hebung der wirtschaftlichen Verhältnisse, denn in Amerika ist das Geld wesentlich billiger geworden, in England und Frankreich ist es andauernd billig und nur in Deutschland ist der Zinsfuß für Kreditgeld noch etwas hoch. Wenn es aber in Deutschland gelingen sollte, wenigstens einen Teil der Finanzreform unter Dach und Fach zu bringen, so dürften daraus auch schon günstige Folgen für den deutschen Geldmarkt entstehen. In Betracht kommen für die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse ferner noch die Preise der Rohprodukte und Kohlen, die Höhe der Arbeitslöhne und die Ernteaussichten. Es muß nun bezüglich der Preise der Rohprodukte und der Kohlen energisch darauf hingewiesen werden, daß die Syndikate und Ringe durch ihre künstlichen Preissteigerungen sehr viel dazu beitragen, daß eine wirtschaftliche Erholung zu langsam eintritt, denn daß hohe Preise für Rohprodukte und Kohlen eine wirtschaftliche Unvernunft in den Zeiten schlechter Geschäftskonjuktur sind, das braucht wohl erst nicht noch volkswirtschaftlich nachgewiesen zu werden, und sündigen auf diesem Gebiete die Ringe und Syndikate in einer Weise, daß noch einmal die Strafgesetze sich mit solchem Gebühren beschäftigen dürften. Die Höhe der Arbeitslöhne ist in Deutschland kein Hindernis für eine Hebung der wirtschaftlichen Verhältnisse, nur ist es sehr zu bedauern, daß die Preise der Lebensmittel in Deutschland andauernd hoch sind, und daß auch die Aussichten für die nächste Ernte wegen des ungünstigen Standes der Wintersaaten reine besonders guten sind, also wahrscheinlich im neuen Jahre die besseren wirtschaftlichen Aussichten teilweise durch die Sorge wegen der künftigen Ernte herabgedrückt werden. Die Ernteaussichten können sich aber auch noch wesentlich bessern, da man immer erst im Frühjahre erfährt, wie die Saaten durch den Winter gekommen sind.
ZmrEsLhau.
Die Neujahrsansprache des Kaisers an die kommandierenden Generale bei dem ihnen am 2. Januar im Berliner Residenzschlosse gegebenen Diner hat eine ziemlich lebhafte Preßpolemik infolge
der widerspruchsvollen Angaben hervorgerufen, welche betreffs des Inhaltes dieser kaiserlichen Kundgebung ursprünglich kursierten. Jetzt steht indessen fest, daß die Rede des Kaisers im großen und ganzen lediglich durch einen völlig fachmännisch gehaltenen militärischen Vortrag über die großen deutschen Manöver des vergangenen Jahres repräsentiert wurde. Irgendwelche politischen Bemerkungen machte der Kaiser in dem Vortrage nicht, nur verlas er am Schluffe einen militärisch-politischen Aufsatz, betitelt „Der Krieg der Gegenwart", welchen der frühere Generalstäbschef Graf Schlieffen im Januarheft der „Deutschen Revue" veröffentlicht hat. Der Kaiser erklärte hierbei, wie bestimmt verlautet, ausdrücklich sein volles Einverständnis mit diesem Artikel, und letzterer Umstand mag zu den Gerüchten über eine angeblich politisch gefärbte Neujahrsansprache des Kaisers an die kommandierenden Generäle Anlaß gegeben haben. Die politischen Ausführungen des erwähnten Revue- Artikels betonen in ihrem Kernpunkte, daß zwar eine stille europäische Koalition gegen Deutschland und Oesterreich-Ungarn bestehe, daß sie aber noch immer nicht wagen, gegen die beiden verbündeten mitteleuropäischen Kaiserreiche mit den Waffen vorzugehen. Beide Reiche sollen daher zunächst durch inneren Zwiespalt geschwächt werden, weshalb für sie Einigkeit nach außen nötig sei. — Die „Hamb. Nachr." wollen jetzt wissen, daß der Kaiser bei der Ansprache an die kommandierenden Generale nur den militärischen Teil des Revue-Artikels verlesen habe; daß er sich mit den: ganzen Inhalt einverstanden erklärt habe, sei nicht zutreffend.
Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht folgende Erklärung zur Neujahrsansprache des Kaisers: Se. Maj. der Kaiser und König hat am 2. Januar wie alljährlich eine Besprechung mit den hier zur Neujahrsgratulation versammelten kommandierenden Generalen gehalten. Die Aeußerungen Sr. Majestät waren nicht für die Oeffentlichkeit bestimmt und sie hätten nicht Gegenstand öffentlicher Kritik bilden dürfen. Trotzdem sind Nachrichten hierüber in die Presse gelangt. Gegenüber den in ausländischen Blättern erschienenen Angriffen stellen wir fest, daß sich die Besprechung lediglich auf militärische Fragen bezog. Im Anschluß an eine Betrachtung über die bei den letzten Manövern gemachten taktischen Erfahrungen wies der Kaiser auf eine kürzlich erschienene akademische Studie hin, in der die Gestaltung des modernen Krieges und die Einwirkung der neuzeitlichen Waffen auf das Gefecht entwickelt wird. Die in dieser militärischen Arbeit enthaltenen politischen Gedanken und Ausblicke kamen in den Ausführungen des obersten Kriegsherrn nicht in Betracht.
Die Meldung der „Frkf. Ztg.", daß der Kaiser als Text der Neujahrspredigt bestimmt habe: „Ich will Frieden haben mit meinem Volke", bestätigt sich nicht. Diese Meldung war schon deshalb sehr unwahrscheinlich, weil dieses Zitat nicht etwa aus der Bibel stammt, sondern von König Max II. von Bayern. — Die „Kreuzztg." berichtet, daß der Text der Neujahrspredigt vielmehr gelautet habe: „Er aber, der Herr des Friedens, gebe euch Frieden allenthalben und auf allerlei Weise."
Berlin. Wie verlautet, wird die diesjährige Mittelmeerfahrt des Kaisers samt Aufenthalt in Korfu nicht stattfinden. Die Reisen der kaiserlichen Familie sind für dieses Jahr sehr eingeschränkt worden. Kaisers Geburtstag soll diesmal in einfacherem Rahmen gefeiert werden, obgleich man eine Anzahl Gäste, wie die Könige von Württemberg und Sachsen, erwartet. Das Sparsamkeitsprinzip soll bei Hofe streng durchgeführt werden.
Berlin, 8. Januar. Aus Karlsruhe wird hierher gemeldet, die „Bad. Presse" habe von gut unterrichteter Berliner Seite erfahren, daß die Reichsregierung die Elektrizitätssteuer zurückgezogen habe. Hier in Berlin ist davon nichts bekannt.
Berlin, 8. Jan. Die Abendblätter melden: Das Kaisermanöver wird in diesem Jahr zwischen dem 13. (württ.) und dem 14. (badischen) Armeekorps stattfinden. Als Gelände wird voraussichtlich die Gegend zwischen Stuttgart und Heilbronn in Frage kommen.
Einem Berliner Journalisten gegenüber hat sich Eisenbahnminister Breitenbach über die wirtschaftliche Lage folgendermaßen ausgesprochen: „Die augenblickliche wirtschaftliche Lage in Deutschland kennzeichnet sich als eine Periode des Stillstandes, zutreffender des Ausruhens nach langdauernder, scharfer Anspannung der materiellen und geistigen Kräfte, über die wir in unserem Vaterlande in so reichem Maße verfügen. Das Ergebnis dieser Anspannung war eine ungewöhnliche Zunahme des nationalen Wohlstandes zum Nutzen aller Volkskreise. Ein gesunder Körper bedarf der Ruhe, um auf der Höhe seiner Leistungsfähigkeit, seines Könnens zu verbleiben. Das kommende Jahr wird, so hoffe ich zuversichtlich, den Beweis liefern dafür, daß wir zu neuer wirtschaftlicher Kräfteentfaltung erstarkt sind, um im friedlichen Wettstreit der Völker unfern Platz zu bewahren und den wachsenden Kulturaufgaben des modernen Staates gerecht zu werden."
Wie von zuständiger Seite mitgeteilt wird, sind soeben von amtlicher Stelle außerordentlich erfreuliche Nachrichten aus Deutsch-Südwest-Afrika eingetroffen, die eine baldige völlige Beruhigung des Südens der Kolonie erhoffen lassen. Die Banden, die letzthin austauchten und in bekannter Weise in Tätigkeit traten, sind entweder aufgerieben oder gefangen genommen, was unter Mitwirkung der Kappolizei erfolgt ist. Eine nähere Darstellung wird folgen.
Der „Mehlkrieg" zwischen Deutschland und der Schweiz nimmt allmählich schärfere Formen an. Eine in Olten stattgefundene Versammlung schweizerischer Müller beschloß, über das deutsche Getreide und die deutschen Mehlprodukte den Boykott zu verhängen. Die Maßnahme soll unter Umständen sogar noch auf andere deutsche Artikel ausgedehnt werden.
Der Führer der christlich-sozialen Partei Oesterreichs, der Wiener Oberbürgermeister Lueger, erklärte in einer politischen Rede, daß seine Partei ein unbedingter Anhänger des deutsch-österreichischen Bündnisses sei.
Während man an den Pariser leitenden Stellen die bevorstehende Räumung des Schaujagebietes in Marokko durch die französischen Truppen ankündigt, wird in amtlichen französischen Meldungen über allerlei neue Märsche der Expeditionstruppen im Inneren des Schaujagebietes berichtet. Nach den neuesten Nachrichten, aus Tanger darf man annehmen, daß es sich um Streifzüge handelt, die nicht auf Befehl der Pariser Regierung unternommen worden sind und die auch mit der Wiederzurückziehung der Truppen geendet haben.
Das Verhältnis Oesterreich-Ungarns zur Türkei gestaltet sich allmählich kritischer. Der Boykott der österreichisch-ungarischen Waren in der Türkei dauert ungeschwächt fort, die türkische Regierung lut gar nichts, um der Boykottbewegung entgegenzuwirken. Die Verhandlungen zwischen beiden Teilen über die Annexionsfrage kommen auch nicht vorwärts, zumal man neuerdings türkischerseits die Forderungen der Autonomie Bosniens und der Herzegowina vertritt.
Der serbische Minister des Aeußern erklärte dem österreichischen Gesandten auf dessen Vorstellungen wegen der bekannten Skuptschinarede des Ministers, diese Rede habe keinerlei aggressive Tendenz gegen Oesterreich-Ungarn gehabt. Jede verletzende Absicht habe ihm ferngelegen. Er bedauere, wenn seine Ausführungen über den serbischen Standpunkt in der bosnischen Frage in Oesterreich-Ungarn den Eindruck von feindseligen