Zweites
Statt.
Der «nztäler
Zweites
Statt.
^ 199.
Neuenbürg, Freitag den 18. Dezember 1908.
66. Jahrgang.
RunSschau.
Wie sehr in der Türkei der Boykott noch in Kraft ist, zeigt ein Brief eines Stuttgarters, der sich zur Zeit auf einer Reise in der Türkei befindet. Als das Schiff von Port Said aus in Jaffa landete, ließen die Türken die Passagiere nicht aussteigen, so daß die Deutschen schließlich in Barut an Land gehen mußten. Besonders gegen die Deutschen sei die Haltung der Türken sehr feindselig, so daß die Reisenden sich auf der Landreise mit Waffen versehen mußten. Amtlich wird aber trotzdem weiter versichert, daß alles im besten Lot sei hinsichtlich der Deutschen.
Paris, 16. Dez. Wie aus Saidi gemeldet wird, ist auch der Rest der geflüchteten Fremd en- Legionäre bis auf ihren Anführer gefangen genommen worden.
Algier, 15. Dez. Bei einer Station im Innern des Landes überfielen 50 Fremdenlegionäre einen Eisenbahnzug, in dem sich General Vigy befand, zwangen ihn zum Zurückfahren und marschierten dann ab. Ueber die Beweggründe zu der Tat, die als Meuterei angesehen wird, ist nichts bekannt.
Auch in Rußland wendet man jetzt der Frage der lenkbaren Luftschiffe größere Aufmerksamkeit zu. Nach einem Telegramm des Berliner Tageblatts aus Petersburg hat das russische Kriegsministerium in Paris ein lenkbares Luftschiff nach dem Typ der „Röpublique" für 300 000 Fr. bestellt. Es soll im Juni nächsten Jahres zu liefern sein. Außerdem wird in Petersburg selbst an einem 14000 Kubikmeter fassenden lenkbaren Ballon nach französischen und deutschen Vorbildern gearbeitet. Diese Arbeiten sollen im Frühjahr beendet sein.
Petersburg, 17. Dez. In dem eben abgelaufenen russischen November ist die Zahl der Hinrichtungen im Reiche wieder beträchtlich gestiegen. Sie beläuft sich auf 82 gegen 53 im Oktober, während gleichzeitig im November 210 Todesurteile von den Kriegsgerichten gefällt wurden. Im Laufe der letzten 11 Monate sind 1691 Personen zum Tode verurteilt und 663 hingerichtet worden. (Diese Statistik beweist, daß unter dem Blutregiment die inneren Zustände Rußlands nur immer schlimmer statt besser werden. Denn es handelt sich hier um Kriegsgerichtsurteile im politischen Ausnahmezustände, während nach gemeinem Recht die Todesstrafe, selbst für Mord in Rußland längst abgeschafft ist. D. Red.)
Berlin, 16. Dez. Gestern abend brach nach Schluß der Arbeit in Bergmanns Elekrizitätswerken,
Gin schweres Opfer.
Novelle von H. von Ziegler.
7) —— (Nachdruck verboten.)
Die Mittagszeit war längst vorüber, als der Hauptmann glückstrahlend die Försterei verließ, nachdem er einen kostbaren Brillantring Olga zum Zeichen des Verlöbnisses an den Finger geschoben. Wie ein Berauschter schritt er dahin.
Eine Träne übermächtiger Bewegung rollte in den Bart des stattlichen Mannes, er schritt weiter, gerade Vincenz entgegen, welcher bleich und kummervoll aussah.
„Hartmann, alter Bursche", rief er fröhlich, „Sie sollen zuerst eine Neuigkeit erfahren, denn Sie haben geholfen, ohne es zu ahnen. Ich habe mich soeben mit Gräfin Arloff verlobt."
Aber der ehrliche Tiroler prallte so entsetzt zurück, als sei ihm der Weltuntergang angezeigt worden.
„Mit — der Gräfin", stotterte er ganz fassungslos, „nein, da seit Gott und die heilige Jungfrau vor, das wäre ein zu großes Unglück, welches Ihr nicht verdient."
In des Offiziers schönes Antlitz stieg dunkle Zornesröte, seine Hand ballte sich und mühsam bezwang er das heftige Wort, welches ihm auf den Lippen schwebte.
„Ihr habt mir sehr weh getan, Hartmann, ich verzeihe es Euch, weil ich in dieser Stunde niemanden zürnen kann und will."
„Das darf nicht sein", stöhnte Vincenz, als
A.-G., ein großer Brand aus. Da das Feuer einen gefährlichen Charakter annahm, wurde die ganze 4. Kompagnie der Feuerwehr alarmiert. Es dauerte über eine Stunde, bis die Gewalt des Feuers gebrochen war.
Berlin, 17. Dez. Ueber die Verhaftung der Gebrüder Eberbach wird gemeldet: Der Schaden, den die Wirtschaft Adolf Eberbachs und seines Bruders Franz den Aktionären der von ihnen ausgesogenen Gesellschaften, dem Admiralsgartenbad und dem Kaiserhof, zugefügt haben, beträgt über 8 Millionen Mark.
Kiel, 15. Dezbr. Laut Mitteilung des Oberbürgermeisters Fuß muß die für den Rathausbau vom Konstrukteur Professor Billing-Karlsruhe veranschlagte Bausumme von 2 765 000 Mk. auf 3985000 Mk. erhöht werden. Die Ueberschreitung wird mit Steigung der Materialpreise begründet.
Aus Baden, 17. Dez. Die serbische Regierung hat bei der Firma Stromeyer in Konstanz 33000 Zelte bestellt. Im ganzen wurden in Deutschland 200 000 Zelte von Serbien in Auftrag gegeben, die anfangs Februar zu liefern sind.
Aus Baden, 16. Dez. Stadtrat und früherer Mühlenbesitzer Frank aus Bruchsal wurde gestern morgen auf dem Bahnkörper gegen Untergrombach tot aufgefunden. — In Karlsruhe sprach ein unbekannter Mann ein 9 Jahre altes Mädchen an, es möge ihm das Wasserwerk zeigen. Das Kind folgte nicht den Lockungen und machte sich dem Hause seiner Eltern zu davon. Der Mann holte das Mädchen dort im Gange ein, schlitzte ihm^die Kleider auf und verletzte es durch einen Messerstich leicht im Rücken. Nach dem Täter wird eifrig gefahndet.
Das Großfeuer in der Deutzer Gasmotorenfabrik, über das wir schon berichteten, hat allein für- 300000 Mk. Modelle vernichtet. Der Gesamtschaden beläuft sich auf 500000 Mk., in den sich sechs Versicherungsgesellschaften teilen. Die Entstehung des Brandes ist noch völlig unaufgeklärt.
In Teplitz-Schönau ist ein Tourenautomobil im Werte von 40 000 Mk. infolge Explosion des Motors verbrannt. Der Führer wurde verletzt. Die Insassen kamen mit heiler Haut davon.
Straßburg, 14. Dezbr. Ein schreckliches Brandunglück ereignete sich am Samstag abend nach 7 Uhr in der Hechtengasse. Die dort im Hinterhause wohnenden Eheleute Gumbert hatten sich aus der Wohnung entfernt, um Einkäufe zu machen und ihre zwei Kinder im Alter von 9 Monaten und 2 Jahren allein zurückgelassen. Auf bis jetzt noch nicht aufgeklärte Weise brach nun während
Schröder sich entfernt, „der ist zu brav für das blonde Frauenzimmer, das sich am End' die Sachen selbst — gestohlen hat."
Als der Hauptmann gegangen, zog Gräfin Olga nervös an der Klingel, und gleich darauf trat die Bonne ins Zimmer, verwundert ihre Herrin betrachtend, welche mit dem Packen einer Reisetasche beschäftigt war.
„Ach, liebes Fräulein", rief die Gräfin schmeichelnd, „ich muß Sie herzlich bitten, Nina für einige Tage zu bemuttern, ein eben erhaltenes Telegramm zwingt mich nach Kuffstein abzureisen. Hauptmann Schröder brachte es eben mit, er will mich begleiten. Cs betrifft noch immer meinen Familienprozeß. Ich will gleich die Fähre benutzen und erst drüben einen Wagen nehmen. Hier ist der Schlüssel zu meinem Schreibtisch. Und hier ist ein Brief, den ein Herr abholen wird. Meine Sachen können Sie nächstens an diese Adresse hier senden."
„Wie lange werden Frau Gräfin bleiben?"
„Höchstens einige Tage. Vielleicht lasse ich Sie mit Nina nach München Nachkommen, wenn die Geschäfte geordnet sind."
„Darf ich die Kleine zum Abschiednehmen holen?"
„Nein, nein, nur keine Szenen. Apropos, hier ist das Pensionsgeld und außerdem noch hundert Mark, das wird reichen. Nicht wahr. Sie sprechen nicht über meine Abreise?"
„Das wird sehr bald bekannt werden."
„Ja, ja, ich meine auch nur, weil die Leute
der Abwesenheit der Eltern in der Wohnung Feuer aus, das so rasch um sich griff, daß, als die Feuerwehr in Tätigkeit trat, die beiden Kinder bereits bis zur Unkenntlichkeit verbrannt waren. Als die Frau um 8 Uhr allein zurückkam und das entsetzliche Bild sah, bekam sie einen Nervenanfall, so daß sie in die Nervenklinik gebracht werden mußte.
Ein Räuberstückchen, das an die Heldentaten aus Wildwest erinnert, wurde am Dienstag in der Rheinprovinz verübt. Die Echternach-Bitburger Fahrpost wurde bei Wolfsfeld von zwei Wegelagerern überfallen, die von dem Postillon die Postwertsachen verlangten. Nach einem heftigen Kampf, bei dem die Kleider des Postillons zerrissen und die Fenster und Laternen des Postwagens zertrümmert wurden, entkam der Postillon glücklich mit seinem Wagen. Von den Räubern fehlt jede Spur.
In dem Flecken Kupferdreh bei Köln überfielen zwei Burschen eine dreizehnjährige Schülerin. Sie schleppten das Mädchen in den nahen Steinbruch, vergewaltigten und verwundeten es schwer. Dann banden sie es an einen Baum. Die Täter entkamen. Das Kind liegt schwerkrank darnieder.
In Düsseldorf haben die Eheleute Geheimrat v. Krüger 100000 Mk. gestiftet, deren Zinsen jährlich zu Ferienausflügen armer Kinder verwendet werden sollen.
Der Mitinhaber des fallierten Münchener Bankhauses Späth u. Co. wurde von der Staatsanwaltschaft wegen großer Depotunterschlagungen verhaftet. Wie verlautet, fehlt der größte Teil aller Depots.
Dienstag Nacht haben Einbrecher aus dem Geschäft des Juweliers Richter in der Steglitzer- straße in Berlin Juwelen im Werte von 300000 Mark gestohlen. Die Diebe haben den ganzen Laden ausgeräumt.
Aus Brüssel wird geschrieben: Seit einiger Zeit werden in hiesigen Krankenhäusern vor Rekonvaleszenten und leicht Erkrankten von bekannten Schriftstellerinnen unentgeltlich und teilweise mit Lichtbildern Vorträge gehalten. Der Inhalt derselben ist heiteren Charakters und bestimmt, die Leidenden auf andere Gedanken zu bringen. Diese Einrichtung verdient lobend erwähnt und zur Nachahmung empfohlen zu werden. (Hieran anknüpfend sei erwähnt, daß seit einigen Monaten auch ein paar bekannte englische Clowns von Zeit zu Zeit eine Rundreise durch die Londoner Krankenhäuser veranstalten, um durch ihre Spässe und Bocksprünge namentlich die Kinder aufzuheitern.)
immer gleich Böses zu reden wissen. Hier die Handtasche nehme ich selbst, das Uebrige —"
„Sende ich nach", ergänzte die Bonne ruhig, „verlassen Frau Gräfin sich ganz auf mich."
„Ich danke Ihnen, liebe Klara. Bitte, lassen Sie sich mein braunseidenes Kleid ändern, ich trage es doch nicht mehr."
Bald darauf schlüpfte die schöne Gräfin im schlichten Reisekleid, eine ziemlich umfangreiche Reisetasche in der Hand, zum Hinterpförtchen des Försterhauses hinaus. Ein dichter, schwarzer Schleier verbarg trotz der Mittsommerglut ihr Gesicht. Als sie das Pförtchen hinter sich und die Landstraße erreicht hatte, stand sie ausatmend einen Augenblick still.
„Das war Flucht im letzten Augenblick", flüsterte sie halblaut, „wer weiß, ob nicht Oskar schon heute das Netz um mich zugezogen hätte, und dann war alles aus. Nun denn, lebwohl Erlau, lebwohl Georg Schröder! Der Aermste liebt mich wirklich, und ich hätte es nicht ertragen, vor ihm entlarvt zu werden."
Aber Einer beobachtete doch die Flucht der Gräfin. Aus dem dichten Gebüsch lugte Vincenz Hartmann ihr nach und brummte:
„Wo will denn die hin? Reist wohl heimlich mit allen Brillanten ab? Na, um so besser! Dann wird mein armer Herr Hauptmann wieder frei — er war auch wirklich zu schade für sie."
* »
-i-
Ueber der Erde lag Sonnenwendnacht. Zaube-