Erscheint

Montag, Mittwoch, Freitag und Samstag.

Ireis vierteljährl.: in Neue,»bürg ^.20. Durch d' Post bezogen: im Vrts> und Nachvar- orts-Verkehr ^ 1.15; tnr sonstigen inländ. Verkehr 1.25; hiezu je 20 ^ Bestellgeld.

Abonnements nehmen alle Postanstalten und Postboten jederzeit entgegen.

Der Lnztäler.

Anzeiger für das Enztal und Umgebung.

Amtsblatt kür Sen Vberamtsbezirk Neuenbürg.

Auzeigcnpreis:

die 5 gespaltene Zeile oder deren Raum 10 bei Auskunfterteilung durch die Exxed. 12 Reklamen die Sgesp. Zeile 25

Bei öfterer Insertion entsprech. Rabatt.

Fernsprecher Nr. 4»

Telegramm-Adreffe: ^Enztäler, Neuenbürg*.

196.

Reuenbürg, Samstag den 12. Dezember 1968.

66. Jahrgang.

Berlin, 11. Dez. Die Reichstagssitzung am gestrigen Donnerstag gestaltete sich außerordent­lich interessant. Der Etat wurde weiter verhandelt und als erster Redner trat der Abg. Haußmann von der süddeutschen Volkspartei auf. Er setzte so­fort mit der auswärtigen Politik ein, da er ausführte: Wenn hier der Wunsch ausgesprochen worden ist, daß unsere Offiziösen die ausländische Presse reich­licher informieren sollen, so möchte ich doch feststellen, daß das Interview uns ein- für allemal als ein recht ungewöhnliches Mittel erscheint. Der Auffass­ung des Reichskanzlers über den japanisch-ameri­kanischen Vertrag pflichte ich bei. Erfreulich ist es, daß die Casablanca-Affäre endlich in den Schieds­gerichtshafen eingelaufen ist. Wie wir hören, soll das Haager Schiedsgericht sich auch mit der Frage der Fremdenlegion beschäftigen. Wollte Hr. Basser­mann mit der Erwähnung des Hrn. von Holstein den Wunsch aussprechen, er möge zurückkehren? (Zuruf bei den Nationalliberalen: Nein!) Ich akzeptiere ihr Nein und lege entschieden Verwahrung dagegen ein, daß dieser kleine Deleasso je wieder aktiv oder beratend an unserer äußeren Politik be­teiligt wird. In dem Vorgehen Oesterreichs liegen sehr erhebliche Bedenken. Die einseitige Aufhebung eines Vertrages ist deshalb besonders anfechtbar, weil die Balkanstaaten nicht in der Anschauung er­zogen werden dürfen, daß Verträge dazu da sind, um gebrochen zu werden. England kann zurzeit nicht das Objekt für eine Annäherung Deutschlands sein. Wohl aber wäre unser Verhältnis zu Frank­reich näher ins Auge zu fassen. Unser Schein­konstitution alismus schädigt uns den freien Staaten gegenüber. Er erregte Heiterkeit und Zustimmung, als er Hrn. von Holstein als kleinen Delcasso be- zeichnete der Reichskanzler betrat gerade den Saal, als der Abgeordnete diese Bemerkung gemacht hatte. Als er geschlossen hatte, erhob sich der Reichskanzler und knüpfte an die Forderung Hauß- manns, die Rüstungen einzuschränken, an. Fürst Bülow sprach auch am Donnerstag wieder in leb­hafterem Ton. Seine Ausführungen über diesen Punkt ließen an Deutlichkeit für den, der zwischen den Worten zu hören vermag, nichts zu wünschen übrig; wir müssen uns allmählich damit abfinden, daß die ganze Abrüstungsfrage nach Lage der Dinge in absehbarer Zeit nur ein frommer Wunsch bleiben wird. Dann sprach unter großer Stille und Auf­merksamkeit des Hauses der Fürst über den Geheim­rat Holstein, dem er in überaus warmen Worten und gehobener Rede ein glänzendes Zeugnis aus­stellte. Es erhob sich kein vernehmbarer Widerspruch dagegen, wohl aber konnte man auf den Gesichtern der Linken eine starke Ueberraschung lesen. Der leise Zug von Sentimentalität und Sorge, den Bülow bei der Kaiserdebatte zeigte, ist völlig ge­schwunden: man merkt, daß er wieder ganz Herr der Situation ist. Es sprachen noch: Staats­sekretär v. Schön und die Abgg. Zimmermann (D. Refp.) und Beck (natl.).

Berlin, 11. Dez. (Reichstag.) Bei der Fort­setzung der Beratung des Etats und der Besol­dungsvorlage sprachen die Abgg. Spahn (Ztr.), Singer (Soz.), Kulerski (Pole), Kopsch (frs. Vp.), v. Oertzen (Rp.), Heckscher (frs. V.), Erzberger (Ztr.), Arning (natl.), Ledebour (Soz.), ferner die Staatssekretäre Dernburg, v. Schön, v. Beth- mann-Hollweg. Schließlich wurden der Etat und das Besoldungsgesetz der Budgetkonimission über­wiesen. Die nächste Sitzung nach den Weihnachts­ferien findet am 12. Januar statt.

Die Reichstagskommission für die Reichs­finanzreform nahm am Mittwoch bei der weiter­geführten Besprechung der Frage der Matrikular­beiträge die freisinnige Resolution betreffs einer Veredelung der Matrikularbeiträge an. Im übrigen

sprach sich die Kommission einhellig dafür aus, daß die Matrikularbeiträge der Jahre 1906, 1907 und 1908 in Gesamthöhe von 144^ Millionen Mark aus der Bedarfsberechnung des Reichsschatzsekretärs auszuscheiden seien, ohne indessen gleichzeitig Beschlüsse über die Deckung dieses Ausfalles zu fassen.

Die militärischen Sicherheitsmaßnahmen Oester­reich-Ungarns gegenüber Serbien und Monte­negro erfahren jetzt ihren Abschluß. In den nächsten Tagen landen in der Boche di Cattaro 10000 Mann, womit der Aufmarsch der österreichisch-ungarischen Truppen in den beiden neuen Provinzen und in Süddalmatien beendet ist und die Möglichkeit einer Ueberraschung durch Bandeneinfälle unwahrscheinlich wird. Die Arbeiten bei der Tauernbahn-Salzburg- Triest sind so beschleunigt worden, daß vom 1. März ab Züge verkehren können.

Smyrna, 9. Dezbr. Infolge des Boykotts gegen Oesterreich werden seit einigen Tagen auch Waren anderer Staaten, die mit österreichischen Schiffen anlangen, nicht entladen. Den deutschen Interessenten wird daher empfohlen, Sendungen nach Smyrna bis auf weiteres weder über Triest, noch überhaupt mit österreichischen Schiffen zu befördern.

Der Schah von Persien überwies dem deutschen Hospital in Teheran eine jährliche Spende von 36 000 Mk., um dadurch sein Interesse für Deutschland und seine Anerkennung für die von den Deutschen bisher in Persien geleistete kulturelle Arbeit zu bekunden.

Der neue Sultan von Marokko, Mulay Hafid, hat bereits mit Verschwörungen gegen seine Herrschaft zu tun. Wenigstens wird aus London gemeldet: In Metz wurden mehrere hervorragende Einwohner festgenommen, gefoltert und ins Gefäng­nis geworfen infolge der Entdeckung eines Komplotts, das Muley Mohamed auf den Thron zu setzen bezweckt.

Die englische Regierung hat ein weiteres Fiasko erlebt. Sie hat in der Montag-Sitzung des Unterhauses die neue Unterrichtsgesetzvorlage, die dritte, formell zurückziehen müssen, weil sie ihre Aus­sichtslosigkeit erkannt hat. Premierminister Asquith gab hierbei tiefstem Bedauern darüber Ausdruck, daß die Hoffnungen der Regierung auf Regelung der Unterrichtsfrage vereitelt seien.

In den Vereinigten Staaten von Nord­amerika hat Präsident Roosevelt dem Kongreß eine Botschaft zugehen lassen, in der die mannig­fachsten Gegenstände ihre Erörterung finden. Für die Behandlung der Trusts wird der Gesetzgebung die mittlere Linie empfohlen und jedes radikale Vor­gehen verworfen. Ferner enthält die Botschaft einen starken sozialpolitischen Einschlag, und es wird eine Reihe von Forderungen zur Aufbesserung der Lage des Lohnarbeiterstandes geltend gemacht. Ins­besondere richten sich die Bestrebungen Roosevelts auf Schaffung einer ausreichenden Unfallfürsorge. Interessant ist das in dieser Hinsicht gemachte Ge­ständnis:In keiner andern Beziehung ist unsere Gesetzgebung, sowohl die der Staaten als auch die des Bundes, so weit hinter der ganzen zivilisierten Welt zurück, wie in der Frage der Haftung und der Entschädigung bei gewerblichen Unfällen." Unsere Lobredner der Republik können aus solchem Ein­geständnisse wieder einmal lernen. Zum Schluffe endlich wird in der Botschaft die Vermehrung der amerikanischen Flotte verlangt. Die Friedensschal­meien Berta v. Suttners und ihres Anhanges scheinen also auch jenseits des Ozeans noch immer kein williges Gehör zu finden.

Die Räumung Kubas durch die amerikanischen Truppen beginnt am 1. Januar 1909; eine geringe Zahl soll noch bis zum April auf der Insel bleiben.

Gaggenau, 10. Dez. Gestern abend geriet auf dem hiesigen Bahnhofe ein von der Süddeutschen Automobilfabrik repariertes Kaiser!. Postautomobil, welches auf einem Eisenbahnwagen zum Versand

nach Hamburg bereits verladen war, in Brand und wurde ein Raub der Flammen. Die Entstehungs- Ursache ist noch nicht aufgeklärt.

Württemberg.

Die württembergische Politik steht zurzeit unter dem Zeichen der Bürgerausschußwahlen, die vielerorts große Veränderungen unter den bürger­lichen Kollegien Hervorrufen, da sie nach dem Ver- hältniswahlverfahren vorgenommen werden. Mit größtem Interesse sieht man natürlich dem Ergebnis in Stuttgart entgegen, wo die Entscheidung erst in der kommenden Woche fällt und wo andererseits eine große Verschiebung der Parteiverhältnisse wahrschein­lich ist. Dazu kommt, daß die Wahlen ohne die Mit­wirkung des Oberbürgermeisters v. Gauß erfolgen, der eigentlich schon seit der Verabschiedung des Haushaltsetats, zu dem er bekanntlich in einem Privatbrief Stellung nahm, den Geschäften mehr oder weniger fernbleibt und nunmehr auf unbestimmte Zeit m Urlaub gegangen ist, weil ihn angeblich seine gesundheitlichen Verhältnisse dazu zwingen. Man glaubt diese Erschütterung auf politische und kom­munale Sorgen zurückführen zu sollen, nicht zum wenigsten im Zusammenhang mit dem Ausfall der Bürgerausschußwahlen, ferner auf die Tatsache, daß Gauß bei seiner Wahl, die unter der früheren Ge­meindeordnung auf Lebenszeit erfolgte, versprochen hat, daß er sich nach zehn Jahren freiwillig einer Neuwahl unterziehen werde und daß diese 10 Jahre nunmehr zu Ende gehen. Auf eine Wiederwahl wäre allerdings bei der persönlichen Unbeliebtheit, deren sich Herr v. Gauß in den weitesten Kreisen Stuttgarts erfreut, umso weniger zu rechnen, je un­günstiger für seine engeren Parteifreunde sich der Besitzstand auf dem Rathaus gestalten würde. Dazu kommt, daß der Stuttgarter Oberbürgermeister ja auch eine durchaus gesicherte Zukunft besitzt. Denn er hat sich noch in diesem Jahre sein Gehalt soweit erhöhen lassen, daß ihm eine Pension von 12 000 ^ bleibt, ein Betrag, mit dem sich in Langenargen, wo sich Herr v. Gauß bekanntlich sein Tuskulum baut, recht gut leben läßt.

Die Kammer der Abgeordneten hat nun­mehr ihre Beratungen wieder ausgenommen und wird so rasch als möglich die Erledigung der Volks­schulnovelle vornehmen, die neuerdings durch das Schreiben des Bischofs sehr in den Vordergrund des politischen Interesses gerückt worden ist. Der Bischof beklagt sich darin, daß er von der Regier­ung nicht gehört worden sei und stellt in sehr ener­gischer Sprache die Forderungen auf, die die Kirche von jeher auf die Schule geltend gemacht hat. Das Schreiben hat großes Aufsehen erregt und die poli­tischen Leidenschaften entschieden mehr erhitzt, als nötig war, denn bei Lichte betrachtet, ist es doch nicht in der Erwartung ergangen, daß damit irgend welcher Einfluß auf die Verabschiedung der Novelle gewonnen werde. Es stellt vielmehr den von der jahrhundertealten Konsequenz der Kirche ge­botenen und darum zu erwartenden Einspruch dar, ebenso wie er seinerzeit gegen die Einführung der Ziviltrauung und ähnlicher, die Rechte der Kirche beschneidenden Staatsgesetze ergangen ist.

Stuttgart, 11. Dez. Die Zweite Kammer verhandelte gestern, wie schon mitgeteilt, in Zstündiger Beratung über die Eingabe des Veteranenbundes Württemberg betr. die Gewährung einer Beihilfe an die Kriegsteilnehmer. Die Eingabe wurde von allen Seiten sympathisch ausgenommen. Der Bericht­erstatter Keil gab auf Grund von Mitteilungendes Kriegsministers in der Kommission zu, daß in Württemberg bei der Gewährung von Beihilfen liberal verfahren werde. So seien im Jahr 1907, in dem es 3705 Veteranen gab, nur 3,3°/o der Gesuche abgelehnt worden, immerhin gebe es noch vereinzelte berechtigte Beschwerden. Der Kriegs­minister v. Marchtaler betonte, daß die Veteranen-