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148.

Neuenbürg, Samstag den 19. September 19V8.

66. Jahrgang.

RunSschau.

Bei der Reichstagsersatzwahl in Speyer- Ludwigshafen erhielten Binder (Soz.)2l637 und Buhl (natl.) 12 607 Stimmen. Der sozialdemo­kratische Kandidat Binder ist somit gewählt. Die Ersatzwahl ist durch den Tod des bisherigen sozial­demokratischen Vertreters Ehrhart erforderlich ge­worden. Bei der Wahl im Jahre 1905 erhielt der sozialdemokratische Kandidat 18 539, der National- liberale 13 708 und der Zentrumskandidat 8169 Stimmen. In der Stichwahl siegte Ehrhart mit 21826 Stimmen über die 15 794 Stimmen des nationalliberalen Gegenkandidaten. Für die Ersatz­wahl hat das Zentrum, nachdem es die bürgerliche Sammelkandidatur des Grafen Posadowsky abgelehnt hatte, Stimmenthaltung angeordnet, es hat also hauptsächlich den Sieg des Sozialdemokraten auf dem Gewissen.

Stettin. Der Stapellauf des Linienschiffes Ersatz Württemberg, das sich auf der Vulkan-Werft im Bau befindet, erfolgt am 26. Sept. mittags und zwar in Gegenwart der Fürstin zu Wied und des Oberpräsidenten der Rheinprovinz, Dr. Frhr. von Schorlemer, der die Taufrede halten wird, während die Fürstin die Taufe vollzieht.

Ueber einen Sieg der deutschen Industrie in Mexiko wird der Deutschen Kabelgramm-Gesell­schaft gemeldet: Die Siemens-Schuckertwerke erhielten durch die hiesige Filiale den Auftrag auf Maschinerie und Installation der Hydro-elektrischen Anlage am Chapalasee bei Guadalajara. Die Gesamtanlage wird auf 15 Millionen Mark geschätzt. Dieser Sieg einer deutschen Gesellschaft ist insofern bemerkenswert, als die amerikanische Industrie Mexiko als ein Land zu betrachten gewohnt ist, wo nur Amerikanern Aufträge zufallen dürfen.

Frankreich hat eine kurze Neuauflage des Dreyfusskandals gehabt: Die Pariser Geschworenen haben den Journalisten Gregory, der bei der Ueber- führung der Gebeine Zolas in das Pantheon einen Mordversuch an Dreyfus verübt hatte, glatt frei­gesprochen.

Der russischen Geheimpolizei ist die Aufhebung einer neuen verbrecherischen Organisation in Petersburg gelungen, die aus etwa 100 Studenten und Arbeitern bestand und die Ausführung terro­ristischer Akte vorbereitete. An der Organisation war ferner ein Beamter des Polizeidepartements beteiligt, dem die Versendung der Geheimzirkulare oblag. Das Hauptquartier der Verschwörer war eine einfache Bierbude im Zentrum der Stadt, wo

Ruths Geheimnis.

Novelle von Clara Rheinau.

Nach dem Englischen.

7) - (Nachdruck verboten.)

Schluß.

So war denn alles vorüber, und Frank suchte und fand Erleichterung in dem besten Heilmittel für schmerzliche Enttäuschungen ernster, harter Arbeit. Und harte, saure Arbeit war es für den jungen Mann, der einst bessere Tage gekannt hatte, obschon er viele Freunde fand, die sich hilfreich seiner an- nahmen. Mr. Hardcastle vor allem ließ es sich sehr angelegen sein, ihm Schüler zu verschaffen, so­wie Käufer für seine Gemälde, und so gelang es dem Armen, wenigstens den Hunger von seiner Tür fernzuhalten.

Seit einiger Zeit weilte auch Ruth Milson in London. Ihr Inserat war erfolgreich gewesen, und sie hatte ein Engagement als Gouvernante gefunden.

Für 40 Pfund jährlich mußte das junge Mäd­chen die Erziehung von 5 Kindern leiten', den drei älteren auch die Anfangsgründe in der Musik, im Zeichnen und Französischen beibringen. Aber Ruth fühlte sich nicht unglücklich in ihrem Berufe. War ihr doch eine neue süße Hoffnung aufgegangen, wußte sie doch, daß am Abend, wenn sie ihre schwere Tagesarbeit vollendet hatte, Frank ihrer an der Türe harren würde, um sie bis an ihre bescheidene Wohnung zu geleiten.

So verging die Zeit; es war wieder Winter

im Keller hinter Biertonnen 25 Kilogr. Dynamit, drei gebrauchsfertige Bomben, eine Unmenge revo­lutionäre Literatur und zahlreiche kompromittierende Briefe aufgefunden wurden. Im Zusammenhangs mit der Entdeckung der revolutionären Organisation wurden drei sozialrevolutionäre Bezirksvereine und das Zentralbureau des russischen Eisenbahnerverbands von der Polizei aufgelöst.

Die White Star-Linie hat zwei neue Ozean­dampfer in Bau gegeben, die alles bisher geleistete in den Schatten stellen werden. Jedes der beiden SchiffeOlympis" undTitanis" werden ihre Namen sein, wird ein Deplacement von 60000 Tonnen bekommen, also fast zweimal so viel als das Deplacement derMauritania", des größten Schiffes, das gegenwärtig existiert. Die beiden Schiffe werden je über 300 Meter lang und ca. 25 Meter breit sein. Man beabsichtigt nicht, ihnen eine ungewöhnliche Geschwindigkeit zu geben. Die Durch­schnittsgeschwindigkeit soll 21 Knoten betragen; die beiden Schiffe werden zusammen 70 Millionen Mark kosten.

Bei einem Aufstieg, den Orville Wright mit dem Leutnant Selfridge vom Signalkorps der Bundesarmee unternahm und bei dem er die Flug­schnelligkeit erhöhen wollte, brach bei der vierten Umkreisung des Exerzierplatzes der linke Schrauben­flügel des Aeroplans, während der rechte weiter­arbeitete. Infolgedessen kippte der Aeroplan um und beide Insassen wurden hinausgeworfen. Wright erhielt schwere Verletzungen an Arm und Hüfte, vermutlich auch innere. Selfridge wurde noch schwerer verletzt und starb bald darauf im Spital, wohin man beide geschafft hatte. Der Aeroplan ist völlig zertrümmert. Es ist, als ob sich alle Tücken des Schicksals gegen alles verschworen hätten, was irgendwie den Namen Luftschiff führt. Am 5. Aug. wurde derZeppelin" durch Sturm und Feuer vernichtet, am 16. Sept. erfolgte die schwere Havarie desParseval" und nun ist auch der Aeroplan Orville Wrights zer­trümmert.

Madrid, 18. Septbr. Bei Artillerie-Schieß­übungen zwischen Vicalvaro und San Fernando wurden 15 Artilleristen durch die Explosion eines Geschützes schwer verwundet.

Berlin. Der Kutscher Knapp fuhr mit einem Lastwagen in Begleitung seines 10jährigen Sohnes, der auf dem Bock neben dem Vater saß, von seiner Wohnung weg. In der Nähe des Küstriner Platzes beugte sich der Knabe zur Seite, verlor das Gleich­gewicht und stürzte von dem Wagen hinunter. Ver-

geworden. Vor dem Altäre der hübschen kleinen Citykirche, die sich so schüchtern zwischen den sie um­gebenden Warenhäusern versteckte, als ob sie sich schäme, allein müßig gefunden zu werden zwischen all den Geschäftigen, stand ein schönes, junges Paar. Der Morgen war trübe und nebelig, ein eisiger Wind strich durch die schlechtschließenden Türen und mischte einen kreischenden Ton in den sanften Choral, der von der Orgel her erklang. Die Beiden am Altäre vernahmen das Kreischen des Windes nicht, die Töne ihres Herzens harmonierten mit denen der Orgel, und ihre Gedanken waren ganz und feierlich auf die heilige Handlung gerichtet, die sich vollziehen sollte. Es waren Frank und Ruth, deren Herzen sich längst gefunden hatten, und die nun mit we­nigen Freunden und Freundinnen, darunter der biedere Josiah, gekommen waren, um den Bund für das Leben zu schließen. Die feierlichen, binden­den Worte waren gesprochen, die Ringe gewechselt, und in Josiahs Begleitung kehrten die Neuvermählten in Franks Wohnung zurück.

Das junge Paar verbrachte den Honigmond in stiller Glückseligkeit in Franks seitheriger Wohnung, in einer abgelegenen Straße Londons. Josiah ging fleißig in dem Hause aus und ein, denn er reiste beständig zwischen Cornwall und London hin und her. Manchmal jedoch verweilte er mehrere Tage in der Stadt und brachte dann stets umfangreiche Aktenpakete mit, welche er und Frank stundenlang zusammen studierten, um sich dann in freudiger Er­regung davon zu erheben.

geblich bemühte sich K., das Gespann zum Stehen u bringen und so kam es, daß das Vorderrad des chweren Gefährtes dem Jungen über den Kopf hinwegging. Der Verunglückte wurde nach einer Unfallstation gebracht, wo der Arzt nur den bereits eingetretenen Tod feststellen konnte.

Berlin, 17. Septbr. Infolge des öffentlichen Auftretens desHauptmann von Köpenick" in Paris hat das Berliner Polizeipräsidium die Ausweisung des Schuhmachers Voigt aus Berlin und Vororten beschlossen. Voigt ist nun in Kiel eingetroffen. Der Polizeipräsident untersagte ihm das Auftreten im Varietee.

Großes Aufsehen erregt in Weißenstadt in Oberfranken die Konkursanmeldung des Granit- werbesitzers Arthur Kleemann, Inhaber der Firma Granitwerk Waldstein" in Weißenstadt. Die Firma lieferte ihre Fabrikate nicht nur über ganz Deutsch­land, sondern auch überseeisch und galt als gut fundiert. Zahlreiche Handwerksmeister verlieren bei diesem Konkurs ihren sauerverdienten Arbeitslohn.

In Düsseldorf explodierte an einem Auto­mobil des Fabrikanten Erhardt die Maschinerie, wodurch die 6jährige Tochter eines Schutzmanns getötet wurde. Bei Osnabrück überschlug sich ein Automobil an einer Böschung. Dr. Jürgens- Lindorf war sofort tot. Ein Offizier wurde schwer verletzt.

In Gent hat eine Feuersbrunst den größten Teil der Garnfabrik Feyerik zerstört. Der Schaden ist sehr groß. 500 Arbeiter sind brotlos.

In Konstantinopel sind am Mittwoch wieder durch Brandstiftung 160 Häuser abgebrannt, nachdem erst im August mehr als 1000 und vor einigen Tagen 45 Häuser eingeäschert wurden.

Urteile der Presse überRapid", Trocken- Feuer-Löscher. (Bericht des Leipziger Tageblattes in Nr. 244 vom 3. September 1908): Gestern nachmittag fanden auf einer Wiese an der Bitter­felder Straße Versuche mit einem neuen Feuerlöscher, dem Trocken-Feuer-LöscherRapid" statt, für den Hr. Walter Kratzsch, Dessauer Straße 12, in Leipzig den General-Vertrieb hat. Der Löschprobe wohnten zwei Vertreter der städtischen Feuerwehr bei. Die Versuche hatten einen für alle Anwesenden ver­blüffenden Erfolg. Ein Stoß dürren Holzes wurde mit Petroleum und Benzin übergossen und dann in Brand gesteckt. Als das Brandobjekt lichterloh brannte, trat das neue Löschmittel, ein gelbliches Pulver in Tätigkeit. Trotz des starken Windes ge­nügte eine Tüte voll diesen Pulvers, das in die Flammen geworfen wurde, um das Feuer vollständig

Die arme Ruth quälte sich mit Fragen, was dies alles bedeuten möge, und wendete sich immer und immer wieder an Frank mit der Bitte um Auf­klärung des Geheimnisses. Und Frank lächelte o so freudig! und sagte ihr nichts; aber er zog das liebliche Wesen an seine Brust, daß sie keine weiteren Fragen mehr stellen konnte.

hiuth war nun seit beinahe zwei Monaten ver­heiratet und fühlte sich an der Seite des geliebten Gatten unbeschreiblich glücklich.

Wieder war der Weihnachtsabend herangekommen. Eine weiße Schneedecke breitete sich über die winter­liche Erde, soweit das Auge sehen konnte, und noch immer fielen die weichen Flocken in dichten Massen vom bleigrauen Himmel hernieder.

Draußen im freien Lande, weit entfernt von dem geschäftigten London, brauste der Expreß in der Richtung nach Cornwall durch die dunkle, kalte Nacht. Rasselnd, keuchend, pustend flog er dahin, den Elementen trotzend, und seine feurigen Augen warfen einen grellen, roten Schein auf den Schnee, der ihn von allen Seiten umgab. In einem Koupee 1. Klasse dieses Zuges hatten Mr. und Mrs. Frank Grey Platz genommen. Für Leute in beschränkten Verhältnissen war dies ohne Zweifel eine unverzeih­liche Extravaganz, der halben Krone für den Schaffner, der ihnen dieses Koupee reserviert hatte, gar nicht zu gedenken.

Ruth hatte ihrem Frank sehr ernsthafte Vorstell, ungen darüber gemacht, aber der Leichtsinnige hatte