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Auf zur Stichwahl!

Die allgemeine Unzufriedenheit mit der einseitigen parlamentarischen Tätigkeit und den Abstimmungen unseres seitherigen Reichstagsabgeordneten, der Abscheu vor der verhetzenden, alles vergiftenden Agitation des Bauernbundes lind die Ueberzeugung, daß es s o nicht weiter gehen kann, haben einen großen Teil der Wähler des VII. Wahlkreises von ihrem seitherigen Vertreter, Fr. Schrempf, abgewendet nnd sie haben mit einer Mehrheit von über 1600 Stimmen dessen Wiederwahl am Hauptwahltage verworfen.

Wie in unserem Wahlkreise, so ist es den Führern des Bauernbundes auch im übrigen Reiche ergangen. Sie sind zumeist bereits im ersten Wahlgange unterlegen.

Nur 1 Vertreter des mit so viel Geschrei und in seinen Forderungen so maßlos und rücksichtslos auftretenden Bundes der Landwirte ist bis jetzt im ganzen Deutschen Reiche gewählt. Der gesunde Sinn der Bevölkerung, der einsieht, daß nicht Zwietracht und Hatz, sondern Ruhe und Frieden dem Volke not tut, hat den Bund gerichtet.

Selbst die Regierung sah sich genötigt, im Interesse der Landwirte Stellung gegen den Bund zu nehmen. Minister v. Pischek hat auf der Wanderversammlung württ. Landwirte in Geislingen am 2. Juni d. I. wörtlich gesagt:

Die Landwirte werden von ihren besoldeten Wortführern zu immer neuer Begehrlichkeit aufgereizt. Iin allgemeinen ist es nicht wünschenswert und dem Frieden nicht dienlich, wenn solche bezahlten Wortführer aufgestellt werden. Sie bringen keine Versöhnung, sondern verschärfen nur die Gegensätze etc."

Nun ist es an Euch, Mitbürger und Wähler, auch dem schwäbischen Führer des Bundes, dessen bezahlte ReiseaxostelRsrirer und Welf" seit Jahren den Bezirk durchwühlen und künstliche Gegensätze zwischen

Stadt und Land, die doch so eng ans einander angewiesen sind, hervorzurufen suchten, den Stuhl vor die Türe des Reichstags zu setzen.

Nicht in matzlosen Ansprüchen eines einzelnen Standes, sondern im gerechten Abwägen des Interesses aller Verussstände liegt das Heil unseres Volkes und nur in ihm ist eine gesunde Ent­wicklung unseres wirtschaftlichen Lebens möglich.

Darum fort mit der einseitigen Jnteressenpolitik und den Blick aufs große Ganze gerichtet!

-Mtbürger! Wähler!

Rein sachlich, ohne jeden persönlichen Ausfall haben wir seither den Wahlkampf geführt; in unseren Flugblättern haben wir nur nackte, auf amtliche Protokolle gestützte Tatsachen, die wir auch heute noch voll und ganz ansrecht erhalten, den Bauern und Handwerkern mitgeteilt nnd es ist dem Bauernbund nicht gelungen, den Wählern die Unrichtigkeit auch nur eines Punktes nachzuweisen.

Statt sich nun ebenfalls zu einer anständigen, sachlichen Kampfesweise zu bequemen, treten uns unsere Gegner in einer Reihe von Artikeln, und Blättern in der gehässigsten Weise gegenüber.

Weil die vaterländische Gesinnung unseres Randidaten selbst von jener Seite, die die nationale Gesinnung allein in Erbpacht zu haben glaubt und sie Anderen so gerne ab spricht, nicht angezweifelt werden kann, sucht man ihn sonst zu verdächtigen. Der Umstand nämlich, daß unser Kandidat seine Militärpflicht treu erfüllt und es dabei zum Reserveoffizier gebracht hat, wird ihm zum Vorwurf gemacht von einer Seite, die es doch sonst als die höchste Ehre betrachtet, Reserveoffizier zu werden. Wo bleibt da die politische Ehrlichkeit? Und nun soll unser Kandidat den Forderungen der Regierung keinen Widerstand entgegensetzen dürfen!!

Fehlgeschossen, verehrte Freunde! Unser Kandidat hat schon vor ein paar Jahren als Landwehr­ossizier seinen Abschied genommen und er steht frei und unabhängig da nach allen Seiten; seine militärische Dienstzeit aber wird ihn vor manch Anderen befähigen, die sicher zu erwartenden Militärvorlagen der Negierung auf ihre absolute Notwendigkeit für die Schlagfertigkeit unseres Heeres zu prüfen. Und solche, aber auch nur solche, hat er bei Einhaltung weitgehendster Sparsamkeit in seinen Wahlversammlungen zu bewilligen erklärt und damit der großen Mehrheit der Wähler, die wohl ein schlagfertiges Heer, aber keinen unnützen Luxus, keine kost­spieligen Experimente, keine ungesunde Heeresvermehrung verlangt, aus dem Herzen gesprochen.

wir sollen, so sagen unsere Gegner weiter, dieDrachensaat des H andelsvertrags v ereins" ausgestreut, mitskrupelloser Verlogenheit" den Wahlkampf geführt, unfern Gegner alscharakterlosen von den preußischen Junkern bezahlten Agigator, der um höheren Sold auch der Sozialdemokratie dienen würde", bezeichnet haben.

Wir weisen diese völlig grundlosen, ehrverletzenden Unterstellungen, die aus ihre Erfinder zurücksallen, mit Eckel nnd Entrüstung zurück und überlassen es der Wählerschaft, am Stichwahltage hierüber das Urteil zu sprechen.

Mitbürger: Wähler:

Männlich und kraftvoll, zielbewußt und überzeugungstren, in freier gewandter Rede und doch einfach und bescheiden ist unser Kandidat für seine politische und wirtschaftliche Ansicht eingetreten und hat sich damit rasch große Spmpatien erworben.

Maßvoll aber entschieden im Denken und Tun, mitten im Erwerbsleben stehend nnd durch seinen gewerblichen Betrieb als Müller zugleich mit dem süddeutschen Bauernstände in reger Beziehung und enger Fühlung lebend, kennt er nicht nur die Sorgen und Bedürfnisse der Industrie und der Gewerbe, sondern auch die des Bauernstandes genau, ja seine persönlichen Interessen sind sogar mit denen des Bauernstandes unlöslich verknüpft und er weiß nicht bloß ans Büchern nnd Zeitschriften, wo Industrie und Landwirtschaft der Schuh drückt.

Wer wäre sonach befähigter, unseren Wahlkreis im Reichstag wirkungsvoll zu vertreten, als gerade er und darum ersuchen wir unsere Mit­bürger und die Wähler des ganzen Dberamtsbezirks, unerschrocken für ihn einzutreten und am Stichwahltage mit uns ihre Stimme abzugeben ans

Heinrich Schweickhardt,

Kaufmann und Mühlebesitzer in Tübingen.

Jer Wahlausschuß.

Telephon Nr. 9.

Druck und Verlag der A. OelfchlLgrr 'scheu Buchdruckerei. Berautwortlich: Paul Adolfs iu Lalw.

Hiezu 1 Beilage.