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König Alexander oder Königin Draga' zuerst gestorben ist. Denn wenn der König seiner Gemahlin im Tode vorangegangen ist, so würden die Erben der Königin Draga die be­rechtigten Empfänger für die schon genannte Ver­sicherungssumme sein; wenn aber Königin Draga zuerst vom Tode ereilt wurde, dann würde die Mutter des Königs, die Königin Natolie in Paris, diejenige sein, die ein Anrecht auf die Versicherungs­summe hat.

Eingesandt.

Zur Stichwahl.

Tie Stichwahl steht vor der Tür. Schrcmpf hat bei der ersten Wahl eine empfindliche Nieder­lage erlitten und wird das Schicksal der schon in der ersten Wahl vollständig durchgefallenen Häupter der Agrarier Diedrich Hahn, Tr. Rösicke und Lucke in der Stichwahl teilen. Er wird dem neuen Reichstag nicht mehr augehören. Man wird das bis weit hinein in die konservativen Kreise mit wahrer Genugtuung begrüßen, und es ist auch im Interesse einer gesunden Emwicklung unseres wirtschaftlichen Lebens nur aufs lebhafteste zu wünschen.

Die Agitation, die Schremps betrieben hat, ist nichts weniger als konservativ. Sah sich doch der württembergischeLondwirtschastsminister genötigt, die Tätigkeit derbezahlten Wortführer" als ver­hetzend, erbitternd und den Frieden gefähr­dend zu bezeichnen, und die Zentralstelle für die Landwirtschaft mußte erst vor wenigen Tagen noch derunlauteren und unehrenhaften Kampfesweise" einzelner Wortführer, die das Vertrauen der land­wirtschaftlichen Bevölkerung erschüttern, entgegen­treten. Die nationalen Kreise des Bezirks haben vor allem Anlaß, sich vor dem gewalttätigen Agitator loszusagen, der sich in alle Bezirke eindrängt und rücksichtslos verlangt, sie müßten seine einseitige Politik unterstützen und seinem Willen sich in Kan­didaten- und Organisationsfragen fügen.

Im 7. Wahlkreis ist man in der Industrie wie in der Landwirrschast von möglichst guten Handelsverträgen abhängig. Wir brauchen eine Industrie, die Absatz har und ihren Arbeitern hohe Löhne zahlen kann; dann hat auch der Landwirt einen guten Absatz für sein Fleisch, seine Eier und seine Milch. Legt man aber, wie cs Schrcmpf will, die Industrie lahm zu Gunsten des Groß­grundbesitzes, dann hat die Jndustriebcvölkerung keinen Verdienst und der Bauer keinen Absatz für seine Produkte. Schrcmpf war einer der wütendsten Gegner der Handelsverträge. Und dvch konnten wir infolge derselben einen Strom von 11 Milli­arden Mark jährlich über unsere Grenzen rollen lassen. Wer nun bedenkt, daß die französische Kriegsentschädigung im Jahre 1871 erst 4 Milliarden betragen hat, der kann ermessen, was diese Summe für unfern Volkswohlstand zu bedeuten hat.

Schrcmpf deklamiert immer von derecht deutschen vaterländischen Heim atspolitik." Fin­det sich eine Neichstagsmehrheit im Sinne Schrempfs, so erhalten wir eine ungeheure Verteurung der Lebens­mittel und der Rohstoffe des Handwerkers, eine Be- 'chäftigungSlrsigkeit in der Industrie, Zollkriege mit allen Ländern, eine Schwächung der Kaufkraft der Kreise, auf welche unsere mittleren und kleineren Bauern in crster Linie angewiesen sind; dann sind vor allen Dingen jährlich 800 000 Deutsche, die wir m'cht mehr beschäftigen und ernähren könnten, zur Auswanderung gezwungen. Das ist Schrcmpfsche Heim atSpolitik.

Sodann gibt sich Schrcmpf für einen Freund des M itt e l st a n d e s aus; und doch hat der Mit­telstand kaum einen größeren Gegner als Schrcmpf. Tie indirekten Steuern, die in crster Linie den mitt­leren und kleineren Mann schwer belasten, haben heutzutage den Betrag des mittelalterlichen Zehnten erreicht und schwächen also die Kaufkraft des Volkes um 10 Prozent. Das ist der schwerste Druck, der auf dem Mittelstand lostet. Diesen will aber Schrcmpf nicht erleichtern, sondern immer schwerer machen. Würde er noch einmal gewählt, so würde er auch für eine neue Bier- und Tabaksteuer eintreten. Ge­dankenlosen Wählern erzählt Schrcmpf, wie er für die Besteurung der Reichen bei der Steuer auf Champagner und Pilsener Bier cingeireten sei. Wie wenn durch diese Steuer die naturgemäß ganz wenig einbringt, die Hunderte von Millionen bezahlt werden könnten, die Schrcmpf mitverwilligt hat! Im übrigen

mögen unsre Bauern, die infolge des von Schrempf und dessen Freunden zu Gunsten der norddeutschen Großbrenner geschaffenen Branntweingesetzes nimmer brennen können, sagen, was von der Mittelstands- freundlichkcit Schrempfs zu halten ist.

Für jeden, der mit der von Schrcmpf be­triebenen Verhetzung der Erwcrbsstände und der durch die einseitige Zollpolitik Schrempfs zu er­wartenden Schädigung des gesamten Erwerbslebens nicht einverstanden ist, kann es mir eine Stich­wahlparole geben: Fort mit Schrempf!

Eingesandt.

Gedanken zur Neichskagswahl.

Eine Stichwahl ist immer ein böses Ding! Macht die Hauptwahl schon böses Blut genug, so pflegt der verschärfte Kampf um die Stichwahl die Erregung bis zur Siedehitze zu steigern. Darum möchte jemand, der cs gut mildem deutschen Volke meint und der besonders ein warmes Herz für den Mittelstand besitzt, in ruhiger und leidenschaftsloser Weise die Hauptstreitpunkts beleuchten.

Zolltarif, H e e r e s v e r m e h r n n g und M i t t e l st a n d s p o l i t i k, das sind die Angeln, um die der ganze Streit sich dreht.

Haben unsere Kleinbauern ein Interesse an Kötzern Zöllen? Jo, ein sehr großes! Selbst dem. der kein Getreide verkauft, kann es nicht einerlei sein, ob der Preis für das wichtigste landwirtschaft­liche Erzeugnis steigt oder sinkt. Nach dem Getreide richtet sich der Gnterpreis, wenn der Getreidepreis stillt, sinkt auch der Wert jeglichen Grundbesitz-s in Stadt und Land.

Daher hat man auch den Zoll für die 4 wich­tigsten inländischen Gctrftdearten festgclegt, und zwar in einer Höhe, wie wir ihn schon früher ge­habt haben, ohne daß eine Brotverteuerung cin- getreten wäre. Stärker bedacht ist nur der Mais; aber der Mais ist gar kein Maftsutbr, noch weniger ein Kraftfutter! Kein Metzger kauft mit Mais gemä­stete Schweine gern und kein Pferd bleibt auf der Höhe seiner Leistungen, wenn es mit. Mais gefüttert wird.

Aber die Zölle auf Eisenwarcn, Holz, Glas, Leder, Quebracho u. s. w.?

Sie sind noch gar nicht bestimmt! Nur hat der Reichstag der Regierung das Recht gegeben, bis zu dieser Höhe hinaufzugchen.

Wer vom Ausland günstige Handelsverträge will, der muß eine Waffe in der Hand haben, mit der er diese erzwingen kann. Tie Negierung kann sitzt zum Ausland sagen:Läßt du meine Produkte billig herein, so gewähre ich auch deinen Warxn bill'ge Zölle, erschwerst du meinen Waren den Ein­gang, so lege ich auf deine Produkte einen recht hohen Zoll.

Wenn Kanada unserer Einfuhr Schwierig­keiten macht, so droht unsere Rcichsregicrung mit einem Holzzoll; Amerika wird mit dem Zoll auf Mais und eiserne Werkzeuge zu günstigen Handels­verträgen gezwungen, Argentinien muß unfern Waren günstige Bedingungen gewähren, sonst erschweren wir ihm seine Quebracho-Einfuhr.

Es sind also die Zölle recht eigentlich ein Mittel, günstige Handelsverträge durchzusetzen, nicht das Gegenteil, und wer für die Zölle stimmt, hilft günstige Handelsverträge ermöglichen. Warum sollten also unsere Handwerker sich bange machen lassen mit Zollsätzen, die nur auf dem Papier stehen? Je höher diese Zollsätze angenommen werden, desto weniger ist die Gefahr vorhanden, daß eine fremde Regierung sie herausfordert, desto eher wird sie sich zu günstigen, für uns günstigen Handelsverträgen Herbeilaffen.

Noch weniger schlimm sicht cs niit der Heeres­vermehrung aus, wenn man die Sache ohne Vor­eingenommenheit betrachtet.

Unser Volk vermehrt sich, die Auswanderung abgerechnet, jährlich um 500,000 Seelen. Wenn wir nun von Zeit zu Zeit die Friedensstärke ver­mehren, so bilden wir immer wehr Leute militärisch aus. Das hat doppelten Nutzen. Erstens wird kein vernünftiger Mensch leugnen, daß die militärische Schule jedem jungen Mann, körperlich und geistig, eine Wohltat ist. Und dann: wenn wir jährlich Tausende kräftiger junger Leute frei lassen, so müssen statt ihrer im Kriegsfälle ebenso viele Tausende ältere Reservisten und Landwehrleute ihr Geschäft, ihr Weib und ihre Kinder verlassen um das Vaterland

zu schützen, während jene unverheirateten Jünglinge zu Hause bleiben.

Was ist vernünftiger? Ich meine vernünf­tiger ist es, junge Leute ins Feld zu schicken n nd ältere Familienväter zu Hause zu lassen Und wo bleiben die Millionen, die für das Heer und die Marine ausgegeben werden? Alle Bedürfnisse werden im Jnlande eingekauft, nichts im Auslande, also fließt alles wieder in die heimischen Produzenten zurück.

Das sollte doch derjenige, der es ehrlich meint, nicht verheimlichen und nicht falsch darstellen, be­sonders aber nicht einem Manne, der dieser seiner Ansicht gemäß abstimmt, einen Vorwurf daraus machen.

Noch weniger aber sollte man dem einen Vor-- wurf machen, der sich redlich bemüht, unserem schwer bedrängten Mittelstand zu helfen. Woran leidet denn unser Handwerk, unser bürgerliches Gewerbe? An der übermäßigen Konkurrenz des Großbetriebes und an der schranken­losen G e w e r b e f r e i h ei t.

Warenhäuser, Großindustrie und Großhandel machen dem kleinen Betrieb das Leben sauer, und die Gewerbefreiheit gibt jedem Beliebigen das Recht, dem Handwerksmeister Konkurrenz zu machen. Daher haben sich alle Parteien, die einen kräftigen Mittel­stand wollen, vereinigt, um mit der Regierung zu­sammen dem Not leidenden Handwerker zu helfen.

Allerdings haben dftss Gesetze nicht überall den erhofften Erfolg gchabt, aber kann man daraus denen, die den besten Willen hatten, einen Vorwurf machen?

Wer cs ehrlich meint, muß eher das Tadelns­werte bei denen suchen, die den Notleidenden stets nur zugerufen: Helft euch selbst, der Staat kann nichts für euch tun!

Wer das fertig bringt, der hat kein Herz für den Mittelstand!

Und nun kommen wir zur Hauptfachs. Wie Verhalten sich die beiden Kandidaten zu diesen Fragen ?

Schrcmpf ist für die Zölle, weil er weiß, daß sie nötig sind, um Handelsverträge zu ermöglichen. Nur wünscht er, daß bei diesen Verträgen Land­wirtschaft und Industrie in gleicher Weise berück­sichtigt werden. Wer will ihm daraus einen Vorwurf machen?

Die Demokratie ist gegen alle Zölle; da wir aber ohne diese keine günstigen Handelsverträge er­reichen können, so vernichtet die Demokratie gerade­zu die Handelsverträge.

Schrcmpf hat für die Militärvcrmehrnng ge­stimmt und damit Tausende von Familienvätern von der Verpflichtung befreit, im Kriegsfall ins Feld zu ziehen.

Tie Demokratie stimmt dagegen; das mag sie tun, wenn sie es mit ihrem Gewissen vereinbaren kann; aber sie soll nicht der gewissenhaften Ab­stimmung Schrempfs einen Vorwurf machen.

Schrcmpf ist für die staatliche Hilfe gegen­über dem notleidenden Mittelstände gewesen, weil er, der mitten im Volk sicht, die Not mit eigenen Augen sieht.

Tie Demokralie ist nicht nur gegen jede Staatshilfe für Handwerk und Kleingewerbe ge­wesen, sie hat sogar gegen jede Börsensteuer, gegen jedes Wuchergesetz, gegen die LuxuSsteucrn auf Cham­pagner, Pilsener Bier, Cognac, Jwportzigarren ge­stimmt, aus deren Ertrag man einen großen Teil der Flottenvermehrungskosten hätte bezahlen können und bezahlen wollte.

Wer ist da wahrhaft volksfreundlich?

Ein altes Sprichwort sagt: Wer schimpft ist im Unrecht! Und wer hat mehr mit per­sönlichen Beschimpfungen gearbeitet als Schrempfs Gegner?

Sie sind im Unrecht, denn, wenn sie ihn mit sachlichen Gründen bekämpfen könnten, würden sie ihn nicht mit persönlichen Beschimpfungen angreifen.

Wer langfristige Handel sv ertrüge auf gerechter Grundlage will, werver­heiratete Männer möglichst vom Kriegsdienst be­freit sehen will, wer einen kräftigen Milteistand erhalten will, der gebe seine Stimme nur dem Redakteur Friedrich Schrcmpf.

BeLraurekL!.

Uengstendeng's Weinessig wird mit größeren Mengen Wein bereitet.