Stuttgart, 26. Mai. Letzten Samstag trat der Landesausschuß der nationalliberalen Partei zu einer Sitzung zusammen. Der Vor­sitzende Reichstags- und Landtagsabg. Prof. Dr. Hieb er, gab einen umfassenden Bericht über die parlamentarischen Verhandlungen in Reich und Land, über die partei-politische Lage, wie sie sich auf Grund der Reichstagsverhandlungen ergeben habe, sowie über die bevorstehenden gesetzgeberischen Arbeiten und die zu erwartende Haltung der nationalliberalen Abge­ordneten. Eine rege Aussprache ergab eine völlige Uebereinstimmung des Landesausschusses und der Abgeordneten, wie denn auch dem Vorsitzenden und den Abgeordneten der Partei einstimmig die Zu­stimmung und das Vertrauen des Landesausschusses ausgesprochen wurde. Eine Einladung der dies­jährigen Herbstwanderversammlung nach Sulz über­brachte Postmeister Köhler.

Der Gesamtausschuß des Verbandes württ. Gewerbevereine hielt im HotelBlanken" in Ulm eine Sitzung ab. Der Verbandstag findet in Heidenheim vom 5. bis 7. September statt. Bank­beamter Krauß-Stuttgart wird über das Thema: Scheckgesetz und Postscheckwesen" sprechen. Zur Erleichterung des Besuchs der Münchener Ausstellung 1908 sollen im Laufe des Sommers 23 Sonder­züge für Mitglieder württ. Gewerbevereine ausgeführt werden. Die von Gmünd aus angeregte Protest­kundgebung gegen eine weitere Einschränkung der Verkaufszeit an den Sonntagen, die vom Verband württ. Gewerbevereine unterstützt wird, hat in allen Teilen des Landes lebhafte Zustimmung gefunden. Es sind bereits annähernd 100 Listen mit Unter­schriften eingegangen. An das Ministerium des Innern soll eine Eingabe gerichtet werden, mit dem Ersuchen, die Polizeibehörden zu einer schärferen Beaufsichtigung des Hausierwesens zu veranlassen.

Stuttgart, 27. Mai. Wegen Beleidigung des früheren Präsidenten der K. Generaldirek.ion der Staatseisenbahn, Geheimrats Exzellenz v. Balz war am 25. Januar nach 6tägiger Verhandlung der Regierungsbaumeister Wilhelm Hoffmann von der hiesigen Strafkammer zu 500 Mk. Geldstrafe (even­tuell 6 Wochen Gefängnis) verurteilt worden. Seine Revision gegen dieses Urteil wurde nunmehr vor dem Reichsgericht verhandelt, aber als unbegründet verworfen.

Heilbronn, 27. Mai. Der Abgeordnete des 3. württ. Reichstagswahlkreises Pfarrer a. D. Nau­mann bereist z. Zt. den Bezirk, um seinen Wählern Bericht zu erstatten über die Arbeiten des Reichs­tages und die gegenwärtige politische Lage. Heute abend sprach Naumann hier im Theatersaal vor einer sehr zahlreichen Zuhörerschaft. Der Redner erblickt in der Lösung der Reichsfinanzreform die Hauptaufgabe des Reichstags, indem er diejelbe als eigentlichen Prüfstein der Bülowschen Blockpolitik bezeichnete. Er ist der Meinung, daß der entschiedene Liberalismus die Lösung der Reichsfinanzreform in einer Reichsvermögenssteuer, einer Reichserbschafts­steuer und weiterer Heranziehung der Genußmittel zu den Steuern erblicken müsse. Eine zweite wichtige Aufgabe sei das neue Börsengesetz, das immerhin, wenn auch kein absolut schönes und allen will­kommenes Gesetz, doch ein verbessertes gegenüber dem jetzigen sein werde. Vom neuen Weingesetz glaubt er, daß seine endgültige Fassung in der Rich­tung der Forderungen des württ. Landtags liegen werde. Seine Zustimmung zu dem Vereinsgesetz und insbesondere zum sogen. Sprachenparagraphen motivierte Naumann damit, daß das Gesetz für die meisten deutschen Staaten und insbesondere für Preußen einen wesentlichen Fortschritt bedeute. Da er der Ansicht sei, daß Preußens Regierung nur auf dem Weg über das Reichsparlament liberalisiert werden könne, so habe er dem Vereinsgesetz als einem Anfang in dieser Beziehung zugestimmt. In Bezug auf die Polenfrage bemerkt Naumann, daß man dieselbe in Süddeutschland für harmloser halte als sie in der Tat sei. Bei den Polen sei das Nationalitätsprinzip im Wachsen begriffen und wenn man das einsehe, so verstehe man auch die Haltung Preußens an seiner Ostgrenze, wenn man sie auch nicht immer billigen könne. Der hiesigen Versamm­lung wohnten wohl 1500 bis 2000 Zuhörer an, es war eine der größten und imposantesten Versamm­lungen, die Naumann hier abgehalten hat.

Heidenheim, 27. Mai. Die Maschinenfabrik I. M. Voith läßt z. Zt. oberhalb der mit einer sehr guten Wasserkraft ausgestatteten, von ihr um 280 000 Mk. erworbenen Brunnenmühle ein Hoch­reservoir erstellen, zur Errichtung einer Versuchs­anlage für Hochturbinen in der früheren Mühle. Zu diesem Zwecke wird das Wasser durch ein Pump­werk in einem Reservoir auf der Höhe gefaßt und

in einer Rohrleitung mit etwa 90 Meter Gefäll wieder abwärts geleitet.

Oberhausen OA. Reutlingen, 27. Mai. Tot aufgefunden wurde heute früh auf der Straße nach Honau Schultheiß Bader hier. Er scheint einem Schlaganfall erlegen zu sein. Der Verstorbene war eine auch in weiteren Kreisen bekannte Persönlichkeit. Er hat das Amt des Ortsvorstehers nahezu vier Jahrzehnte verwaltet.

Ludwigsburg, 25. Mai. In der Persönlich­keit des privatisierenden Orgelbaumeister Heinrich Spaich, der ein Alter von fast 99 Jahren erreichte, ist der älteste Einwohner von Ludwigsburg gestorben.

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ff Neuenbürg, 28. Mai. Wie wir schon mitteilten, weilte in den letzten Tagen Hr. Regierungs­präsident v. Hof mann aus Reutlingen aus Anlaß der Einweihung der Bergbahn Wildbad im Bezirk und nahm im Anschluß an diese Einweihung eine Inspektion im Bezirk vor. Derselbe besichtigte in Begleitung des Oberamtmanns und der beteiligten Ortsvorsteher am vergangenen Montag außer der Schlauchfabrik von Gollmer u. Hummel hier die Gauthier'sche Fabrik in Calmbach, die Volksheilstälte Charlottenhöhe und das neuerbaute Schulhaus in Höfen, ferner am Dienstag die mittlere Sensenfabrik von Haueisen u. Sohn, sodann auf einer Rundfahrt die Orte Schwann, Conweiler, Feldrennach, Otten­hausen, Arnbach, Gräfenhausen und Birkenfeld, wo­bei u. a. in letzterem Ort die Waschanstalt von Gebr. Maneval besucht wurde.

Neuenbürg, 28. Mai. Es wird uns von Hrn. Hotelier Brude zum Stern in Gernsbach mitgeteilt, daß die Linie WildbadBaden-Baden des Automobilverkehrs Gernsbach, G. m. b. H., am Sonntag den 31. d. Mts. (nicht erst am 1. Juni) eröffnet wird. Wir haben den Fahrplan dieser neuen Verkehrseinrichtung in der letzten Aus­gabe unsr. Bl. mitgeteilt und lassen diesen mit einem Verzeichnis der Fahrpreise dieses zeitgemäßen Auto­mobilwagenverkehrs zwischen WildbadHerrenalb Baden-Baden und umgekehrt nochmals in nächster Nr. folgen.

Neuenbürg, 27. Mai. Beiden während der Monate MürzMai ds. Js. vor der Handwerks­kammer Reutlingen stattgehabten Meisterprüf­ungen haben von 66 Kandidaten 60 die Prüfung bestanden und sich damit das Recht zur Führung des Meistertitels erworben. Auf die einzelnen Be­rufe verteilen sich die Prüflinge folgendermaßen: 12 Bäcker, 1 Elektro-Jnstallateur, 1 Drechsler, 2 Flaschner, 5 Gipser, 1 Kaminfeger, 5 Glaser, 1 Feinmechaniker, 4 Maler, 3 Maurer, 4 Metzger, 1 Schlosser, 2 Schmiede, 6 Schreiner, 2 Schuh­macher, 10 Zimmerer. Unter den jungen Meistern befinden sich u. a.: Alex. Locher, Dreher in Calm­bach, F. W. Bott/ Gipser in Wildbad, F. Schneider, Schreiner in Wildbad.

Pforzheim, 27. Mai. Wie der Stadtrat be­kannt gibt, werden von der Stadtkasse, dem Gas- und dem Elektrizitätswerk, sowie von den Kassendienern und Gelderhebern der städtischen Kassen künftig von dem Zahlungspflichtigen ausgestellte Schecks auf hiesige Bankhäuser an Zahlung genommen. Beding­ungen für die Annahme sind: Der Scheck muß direkt ausgestellt sein und den Vorschriften des neuen Scheckgesetzes entsprechen. Er muß mit dem Datum des Zahlungstages versehen sein, leserliche Unter­schrift und möglichst den Firmenstempel des Aus­stellers tragen. Vordatierte Schecks und solche von dritten Personen werden nicht angenommen. Die Empfangsbescheinigung der einzelnen Kassen gilt nur unter Vorbehalt des richtigen Eingangs. Diese Be­dingungen sind meist selbstverständlich und sind deshalb leicht zu erfüllen. Das Vorgehen des Stadtrats kann also der Ausbreitung des Schecksystems nur förderlich sein.

** Pforzheim, 28. Mai. Die General-Ver­sammlung des Pforzheimer Bankvereins A.G. genehmigte gestern die Verteilung von 8°/» Dividende für das Geschäftsjahr 1907. Durch Vergrößerung seines Kundenkreises konnte das Institut trotz Be­ginns rückläufiger Konjunktur auf das voriges Jahr von 3 auf 4ffs Millionen Mk. erhöhte Aktienkapital die gleiche Dividende wie letztes Jahr verteilen.

** Pforzheim, 28. Mai. Heute beging die hiesige Freie Bäcker-Innung unter zahlreicher Beteiligung hiesiger und auswärtiger Festgäste ihr 25jähriges Jubiläum, verbunden mit Fahnenweihe. Von hiesigen gewerblichen Vereinigungen, wie von auswärtigen Bäckerverbänden erhielt die Innung bei diesem Anlaß viele Angebinde in Gestalt von Fahnen­schleifen und Banner-Nägeln.

DieJagd aufdenRehbock geht am 1. Juni an. An alle Weidmänner richtet ein Kollege zu Beginn der Jagd die Mahnung, sorgsam auszuwählen unter den Kronträgern ihres Reviers und nicht alle guten Böcke jetzt abzuschießen, sondern lieber die verkümmerten und schwachen Stücke fortzunehmen, damit sie später nicht zur Fortpflanzung kommen und durch Vererbung ihrer schlechten Eigenschaften den Rehstand degenrieren. Einige gute, starke Böcke müssen jetzt unbedingt geschont werden, sie müssen für die Fortdauer eines guten Rehstands sorgen und ihnen gebührt erst zu Ende der Blattzeit die Kugel. Allen gerechten Jüngern St. Huberti aber wünschen wir zur Jagd auf den Rehbock Weidmannsheil, und wenn einmal die Sache nicht gleich klappen will, nur nicht ungeduldig werden, sondern unentwegt weiter arbeiten, des alten Spruches eingedenk:Der Jäger unverdrossen hat manchen Bock geschossen."

Osr nrisch rss.

WennKaisers" telephonieren. Dasdeutsche Kaiserpaar bedient sich aus den Reisen und auch in Berlin fleißig des Fernsprechers. Um zu verhindern, daß diese Gespräche gestört oder von dem Post­personal mitgehört werden, ist neuerdings vorge­schrieben worden, daß, sobald die Betriebsfähigkeit der Fernsprechleitung festgestellt ist, die Beamten ihr Amt aus der Leitung auszuschalten und das Schluß­zeichen einzuschalten haben. Sie dürfen in die Leit­ung nicht eher eintreten bis dieSchluß"klappe ihres Apparates fällt, womit angezeigt ist, daß das Ge­spräch sein Ende gefunden hat. Die von dem Kaiserpaar angemeldeten Ferngespräche müssen sofort ausgeführt werden.

Schicksal von Trauringen. Vor etwa zwölf Jahren verlor die inzwischen verstorbene Frau Mangels in Rittershausen bei Balje zwei Ringe, ihren Trauring und einen Diamantring, die sie beim Teigkneten im Backhause abgelegt hatte. Der Ver­dacht lenkte sich natürlich auf die Dienstboten. Jetzt ist beim Abbruch des Backhauses tief in der Erde in einem Rattennest der Trauring gefunden, der zweifelsohne von einer Ratte dorthin verschleppt worden ist. Der andere Ring hat sich noch nicht wieder aufgefunden. Der Schmiedemeister S. in Friedland (Mecklbg.) verlor vor sieben Jahren seinen Trauring in der Scheune. Zufällig fand dieser Tage der Schmiedegeselle beim Auseinanderstreuen des Unkrautes auf dem Felde den Ring auf seiner Forke wieder.

Fünfzehn Nonnen gerädert. Ein entsetzlicher Vorfall trug sich am Petersburger Woronesch-Bahn- hofe zu. Infolge ausbrechenden Regens suchten 15 Nonnen, die Heizmaterial gebracht hatten, unter drei Wagen eines zur Abfahrt bereit stehenden Güter­zuges Schutz. Plötzlich setzte sich der Zug in Be­wegung, und furchtbare Schmerzensschreie ertönten. Obgleich der Zug sofort zum Stehen gebracht wurde, konnten doch nur unter seinen blutbespritzten Rädern alle Nonnen teils tot, teils verstümmelt hervor­gezogen werden. Einer Nonne wurden beide Hände, der Kopf und beide Füße abgeschnitten. Keine einzige von den Nonnen blieb unverletzt.

Literarisches.

Als Folge des mit großem Beifall aufgenommenen BändchensLebensfreude", Sprüche und Gedichte, gesammelt von P. I. Tonger, erschien soeben von demselben Heraus­geberWollen und Wirken" (Verlag von P. I. Tonger, Köln, 160 Seiten kl. Oktav, hübscher Leinwandband Mk. 1.)

Wenn das erste Bändchen durch seine sonnige Sprache, seinen sonnigen Optimismus sich die Herzen von Tausenden im Sturm eroberte, so ist zu erwarten, daß auch die neue Sammlung, die sich aus gleicher, aber vertiefterer Grund­lage erhebt, ebenso freudig ausgenommen wird. Und sie verdient die vollste Beachtung. Auch ihr gilt die innere Freude am Leben als/leuchtende Sonne, auch ihr glänzen die Ideale als goldene Sterne, aber sie geht weiter und zeigt den Weg, die Forderungen des Tags in Einklang zu bringen mit denen des Herzens. Innerhalb der fünf Hauptabteilungen: Persönlichkeit, Ideale, Wollen, Wirken und Lebensweisheit werden die verschiedensten Seiten des Lebens mittels wertvoller Sprüche beleuchtet, um darzutun, welche Mittel und Wege die größten Geister aller Zeiten empfohlen haben, Wirklichkeit und Poesie zu versöhnen.

Jeder Leser wird die gleiche Freude anWollen und Wirken" haben, wie an derLebensfreude", beide Bände verhalten sich wie Theorie zur Praxis.

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Zarten Teint und schöne Weiße Hände bekommt man bei täglichem Gebrauch von Kaiser-Borax im Wasch. Wasser oder im warmen Bad. Kaiser-Borax ist das mildeste, harmloseste und gesündeste Verschönerungsmittel für die Haut; überall vorrätig. Nur echt in roten Cartons zu 10,20 und 50 Pfg. mit ausführlicher Gebrauchsanweisung.