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Der Lnztälen
Anzeiger für das Enztal und Umgebung.
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^ 84.
Neuenbürg, Freitag den 29. Mai 1908.
66. Jahrgang.
MNnSschau.
Berlin, 27. Mai. Am II. Juni tritt im Reichsamte des Innern eine Konferenz zusammen, die sich mit der Frage einer Reform der Krankenkassen beschäftigen wird. Außer den Kommissaren der beteiligten preußischen und Reichsbehörden werden Vertreter sämtlicher Interessengruppen an den Beratungen teilnehmen. Es sollen sowohl Befürworter des Kassenarztsystems wie auch der freien Arztwahl zu Worte kommen. Auf der Tagesordnung der Konferenz steht speziell die Regelung der Arztfrage.
London, 28. Mai. Zu Ehren der deutschen Geistlichen fand heute beim Lordmayor im Man- sonhouse ein Frühstück statt, an dem auch der Erzbischof von Canterbury, sowie der deutsche Botschafter teilnahmen. Während des Essens sprach der Lordmayor die Hoffnung aus, daß der Besuch dazu beitragen möge, die Freundschaft zwischen den beiden großen Nationen zu kräftigen. Der Erzbischof von Canterbury sagte in einer späteren Ansprache, daß der Besuch der Stärkung des Weltfriedens gelte und daß sie alle davon überzeugt seien, daß der Weltfriede am besten gesichert sei, wenn Engländer und Deutsche einig seien.
Darmstadt, 23. Mai. Für die Zusammenkunft der Künstler und Kunstfreunde der Länder am Rhein am 31. Mai ist hier eine Veranstaltung von eigenartigem Reiz geplant: Der Großherzog hat das Jagdschloß Kranichstein für eine Gardenparty zur Verfügung gestellt. Nach einer Idee Ernst v. Wolzogens sollen aus den 16 Fenstern des Schlößchens die schönsten Frauen und Mädchen Darmstadts Blumen streuen und mit Schleiern winken. Die Damen werden dann den auswärtigen Gästen im Park die Honneurs machen; und diese werden auf eine feine und diskrete Art, d. h. durch ein allgemeines, gleiches, direktes und geheimes Wahlrecht, das vermittelst ausgeteilter Blumen ausgeübt wird, der Schönsten den Preis zuerkennen. An 32 Damen der Residenz ist der Ruf ergangen. Es ist noch nicht bekannt, wieviele ihn vernommen und sich zur Beteiligung an dieser Schönheitskonkurrenz angemeldet haben.
München, 25. Mai. In der Ausstellung hatte eine Dame ihr Geldtäschchen mit einigen hundert Mark Inhalt verloren. Ein Arbeiter, der es fand, wollte es eben nach dem Fundbureau bringen, als sich ihm ein gutgekleideter Herr näherte, der erklärte, er sei Zivilschutzmann und werde die Tasche in Verwahrung nehmen. Der Fremde notierte sich dann noch den Namen des ehrlichen Finders wegen der zu beanspruchenden Belohnung. — Aber diese dürfte wohl ebenso warten, wie die Dame auf ihr Geldtäschchen. Von dem Gauner fehlt noch jede Spur.
Straubing, 27. Mai. Am Sonntag ereignete sich in Bichelberg ein schweres Brandunglück. Während die meisten Einwohner im benachbarten Wiesenfeld in der Kirche waren, entstand in einem Gehöft Feuer, dem ein Wohnhaus und eine Scheune zum Opfer fielen. Dabei verbrannten drei Kinder des Besitzers, die im Wohnzimmer eingesperrt waren. Das vierte Kind wurde so verbrannt, daß es am Montag ebenfalls seinen Verletzungen erlegen ist.
Die,Weinberge im mittleren Moseltale sind in anhaltendes Rutschen geraten. Es befinden sich annähernd 10 000 Kubikmeter Gelände in Bewegung. Bei Erden rutscht ein 20000 Stöcke umfassender Weinberg. Unter heftigem Getöse stürzen Mauern und Reben in die hochgehende Mosel. Die Straßen längs der Weinberge sind mit Trümmern und Geröll hoch bedeckt.
Vom Wettersturz in der Schweiz. Aus allen Teilen der Schweiz wird über den schweren Schaden berichtet, den der Schneedruck anrichtete.
Aus Bern wird der „N. Z. Z." geschrieben: Der Samstag mittag halb 2 Uhr eingetretene Schneefall dauerte ohne Unterbrechung bis gegen Mitternacht. Die sprossende Saat wurde in den Boden gedrückt; unter der Last des nassen, schweren Schnees brachen die Bäume zusammen. Gegen Abend glichen die prachtvollen Alleen in der Umgegend der Stadt Bern einem Schlachtfeld; ununterbrochen brachen und rasselten dicke Aeste und ganze Bäume zu Boden. Auch der Platz vor dem Berner Münster bietet einen traurigen Anblick; die mächtigen alten Bäume sind großenteils fast bis aus den Stamm gestutzt. Die Obstgäuen bieten das gleich traurige Bild, und in den Wäldern liegen starke Bäume in Massen geknickt am Boden. Die Feuerwehr mußte in Aktion treten, um die Starkstromleitung von dem auf sie gefallenen schweren Geäst sreizumachen. Auf der Brunnmattstraße wurde eine Starkstromleitung zerrissen und hing auf die Straße herab; ein junger Mann wollte den Draht beiseite schieben, um einem Unglück vorzubeugen; dabei wurde er selber vom Strom getötet. Sonntag früh 10 Uhr mußte noch der Schneepflug die Wege bahnen. Die Bahnzüge erlitten starke Verspätungen, da die Geleise stellenweise von Bäumen gesperrt waren. Aehnlich lauten die Nachrichten aus Zürich: Die durch den Schneedruck verursachten Baumschäden sind ungeheuer. Kein Garten, keine Anlage ohne abgebrochene, zerrissene oder entastete Bäume. Aeste und Bäume bis zu 40 cm Durchmesser wurden wie Zündhölzchen geknickt. Die Stadthausanlagen sind grauenhaft mitgenommen. Traurig sieht es in den Waldungen auf dem Zürichberg und auf dem Uetliberg aus. Der Schaden an Reben, Obstbäumen und an den übrigen Kulturen ist enorm. Allein die Baumschäden gehen in die Hunderttausende. — In Brunnen befürchtet man bei dem hohen Seestand von rascher Schneeschmelze eine Ueberschwemmung. Von Brig wird gemeldet, daß man den Niedergang neuer Lawinen befürchtet.
Warschau, 27. Mai. Eine entsetzliche Katastrophe hat sich hier zugetragen. In einer Drogenhandlung erfolgte eine Benzinexplosion, die das ganze Haus stark erschütterte und gleichsam mil einer Feuerlohe umgab. In dem im mittleren Stockwerk des Hauses untergebrachten Privatgymnasium für Mädchen brach infolge der Explosion eine Panik aus und voller Angst begannen die Schülerinnen aus den Fenstern zu springen. Zwei von ihnen schlugen sich im Gedränge tot, einige brachen Arme und Beine. Nach der Explosion wurden im Keller, in dem sie ausgebrochen war, 3 verkohlte Leichen von Angestellten entdeckt. Die Katastrophe hat im ganzen 15 Opfer gefordert, 5 Personen sind tot, 5 liegen im Todeskawpf und 5 sind schwer verletzt.
In der Nahe der Station Baranowitscht wurde gegen den Postzug eine Bombe geworfen, das Dach des Postwagens wurde zertrümmert, die Postbeamten leicht verletzt. — Im Dorfe Podgo- rodny wurde die Post um 30000 Rubel beraubt. Bei dem Ueberfall wurden 2 Schutzleute getötet.
Mürllembei'g.
Stuttgart, 27. Mai. Die Zweite Kammer hat heute zunächst die von dem Präsidenten geschickt geleitete Abstimmung über die Unzahl von Anträgen vorgenommen, die im Laufe einer dreitägigen Beratung zu dem Artikel 3 der Bauordnung gestellt worden sind. Ueber die Hauptstreitfragen wurde namentlich abgestimmt und der Antrag Kraut betr. Genehmigung der Ortsbausatzungen durch die Regierung mit 71 gegen 11 Stimmen, der Antrag Mattutat betr. Vollziehbarkeitserklärung dieser Satzungen durch die Regierung mit 57 gegen 27 Stimmen abgelehnt. Der Beschluß des Hauses geht nunmehr dahin, daß Ortsbausatzungen dem Bezirksrat mit den Akten vorzulegen sind und neuaufgestellte oder abgeänderte Ortsbausatzungen nach Ablauf von drei
Monaten nach ihrer Vorlegung, wenn nicht früher von dem Bezirksrat ihr Vollzug untersagt oder ihre Vollziehbarkeit ausgesprochen worden ist, vollziehbar sind. Der Bezirksrat hat den Vollzug zu untersagen, wenn die Ortsbausatzung mit dem Gesetz in Widerspruch steht, das öffentliche Wohl schädigt, erhebliche Interessen dritter ohne genügenden Grund beeinträchtigt oder die Vorschriften über die Erlassung und öffentliche Bekanntmachung der Ortsbausatzungen nicht eingehalten sind.
Stuttgart, 25. Mai. Das Kultusministerium hat den Schulvorständen ein Schreiben zugehen lassen, in dem sie ausgefordert werden, Erfahrungen zu sammeln, inwieweit die Schundliteratur unter der Schuljugend Verbreitung findet.
Stuttgart, 25. Mai. Die Eisenbahneinnahmen im April haben wieder einmal ein Minus aufgewiesen. Namentlich der Personenverkehr laboriert in feinen Ergebnissen noch immer an der Einführung der IV. Wagenklasse. Man wird sich, da diese Institution längst populär geworden ist, mit jener Tatsache abfinden müssen und hat sich mit der Hoffnung zu trösten, daß der wachsende Verkehr das Manko mit der Zeit wieder ausgleichen wird. Um so bedauerlicher ist die Schädigung, die unsere Eisenbahnen durch die bayerischen Konkurrenzmanöver erfahren. Bayern versucht den Verkehr aus Norddeutschland nach der Schweiz vollständig von der kürzesten, durch Württemberg führenden Verbindung abzulenken und seinen eigenen Bahnen zuzuleiten, indem es selbst direkte Züge vom Bodensee nach Norddeutschland und Sachsen führt, die von Lindau bis an die nördlichste Grenze nur bayerisches Gebiet berühren. Obgleich diese Meidung württembergischer Schienenstränge einen kilometrischen Längenunterschied von ganz bedeutendem Umfang ausmacht, bezahlt diesen der Reisende ahnungslos, verführt durch direkte Wagen, wenig Haltestellen und große Fahrgeschwindigkeit. Es handelt sich dabei um 25—55 Kilometer. Die Rücksichtslosigkeit der bayerischen Verwaltung geht sogar so weit, daß sie einzelne Verbindungen, die Jahre lang bestanden haben und gerne benützt wurden, trotz der nachdrücklichsten Vorstellungen unserer Verwaltung lahmgelegt und zerstört hat. Schwer benachteiligt sind dadurch eine Anzahl württembergischer Städte; neben Stuttgart namentlich Ulm, ferner Friedrichshafen, Heidenheim, Aalen, Ellwangen und Crailsheim. Man hat leider bis jetzt noch nicht gehört, daß die dringlichen Vorstellungen unserer Verwaltung in München von Erfolg begleitet waren. Das zeigt aufs neue, daß wir für die gesamten deutschen Eisenbahnen eine Instanz schaffen müssen, die dergleichen Auswüchsen der Konkurrenz zu begegnen vermag.
Die Landwirtschaftsausstellung auf dem Cannstatter Wasen wird am Donnerstag den 25. Juni, mittags 12 Uhr von dem Präsidenten, Herzog Albrecht von Württemberg, eröffnet. Der König wird der Eröffnungsfeier anwohnen. Die Ausstellung wird am Dienstag den 30. Juni, abends 6 Uhr geschlossen.
Die heurige 4. Deuts cheMittelmeerreise unter Leitung von Prof. Dr. Konrad Miller in Stuttgart vom 3. bis 26. August bietet die doppelte Gelegenheit, sowohl Aegypten als Palästina auf die angenehmste und billigste Weise kennen zu lernen. Die Ueberfahrt erfolgt mit dem herrlichen neuen Luxus-Dampfer „Cairo". Der Aufenthalt in Aegypten dauert 12 Tage und führt bis Assuan und zum ersten Katarakt. Man kann aber auch statt Ober-Aegypten Palästina einsetzen, und hat in diesem Falle 5 Tage in Aegypten und 7 Tage in Palästina zur Verfügung, kann Jaffa, Jerusalem, Bethlehem, Jericho, das Tote Meer und den Jordan mit Muße besuchen und hat, wenn man von Jericho absieht, auch von der Hitze gar nichts zu fürchten. Die Kosten dieser ganzen Reise können fchon mit 520 Mark und einem kleinen Taschengeld bestritten werden.