Als nächster Redner brachte der Vorstand der Domänendirektion, Präsident Dr. v. Schwarz, ein Hoch aus auf Wildbads Blühen, Wachsen und Ge­deihen, indem er seiner Freude Ausdruck gab, daß das nun in einer Vollkommenheit wie bis jetzt keines in Württemberg dastehende Werk einer Bergbahn aus eigener Kraft der bürgerlichen Initiative ge­schaffen worden fei. Er versprach auch die künftige Unterstützung der Badestadt durch den Staat, der ja ein so großes Interesse an dem Aufblühen des Kurorts habe. Auf ein stetiges Zusammenwirken mit der Badverwaltung lege die Regierung großen Wert. So anerkenne sie auch als eine der nächsten Aufgabe die Schaffung eines neuen Kurhauses.

Präsident v. Hofmann führte aus, wie das Bauwerk zur Hebung des bedeutenden Kurorts bei­tragen werde und es sei ein neuer Beweis dafür, daß Wildbad bestrebt sei, seinen Gästen den Auf­enthalt so angenehm als möglich zu machen. Schon vor 20 Jahren, zu seiner Oberamtmannszeit, sei eine Bergbahn als Bedürfnis angesehen worden. Wenn dies jetzt allen Schwierigkeiten zum Trotz ge­lungen sei, so sei dies der Energie der heutigen Männer und der Initiative der Bürgerschaft zu danken. Des verehrten Redners Hoch galt allen, die an dem Gelingen des Baues mitgewirkt haben.

Oberamtmann Hornung brachte namens der Bezirksverwaltung der Wildbader Bergbahngesellschaft zu der heutigen Einweihung der Bahn die besten Glückwünsche dar. Das neue Werk sei schon als Privatunternehmen der Sympathie und des all­gemeinen Interesses sicher, die Bedeutung der Berg­bahn gehe aber über die einer sonstigen Privat­unternehmung weit hinaus. Durch das Bestreben der Stadt Wildbad, aus den Grenzen einer reinen Badestadt hinaus zu wachsen und sich zugleich zu einem Luftkurort zu entwickeln, erwachse auch dem Bezirk im ganzen eine bedeutende Förderung seiner wirtschaftlichen Interessen. Das neue Verkehrsmittel werde eine neue Anziehungskraft für den ganzen Bezirk bilden und dem großen Fremdenverkehr neue Wege öffnen. Die Tatsache, daß das schwierige Werk von Männern aus dem Bezirk glücklich durch­geführt worden sei, die einen weiten Blick und ein Verständnis für die Interessen der Badestadt haben, gebe der frohen Zuversicht Raum, daß sich auch für die Lösung etwaiger weiterer Aufgaben die geeigneten Männer finden werden. Die Bergbahn will die Höhen erschließen, möge der Zug aufwärts ein Sinnbild sein für die weitere Entwicklung der Bahn. Ein Glückauf der Bergbahn zu froher Fahrt und zu klingendem Erfolg; ein Glückauf auch der Stadt Wildbad zu gedeihlicher Weiterentwicklung.

Oberbaurat v. Leibbrand dankte in seiner ihm eigenen erfrischenden Weise für die ihm durch Stadt­schultheiß Bätzner gezollte Anerkennung, indem er seinerseits den Dank an alle Mitwirkenden aussprach. 300 Meter hoch zu steigen, sei keine Kleinigkeit, aber fertig sei nun das Werk, die Ingenieure seien froh, daß die Anlage ihre Probe bestanden. Sie mußten bahnbrechend vorgehen, da ein Vorgang nur in der Schweiz vorhanden sei. Das Hauptbestreben sei gewesen, die Bahn in das Herz der Stadt herein­zulegen. Die Steigung der 750 Meter langen Bahn betrage bis zu 52°/o, also ebensoviel wie die Bahnen beim Gütsch und Bürgenstock am Vierwaldstättersee. Der humorvolle Redner weihte sein Glas der Aktien­gesellschaft Bergbahn Wildbad.

Forstdirektor Dr. v. Gr an er gab in warmen Worten die Anregung zur Erstellung einer Straße an dem Berghang des Stadtwalds Meistern, wo­durch der Langholzverkehr von der Hauptstraße und dem Kurplatz abgelenkt würde und sprach die Hoff­nung aus, der Oberingenieur der Bergbahn v. Leib­brand möge zu dem errungenen Lorbeer noch einen zweiten hinzufügen durch die Erbauung des Meistern- sträßchens.

Humorvoll wie immer toastete Oberforstrat v. Keller auf die Damen und Dr. Josenhans auf sämtlicheAkteure" undAktionäre".

Im Nebenraum spielte die Kapelle der 21er Dragoner ihre schneidigen Weisen und so blieb die frohgestimmte Festgesellschaft noch mehrere Stunden beisammen bis ein Abendzug um den anderen die aus­wärtigen Gäste entführt hatte. Alle begegnen sich in dem Wunsche, daß die Bergbahn die auf sie gesetzten Hoffnungen in reichem Maße erfüllen möge.

Zur Beschreibung der ganzen Bahnanlage ent­nehmen wir der Festnummer desWildbader Bade- blarts" aus der kompetenten Feder des Oberbaurats v. Leibbrand folgende Darlegungen:

Die Bahn beginnt hinter dem behufs Erlangung eines Durchgangs erworbenen Hause Nr. 52 am Schulplatz der Stadt und geht in westlicher Richtung nach der Steillinie des Bergabhangs auf den Gipfel'

des Sommerbergs. Sie ist horizontal 690 w, in in der Neigung gemessen 750 m lang. Sie führt hiebei nur über eine für die Zukunft vorgesehene Villastraße, die zu Ehren des früheren, um die Stadt verdienten Stadtschultheißen, Bätznerstraße genannt wird und über 3 Waldwege des Sommer­bergs. Die Steigung der Bahn ist wesentlich be­dingt worden durch die Höhenlage bei der Kreuzung der Bätznerstraße, die in ganzer Breite auf einer 5 m im Scheitel hohen Brücke überschritten werden mußte. Die Steigung der Bahn beträgt von unten her 37, 34, 43 und auf 250 m Länge, 50 bis 52°/o, also ebensoviel wie die Bahnen beim Bürgenstock und Gütsch am Vierwaldstättersee und weniger als am Stanzerhorn und Salvatore, die bis zu 62°/» Steigungen aufweisen. Der Anfangspunkt unserer Bergbahn liegt 428,40 in, der Endpunkt 724,15 m, d. i. 295 m oder rund 300 IN höher als ersterer. Der Unterbau für die Bahn ruht auf Bundsandstein­gebilden, in den Einschnitten auf ebenen Terrassen, in den Dammstrecken auf einem sorgfältig aufgesetzten Steinkern mit einhalbfacher Außenböschung. Der Oberbau der Bahn besteht aus einem Gleis von 1,0 m Spurweite mit einer Ausweichung in der Bahnmitte, in welcher die zwei an einem Seil hängenden Wagen durch Weichen ohne bewegliche Teile aneinander vorbeigelenkt werden. Die Schienen sind eigenartig geformte Bremsschienen, die nur von dem Hüttenwerk de Wendel in Harsingen in 10 m langen Stücken gewalzt werden. In der Bettung sitzen in etwa 14 m Entfernung Rollen zum Tragen und Lenken des Bahnseils. An Stationen sind 3 angelegt: nämlich Wildbad, Panoramaweg und Sommerberg. Die Endstation Sommerberg besteht aus einer 12 m langen Bahnsteighalle. Im Unter­bau des dem Bahnsteig vorgelagerten Stations­gebäudes ist eine Maschinenhalle vorgelagert, in der das Windwerk mit dem Elektromotor aufgestellt ist. Daneben befindet sich die Akkumulatorenkammer und ein Güterraum. Im Erdgeschoß der Station ist ein 3 m tiefer Raum für den Maschinisten mit Aus­blick auf die Bahn abgeschnitten. Dahinter lagern sich Wirtschaftsräume, von wo aus die Bedienung der Gäste besorgt werden soll, die in der Warte­halle, auf den Terrassen und der für 300 Personen angelegten Völkerwiese mit Schutzhalle Platz finden können. Die obere Station wird mit Wasser ver­sorgt, das vom Panoramaweg aus auf einen hoch­gelegenen Behälter gepumpt wird.

Zur Sicherung des Betriebs sind am Windwerk angebracht: eine Handbremse, mit der der Maschinist das Windwerk, Seil und Wagen an jeder Stelle zum Stehen bringen kann und an den Stationen nach jeder Fahrt feststellen muß; eine automatische Bremse, welche in Tätigkeit tritt, sobald der Wagen die zulässige Geschwindigkeit überschreitet, oder wenn der Maschinist das Windwerk beim Einfahren des Wagens in die Station zu spät abstellt. Außerdem kann sie mittelst Trethebels vom Maschinisten ein­geschaltet werden, wenn die Handbremse versagen sollte oder Gefahr droht; ein Streckenzeiger, der den Maschinisten erkennen läßt, wo sich die Wagen je­weils auf der Strecke befinden.

Das verwendete Drahtseil ist 28 mm stark, flach- litzig, besteht aus 115 Drähten aus bestem Patent­gußstahl, wiegt!3,3 pro laufende Meter und besitzt eine Bruchfestigkeit von 51000 IrZ von der nur '/n> beansprucht wird. Die zum Betrieb der Seilbahn erforderliche Energie wird dem städtischen Elektrizitätswerk Wildbad entnommen, welches Gleich­strom von mittlerer Spannung von 230 Volt abgibt und mittelst Freileitung auf Holzgestänge ca. 100 Ampere dem Sommerberg zuführt. Zum In- und Außerbetriebsetzen, sowie zum Regulieren des Bahn­motors dient ein Kontroler mit Nebenschlußregulierung. Zur weiteren Sicherung des Verkehrs der Wagen wird längs der Bahn eine Streichleitung gezogen, die es dem Wagenführer ermöglicht, durch Berühren der Leitung mit einem Leitungsstab vom Wagen aus dem Maschinisten Signale zu geben. Auch ein Telephon erleichtert die Verständigung zwischen den Stationen.

Für den Betrieb der Bahn sind nur 2 Wagen vorhanden, die je 8,4 m lang, 2,5 m breit und 3 m hoch sind. Sie enthalten eine mit geschloffenen Wänden und 2flügeligen Türen und Fenstern um­gebene Abteilung zur Beförderung von Kranken in Rollstühlen, 2 seitlich offene Abteilungen und 2 Platt­formen mit 38 Sitzplätzen und 36 Stehplätzen für zusammen 56 Personen. Ein Wagenführer bedient eine kräftig wirkende Handbremse, mit der erprobter­maßen der Wagen allein schon an beliebiger Stelle unter normalen Verhältnissen festgehalten werden kann. Er ist außerdem in Stand gesetzt, mittelst eines Auslegers an eine längs der Bahn erstellte

Leitung den Maschinisten der obern Station auf­zufordern im Notfall den Wagen anzuhalten. Für den Fall, daß im Maschinenhaus eine kaum glaub­liche Störung eintreten oder das Drahtseil, an dem die Wagen hängen, brechen sollte, tritt ohne Zutun des Wagenführers eine rasch und durch die Bewegung des Wagens selbst angepreßte Bremse in Wirkung, welche den Wagen mit kräftigen Backenzangen an den für diesen Fall besonders geformten Schienen festhält. In andern Notfällen, wenn z. B. plötzlich Hindernisse auf der Bahn einfallen würden, kann der Wagenführer diese automatische Bremse von seinem Stande aus in Wirkung treten lassen und den Wagen auf 11,5 m Länge zum Halten bringen.

Dies alles im Zusammenhang mit einer Ver­riegelung aller Wagentüren mittelst eines nur vom Führerstand aus handhablichen Gestänges bietet Gewähr für die Sicherheit der Reisenden, die sich der Bergbahn anvertrauen. Um diese Sicherungen auch zu erhalten und sicher zu sein, daß sie bestimm­ungsgemäß gebraucht werden, ist Vorkehr getroffen, daß die Bahn alljährlich vor Beginn und während des Betriebs von einem Fachmann der K. Eisen­bahnverwaltung und einem bes. berufenen Sachver­ständigen in elektrischen Anlagen geprüft und über­wacht werde. Selbstverständlich ist auch sonst alles geschehen, um den Betrieb nach den von der obersten Polizeibehörde erteilten Vorschriften einzurichten und denkbaren Unfällen vorzugeugen. Mit den beiden Wagen sollen je nach Bedarf in '/-ständigen und '/«ständigen Pausen bis zu 50 Fahrten im Tag gemacht und es dürfen auf jeder Fahrt bis zu 112 Personen oder 8400 Kilogramm Güter, täglich also 5600 Personen oder 420000 Kilogramm befördert werden. Selbstverständlich wird diese Maximal­leistung nie erreicht werden, weil in Früh- und Abendstunden volle Besetzung der leeren Wagen nie eintreten wird. Die Fahrpreise sind auf 1 Mk. für Berg- und Talfahrt, auf 70 Pfg. für die Bergfahrt und 50 Pfg. für die Talfahrt vorläufig festgesetzt. Für Dutzend-, Wochen- und Saisonkarten sind Ver­billigungen eingetreten.

Die Tiefbauarbeiten wurden auf Grund der von 4 Firmen eingeforderten Preislisten an den Wenigst- fordernden, Hrn. C. Baresel in Untertürkheim, die Lieferung und Montierung des Windwerks, die Lieferung der Wagen und des Drahtseils, die Ein­richtung des elektrischen Antriebs und die Lieferung des Gleises mit Weichen der Maschinenfabrik Eßlingen nach Prüfung der Anträge durch ein­heimische und schweizerische Spezialisten übertragen, so daß in dem fertigen Werk die Leistung heimischer Industrie zu erblicken ist. Die Anfertigung von Bergbahnmaterial ist eine Spezialität derMaschinen- fabrik Eßlingen, welche solches nunmehr schon für 57 größere und kleinere Bergbahnen, nicht nur in Deutschland, Oesterreich, Italien und Portugal, son­dern auch in Amerika, Asien und Afrika geliefert hat. Nur das Drahtseil, das von dem an Zuver­lässigkeit unübertroffenen Werk von Felten und Guillaune in Köln und die Akkumulatoren-Batterie, die von der Akkumulatorenfabrik in Berlin bezogen werden mußten, sind als fertige Produkte von ferne herbezogen worden. Die ganze Bahnanlage ist mit Ueberwindung vieler Hindernisse und bei sehr un­günstigen Witterungsverhältnissen ohne jeglichen Un­fall binnen Jahresfrist ausgeführt worden.

Wildbad, 25. Mai. Aus Anlaß der Eröff­nung der Bergbahn auf den Sommerberg ist im Verlag des Vorstands der Bahngesellschaft unter dem TitelMit der Bergbahn auf das Wildbader Höhen­gebiet" ein hübsches Album erschienen, das in vor­trefflichen Photographien von Hofphotograph Karl Blumenthal hier eine Reihe der reizvollsten An­sichten aus dem durch die neue Drahtseilbahn er­schlossenen Bergwaldgebiet vor Augen führt. Die Erhabenheit des Hochwalds, der romantische Zauber des Wildsees, der erfrischende Reiz des stürzenden Bergbachs, die Lust des Sommertags und die weiße Märchenwelt des Winterwaldes sind mit dem sicheren Blick des Künstlerauges auf der photographischen Platte festgehalten. Man glaubt es dem Heraus­geber gerne, wenn er in der Einleitung sagt: Wer den Wald gesehen hat, den zieht es immer wieder auf diese Höhen. Immer wieder wird er neue Schönheiten entdecken, die Sprache des Waldes immer besser verstehen. Daher Dank der Bergbahn, die das große Verdienst erworben hat, dieses wunder­same Höhengebiet dem Naturfreund leicht zugänglich gemacht zu haben!

Hiez« zweites Blatt.