Zweites

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Blatt.

Der «nztäler.

Blatt.

^ 46 .

Neuenbürg, Samstag den 21. März 1908.

66. Jahrgang.

Rundschau.

Berlin, 18. März. Der Reichskriegsschatz ist gestern im Haushaltsausschuß des Reichstags Gegenstand der Erörterung gewesen. Von klerikaler und von freisinniger Seite hat man es bemängelt, daß diese 120 Millionen Mark zinslos im Julius­turm liegen und empfohlen, sie als Stammkapital für die Betriebsmittel des Reichs zu verwenden. Die Regierung widersprach jeder Aenderung des bestehenden Zustands und betonte die Bedeutung des Reichskriegsschatzes für den.Mobilmachungsfall. Wie wichtig ein Staatsschatz unmittelbar vor Ausbruch des Kriegs ist, hat Fürst Bismarck dargelegt, als er in der Reichstagssitzung vom 4. November 1871 den Gesetzesentwurf über die Bildung des Reichs­kriegsschatzes verteidigte. Damals führte er u. a. aus:Wenn wir einen Staatsschatz (den preußischen Red.) nicht gehabt hätten, würden wir positiv nicht imstande gewesen sein, die paar Tage zu gewinnen, die hinreichten, das gesamte linke Rheinufer, das bayerische wie das preußische, vor der französischen Invasion zu schützen. Hätten wir den Staatsschatz nicht gehabt, so fing der Krieg am Rhein an und wir hatten aus den Rheinfestungen zu debouchieren und den Franzosen das Rheinufer, was sie mög­licherweise bis Frankfurt überschritten und über­wunden haben konnten, wieder abzunehmen, nachdem sie Zeit gehabt, dort mit ihren Turkos und anderem Gesindel zu Hausen. Etwas weiteres füge ich über die Nützlichkeit eines Staatsschatzes hier nicht an." Nach solchen Erfahrungen ist es selbstverständlich, daß man die 120 Millionen Mark dort läßt, wo sie sich seit 1871 befinden. Unterstaatssekretär Twele wies mit Recht auf die Möglichkeit des Zusammen- fallens vom Krieg und Finanzkrisis hin. Welchen Wert unter solchen Umständen die 120 Mill. Mark haben würden, kann man sich jetzt, wo wir die Zeiten der Geldknappheit kaum hinter uns haben, besonders leicht ausmalen. Der Kriegsschatz ist am 3. und 5. Juni 1874 von Berlin aus durch das Garde- Trainbataillon nach dem Turm gebracht worden. Die Wände desselben sind zwei Meter stark, irgend­welche Unterkellerungen, von denen aus ein Zutritt in sein Inneres auf indirektem Wege möglich wäre, sind nicht vorhanden. Zu dem Gewölbe führen drei schwere, eiserne Türen. Die Schlüssel befinden sich im Gewahrsam des jeweiligen Kommandanten von Spandau, des Kurators und des Rendanten des Kriegsschatzes. Nur das Zusammenwirken der drei Beamten öffnet die Pforten zu dem Schatze. Zu ebener Erde liegen 15 Stapel mit je 30 Holzkisten, zusammen also 450 Behältnisse. Darüber lagern im Obergeschoß, das durch eine Wendeltreppe erreicht wird, weitere 22 Stapel zu je 30 und 6 Stapel zu je 15 Kisten. Es sind also im ganzen 1200 Kisten vorhanden, deren jede 10 Leinwandbeutel birgt, welche 100 000 Mk. in 10- und 20-Mark-Stücken enthalten. Es befinden sich mithin in den 1200 Kisten zu je 100 000 Mk. die 120 Millionen, die den Kriegsschatz darstellen. Das Gewicht jeder ge­füllten Kiste betrügt 87 Pfund. Zur Bewachung des Turms sind alle erdenklichen Vorsichtsmaßregeln getroffen.

Am 16. März 1883, also vor 25 Jahren, machte der damalige italienische Minister des Aeußern bei der Debatte über die auswärtige Politik in der Deputiertenkammer zu Rom die erste Mitteilung darüber, daß Italien dem deutsch-österreichischen Bündnisse vom Jahr 1879 beigetreten sei. Man kann also den 16. März 1883 als den Tag be­zeichnen, an dem die erfolgte Gründung des Drei­bundes zum erstenmal öffentlich und amtlich kon­statiert wurde, und hat damit auch das Recht, von einem Jubiläum des Dreibundes in der verflossenen Woche zu sprechen. Unwillkürlich stellt sich dabei die Frage nach den Leistungen und dem Werte des Dreibundes ein. Ihre Beantwortung kann nicht anders als in anerkennendem Sinne lauten. Der Bund der drei Mächte Deutschland, Oesterreich und Italien hat sich während der gesamten Zeit seines Bestehens durchaus bewährt und insbesondere als ein wichtiger Faktor des europäischen Friedens ge­wirkt. Man muß daher von Herzen wünschen, daß

er auch fernerhin vor Erschütterungen seines Be­standes bewahrt bleiben möge.

Paris, 19. März. Gegenüber einem Vertreter des Petit Parisien erklärte Admiral Roschdjest- wensky, es wäre eine Katastrophe für das Zarenreich, wenn der russische Marineplan zur Ausführung gelangen sollte. Japan würde nach Fassung der ersten Beschlüsse keinen Augenblick ver­lieren, um Sachalin, die Amur-Mündung und Kamt­schatka zu nehmen, und Rußland müßte hilflos zu­schauen, denn auf Frankreich sei in einem Kriege gegen Japan wegen der Verzweigung der Entente cordiale kein Verlaß. Roschdjestwensky meinte, Rußland solle lieber, wenn ein Geldaufwand für die Verteidigungszwecke überhaupt gemacht werde, seine Landarmee konsolidieren und sich an Deutsch­land als Muster halten.

London, 19. März. Lord Tweedmouth wurde gestern im Oberhause aufgefordert, sich über die Prinzipien zu äußern, nach denen er die eng­lische Flotte gebaut zu haben wünsche. Die Anfrage ging von seinem konservativen Amtsvorgänger aus, der sagte, das englische Prinzip sei immer gewesen, daß die englische Flotte stets stärker sein müsse, als die beiden stärksten Flotten der Erde zusammen­genommen, einerlei, welcher Nation sie angehören. Die Nation wünsche zu wissen, ob Lord Tweedmouth dieses Prinzip befördern werde. Lord Tweedmouth stand sofort auf und antwortete: Dieser Grundsatz, der sich nur auf die zwei stärksten Flotten bezieht, geht mir nicht weit genug. Ich halte es für meine Pflicht, die Flotte so stark zu machen, daß sie jeder anderen Kombination gewachsen ist und außerdem noch 10 Prozent Reserven hat. Diese Mitteilung wurde mit Beifall ausgenommen. Weiter machte Tweedmouth die Mitteilung, daß die Dreadnoughts vorläufig noch ein Experiment seien und fortwährend an ihnen verbessert werde. Immerhin aber würden im Frühjahr 1921 3 Geschwader dieser großen Schiffe und zwar jedes zu 4 Dreadnoughts fertig sein, außerdem könne der diesjährige Marineetat wie man annimmt, infolge der Erregung, die der Brief des Kaisers hervorgerufen hat eine nachträgliche Erweiterung erfahren, indem nämlich für die 6 be­willigten schnellen Kreuzer 6 Millionen Mark extra bewilligt werden, was bedeutet, daß der Bau dieser Kreuzer gegen den ursprünglichen Voranschlag erheb­lich beschleunigt werden soll.

Der Bank-Diskont in England wurde nun auf 3 Prozent ermäßigt. Eine Herabsetzung des Wechselzinsfußes der Reichsbank ist vor Anfang nächsten Monats nicht zu erwarten.

Nach Meldungen aus Haiti wurden Donners­tag früh 177 Offiziere im Hofs des dortigen Arsenals standrechtlich erschossen. Der Präsi­dent ordnete die Ersetzung sämtlicher Gerichte durch Kriegsgerichte an. Die Vertreter der Mächte haben sich im Einvernehmen mit ihren Regierungen über eine gemeinschaftliche Aktion zum Schutze ihrer Staats­angehörigen geeinigt.

Die Hamburg-Amerika-Linie verfügt über 160 Ozeandampfer, die einen Naumgehalt von 818 000 Registertons und eine Besatzung von 12 000 Mann haben. Diese Dampferflotte ist größer als die Hollands, Rußlands, Schwedens oder Spaniens.

Was in Berlin und anderen Großstädten bisher ein frommer Wunsch geblieben ist, das hat Paris jetzt mit der Einführung von Schutzleuten, die fremder Sprachen mächtig sind, durchgeführt. Von ihren Kollegen unterscheiden sie sich durch eine in weithin leuchtenden Farben prangende Armbinde, die ein Schild mit der AufschriftDolmetsch" und die Angabe der fremden Sprache trägt, die der Schutzmann beherrscht. Zunächst sind 16 Dolmet­scher des Englischen und je 4 des Deutschen und des Spanischen eingestellt; italienische und sonder­barerweise auch russische fehlen einstweilen noch.

Karlsruhe, 17. Mürz. (Ein teurer Bienen­schwarm.) Eine nicht alltägliche Schadenersatzforder­ung hatte kürzlich das Oberlandesgericht Karlsruhe zu prüfen. Fräulein H. in Malsch (badisches Bri­gachtal) wurde von den Bienen eines dortigen Schuhmachers überfallen. Sie trug schwere Wunden davon und forderte deshalb von dem Schuhmacher

B.' gemäß ß 833 des Bürgerlichen Gesetzbuchs Schadenersatz. Das Landgericht Karlsruhe erklärte die Ansprüche der Klägerin für völlig gerechtfertigt. Hierauf erkannte das Oberlandesgericht unter Ab­weisung der Mehrforderung auf 1000 Mk. Schmer­zensgeld, Ersatz der Heilungskosten mit 72 Mk. und als Entgelt für die Verminderung der Erwerbs­fähigkeit eine monatliche Geldrente von 18 Mk. bis zum 60. Lebensjahr. Für weitere 10 Jahre wurde eine Monatsrente von 9 Mk. zugesprochen. An diesem Fall können viele Imker etwas lernen: es empfiehlt sich für sie der Beitritt zu einer Haft­pflichtversicherung.

Ein Millionendiebstahl. Ein Telegramm aus Chihuahua in Mexiko berichtet, daß aus der dem mexikanischen Gesandten in den Vereinigten Staaten gehörigen Bank Minero eine Summe von 1475 000 Dollars geraubt worden ist. Der Bank­räuber ist vermutlich nach den Vereinigten Staaten geflüchtet. Auf seine Ergreifung ist eine hohe Prämie ausgesetzt.

Aus ^taSt» Bezirk uns Umgebung-

Neuenbürg, 21. März. Konzert der MusikkapelleLyra". Es sei hiemit auf das am morg. Sonntag nachmittag von ff-5 Uhr ab im Saale zumBären" stattfindende Konzert der Psorzheimer MusikkapelleLyra" angelegentlich auf­merksam gemacht. Die Kapelle hat sich unter der Direktion des Hrn. I. Köninger in Pforzheim sehr vorteilhaft eingeführt; sie verfügt über 22 tüch­tige Musiker und es ist ihr daran gelegen, sich auch in den Kreisen der Musikfreunde Neuenbürgs und der Umgebung durch Konzerte bekannt zu machen. Das Programm für Sonntag bietet in 3 Teilen Militär- und Streichmusik. Von einzelnen inter­essanten Piecen seien erwähnt:Siegesbotenmarsch", Fantasie ausPreciosa", Ballsirenenwalzer ausDie lustige Witwe", Hochzeitsmarsch aus demSommer- nachtstraum", große Fantasie aus der OperDer Waffenschmied", Marsch ausCarmen", Potpourri Deutsches Land in Sang und Klang". Dies reich­haltige, reizende Programm dürfte nicht verfehlen, recht viele Freunde schöner Musik anzulocken. Wün­schen wir der strebsamen Kapelle schönsten Erfolg.

Neuenbürg. (Zur Jnvaliditätsversicherung.) Von der Befugnis, nach welcher Handwerker und andere Kleingewerbetreibende, die nicht mehr als zwei versicherungspflichtige Lohnarbeiter beschäftigen, sowie kleine landwirtschaftliche Unternehmer frei­willig in die Jnvaliditätsversicherung eintreten können, solange sie das 40. Lebensjahr nicht voll­endet haben, wird immer noch wenig Gebrauch ge­macht. Die Bedingungen dieser Versicherung gegen die wirtschaftlichen Folgen der Erwerbsunfähigkeit und des Alters sind bekanntlich sehr günstig. Auch können die genannten Personen beim Ausscheiden aus dem die Berechtigung zur Selbstversicherung begründenden Verhältnis die Selbstversicherung fort­setzen.

Wildbad, 20. Mürz. (Aus den Sitzungen der Gemeindekollegien vom 21. Februar, 6. und 13. März d. Js.) Die ortsüblichen Taglöhne ge­wöhnlicher Tagearbeiter zum Zwecke der Feststellung von Unfallrenten usw. sollen nach einer Verfügung der K. Kreisregierung aufs neue festgesetzt werden. Der Gemeinderat schlägt folgende Sätze vor: für erwachsene männliche Arbeiter 3.20 Mk., für er­wachsene weibliche Arbeiter 2. Mk., für jugendliche männliche Arbeiter 1.80 Mk., für jugendliche weib­liche Arbeiter 1.20 Mk. Der Beitrag der Stadt zum Wartgeld an Dr. Hiller in Wildbad wird von 100 auf 250 Mk. erhöht. Dem Holzhauer W. I. Günthner in Nonnenmiß, welcher 41 Jahre lang ununterbrochen und vorwurfsfrei im hiesigen Stadtwald beschäftigt ist, wird eine einmalige Prämie von 50 Mk. aus der Stadtkasse einstimmig verwilligt. Für Verbesserung eines Wegs im neuen Fried­hof wird der Betrag von 350 Mk. ausgesetzt. Der vom Stadtbauamt vorgelegte Voranschlag über Herstellung einer Kanalisation, Gas- und Wasser­leitung in der Prinz Peter von Oldenburg-Straße vom Schneider Vollmer schen Hause bis zur Villa