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M.

Neuenbürg, Samstag den 22. Februar 1908.

66. Jahrgang.

EnHschau. E

Der Reichstag erledigte am Dienstag endlich den Postetat in zweiter Lesung. Trotz der 22 Redner wurden in der Debatte wesentliche Fragen nicht be­rührt. Hierauf wurde der Etat der Reichsdruckerei fast debattelos erledigt. Beim Reichsjustizetat, der dann folgte, kündigte Staatssekretär Dr. Nieberding an, daß die Zivilprozeßreform in der nächsten Woche an den Reichstag gelangen werde und daß Vor­bereitungen über eine einheitliche Regelung der Haftung der Beamten im Gange seien. Am Mittwoch hielt zunächst Abg. Stadthagen (Soz.) eine dreistündige Rede, in der fast jedes zweite WortKlassenjustiz" lautete. Staatssekretär Dr. Nieberding wies diesen Vorwurf entschieden zurück. Abg. Gröber (Z.) sprach -sich gegen die Einführung der Deportation als Straf­art aus. Abg. Dr. Ablaß (fr. Vp.) trat für eine Reform des Strafvollzugs an Jugendlichen ein. Am Donnerstag wurde die weitere Etatsberatung durch die zweite Lesung der Novelle zum Telefunkengesetz unterbrochen.

In der Budgetkommission des Reichstages wird augenblicklich der Kolonialetat beraten. Hierbei gab Staatssekretär Dernburg am Dienstag eine orientierende Uebersicht über die fortschreitende wirtschaftliche Entwicklung Togos, Kameruns und der Südseekolonien. Betreffs Deutsch-Ostafrikas ver­langte Dernburg eine durchgreifende Reform der Verwaltung. In der Mittwochsitzung der Kommission ließ sich der Staatssekretär über weitere koloniale Fragen aus, wobei er u. a. erklärte, die Reichs­regierung beabsichtige nicht, die Strafdeportation nach den Kolonien einzusühren.

Staatssekretär Dernburg teilte in der Sitzung der Budgetkommisfion des Reichstags mit, daß der Kolonialrat durch kaiserliche Order vom 19. Febr. aufgelöst worden sei.

In Bayern zieht der FallGrandinger" seine Kreise weiter. Erzbischof v. Abert in Bamberg hat an den Führer der liberalen Landtagsfraktion Gassel- mann einen umfangreichen Brief gerichtet, in welchem er betont, daß er als Erzbischof nach wie vor auf dem Standpunkte stehen bleibe, daß seit den Zeiten des Kulturkampfes in weitesten Kreisen des katho­lischen Volkes die berechtigte Ansicht bestehe, daß liberal kirchenfeindlich bedeute. Deshalb könne Pfarrer Grandinger weder der liberalen Partei angehören, noch den Reiseapostel für sie machen.

In der österreichischen Delegation frug am Mittwoch bei der fortgesetzten Beratung des Heeres­etats der Delegierte Graf Clam-Martinitz, wie es mit den behaupteten Zugeständnissen an Ungarn betreffs der Armeesprache stände. Eine Antwort hierauf wurde regierungsseitig noch nicht erteilt.

Zwischen den Wiener und den Petersburger Offiziösen hat sich eine lebhafte Preßfehde wegen der Eisenbahnpläne Oesterreich-Ungarns auf der Balkanhalbinsel entspannen. Vorerst liegt indessen keine Gefahr vor, daß diese Preßfehde nachteilig aus das politische Verhältnis zwischen Oesterreich- Ungarn und Rußland einwirken könne. Nur ist es bemerkenswert, daß die LondonerTimes" sich in diese Zeitungspolemik einmischt und hierbei die österreichische Balkanpolitik nach Kräften zu ver­dächtigen sucht. Andererseits »tritt die offiziöseNord. Allg. Ztg." für Oesterreich ein und erklärt, letzteres sei durch den Berliner Vertrag völlig berechtigt zum Bau der Sandschakbahn.

Petersburg, 20. Febr. Das Marinemini­sterium brachte heute in der Landesverteidigungs- Kommision der Duma die in zwei Teile zerfallende Flottenvorlage ein. Der erste dringendere Teil verlangt 450 Millionen Rubel, auf vier Jahre ver­teilt, zum Bau von Schlachtschiffen, Torpedos und zur Anlage von Flottenstützpunkten für den Ostsee- Schutz. Der zweite Teil der Vorlage verlangt 2000 Millionen Rubel, auf zehn Jahre verteilt, anfangend

mit 87 Millionen jährlich bis auf 250 Millionen aufsteigend und auf 150 Millionen zurückgehend.

Berlin, 18. Febr. Zum Juwelendiebstahl bei der Gräfin Wartens leben wird gemeldet, daß die Gräfin auf die Wiedererlangung der kostbaren Perlen, die einen Wert von 268 000 Mk. repräsen­tieren, eine Belohnung von 10 000 Mark ausgesetzt hat. Die Polizeibehörden aller europäischen Groß­städte wurden telegraphisch, alle übrigen Polizei­behörden brieflich von dem Diebstahl verständigt. Die Zofe der Gräfin, die bekanntlich unter dem Verdachte der Täterschaft in Haft genommen wurde, bleibt trotz des guten Eindrucks, den sie machte, in Untersuchungshaft, weil sie über einige zur Sprache gekommene Punkte noch keine genügende Aufklärung zu geben vermochte. Andererseits erscheint es nicht ganz ausgeschlossen, daß eine andere unbekannte Person durch ein Fenster eingestiegen ist.

Berlin, 20. Februar. Die Gräfin Wartens- leben, de'r eine Perlenkette im Wert von un­gefähr 300000 Mark gestohlen war, erhielt heute, demBerliner Tagblatt" zufolge, einen anonymen Brief. In dem mit verstellter Hand geschriebenen Brief erbietet sich ein Unbekannter, die gestohlenen Perlen in zwei Raten an die Gräfin zurückzugeben, doch nur unter der Zusicherung völliger Diskretion. Der Briefschreiber macht der Gräfin den Vorschlag, sich mit ihm durch ein öffentliches Inserat in Ver­bindung zu setzen. Die Hälfte der Perlen wollte er dann zurückgeben, wenn ihm ehrenwörtlich Straf­losigkeit oder Unterlassung einer Strafanzeige zu­gesichert worden sei. Die andere Hälfte werde die Gräfin erhalten, wenn Mort gehalten worden sei. Die Gräfin hat sofort nach dem Empfang dieses Schreibens die Berliner Kriminalpolizei von der eigenartigen Zumutung in Kenntnis setzen lassen.

Allenstein, 20. Febr. Hauptmann v. Göben wird, wie dieMenst. Ztg." hört, noch in dieser Woche von der Irrenanstalt Kortau wieder nach dem Allensteiner Militärgefängnis überführt werden. Offensichtlich hat somit die ärztliche Untersuchung keinen Anhaltspunkt gegeben, daß v. Göben geistig minderwertig sei; er wird aber, wie es heißt, auf seinen Geisteszustand nochmals untersucht werden. Wie das genannte Blatt weiter erfährt, ist Frau Major v. Schönebeck gegenwärtig tatsächlich geisteskrank.

Das große Los der Mannheimer Aus­stellungslotterie, dessen rechtmäßiger Inhaber bekanntlich lange Zeit nicht zu ermitteln war, ist, wie wir kürzlich mitteilten, durch die Vermittlung eines Stuttgarter Lotteriegeschäftes an einen Hotelier an der Riviera ausbezahlt worden. Damit schien die mysteriöse Losgeschichte ihr Ende erreicht zu haben. Nun trat aber, wie wir berichteten, u. a. auch ein Hr. Müller aus Stuttgart als Bewerber auf, dem, wie erinnerlich, sein Los durch zwei Italiener in Karlsruhe gestohlen worden war. Dieser Bewerber will sich mit der Entscheidung des Schick­sals dieses großen Loses nicht zufrieden geben, son­dern hat weitere Schritte unternommen und für den Diebstahl des Loses soviel Material beigebracht, daß sich nunmehr die Staatsanwaltschaft der Sache an­genommen hat.

Konstanz, 20. Febr. Ein Grenzaufseher unter­zog eine wohlbeleibte bessere Dame einer körperlichen Revision und siehe da sie trug wertvolle Stickereien auf dem Leibe. Die Schmugglerin mußte wohl oder übel als Strafe über 500 Mk. hinterlegen, worauf sie ihre Reise nach Straßburg fortsetzen konnte.

Kappeln (Schleswig-Holstein), 21. Febr. Heute früh erschoß ein früherer Tischlermeister in Karby seine drei Kinder im Alter von 12, 9 und 6 Jahren. Sodann tötete er sich selbst. Die Ursache der Tat ist in zerrütteten Lebensverhältnissen zu suchen.

Paris, 21. Febr. In der Menainville bei Chauteaudun vergiftete sich eine Witwe mit ihren acht Kindern durch Kohlengas, nur zwei der Kinder konnten ins Leben zurückgerufen werden.

Württemberg.

Stuttgart, 20. Febr. Aus Anlaß des Ge­burtsfestes des Königs wird auch eine Anzahl alter Leibgardehusaren, deren Regiment der König längere Zeit als aktiver Offizier angehörte, am 24. d. M. hier eintreffen, um am 25. ihrem hohen verehrten Chef die Glückwünsche zu seinem 60. Geburtstag darzubringen.

Reutlingen, 21. Februar. In der gestrigen Vollversammlung der Handwerkskammer wurde an Stelle des verstorbenen ersten Vorsitzenden, Malermeisters Ehr. Fr. Fischle, der seitherige zweite Vorsitzende, Schreinermeister K. Vollmer von Rottenburg, zum ersten Vorsitzenden gewählt.

Eßlingen, 20. Februar. Gestern nachmittag fand in Kugels Saalbau unter dem Vorsitz des Oberamtspflegers Merz eine Versammlung der Mitglieder des Vereins württembergischer Ober­amtspfleger statt. Einen Hauptgegenstand der hiebei gepflogenen Aufstellung bildete die Einführung der Bestimmung der neuen Bezirksordnung in Bezug auf die Amtskörperschaftsverwaltung. Insbesondere wurde die neue Anlegung und Fortführung eines Amts-Grund-Buches und die ebenfalls veränderte Hauptbuchführung erörtert.

Tübingen, 18. Febr. Einem als Student hier weilenden Ausländer ist, so lange er mit seiner Frau einen Spaziergang machte, aus der Kassette seines Schreibtisches eine Banknote von größerem Betrag gestohlen worden.

Tuttlingen, 19. Febr. Ein schwerer Un­glücksfall, der sich auf eigenartige Weise zutrug, ereignete sich im benachbarten Sauldorf (bad. Bezirks Meßkirch). Der 18jährige Sohn des Landwirts Bach war mit Stumpenspalten beschäftigt. Plötzlich, so lange er die Axt mit nach oben gerichteter Schneide aufzog, sprang der 7jährige Bruder dazwischen und zwar so unglücklich, daß ihm die Schneide direkt in Mund und Unterkiefer drang. Dem Knaben wurden drei Zähne abgehauen, außerdem'der Rachen aus­geschnitten.

Freuden st ad t, 19. Februar. Nach Artikel 29 der neuen Gemeindeordnung haben die Mitglieder des Gemeinderats in Gemeinden erster Klasse (wozu auch Freudenstadt gehört) Sitzungstaggelder an­zusprechen. Auf Grund der vom dienstältesten Ge­meinderatsmitglied Fritz Weikert namens des Kolle­giums abgegebenen Berichtserklärung wurde von beiden Kollegien beschlossen, das Amt des Gemeinde­rats als Ehrenamt anzusehen und von der gesetzlich eingeräumten Entschädigung für das Anwohnen bei Sitzungen anzusehen.

Stuttgart, 20. Febr. Ein unverbesserlicher Betrüger ist der 50 jährige Schafknecht Jakob Laber von Schafhausen, OA. Böblingen. Wegen Betrugs ist er schon vielfach vorbestraft, von württ. Gerichten hat er außer Gefängnisstrafen schon 17 Jahre Zuchthaus erhalten. Nach seinem Straf­register hat er den größten Teil seines Lebens in der Strafanstalt zugebracht. Seine erste Strafe datiert vom Jahr 1878. Am 6. Dezember v. I. wurde er aus der Strafanstalt entlassen und schon am 8. Dezember beging er wieder einen Betrug. Von einem Wirt in Benningen, OA. Ludwigsburg, erschwindelte er unter dem Vorbringen, er sei Schaf­halter und habe in den verschiedenen Ortschaften der Umgebung mehr Schafe gekauft als er beab­sichtigt habe, weshalb ihm das Geld ausgegangen sei, ein Darlehen von 30 Mk. Die früheren Be­trügereien hat er in ähnlicher Weise verübt. Unter Ausschluß mildernder Umstände erhielt Laber ein Jahr Zuchthaus.