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Blatt.
Der Lnztälen
Zweites
Blatt.
24.
Reuen bürg, Mittwoch den 12. Februar 1908.
66. Jahrgang.
vermischtes.
Richard Wagner. (Zur 25. Wiederkehr seines Todestages, 13. Februar 1883.) Es geziemt sich wohl am heutigen Tage, den Manen des großen Dichterkomponisten einige Worte zu widmen. Heute vor 25 Jahren schlossen sich im Palazzo Venbramin zu Venedig die leuchtenden, strahlenden Augen des siebzigjährigen Gewaltigen, der wie kein anderer durch seine Schöpfungen die gesamte kultivierte Welt bewegte. Nur ein äußerer Ruhm ist es, daß er die Großen nach Rang und Geburt, wie die Großen des Geistes zu sich heranziehen konnte, ein unverwelklicher Lorbeer ist's, daß er auch die Kleinen und Armen, die mit Opfern und Entbehrungen den Weg zu ihm sich erkämpfen mußten, zu sich gezogen und mit seiner Kunst erfüllt hat. Mag man seine Kunst beurteilen wie man will: ist nicht schon das ein Verdienst in dieser zerfahrenen, materialistisch gesinnten und egoistischen Zeit, das Ideal hochgehalten, in den kalten Herzen die Flamme der Begeisterung wieder entzündet zu haben? Wagner war ein Revolutionär, nicht etwa deshalb, weil er auf den Barrikaden Dresdens gekämpft hat in freiheitsdrangvollen Jahren, sondern er war es auch in seiner Kunst, in der Kunst überhaupt. Er zertrümmerte Form und Inhalt der alten und stellte ein neues Ideal auf mit gigantischer Kraft. Dichterisch beanlagt, wie kein anderer Komponist, drängte es ihn zunächst auf das Gebiet der Poesie, bis ihn dann vor allem Beethovens Einfluß der Musik in die Arme trieb. „Rienzi" entstand, eine Oper wie andere im alten Stil mit den herkömmlichen Ef- felten, aber schon in den folgenden Werken, wie „Tannhäuser", „Fliegender Holländer" und „Lohen- grin" kam sein ureigenes Ich zum Vorschein, das sich darauf' im „Tristan" in noch höherer Weise manifestierte und endlich im „Ring des Nibelungen" zu voller Klarheit durchdrang. Maßvoller und ausgeglichener noch als die Nibelungen-Tetralogie steht dann „Parsifal" da, von dem einer unserer ersten Musikkritiker gesagt hat: „Es strömt jener Frieden von ihm aus, der über dem reifen Kornfeld liegt, das die Abendluft leise bewegt." Parsifal war das Letzte, was wir von Wagner erhielten, vielleicht sein Höchstes und Reinstes. Der Abend war gekommen, nach einem rastlosen Tag, aber selten hat ein Tag verklärter und schöner abgeschlossen als in diesem Leben.
Ein heiteres Vorkommnis von Feuerbach erzählt die Feuerb. Ztg.: Kommt einer von der Alb mit seinem Buben von Cannstatt hergelaufen, um
Die unechte Tochter.
Eine Detektiv-Geschichte von Kurt v. Wahlfeld.
1) - (Nachdruck verboten.)
Der junge talentvolle Schauspieler Franz Fehrbach befand sich während der langen Sommerferien in der Residenz. Er saß mißmutig in einem vornehmen Kaffeehaus und las gelangweilt eine Zeitung. Der Grund seines Mißvergnügens war die Ebbe in seiner Kaffe. Plötzlich belebte sich sein Blick, indem er folgende Annonce las: „Ein tüchtiger Schauspieler, Liebhaberfach, wird gegen hohes Honorar für eine Wohltätigkeitsvorstellung gesucht. Angebote unter M. v. K. an die Expedition d. Blattes."
Der Schauspieler ließ sich sofort vom Kellner das nötige Schreibmaterial bringen und schrieb seine Offerte, die er dann gleich selbst in den Briefkasten warf. Das hohe Honorar reizte ihn. Hoffentlich hatte er Glück. Schon am anderen Morgen hielt er die Antwort auf sein Anerbieten in Händen. Sie lautete also: „Ich kenne Sie von der Bühne her und bevorzuge daher Ihre Offerte. Ich bitte Sie, mich morgen, Donnerstag, morgens zwischen 10—11 Uhr, im Gasthof zur Krone, Zimmer acht, zu besuchen. Ergebenst Elise von Köhler." Erfreut und gespannt zugleich betrat der junge, hübsche Künstler den Gasthof. Als er bei Zimmer acht anklopfte, öffnete'- ihm eine schöne, vornehm und geschmackvoll gekleidete Dame von etwa zwanzig Jahren. Entzückt folgte er ihrer Einladung und ließ sich voll Spannung in einem Sessel nieder. Sie saß ihm
von Feuerbach aus ins Zabergäu weiterzureisen. Der Mann, mit den hiesigen Verhältnissen nicht vertraut, wird durch den Pfiff einer in der Nähe des Bahnhofs stehenden Fabrik erschreckt, glaubt das Zeichen des abfahrenden Zuges zu vernehmen und springt in höchster Eile in den Fabrikhof, um eine Fahrkarte zu lösen. Da die Mittagspause gerade eingetreten war, sehen die Arbeiter den in höchster Eile hin- und herrennenden Landmann um den Billetschalter rufen. Ein Schalk schickt ihn ins Kesselhaus. Dort sieht er den rußigen Heizer und springt wieder hinaus- seinem Buben zurufend: „Noi Bua, do ganget mer net nei, do goats en d'Höll!" Glücklich aus der Fabrik draußen und zum Bahnhof geleitet, sagt er beim Anblick des Bahnhofgebäudes: „Woas, des ischt a Bahhof?
I Han g'moit, des sei a Teerfabrik I"
Halenfee (bei Berlin), 9. Febr. Gemächlich schlenderte ein älterer Herr in Generalsuniform über den Henriettenplatz. Der General fiel einem Bürger auf und dieser machte einen Schutzmann auf die alte Exzellenz aufmerksam, da diese offenbar eine vorschriftswidrige Uniform trüge. Der Mann der öffentlichen Ordnung glaubte, daß es mit dem General nicht stimme und fragte ihn nach Nam' und Art. Wohlwollend wegen des Diensteifers des Beamten meinte der General: „Sie halten mich wohl für den zweiten Hauptmann von Köpenick? Wissen Sie denn nicht wer ich bin? Ich bin der Generalfeldmarschall v. Haeseler!" — Graf Haeseler weilt zur Zeit in Berlin und hatte auf seinem Spaziergang einen Bekannten in der Kolonie Grune- wald besucht.
(Die Königin und die Hutmacherin.) Eine allerliebste Geschichte wird von der Königin Amalie von Portugal berichtet. Diese Fürstin ist von großer Herzensgüte, ganz besonders gegen Kinder und Arbeiterinnen. So hörte sie einmal von einer geschickten, aber armen kleinen Hutmacherin, der es trotz aller Bemühung schwer wurde, Kunden zu finden. Die Königin ließ das Mädchen in ihren Palast kommen, suchte aus ihrem reichen Hutvorrat zwei Hüte aus und schenkte sie der Hutmacherin, indem sie bemerkte: „Sie können anzeigen, daß diese Hüte von der Königin Amalie selbst entworfen sind." Natürlich erregte diese Anzeige großes Aufsehen; alles, was elegant war oder sein wollte, suchte die bisher unbekannte Hutmacherin auf, und heute hatte sie' eines der bedeutendsten Geschäfte dieser Art in ganz Portugal.
Schwedens schönste Frauen. Eine schwedische Frauenzeitschrift hat einen Schönheitswettbewerb unter
gegenüber auf dem Sofa. Nach einigen freundlichen - und anerkennenden Worten über seine Bühnenleist- > ungen, kam sie auf den Zweck ihrer Annonce zu sprechen. Mit einem gewinnenden Lächeln und einem unschuldigen Blick sagte sie: „Es handelt sich nicht um eine Komödie auf der Bühne, sondern um einen Scherz im wirklichen Leben. Sie sollen für etwa drei Stunden meinen Mann vertreten, meinem Vater gegenüber. Für diese drei Stunden erhalten Sie ein Honorar von dreihundert Mark. Hier ist das Geld! Bitte nehmen Sie ganz ruhig! Die Sache hat keinen Haken. Es ist ein harmloser
Scherz, von dem ich für meine Person aber vieles erwarte."
Die drei blauen Scheine da vor ihm auf dem Tisch reizten den abgebrannten Künstler zwar gewaltig, aber dennoch zögerte er sie an sich zu nehmen; die Sache erschien ihm doch etwas brenzlich. Zögernd sagte er: „Ich zweifle nicht an der Wahrheit Ihrer Worte, aber ich möchte doch vorher etwas Näheres erfahren."
Sie lächelte gewinnend und erwiderte ganz zuvorkommend : „Ich finde Ihr Verlangen vollkommen gerechtfertigt, und ich will Ihnen gerne in Kürze das wichtigste mitteilen." Sie dachte einen Augenblick nach und sprach dann ohne eine Spur von Verlegenheit: „Als ich neun Jahre alt war, jetzt zähle ich bald zwanzig, da starb meine gute Mutter. Wenige Monate später reiste mein Vater nach Südamerika, wo er große Plantagen besaß, die dringend seine Anwesenheit erforderten. Mich, sein einziges
den Frauen Schwedens veranstaltet, bei der die Entscheidung in erster Linie bei den beiden bekannten Malern Anders Zorn und Björck lag. In diesem Wettbewerb ist als Schwedens schönste Frau ein Fräulein Lundströme anerkannt worden, eine erst sechzehnjährige Dame, die übrigens gegenwärtig in Dresden ansässig ist. Die Preisgekrönte hat blaugraue Augen, reiches, aschblondes Haar, einen schönen Teint und eine prächtige hohe Gestalt. Den zweiten Preis erhielt Frau Greta Sjöberg, die den Haushalt des Dichters Werner v. Hejdenstam leitet, den dritten ein Fräulein Gustasfon in Sundsvall. Auch diese beiden Damen zeigen ausgeprägt nordisch-germanische Züge.
Ein uralter Fastnachtsbrauch hat sich unter dem Namen „Männersaat" in dem Oertchen Trill- fingen in Württemberg erhalten. Die „Männersaat" findet nur in solchen Jahren statt, in welchen während der Zeit vom 6. Januar (Dreikönigstag) bis zur Fastnacht keine Hochzeit stattgefunden hat. Alsdann vermummen sich sämtliche jungen Burschen des Ortes und gehen darauf aus, die Mädchen des Ortes zu fangen und mit Stricken zu binden. Die Mädchen werden nun so gebunden zu einer mit starkem Dorngestrüpp eingeflochtenen jEgge geführt und nun beginnt, unter vielseitigen Fluchtversuchen der Dorfschönen, die Männersaat. Ein Säemann mit Dreispitz und in alter Tracht geht mit einem Säesack voraus, Spreu — die Männersaat — in alle Winde zu streuen; die an die Egge gespannten Mädchen müssen sie eineggen; aus dieser Saat sollen Männer für die Mädchen wachsen. Nach der Saat findet ein allgemeiner Schmaus statt. Im vorigen Jahre waren gegen 40 Mädchen an der Egge.
Unzerstörbare Telegraphenpfähle. Die Herstellung der Telegraphenpfähle ist eine sehr wichtige Frage, wenn man bedenkt, in wie großer Anzahl dieses Verkehrsmittel gebraucht wird, wie teuer jeder einzelne Pfahl und wie kurz seine Lebensdauer ist. Denn ^nach 12 Jahren ist ein gewöhnlicher Holzpfahl vollständig dienstuntauglich geworden und muß entfernt und durch einen neuen ersetzt werden, wobei Kosten entstehen, die noch größer sind, als die der Montierung des ersten Pfahles. Man hat daher schon lange nach einem brauchbaren Ersatz gesucht und diesen endlich in dem Zement gefunden. Die Einführung dieser neuen Pfähle bedeutet eine gewaltige Ersparnis, denn ihre Lebensdauer ist fast unbegrenzt. Sie bestehen aus einem Kern von Drahtspiralen, der in einer Form mit einer Zementschicht umgoffen wird. Diese Vereinigung von Zement und Stahl bietet große Vorzüge: der Pfahl
Kind, brachte er nach einer süddeutschen Residenz in Pension, wo ich bis vor einem Jahre blieb. Zu dieser Zeit lernte ick meinen jetzigen Mann kennen, den ich wider Willen meines Vaters heiratete. Darob zürnte er mir und hat nie wieder an mich geschrieben. Vor wenigen Tagen las ich in der Zeitung, daß mein Vater, der Konsul Berger, als Millionär nach hier zurückgekehrt sei und in einem westlichen Vorort eine große Villa käuflich erworben habe. Ich will mich meinem Vater zu Füßen werfen und seine Verzeihung erflehen. Ich habe ihn seit zehn Jahren nicht gesehen, doch kenne ich ihn nach der letzten Photographie, die er mir kurz vor meiner Heirat sandte. Meinen Mann kennt er gar nicht. Derselbe weilt auch augenblicklich in London und eignet sich wenig dazu, einen widerstrebenden Schwiegervater auszusöhnen. Das werden Sie besser besorgen. Sie treten meinem Vater nur einmal gegenüber beim ersten Wiedersehen, und dann lasse ich Sie angeblich nach London abreisen. Sie verhalten sich so bescheiden und reumütig wie möglich und überlassen mir die Führung des Wortes. Ich versichere Ihnen, daß die Sache ganz harmlos und ungefährlich ist."
Nach kurzem Kampf willigte Fehrbach ein. Eine Stunde später fuhren die beiden bereits nach der Villa des Konsuls Berger. Der sechzigjährige Konsul stutzte zwar als ihm der Diener die Karte seiner Tochter brachte, aber er ließ das Ehepaar doch eintreten.
Als Elise von Köhler den alten, gebräunten