.v 86. Amts-

und Anzeigeökatt für den Bezirk Halm. 78. ZchMg.

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Donnerstag, den 4. Juni 1903.

Abonnementspr. in d. Stadt pr. Biertelj. Mk. 1.10 incl. Lrägerl. Vierteljährl. Postbezugspreis ohne Bestellg. f. d. Orts- u. Nachbar­ortsverkehr 1 Mk., f. d. sonst. Verkehr Mk. 1.10, Bestellgeld 20 Pfg.

Tagesneuigkeiten.

X Gechingen, 2. Juni. Bei einem sehr schweren Gewitter, das sich heute um die Mittags­zeit über unseren Ort und unserer Markung entlud, entzündete ein Blitzstrahl die Scheune des Christian Stiegelmaier, Sailer und Bauer. Da in der Scheuer noch ziemlich große Strohvorräte aufge­speichert waren, fand das Feuer reichliche Nahrung, so daß nach ganz kurzer Zeit das Gebäude in Hellen Flammen stand. Dank der sofort zur Unglücksstätte herbeigeeilten Einwohnerschaft, welche ohne Unter­schied des Alters und des Geschlechts und des Standes unausgesetzt und zwar aus ziemlicher Ferne Wasser herbeitrug, dank aber auch des in Strömen herabfließenden Regens gelang es der angestrengten Tätigkeit der hiesigen Feuerwehr, das angebaute Wohnhaus des Betroffenen noch zu retten, während die noch ziemlich neue Scheuer (im Jahr 1876 erbaut) innerhalb einer Stunde ein großer Trümmerhaufen war. Von dem an die Scheuer angebauten Stall­gebäude brannte der Dachstock herunter. Zum Glück wurde kein Menschenleben beschädigt. Der Abgebrannte ist versichert.' Während dieses Brandes schlug ein 2. heftiger Blitzschlag in das große Doppelhaus (mit angebauter Scheuer) des Ludwig Schwarz, Gemeinderat, und Friedr. Dong us aber glücklicherweise ohne zu zünden. Die Be­wohner dieses Gebäudes wurden in große Angst versetzt, kamen aber mit dem Schrecken davon.

Ostelsheim, 2. Juni. Unsere ländliche Einförmigkeit wurde gestern wieder auf angenehme Weise unterbrochen durch den Besuch unseres demo­kratischen Reichstagskandidaten, Hrn. Kaufmann Schweickhardt aus Tübingen. Derselbe stellte sich gestern Nachmittag im Gasthaus zu Rößle seinen Wählern vor. Die Versammlung war Dank des

geschickt gewählten Tages gut besucht, doch dürften leider nicht alle Anwesenden als Wähler in Be­tracht kommen. Der Herr Kandidat verzog etwas mit seiner Ankunft und so hatte sich mittlerweile schon ein recht fröhliches Pfingstmontagleben ent­wickelt. Wir lernten in Herrn Schweikhardt einen recht netten, liebenswürdigen Herrn und guten Redner kennen und wir bedauern nur, daß er seine Zeit und Kraft einer so undankbaren Sache zur Verfügung stellt. Es würde natürlich zu weit führen auf seinen Vortrag näher einzugehen. Nach einigen einleitenden Worten, aus denen wir er­fuhren, daß er älter sei, als er eigentlich aussehe, richteten sich seine Ausführungen naturgemäß in der Hauptsache gegen den bösen, gemeingefährlichen Bauernbund. (Derselbe ist nämlich hier ziemlich gut organisiert.) Da im hiesigen Ort infolge einer ausgedehnt betriebenen Schweinhaltung viel Mais konsumiert wird, suchte er uns das Gespenst einer Maisteuerung an die Wand zu malen, als unaus­bleibliche Folge des neuen Zolltarifs. Daß der Maiszoll, wie leider noch viele andere, gesetzlich noch gar nicht festgelegt ist, die Regierung also beim Abschluß neuer Handelsverträge immer noch nach ihrem Gutdünken tun und lassen kann was sie will, das hat er seiner gespannt lauschenden Zu­hörerschaft natürlich nicht verraten. Er hatte sich denn auch seitens unseres Bundesmitglieds I. Schund einer so gründlichen Abfuhr zu erfreuen, daß er sie sich nicht besser wünschen konnte. Der Beifall, den seine Ausführungen in der Versamm­lung fanden, fiel, wie es nach Lage der Dinge ja freilich auch nicht anders sein konnte, nur ziemlich spärlich aus, ja, wenn ein anwesender Volksparteiler aus dem benachbarten G. nicht gewesen wäre, der es sich nicht nehmen ließ, jedesmal wie auf Komando Beifall zu klatschen, so wäre er beinahe gleich Null

gewesen. Im übrigen verlief die Versammlung erfreulicherweise sehr ruhig. Die anwesenden wenigen zielbewußten Freunde des Kandidaten, sowie dessen Gegner suchten der Sache mehr die heitere Seite abzugewinnen, und so geben wir uns denn der süßen Hoffnung hin, daß der politische Friede in unserer Gemeinde auch durch diese Wahl nicht ge­stört wird. Zu unserem Bedauern denn wir hätten uns gerne noch länger mit ihm unterhalten verließ uns Herr Schweickhardt sehr bald, wohl mit der Ahnung im Busen, daß seine in dieser Versammlung ausgesäte Saat nicht zu sehr in die Höhe schießen wird. Wir richten nochmals an alle Wähler die dringende Bitte, ihre Stimmen am 16. Juni auf unfern seitherigen bewährten Abge­ordneten, Herrn Fr. S <hrempf aus Stuttgart, zu vereinigen, denn er ist der Mann, dem wir unser vollstes Vertrauen in jeder Beziehung schenken können, dafür bürgt uns seine seitherige Tätigkeit. -r.

.Al tensteig, 30. Mai. (Heidelbeeren.) In diesem Jahr steht uns hier und in der Umgegend eine außerordentliche reiche Heidelbeerernte in Aus­sicht. Die Beerenstauden haben zum größten Teil abgeblüht und zeigen einen so reichen Fruchtansatz, wie es schon seit vielen Jahren nicht mehr der Fall war.

Alten steig, 2. Juni. Der vom hiesigen Schwarzwald- und Verschönerungsperein erstellte Aussichtsturm auf dem Kaps bei Egenhausen mußte wegen Baufälligkeit abgebrochen werden. Derselbe wird in Bälde durch einen bedeutend höheren ersetzt werden und dürfte dann noch mehr als bisher ein Anziehungspunkt für viele Fremden werden.

Leonberg, 1. Juni. Die vom Ver­schönerungsverein auf dem Engelberg erbaute

Nachdruck verboten.

IreiwMg arm.

Original-Roman v. Jda John-Arnstadt.

(Fortsetzung.)

Manchmal tönte der Mutter Stimme wie ein verirrter Wehelaut zu ihm herauf; durch das Wüten des Wetters hindurch hörte er den Vater fluchen und schreien. Es bewegte ihn nicht; nicht einmal, daß die Mutter nicht zu ihm kam. Ungesehen und ungehört ritt er davon, einem Leben voll Kampf und Entsagung entgegen, in Sturm und Wetter hinaus.

Und Lorchen?

Im lichtblauen, spitzenüberieselten Seidenkleid das einzige kostbare Ge­wand, das sie mit in die Einsamkeit genommen hatte das schöne, dunkle Locken­haar mit einer Perlmutterspange hochgenommen, ein Sträußchen Waldblumen im Gürtel und die zarten Hände gefaltet, stand sie am Fenster ihrer kleinen Giebel­stube und blickte ängstlich dem Treiben zu.

Wie eine Riesenfaust fuhr der Orkan über die Wipfel hin, und wo er sie packte, wehrten und beugten sich die Starken; wie um Rettung flehend, streckten die Weiden drunten am See ihre Zweige gegen den Himmel, dessen Blau man nicht sah, denn kein noch so grellzuckender Blitz die Wolkenhülle abriß.

Wo war er jetzt, ihr Arnold, ihr einzig Geliebter? Heischte er des Vaters ^egen? Vielleicht, ja hoffentlich nicht vergeblich, denn dann mußte seine Freude um so größer sein, wenn sie ihm sagte: Sei getrost, ich bin und habe alles, dich zu beglücken; die Komödie ist auS, führe die Ebenbürtige in Dein Schloß."

Wenn das Unwetter nur erst vorüber wäre! Einmal doch mußte dieser Hagel- und Regenschauer ein Ende nehmin, und dann kam dis Sonne; nicht eher wollte sie hinab zu Tantchen, bis er da war, an seinem Arme o berausch­ender Gedanke! um ihren Segen bitten. Was sie wohl dazu angeben würde, die Treue, Gute, wenn die Kleine als des Barons Braut in das Zimmer trat?

Plötzlich, als neue Hagelsalven über die Wipfel und das kleine Dach des Hauses prasselten, erfaßte sie eine unsägliche Bangigkeit, eine Angst ohne Gleichen trieb sie auf und ab in dem engen Zimmerchen. Furcht war es nicht, wie hätte sie sich fürchten sollen, sie, die jedes noch so schwere Gewitter, als den erhabendsten Ausdruck der Natur, mit Entzücken betrachtete? Und heute ihrem Verlobungs­tage! War ihm etwas geschehen oder gab es doch jene Geheimleitung von Seele zu Seele, deren Vorhandensein sie manchem geistreichen Manne gegenüber verlacht und verspottet hatte? Endlich hielt sie es nicht mehr aus so allein, sie mußte sich zerstreuen, die Zeit des Wartens dauerte auch zu lange. Obgleich Sturm und Regen, Blitz und Hagel sich endlich legten, mußten immerhin noch Stunden ver­gehen, bis er kam, denn so mitten im Unwetter konnte er nicht von der Brunn- cckshöhe weggegangen sein. Oder doch? Vielleicht war er geritten und mit dem Pferde gestürzt?

Tante Adel saß unten in ihrem Lehnsessel und las in einem Gebetbuch, wie sie bei jedem Gewitter zu tun pflegte, eben es hatte ja nachgelassen draußen nahm sie die Brille ab und legte sie mit den gefalteten Händen auf den Folianten auf ihren Knien, als Lori hereintrat. Jungfer Holdermann traute ihren Augen nicht.In starrer Seide, Kleine?" fragte sie völlig fassungslos vor Verwunderung;ja was ist denn für ein Feiertag heute?"

Lori lächelte, raffte die Falten ihres Kleides zusammen, um vor der Greisin